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Archiv "Kongressbericht: Medikamentöse Therapie von Osteoporose, Alzheimer-Krankheit und Morbus Parkinson" (18.04.2003)

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M E D I Z I N

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A1074 Deutsches ÄrzteblattJg. 100Heft 1618. April 2003

O

steoporose, Alzheimer- und Par- kinsonsche Krankheit haben einen gemeinsamen Nenner: Es handelt sich um chronische Krankheiten, die sehr häufig sind, vor allem im höheren Alter auftreten und zu schwerer Behinderung, langdauerndem Siechtum, Schmerzen, Leid und zu einer massiven Belastung der Angehörigen führen können. Sie ver- ursachen dadurch enorme direkte und indirekte Kosten. Ihre adäquate Behand- lung inklusive der psychologischen Be- treuung von Patienten und Angehörigen ist meist komplex und erfordert hohe Kompetenz. Über diesen Themenkom- plex berichtete die Arzneimittelkommis- sion der deutschen Ärzteschaft (AkdÄ) auf ihrer Veranstaltung „Aktuelle Arz- neitherapie“ im Rahmen des 27. Interdis- ziplinären Forums der Bundesärztekam- mer.

Osteoporose

In Deutschland leiden 4 bis 6 Millio- nen Menschen (80 Prozent davon Frau- en) an Osteoporose, und nur ein Viertel dieser Patienten wird adäquat behandelt, erläuterte Jutta Semler, Berlin. 87 000 Frauen und 30 000 Männer erleiden jähr- lich eine proximale Hüftfraktur, 20 Pro- zent sterben daran, 20 Prozent bleiben nachhaltig behindert. Allein die direkten Kosten im ersten Jahr nach der Fraktur belaufen sich auf 2,5 Milliarden Euro. Ei- ne rationale Therapie muss risikoadap- tiert erfolgen, wozu die neue Leitlinie der AkdÄ detaillierte Informationen gibt.

Die Knochendichte allein kann niemals die Indikation für eine medikamentöse Therapie begründen. Vielmehr müssen Informationen zu gesicherten Risikofak- toren, Aussagen zum Sturzrisiko und er-

gänzende Informationen ausgewertet werden. Zu den Hauptrisikofaktoren gehören insbesondere Frakturen ohne adäquates Trauma und eine langfristige Steroidtherapie. Neben den bekannten unverzichtbaren laborchemischen Un- tersuchungen, wie zum Beispiel von Kreatinin und Calcium im Serum und der alkalischen Phosphatase ist die Be- stimmung je eines Anbau- und Ab- baubiomarkers adäquat. Eine Sekun- därprävention bei Hochrisikopatienten erscheint ökonomisch sinnvoll; eine Tertiärprävention nach bereits erfolg- tem Wirbelkörperbruch nicht durchzu- führen, muss nach Auffassung von Sem- ler als Kunstfehler betrachtet werden.

Die Grundlage jeder Therapie basiert auf dem Appell an die Eigenverantwortung des Patienten,der bei der Medikation mit Calcium, Vitamin D und eventuell Anal- getika, der Physiotherapie mit dem er- wünschten Muskelaufbau sowie bei der Vermeidung von Stürzen und Frakturen (Hüftprotektor!) aktiv mitwirken soll.

Von den infrage kommenden Medika- menten können nach Kriterien der evi- denzbasierten Medizin nur Bisphospho- nate und Raloxifen ausdrücklich emp- fohlen werden. Sie stellen schnell eine ausreichende Knochendichte wieder her, sollten aber 3 bis 4 Jahre gegeben werden und belasten dadurch das Praxisbudget.

Das potenziell erreichbare Behandlungs- ziel wird im Praxisalltag häufig nicht er- reicht. Dies liegt daran, dass detaillierte Patienteninformationen nicht verfügbar sind, ein Frakturrisiko nicht erkannt oder ignoriert wird und unzureichend thera- piert wird (beispielsweise durch ungenü- gende Schmerztherapie/Physiotherapie, wissenschaftlich nicht gesicherte Thera- pien oder zu frühem Therapieabbruch).

Die Beachtung der Leitlinien der AkdÄ

und des Dachverbandes deutschspra- chiger wissenschaftlicher osteologischer Gesellschaften (DVO) könnten diese und andere Fehler vermeiden helfen und eine individuell maßgeschneiderte, opti- mierte Therapie ermöglichen. Semler be- tonte, dass derzeit praxisrelevante Daten von Hochrisikopatienten überprüft wer- den, um geeignete Patienten rechtzeitig einer gezielten Therapie zuzuführen. Ob Antiresorptiva, beispielsweise Fluorid, bei alten, immobilisierten Patienten von Nutzen sind,kann nicht durch evidenzba- sierte Studien belegt werden.

