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Archiv "Medikamentöse Therapie der Parkinson-Krankheit: Eine interdisziplinäre Aufgabe" (27.09.1996)

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B

ei der Parkinsonschen Krank- heit ist durch Gabe von Dop- aminersatzstoffen in modell- hafter Weise die gezielte Sub- stitutionstherapie eines Neurotrans- mitterdefektes im Zentralnervensy- stem möglich. Neben den Dopamin- ersatzstoffen finden in der Parkin- sontherapie aber auch Medikamente Anwendung, die andere, nicht-dop- aminerge Neurotransmittersysteme beeinflussen.

Obwohl es im Rahmen der Lang- zeitbehandlung zu einer Reihe von Spätkomplikationen kommt, ist bis heute die L-Dopa-Therapie, aufgrund ihrer guten symptomatischen Wirk- samkeit, der „Goldstandard“ geblie- ben. Die anerkannten Behandlungs- konzepte zielen derzeit auf eine rein symptomatische Besserung ab. Dane- ben werden aber für einige Pharmaka auch neuroprotektive Effekte disku- tiert, durch die der Langzeitverlauf der Krankheit positiv beeinflußt wer- den soll.

Die optimale Behandlung des Parkinson-Patienten setzt eine Lang- zeitkooperation zwischen betreuen- dem Allgemeinarzt/Internisten und Neurologen/Parkinson-Spezialisten voraus.

Insbesondere an den Schnittstel- len des Krankheitsverlaufes wie Dia- gnosesicherung (Dt Ärztebl 1994; 91:

A-1115–1124 [Heft 16]), medika- mentöser Ersteinstellung und dem Management von Spätkomplikatio- nen sollte eine enge Zusammenarbeit gewährleistet sein.

Die wichtigsten Antiparkinson- Medikamente

Die derzeit verwendeten Anti- parkinson-Medikamente können in Substanzen, die direkt auf das dop- aminerge System wirken, und in Sub- stanzen, die nichtdopaminerge Syste- me beeinflussen, klassifiziert werden.

Zunächst sollen die Grundeigenschaf- ten der wichtigsten Antiparkinson- Medikamente kurz dargestellt werden.

Dopamin-Ersatzstoffe

!L-Dopa

Die Therapie mit L-Dopa stellt das wirksamste Behandlungsprinzip dar. Nach Passage durch die Blut- Hirn-Schranke erfolgt die Decar- boxylierung von L-Dopa zum eigent- lichen Neurotransmitter Dopamin. In den frühen Krankheitsstadien kommt es aufgrund zerebraler Dopamin- Speichermechanismen, trotz der kur- zen Halbwertzeit im Plasma, zu lang anhaltenden klinischen Effekten.

Bei Ersteinstellung ist mit einer Besserung von etwa 50 bis 70 Prozent der Ausgangssymptomatik zu rech- nen, wobei in der Regel alle drei Kar- dinalsymptome Akinese, Rigor und Ruhetremor günstig beeinflußt wer- den (3, 5, 9, 10, 16). Fehlendes oder mangelhaftes Ansprechen auf ausrei- chend dosiertes L-Dopa können als Hinweise auf ein atypisches Par- kinson-Syndrom gewertet werden (Dt Ärztebl 1994, 91: A-1115–1124 [Heft 18]). Die Verträglichkeit ist ins- gesamt zufriedenstellend. Nausea und orthostatische Hypotonie können je- doch insbesondere bei der Erstein- stellung auftreten. Bei Risikopatien- ten (Alter über 70 Jahre, zerebrale Zweiterkrankung, zum Beispiel Ge- fäßerkrankung) kann es bereits in der Einstellungsphase auch zu Verwirrt- heit und Halluzinationen kommen (18, 52, 63). Mindestens 50 Prozent aller mit L-Dopa in Monotherapie behandelten Patienten entwickelten nach mehrjähriger Therapiedauer motorische Spätkomplikationen (4).

L-Dopa sollte in fixer 4:1-Kombi- nation mit einem peripheren Decarb- oxylasehemmstoff gegeben werden.

