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Archiv "Gesundheitsminister der Länder: „Große Koalition“ wird nahtlos fortgesetzt" (09.12.1994)

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POLITIK LEITARTIKEL

Gesundheitsminister der Länder

"Große Koalition" wird nahtlos fortgesetzt

Mehr noch als in der vergangenen Legislaturperiode muß sich Bundesgesundheitsminister Horst Seehofer auf eine zunehmend selbstbewußte und einflußreiche Riege von Landesministern ein- richten. Mitte November trafen diese sich in Hamburg, um am En-

de eine Fülle von Beschlüssen und Forderungen vorzulegen. Brei- ten Raum widmete die Konferenz dabei der Weiterentwicklung der ambulanten, vor allem der hausärztlichen Versorgung und deren Verzahnung mit dem stationären Sektor.

ei der nächsten Stufe der Gesundheitsreform wollen die Länder von vornherein mit am Tisch sitzen. Zwar werden die eindeutigen Mehrheits- verhältnisse im Bundesrat dies oh- nehin sicherstellen, doch melden die Länder schon jetzt nachdrück- lich ihre Ansprüche und Forderun- gen an. Gemeinsam mit Seehofer wollen sie „zügig ein in sich ge- schlossenes Rahmenkonzept zur Förderung der hausärztlichen Ver- sorgung vorlegen", das über den Stand hinausgeht, der durch das Gesundheitsstrukturgesetz geschaf- fen worden ist. Die bisherigen Be- schlüsse der gemeinsamen Selbst- verwaltung von Ärzten und Kran- kenkassen halten die Ländermini- ster offensichtlich für unzureichend.

Spätestens in zehn Jahren, heißt es in dem Papier der Gesund- heitsministerkonferenz der Länder, ist mit einer prozentualen Zunahme der chronischen Erkrankungen zu rechnen. Diese Prognose gründet sich auf die absehbare demographi- sche Entwicklung, in deren Folge es immer mehr multimorbide ältere Menschen geben wird. Wenngleich die Länderminister damit einen zu- nehmenden Behandlungsbedarf at- testieren, halten sie es dennoch nicht für notwendig, der ambulan- ten Versorgung mehr Geld zur Ver- fügung zu stellen. Statt dessen lau- tet die Empfehlung: Mobilisierung von Reserven und Umschichtung.

Um dies bewerkstelligen zu können, müßten zunächst struktu- relle Defizite behoben werden. Al- len voran kritisiert die Konferenz das quantitative Verhältnis von Fachärzten zu Allgemeinärzten und

Praktischen Ärzten (60 zu 40). Zu oft übernähmen derzeit noch Spe- zialärzte Aufgaben der ärztlichen Grundversorgung — ein Umstand, der durch das Recht auf freie Arzt- wahl begünstigt werde. Überdies setze das Vergütungssystem über die Einzelleistungsvergütung An- reize zu medizinisch nicht begründ- baren Mengenausweitungen.

Modellversuch zum Primärarztsystem Die Lösung sehen die Gesund- heitsminster der Länder in einer konsequenten Stärkung der hausärztlichen Versorgung zu La- sten der niedergelassenen Speziali- sten. Sie verweisen auf die Diskussi- on um zwei mögliche Modelle: die hausärztliche und die primärärztli- che Versorgung. Während die von den Ländern beschriebene haus- ärztliche Versorgung in etwa dem entspricht, was derzeit von der Kas- senärztlichen Bundesvereinigung und den Spitzenverbänden der Krankenkassen entwickelt wird, be- deutet die primärärztliche Versor- gung nach Lesart der Ländermini- ster einen drastischen Eingriff in die freie Arztwahl. Die Versicherten müßten sich für einen Hausarzt ent- scheiden und könnten nur noch durch Überweisung ihres Hausarz- tes einen Facharzt aufsuchen.

Eindeutig Stellung bezieht die Gesundheitsministerkonferenz frei- lich nicht. Zwischen den Zeilen ist aber zu lesen, wie die Länder sich die weitere Gangart vorstellen:

„Nach Auswertung erster Erfah- rungen des Hausarztmodells ist die

primärärztliche Versorgung modell- haft zu erproben". Will heißen:

Wenn die Kassenärzteschaft nicht aus eigener Kraft zu einer funktio- nierenden Gliederung in einen hausärztlichen und fachärztlichen Versorgungsbereich findet, kommt das Primärarztmodell durch die Hintertür.