Alzheimer-Krankheit

Hermann-Josef Gertz, Leipzig, erklärte, dass in Deutschland eine Million Men- schen an der Alzheimer-Demenz leiden.

Die Prävalenz steigt mit fortschreiten- dem Alter an und liegt zwischen dem 90.

und 95. Lebensjahr bei 40 Prozent. Die durchschnittliche Krankheitsdauer be- trägt circa 5 bis 8 Jahre, und die Morta- lität ist um das zwei- bis fünffache ge- genüber der gesunden Bevölkerung er- höht. Die Therapie wird vor allem mit Acetylcholinesterasehemmern (AcheH) durchgeführt, für die auch akzeptable Wirksamkeitsnachweise auf der Basis der von der europäischen Zulassungs- behörde geforderten Kriterien vorliegen.

Nach den CPMP-Leitlinien (CPMP, Committee for Proprietary Medicinal Products) der EU müssen für ein wirksa- mes Antidementivum neben signifikan- ten Verbesserungen gegenüber Placebo auf der kognitiven Ebene zumindest Ver- besserungen bei den Aktivitäten des täg- lichen Lebens oder beim klinischen Ge- samteindruck statistisch signifikant be- obachtet worden sein. Als Fortschritt

Kongressbericht

Medikamentöse Therapie von

Osteoporose, Alzheimer-Krankheit und Morbus Parkinson

Bruno Müller-Oerlinghausen

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wird in der Fachwelt angesehen, dass die CPMP-Leitlinien auch die Verlangsa- mung oder den Stillstand der Progression als Therapieziel anerkennen. Für wirksa- me Antidementiva konnten Kurzzeitef- fekte insofern nachgewiesen werden, als sie die Symptomatik gegenüber dem Ausgangsbefund verbessern. Bei Patien- ten mit leichter und mittelgradiger De- menz, nach wenigen Studien auch schwe- rer Demenz, ist eine dosisabhängige Wirksamkeit aller AcheH nachgewiesen worden. Dagegen ist für Memantin die Wirksamkeit bei mittelgradiger und schwerer Alzheimer-Demenz eindeutig belegt. Von einer überzeugend bewiese- nen Wirksamkeit anderer Substanzen, wie Nimodipin, Piracetam, Hydergin oder Ginkgo biloba kann nach Auffas- sung von Gertz und der AkdÄ nicht aus- gegangen werden. Allerdings halten ein- zelne Vertreter der deutschen Geronto- psychiatrie auch Piracetam und Ginkgo für relevante Antidementiva.

AcheH verzögern den Krankheits- verlauf der Alzheimer-Demenz um etwa ein Jahr. So erreichen nach initialer Ver- besserung die Patienten der Verumgrup- pen nach etwa 12 Monaten wieder den Ausgangswert. Dann beginnt trotz wirk- samer Therapie die in aller Regel lang- sam weiter fortschreitende Verschlech- terung. Die Therapie mit AcheH und mit Memantin greift ähnlich wie Antiparkin- son-Medikamente in die Pathogenese der Alzheimer-Demenz ein, nicht jedoch in ätiologische Prozesse. Im Gegensatz zur Demenz lässt sich aber heute bei der Behandlung des Morbus Parkinson eine Verzögerung der Symptomprogression von bis zu 10 Jahren erreichen. Anhand neuer Studienergebnisse empfahl Gertz möglichst frühzeitig mit einer medika- mentösen Therapie zu beginnen, da of- fenbar für alle drei AcheH gilt, dass ein um drei Monate verzögerter Therapie- beginn mit einem schlechteren Gesam- tergebnis einhergeht. Freilich kann dar- aus nicht die Sinnhaftigkeit einer Be- handlung von Patienten, die noch nicht die Demenzschwelle überschritten ha- ben, abgeleitet werden. Es liegen bislang keine Studienergebnisse über die poten- zielle Wirksamkeit von Antidementiva bei kognitiv gestörten älteren Menschen vor, die nicht die Kriterien einer De- menz erfüllen. Auch wurde kürzlich ge- zeigt, dass AcheH bei älteren Menschen

ohne Gedächtnisstörungen nicht zu ei- ner Verbesserung des Gedächtnisses führen. Brauchbare wissenschaftliche Ergebnisse hierzu werden in den näch- sten Jahren erwartet. Zurzeit besteht hier für kein Antidementivum eine Indi- kation – auch nicht im Off-label-Ge- brauch. Wichtigstes Fazit der vorliegen- den Studien ist, dass durch eine konse- quente medikamentöse Therapie der Alzheimer-Demenz die Zahl der Heim- einweisungen reduziert und damit vielen Patienten ermöglicht werden kann, län- gere Zeit in der gewohnten häuslichen Umgebung zu verbringen.