In der BRD stehen hierfür die Kom- binationspräparate L-Dopa/Benser- azid (zum Beispiel Madopar) und L-Dopa/Carbidopa (zum Beispiel Isicom-mite, Nacom 100, Striaton) zur Verfügung. Zwischen diesen bei- den Kombinationen bestehen keine klinisch-pharmakologisch relevanten Unterschiede. Die für die Einstellung von Patienten mit einem idiopathi-

Medikamentöse Therapie der Parkinson-Krankheit

Eine interdisziplinäre Aufgabe

Horst Baas

1

Günther Deuschl

2

Wolfgang Oertel

3

Werner Poewe

4

1Neurologische Klinik (Direktor: Prof. Dr.

med. Peter A. Fischer) der Johann-Wolfgang- Goethe-Universität Frankfurt/Main

2Neurologische Klinik (Direktor: Prof. Dr.

med. Günther Deuschl) der Universität Kiel

3Neurologische Klinik (Direktor: Prof. Dr.

med. Wolfgang Oertel) der Philipps-Univer- sität Marburg

4Universitätsklinik für Neurologie (Vorstand:

Prof. Dr. med. Werner Poewe) der Leopold- Franzens-Universität Innsbruck

Die orale Dopamin-Substitutionstherapie mit L-Dopa-Präpa- raten gilt auch heute noch als „Goldstandard“ der medika- mentösen Parkinsontherapie. Sie ist allerdings nach mehr- jähriger Behandlungsdauer mit einer Reihe von schwer beherrschbaren Spätkomplikationen belastet. Neue Entwick- lungen in der Pharmakotherapie der Parkinsonkrankheit zie- len einerseits auf Prophylaxe und symptomatische Therapie

dieser Behandlungskomplikationen, andererseits auf Ansätze

zur medikamentösen Beeinflussung der natürlichen Krank-

heitsprogression (Neuroprotektion) ab. Die vorliegenden

Daten aus klinischen Studien erlauben mehrere Strategien für

die kurz- und langfristig optimale Therapieeinstellung eines

Parkinsonkranken. Derzeit besteht ein klarer Trend zur kom-

binierten Behandlung mit L-Dopa und Dopaminagonisten.

(2)

schen Parkinson-Syndrom erforderli- chen L-Dopa-Tagesdosen liegen in der Regel zwischen 250 und 800 Milli- gramm. Die Gabe der 10:1-Kombina- tion L-Dopa/Carbidopa (zum Bei- spiel Nacom, Isicom) kann im oben genannten Dosierungsbereich wegen ungenügender Hemmung der peri- pheren Dopaminbildung zu Verträg- lichkeitsproblemen führen. Reine L- Dopa-Präparate ohne Decarboxyla- sehemmstoff (zum Beispiel Dopaflex 500) sind deutlich schlechter verträg- lich und sollten nicht verabreicht wer- den. In neuerer Zeit ist L-Dopa/Car- bidopa sowie L-Dopa/Benserazid auch in retardierter (zum Beispiel Nacom 100/200 Retard, Madopar De- pot) sowie in rasch löslicher (Mado- par LT) Form erhältlich. Durch eine retardierte Präparation können Kon- zentrationsschwankungen von L-Do- pa im Plasma gemildert werden. Die zerebrale Bioverfügbarkeit ist im Ver- gleich mit konventionellem L-Dopa allerdings niedriger, so daß für einen vergleichbaren klinischen Effekt höhere Einzel- und Tagesdosen erfor- derlich sind (1, 30, 61).

!Dopaminagonisten

Dopaminagonisten stimulieren sowohl zerebrale als auch periphere Dopamin-Rezeptoren direkt. Sie ent- falten ihre Wirksamkeit deshalb un- abhängig von einer Verstoffwechs- lung in präsynaptischen Neuronen. In der Bundesrepublik Deutschland sind zur Zeit vier Dopaminagonisten (Bromocriptin [zum Beispiel Kirim, Pravidel], Alpha-Dihydroergocryptin [Almirid], Lisurid [Dopergin] und Pergolid [Parkotil]) zur Behandlung der Parkinson-Krankheit zugelassen.

Auch das Emetikum Apomorphin ist ein hochwirksamer Dopaminagonist.

Es ist allerdings nur zur parenteralen Applikation verfügbar und in Deutschland für die Parkinsonbe- handlung derzeit nicht zugelassen (8, 21, 35, 55, 70, 71).