Zur Stärkung der hausärztli- chen Versorgung möchten die Län- der die Bedarfsplanung einsetzen.

So fordern sie den Bundesausschuß der Ärzte und Krankenkassen und die Zulassungsausschüsse auf Lan- desebene auf, die Verhältniszahlen und künftigen Zulassungen so zu steuern, daß ein Verhältnis von 60 Prozent Allgemeinärzten zu 40 Pro- zent Fachärzten hergestellt wird.

Zugleich legen sie Bundesgesund- heitsminister Seehofer ans Herz, die Krankenhäuser für die ambu- lante fachärztliche Betreuung zu öffnen, indem Krankenhausärzten das ambulante Behandlungsrecht eingeräumt wird.

In bezug auf die Vergütung fa- vorisieren die Länderminister ein Modell, das auch schon von den Spitzenverbänden der Krankenkas- sen diskutiert wird. Danach sollen der hausärztlichen und der fachärzt- lichen Versorgung getrennte Bud- gets zugeordnet werden. In den so getrennten Vergütungsbereichen könnten unterschiedliche Vergü- tungsformen verwendet werden, die den jeweiligen Arztgruppen und de- ren spezifischen Aufgabenstellun- gen gerecht werden. Für die ärztli- che Grundversorgung schlägt die Ministerriege ein Mischsystem aus Kopfpauschale pro Patient, ergänzt durch weitere differenzierte Pau- Deutsches Ärzteblatt 91, Heft 49, 9. Dezember 1994 (15) A-3399

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Ständiger Ausschu3 der Europäischen Ärzte

Position gegenüber der Kommission stärken

Die diesjährige Plenarversammlung des Ständigen Ausschusses der Europäischen Ärzte (CP) in Lissabon war die letzte unter der Präsidentschaft der portugiesischen Delegation.

Diskutiert wurde daher unter anderem, welche Strategien und Ziele die Griechen während ihres im kommenden Jahr beginnenden Vorsitzes des CP verfolgen, um das gesundheits- politische Programm der europäischen Ärztevertretung auszubauen. Für angeregte Debat- ten sorgte auch die Frage, wie die Position des Ständigen Ausschusses gegenüber der Eu- ropäischen Kommission gestärkt werden kann. Geschlossen stimmten die Delegierten dafür, weiteren osteuropäischen Ärzteorganisationen (aus Bulgarien, der Slowakei und Po- len) den Beobachterstatus einzuräumen. Zum neuen Vorsitzenden des Ausschusses Aus-, Weiter- und Fortbildung wurde Prof. Dr. Jörg Hoppe von der Bundesärztekammer gewählt.

POLITIK LEITARTIKEL/AKTUELL

Auffallend heftig nahmen die Delegierten des Ständigen Aus- schusses die Vertreterin der Eu- ropäischen Kommission, Laxmi Reilly, in die Zange, als es darum ging, die Rolle des CP gegenüber der Kommission zu verteidigen. Dr.

Karsten Vilmar, Deutschland, brachte das Anliegen der Delegier- ten auf den Punkt: „Im Sinne des europäischen Subsidiaritätsprinzips sollte die Kommission stärker auf die Vorschläge des Ständigen Aus- schusses zurückgreifen und in die Entscheidungen des Europäischen Parlaments einfließen lassen." Die Tatsache, daß der CP die offizielle Vertretung der etwa 1,3 Millionen europäischen Ärzte sei, legitimiere ihn, gegenüber anderen Gruppie- rungen, wie den europäischen Fach- verbänden, vorrangig angehört zu werden, bekräftigte Dr. Guy Meisch, Luxemburg.

