Rentenreform -
eine "Große Koalition"
zeichnet sich ab
ln fünfzehn Thesen nannte der SPD-Sozialexperte Eugen Glom- big vor kurzem in der Wochenzei- tung "Rheinischer Merkur" die Bedingungen, unter denen seine Partei mit der Koalition Konsens bei der Rentenreform anstrebe.
Nach seiner "persönlichen Auffas-
sung", die sich "aber natürlich an
Grundsätzen sozialdemokrati- scher Sozialpolitik orientiere", wie Glombig schreibt, müsse von der bruttolohnbezogenen Rente als ei- ner "leer gewordenen Formel" Ab- schied genommen werden. Eine Besteuerung der Renten sollte
vermieden werden, da es außeror-
dentlich unwahrscheinlich sei, daß das Steueraufkommen der Rentner in die Rentenkassen zu- rückfließe.
Sollte eine Besteuerung jedoch verfassungsrechtlich unvermeid- bar sein, dürfe sie nur sehr hohe Renten treffen. Es müsse auch die Frage geklärt werden, ob die Ren- ten mit einem fiktiven Beitrags- und Steuerabzug belastet werden könnten, der jedoch in der Ren- tenkasse verbleibe.
Beitragssatzanhebungen dürfen nach Meinung Glombigs kein Ta- bu sein. Um den Bundeszuschuß wieder zu einer verläßlichen Größe zu machen, schlägt Glombig eine formelmäßige Verknüpfung dieses Finanzierungsanteils mit Renten- anpassungssatz und Beitragssatz vor. Dadurch werde ein flexibler Anpassungsmechanismus ge- schaffen, der ständige punktuelle Eingriffe des Gesetzgebers über- flüssig mache.
Diese Maßnahmen müßten durch eine Sozialkomponente flankiert werden, am besten dadurch, daß die Rente nach Mindesteinkom- men zur Dauerlösung ausgebaut werde.
Neben Vorschlägen zu Einspa- rungen bei der Altershilfe der
Landwirte und zur knappschaftli- ehen Rentenversicherung, fordert Glombig den Beamten ein "Opfer"
zur Sanierung der Renten ab. Sie sollten einen Pensionsbeitrag in Höhe des Arbeitnehmerbeitrages zur Rentenversicherun~1 ent- richten.
..,. Glombig spricht sich für Ren- tennivellierung mit dem Argument aus, daß angesichts des ungünsti- ger werdenden Altersaufbaus der Bevölkerung es keiner Gruppe von Arbeitnehmern gestattet werden dürfe, der Solidargemeinschaft der Sozialversicherung d1m Rük- ken zu kehren und sich zu einer
"Sondergruppe" mit wesentlich
günstigerer Alters- und Risiko- struktur zusammenzuschließen.
"Die zahl reichen berufsständi-
schen Versorgungswerke der kammerfähigen freien Berufe (wie Ärzte, Zahnärzte, Apotheker, Rechtsanwälte, Architekten) soll- ten bezüglich des Leistungs- und Beitragsrechts an die gesetzliche Rentenversicherung angE~glichen
werden. Oder die als Anqestellte beschäftigten Angehörigen dieser Berufe verlieren das Privileg, von der Rentenversicherunospflicht befreit werden zu könn·=m", so Glombig wörtlich.
Wenige Tage zuvor hatte auch die Vorsitzende des Arbeitskreises
"Sozialpolitik der SPD-Bundes-
tagsfraktion, Anke Fuchs, im Pres- sedienst ihrer Partei zur Renten- frage Stellung bezogen.
Darin unterstrich sie den "Koope- rationswillen" ihrer Partei mit der CDU: "Die Sozialdemokraten bie- ten der CDU im Geiste historischer Solidarität die Hand." Sie attak- kierte gleichzeitig deren Koali- tionspartner: "Die FDP will, das haben die jüngsten Äußerungen der Generalsekretärin Adam- Schwaetzer wieder in Erinnerung gerufen, die Substanz der von CDU und SPD geschaffenen Le- bensstandardrente zerstören."
Kooperationsbereitschaft wird in- des grundsätzlich auch vom Vor-
Spektrum der Woche Aufsätze ·Notizen KURZBERICHTE
sitzenden der CDU/CSU-Bundes- tagsfraktion, Dr. Altred Dregger, signalisiert: "Die CDU/CSU-Bun- destagsfraktion unterstützt das Bemühen des Bundesministers für
Arbeit und Sozialordnung, zwi-
schen den politischen Parteien und den gesellschaftlichen Grup- pen Einvernehmen über die künfti- ge Struktur der gesetzlichen Ren- tenversicherung zu erzielen."
Bundesarbeitsminister Norbert Blüm hat inzwischen die Absicht geäußert, die Vorschläge abzu- warten, die eine von der Bundes- regierung eingesetzte Kommis- sion zur Alterssicherung vorlegen wird.
Nach einem Bericht der Tageszei- tung "Kölner Stadt-Anzeiger"
über ein Seminar des Manage- ment Instituts Hohenstein, an dem der Vorsitzende der Kommission, Professor Meinhold, teilnahm, ist mit diesen Vorschlägen- so Mein- hold- allerdings erst Ende dieses Jahres zu rechnen.
Blüm möchte dem Kabinett einen Einsparungsvorschlag unterbrei- ten, um eine Verschiebung des Renten-Anpassungstermins Mitte 1984 zu verhindern. Der Plan einer erneuten Verschiebung der Ren- tenanpassung geht auf eine gülti- ge Koalitionsvereinbarung zwi- schen CDU/CSU und FDP zurück.
Blüm hatte vor wenigen Wochen in der Presse mit seinem Rücktritt
"gewunken" für den Fall, daß die-
se Koalitionsvereinbarung ver- wirklicht werde.
Nach einem Interview, das Blüm der Wochenzeitschrift "Die Zeit"
gegeben hat, lautet seine Marsch- richtung: Orientierung der Sozial- renten am verfügbaren Einkom- men der Arbeitnehmer (was nach Aussage Blüms nicht als Nettoren- tenformel ausgelegt werden dür- fe), Einbeziehung der Beamten in die Finanzierung ihrer Alterssiche- rung und Erhöhung der Sozialver- sicherungsbeiträge ab Januar 1984 von dann 18,5 Prozent auf 19
Prozent. ck
Ausgabe A DEUTSCHES ARZTEBLATT 80. Jahrgang Heft 19 vom 13. Mai 1983 89