Dopaminagonisten besitzen ins- gesamt eine gute Wirksamkeit gegen alle Kardinalsymptome der Parkin- son-Krankheit, die Wirksamkeit von L-Dopa wird jedoch nicht ganz er- reicht. Die Akutverträglichkeit ist im Vergleich mit L-Dopa ungünstiger. Es kommt, insbesondere in der Einstel- lungsphase, häufiger zu Nausea, or- thostatischer Hypotension und zu

pharmakogenen Psychosen. Insgesamt lassen sich nur ungefähr 30 Prozent al- ler Parkinson-Patienten über mehr als drei Jahre befriedigend mit einer Do- paminagonisten-Monotherapie be- handeln. In Einzelfällen sind nach hochdosierter Langzeitbehandlung auch viszerale Fibrosen, Pleuraergüsse und Erythromelalgien beschrieben.

In Abhängigkeit von der Krank- heitsschwere liegen die Tagesdosen für Bromocriptin bei 10 bis 40 Milli- gramm, für Alpha-Dihydroergocryp- tin bei 15 bis 60 Milligramm, für Lisu- rid bei 0,4 bis 1,6 Milligramm und für Pergolid bei 0,75 bis 5 Milligramm.

Zur Verbesserung der Verträglichkeit

sollte in der Initialphase eine ein- schleichende Aufdosierung über meh- rere Wochen durchgeführt werden.

Gastrointestinale Nebenwirkungen, wie Nausea und Erbrechen, können durch zusätzliche Gabe von dreimal 20 Milligramm Domperidon (Motili- um) deutlich gebessert werden (2).

!Selegilin

Selegilin (zum Beispiel Antipar- kin, Deprenyl, Movergan) hemmt als irreversibler Monoaminoxidase-Typ- B-Inhibitor den intrazerebralen Do- paminabbau (58). In Kombination mit L-Dopa werden Ausmaß und Zeitdauer der L-Dopa-Wirkung ver- stärkt, wogegen die Substanz als Mo- notherapie verabreicht klinisch nur schwach wirksam ist (6, 17, 44, 70).

Die Verträglichkeit von Selegilin ist meist gut. Da aber vereinzelt Un- ruhe und Schlafstörungen auftreten, sollte die Substanz nach Möglichkeit nicht in den Nachmittag- und Abend-

stunden verabreicht werden. Kardiale Arrhythmien und exogen psychoti- sche Zustände sind vereinzelt be- schrieben worden. Bei Kombination mit einer bereits laufenden L-Dopa- Medikation kann es zur Verstärkung vorbestehender Dyskinesien kom- men. Die Tagesdosis von zehn Milli- gramm sollte nicht überschritten wer- den und wird meist auf zwei Einzeldo- sen verteilt verabreicht.

Aufgrund experimenteller Daten und einiger klinischer Studien werden für Selegilin auch neuroprotektive Wirkungen diskutiert, wobei in den klinischen Studien vor allen Dingen eine Verzögerung der „L-Dopa- Pflichtigkeit“ um etwa neun Monate unter Deprenyl- Monotherapie bei sonst unbehandel- ten Patienten be- schrieben wurde (23, 48). Aufgrund der nachgewiese- nen symptomati- schen Wirkung von Deprenyl konnten diese kli- nischen Beobach- tungen allerdings nicht mit Sicher- heit einer tatsäch- lichen neuropro- tektiven Wirkung zugeschrieben werden. Eine vor kurz- em veröffentlichte amerikanische Untersuchung an 100 Patienten deu- tet durch ein entsprechendes „Wash- out“-Design darauf hin, daß De- prenyl innerhalb der ersten zwölf Therapiemonate einen über die sym- ptomatische Wirkung hinausgehen- den progressionsmindernden Effekt bei der Parkinson-Krankheit haben könnte (45).

Nicht dopaminerge

Antiparkinson-Medikamente

!Amantadine

Amantadine stehen für die orale Parkinson-Therapie als Amantadin- sulfat (zum Beispiel PK-Merz), als Amantadin-HCL (zum Beispiel Vi- regypt) und als Memantin-HCL (Akatinol Memantine) zur Verfü- gung. Zwischen den genannten Amantadinsalzen bestehen einige Tabelle 1

Behandlungsmöglichkeiten von Dyskinesien

1. Peak-dose-Dyskinesien

Einsatz von: kleineren L-Dopa-Dosen retardierten L-Dopa-Präpa- rationen

Dopaminagonisten Vermeidung von: hohen L-Dopa-Tagesdosen 2. „Off“-Phasen-Dystonien

Einsatz von: retardierten L-Dopa-Präpa- rationen am Abend Dopaminagonisten Vermeidung von: hohen L-Dopa-Tagesdosen

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pharmakokinetische beziehungswei- se pharmakodynamische Unterschie- de. Amantadin-HCL/-sulfat besitzen stärkere antiakinetische Eigenschaf- ten als Memantin-HCL, welches hauptsächlich zur Therapie der Spa- stik eingesetzt wird.