Ab '95 in Griechenland

Dr. Otmar Kloiber, Deutsch- land, zeigte am Beispiel der Abfall- entsorgung auf, daß die Kritik der Delegierten nicht ungerechtfertigt ist. Bei einem von der Kommission vorgelegten Entwurf eines Ab- fallkatalogs seien die Vorschläge der Projektgruppe „Health Care Waste", an der auch der deutsche CP-Experte Dr. Heinz-Michael Just

teilgenommen hatte, außer acht ge- lassen worden. „Dies hat die Konse- quenz, daß jeglicher Müll aus Kran- kenhäusern und Arztpraxen als Sondermüll zu behandeln ist, was die Kosten für die Abfallbeseiti- gung verzehnfachen kann", rechne- te Kloiber vor. Zudem könnten so ökologisch sinnvolle Techniken wie das Recycling von Rohstoffen nicht mehr genutzt werden.

Die Delegierten erklärten sich mit dem Vorschlag Vilmars einver- standen, an ihre nationalen Gesund- heits- und Umweltminister einen Brief zu schreiben, in dem diese da- zu aufgefordert werden sollen, im europäischen Ministerrat nicht für den Kommissions-Entwurf zu stim- men.

Mit Interesse und Wohlwollen quittierten die Teilnehmer der Plen- arversammlung auch die Anregung der Juristengruppe, einen Ad-hoc- Ausschuß einzurichten, der Haf- tungsfragen im ärztlichen Bereich prüfen soll. Ziel des Ausschusses soll sein, die Kommission über Lö- sungsmöglichkeiten zur Problema- tik von Schlichtungen und Patien- tenversicherung zu informieren.

Der griechischen Delegation, wurde der Wunsch mit auf den Weg gegeben, sich während ihrer Präsi- dentschaft weiter für eine stärkere Zusammenarbeit mit der Europäi- schen Kommission und dem Parla- ment einzusetzen. Petra Spielberg schalen und zeitbezogene Einzel-

leistungsvergütungen vor.

Auch die ärztliche Aus-, Wei- ter- und Fortbildung müsse sich mehr an den Erfordernissen der hausärztlichen Versorgung orien- tieren — bis hin zu einem Pflicht- praktikum „Allgemeinmedizin" im Studium. Unter anderem fordern die Minister in diesem Zusammen- hang die Institutionalisierung der Allgemeinmedizin an den medizini- schen Hochschulen, die Einführung eines mehrsemestrigen Curricu- lums Allgemeinmedizin und eine weitere Aufwertung durch die Ein- führung eines entsprechenden obli- gatorischen Prüfungsfachs im 3.

Klinischen Staatsexamen.

Weitere Vorschläge betreffen die Sicherstellung von hinreichend vielen Weiterbildungsstellen in den Krankenhäusern und den Praxen.

Schließlich fordert die Gesund- heitsministerkonferenz, die für die ärztliche Grundversorgung relevan- ten Ausbildungsinhalte auf Kosten des fachärztlichen Spezialwissens in der Lehre und beim Prüfungsstoff in der Approbationsordnung be- ziehungsweise in den Studienord- nungen der Medizinischen Fakultä- ten zu verankern.

Alles in allem deuten die Be- schlüsse der Gesundheitsminister- konferenz der Länder darauf hin, daß der Trend zur stärkeren Regio- nalisierung im Gesundheitswesen verstärkt werden soll. Die Minister drängen mit Macht auf eine Stär- kung der hausärztlichen Grundver- sorgung zu Lasten der niedergelas- senen Fachärzte, die obendrein noch Konkurrenz durch ein ambu- lante Behandlungsrecht der Kran- kenhausärzte zu fürchten haben.

Daß die Beschlüsse und Forde- rungen der Länder aufgrund der Mehrheitsverhältnisse im Bundes- rat durchaus von Gewicht sind, ist nicht zu bestreiten. So gesehen ge- winnen auch die Stimmen inner- halb der ärztlichen Selbstverwal- tung an Gewicht, die Lösungen und Regelungen aus eigener Kraft an- mahnen, um nicht am Ende von ei- ner länder- und parteienübergrei- fenden „Großen Gesundheitskoali- tion" vor (unliebsame) Tatsachen gestellt zu werden. Josef Maus

A-3400 (16) Deutsches Ärzteblatt 91, Heft 49, 9. Dezember 1994

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