In der Diskussion wurde der enorme Druck von Patienten und Angehörigen deutlich, dem sich die Hausärzte ausge- setzt sehen. Deshalb müssen Institutio- nen wie die AkdÄ darlegen, welche Sub- stanzen zur Behandlung indiziert sind.

Eindringliche Fragen galten auch der Kontrolle des Therapieerfolgs: Das prak- tisch einzig brauchbare Kriterium kann, nach der persönlichen Erfahrung von Gertz, nur die Symptomverbesserung in den ersten 12 Wochen sein. Diese kann bei etwa 20 Prozent der Behandelten sehr deutlich beobachtet werden.

Parkinsonsche Erkrankung

Über die zweithäufigste neurodegenera- tive Erkrankung, den Morbus Parkinson (MP), dessen Prävalenz bei den über 65- Jährigen etwa 1 : 200 beträgt, berichtete Hilmar Prange, Göttingen. Auch wenn vermutlich schon im präklinischen Stadi- um nicht nur die dopaminhaltigen Neu- rone der Substantia nigra, sondern auch Kerngebiete im limbischen System und in vegetativen Zentren geschädigt sind, entwickeln sich die klinischen Leitsym- ptome als Folge eines Dopaminmangels im Striatum mit konsekutivem Überge- wicht cholinerger Neurone. Der Gold- standard der medikamentösen Therapie ist nach wie vor die Gabe von L-Dopa.

Jedoch wird heutzutage wegen der län- gerfristig auftretenden unerwünschten Wirkungen (On-off-Phänomen, End-of- dose-Akinesie, Dyskinesie/Hyperkine- se, psychotische Symptome) der Einsatz bei Patienten unter 70 Jahren möglichst hinausgezögert. Statt dessen werden Dopaminagonisten als Initialtherapie eingesetzt, die auch beim Auftreten von

Wirkschwankungen mit einer laufenden L-Dopa-Therapie kombiniert werden.

Dies ist freilich mit einem erheblichen Anstieg der Therapiekosten verbunden (Monatstherapiekosten für L-Dopa: cir- ca 59 Euro, für Pergolid circa 317 Euro).

Als theoretischer Hintergrund für die Verwendung moderner Dopaminagoni- sten ohne Ergolinstruktur und anderen Substanzen, wie beispielsweise des MAO-B-Hemmers Selegilin, werden mögliche neuroprotektive Effekte dis- kutiert (Reduktion von oxidativem Stress oder von toxischen Dopaminme- taboliten). Verschiedene tierexperimen- telle und klinisch nuklearmedizinische Studien weisen hierauf hin.

Da der krankheitsbedingte und mög- licherweise durch L-Dopa geförderte Untergang dopaminerger Neurone zum zunehmenden Überwiegen exzitatori- scher Glutamatrezeptoren im Striatum führt, wird die Kombination mit dem NMDA-Rezeptorantagonisten Amanta- din diskutiert. Dies soll auch der Ent- wicklung von L-Dopa-Dyskinesien ent- gegen wirken. Das Therapiekonzept muss in jedem Fall ein individualisiertes sein, in der Absicht, mit der kleinstmögli- chen Menge an Medikamenten auszu- kommen. In manchen Fällen, so Prange weiter, ist eine suboptimale Therapie ausreichend, mit der zwar nicht alle Sym- ptome behoben, aber dem Patienten komplikationsreiche Hochdosierungen und Kombinationen erspart werden.

Dies erscheint auch aus hausärztlicher Sicht, wie Wilhelm Niebling darlegte, sinnvoll, da andernfalls ein Management der komplexen Behandlungsstrategie und der unerwünschten Wirkungen kaum möglich ist. Prange beklagte, dass bei circa 2 bis 25 Prozent der medika- mentös behandelten Patienten gar kein MP vorliegt. Der entscheidende diagno- stische Test dürfte sein, ob die Sympto- matik auf L-Dopa anspricht.Hans Har- jungwies auf die Gastroparese bei MP- Patienten mit konsekutiver Verzögerung der L-Dopa-Resorption hin. In diesen Fällen ist die zusätzliche Gabe eines Pro- kinetikums erforderlich.

Anschrift des Verfassers:

Prof. Dr. med. Bruno Müller-Oerlinghausen Arzneimittelkommission der deutschen Ärzteschaft Jebensstraße 3

10623 Berlin

E-Mail: bmoe@zedat.fu-berlin.de M E D I Z I N

Deutsches ÄrzteblattJg. 100Heft 1618. April 2003 AA1075

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