Der Wirkmechanismus der Amantadine ist in neuerer Zeit einer Erklärung nähergebracht worden. Es konnte gezeigt werden, daß ihre klini- sche Antiparkinson-Wirkung mögli- cherweise auf einem antagonistischen Effekt an zentralen Glutamat (NM- DA)-Rezeptoren beruht (27).

Amantadine gelten insgesamt als schwach wirksame Antiparkinson- Medikamente, das invididuelle An- sprechverfahren der Patienten ist je- doch unterschiedlich. Die Tagesdosen liegen für Amantadin-HCL/-sulfat bei oraler Gabe bei 200 bis 600 Milli- gramm, auf zwei bis drei Einzeldosen verteilt. Neben der oralen Darrei- chungsform existiert für Amantadin- sulfat auch eine parenterale Darrei- chungsform (zum Beispiel PK-Merz Infusionslösung), die meist zur Thera- pie akinetischer Krisen angewendet wird (siehe Behandlung akinetischer Krisen) (11, 14, 45, 64, 65, 69, 72).

Amantadine sind in der Regel gut ver- träglich, allerdings können exogene Psychosen begünstigt werden. Nicht selten werden livide Hautverände- rungen im Sinne einer Cutis marmo- rata sowie Ödeme der unteren Extre- mitäten beobachtet. Die Ödeme spre- chen nicht auf die Gabe von Diuretika an. Amantadine werden ausschließ- lich renal ausgeschieden. Es ist des- halb, insbesondere bei älteren Patien- ten, auf eine ausreichende Nieren- funktion zu achten.

!Anticholinergika

Anticholinergika sind die ältesten in der Behandlung der Parkinson- Krankheit verwendeten Pharmaka.

Zwischen den verschiedenen in der Bundesrepublik Deutschland zur Therapie der Parkinson-Krankheit zugelassenen synthetischen Anticho- linergika (zum Beispiel Akineton- retard, Artane, Biperiden-ratiopharm, Cogentinol, Metixen Berlin-Chemie, Norakin, Osnervan, Parkopan, Parks 12, Sormodren, Tremarit) bestehen, trotz unterschiedlicher chemischer Struktur, keine anwendungsrelevan- ten pharmakologischen Unterschiede.

Anticholinergika sind schwächer wirksam als L-Dopa oder Dopamin- agonisten. Unter den Kardinalsym- ptomen werden insbesondere Tremor und Rigidität positiv beeinflußt, während ein antiakinetischer Effekt kaum vorhanden ist. Anticholinergi- ka besitzen ein ungünstigeres Neben- wirkungsprofil als andere Parkinson- mittel. Am bedeutsamsten sind Ver- wirrtheitszustände und Halluzinatio- nen, die nach Absetzen beziehungs- weise Dosisreduktion der Anticholin- ergika reversibel sind. Anticholinergi- ka sollten deshalb insbesondere bei älteren Patienten nur mit Zurückhal- tung eingesetzt werden. Bei Patienten mit Zeichen eines dementiven Ab- baus gelten sie als kontraindiziert.

Zusätzlich kann es zu Mundtrocken- heit, Obstipation und Akkomodati- onsstörungen kommen. Vorsicht ge- boten ist beim Engwinkelglaukom und bei einigen Formen von Blasen- funktionsstörungen (12, 25, 29, 65)

Ersteinstellung

Nach Diagnosesicherung sind be- züglich der Ersteinstellung zunächst einige grundlegende Punkte zu klären:

« Das Therapieziel ist klar zu definieren, und es ist festzulegen, wann mit einer Pharmakotherapie be- gonnen werden sollte (siehe Therapie- ziele und Beginn der Therapie).

¬ Es ist festzulegen, ob zunächst eine Monotherapie durchgeführt wer- den sollte ober ob bereits frühzeitig mit einer Kombinationstherapie be- gonnen werden sollte (siehe Initiale Monotherapie oder frühe Kombinati- onstherapie).

­ Es ist zu entscheiden, welche Pharmaka in der Initialphase zur An- wendung kommen sollten (siehe Stra- tegien der initialen Monotherapie).

Therapieziele und Beginn der Therapie

Eine symptomatische Pharmako- therapie sollte immer dann eingeleitet werden, wenn der Patient in seinen alltäglichen Verrichtungen subjektiv oder objektiv beeinträchtigt ist. Die- ser Zeitpunkt ist individuell variabel und unter anderem von sozialen und beruflichen Aktivitäten und Er-

fordernissen abhängig. Es existieren derzeit keine stichhaltigen Argumen- te, die dafür sprechen, den Beginn ei- ner medikamentösen Antiparkinson- Therapie über den oben genannten Zeitpunkt hinaus möglichst lange hin- auszuzögern.

Initiale Monotherapie oder frühe Kombinationstherapie?

Für die initiale Monotherapie spricht, daß in der Regel bei Auswahl eines geeigneten Präparates zunächst auch durch ein einzelnes Pharmakon eine ausreichende Besserung der Mo- torik erreicht werden kann. Dabei ist die Handhabung für den Patienten einfacher, und eventuelle Nebenwir- kungen können eindeutig zugeordnet werden. Grundsätzlich können – in unterschiedlicher Gewichtung – alle der oben genannten Antiparkinson- mittel zur initialen Monotherapie ein- gesetzt werden.

Unter frühzeitiger Kombinati- onstherapie wird die kombinierte Be- handlung mit L-Dopa und einem zweiten Antiparkinson-Medikament innerhalb der ersten 12 Monate nach Therapiebeginn verstanden. Für ei- ne frühzeitige Kombinationstherapie mit L-Dopa und einem Dopaminago- nisten sprechen Untersuchungsergeb- nisse, die darauf hinweisen, daß bei dieser Behandlungsstrategie der Be- ginn von motorischen Spätkomplika- tionen, wie sie nach längerer L-Dopa- Behandlung häufig auftreten, mögli- cherweise hinausgezögert werden kann (siehe Zweifachkombination von L-Dopa mit Dopaminagonisten).

Mehrere Vorgehensweisen bei der medikamentösen Ersteinstellung gelten als allgemein akzeptiert und sol- len im folgenden kurz dargestellt wer- den. Welche Strategie im Einzelfall an- gewendet wird, hängt in erster Linie von Patientenfaktoren wie Alter, Grad der Behinderung, Vorhandensein von Zweitkrankheiten und zunehmend auch von Kostenüberlegungen ab.

Strategien der initialen Monotherapie

!L-Dopa

L-Dopa gilt unverändert als die wirksamste und gleichzeitig bestver- trägliche Substanz in der Parkinson-

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Therapie. L-Dopa bietet sich deshalb auch zur Ersteinstellung an und sollte auf jeden Fall spätestens dann verab- reicht werden, wenn durch andere Pharmaka keine ausreichende Besse- rung erreicht werden kann. Es existie- ren keine klinischen Daten, die einen ungünstigen Einfluß von L-Dopa auf den natürlichen Krankheitsverlauf belegen (15, 24, 34, 37, 39, 40, 73). Es ist deshalb nicht sinnvoll, bei ungenü- gender Symptomkontrolle mit ande- ren Pharmakothe-

rapien auf den Einsatz von L-Do- pa zu verzichten oder ihn längerfri- stig hinauszuzö- gern. Die erforder- liche Tagesdosis liegt bei einer L- Dopa-Monothera- pie in den frühen Krankheitsstadien bei etwa 150 bis 500 Milligramm (mit Decarboxyla- sehemmstoff), je- weils auf drei bis fünf Einzeldosen

verteilt. Zur Verbesserung der Ver- träglichkeit sollte eine schrittweise Aufdosierung in 50- bis 100-Milli- gramm-Schritten in drei- bis fünftäti- gen Intervallen erfolgen. Die volle klinische Wirksamkeit wird häufig erst mit mehrwöchiger Latenz er- reicht.

!MAO-B-Hemmstoffe

Selegilin besitzt eine schwache dopaminetische Wirkung und kann deshalb im Prinzip zur initialen Mo- notherapie eingesetzt werden. In mehreren Untersuchungen hat sich jedoch gezeigt, daß der positive Ef- fekt auf die Motorik gering ist, so daß eine Selegilin-Monotherapie nur in Ausnahmefällen längerfristig ausrei- chend wirksam sein wird (13, 44, 45, 48, 68). Unabhängig von der sympto- matischen Wirksamkeit weisen eine Reihe experimenteller Daten auf ei- nen neuroprotektiven Effekt von Se- legilin hin. In den vorliegenden klini- schen Studien wurden diesbezüglich drei Hauptbeobachtungen gemacht:

« Die Behandlung von neuer- krankten Parkinson-Patienten mit ei- ner Selegilin-Monotherapie verzögert den Zeitpunkt der Behandlungsbe-

dürftigkeit mit L-Dopa um etwa neun Monate (48).

¬ Die kombinierte Behandlung mit L-Dopa und Selegilin ist im Fünf- Jahres-Verlauf mit einer deutlich ge- ringeren Zuwachsrate der erforderli- chen L-Dopa-Dosis verbunden als ei- ne L-Dopa-Monotherapie (33).

­ Eine kombinierte Behand- lung von neuerkrankten Parkinson- Patienten mit Selegilin und einem weiteren Dopaminersatzstoff (L-Do-

pa oder Dopaminagonist) ist nach einjähriger Behandlungsdauer mit ei- ner geringeren Zunahme der Parkin- son-Symptome verbunden als die je- weiligen Monotherapien ohne Selegi- lin (45).

Während die ersten beiden Be- obachtungen auch prinzipiell mit der symptomatischen Wirkung der Sub- stanz erklärbar sind, weist der letztere Befund aus einer neuen Studie mit entsprechendem „Wash-out“-Design (siehe Selegilin) auf echte progressi- onsmindernde Effekte von Selegilin hin, zumindest während der ersten zwölf Therapiemonate. Allerdings konnte bei einer weiteren klinischen Nachbeobachtung eines Teiles der Patienten der Datatop-Studie (48) über knapp fünf Jahre kein Therapie- vorteil von Selegilin hinsichtlich wei- terem Krankheitsverlauf oder der Entwicklung motorischer Spätkom- plikation einer L-Dopa-Therapie nachgewiesen werden (49, 50).

!Dopaminagonisten

Die Inzidenz von motorischen Spätkomplikationen wie Dyskinesien und Fluktuationen ist unter einer län- gerfristigen Monotherapie mit Dop-

aminagonisten deutlich geringer als unter einer Monotherapie mit L-Do- pa. Gleichzeitig ist allerdings die po- sitive Wirkung auf die Motorik schwächer, so daß meist bereits während des ersten Behandlungsjah- res auf eine kombinierte Behandlung mit L-Dopa übergegangen werden muß (31, 41, 45, 46, 59, 60, 61). Jünge- re Parkinson-Patienten mit Krank- heitsbeginn vor dem 50. Lebensjahr neigen unter L-Dopa-Monotherapie in besonderer Weise zur frühzeitigen Entwicklung von Dyskinesien und Fluktuationen. In solchen Fällen kann deshalb, unter der Vorausset- zung guter Verträglichkeit und aus- reichender motorischer Besserung, ein initialer Behandlungsversuch mit einem Dopaminagonisten als Mono- therapie sinnvoll sein.

!Amantadine

Die früher weit verbreitete initia- le Monotherapie mit Amantadinen wird heute seltener durchgeführt. Der spätere Beginn einer L-Dopa-Medi- kation besitzt als alleiniges Argument zugunsten der Amantadine keine aus- reichende Begründung (siehe L-Do- pa). Allerdings kann bei Patienten mit geringer motorischer Behinde- rung auch die Amantadin-Monothe- rapie zu einer ausreichenden motori- schen Besserung führen.

!Anticholinergika

Ein regelhafter Behandlungs- beginn mit Anticholinergika ist heute nicht mehr indiziert. Gegen eine initi- ale Monotherapie sprechen das rela- tiv ungünstige Nebenwirkungsprofil, die schwache Wirksamkeit und die sich weitgehend auf den Tremor beschränkende Wirkung der Anticho- linergika. Bei jüngeren Patienten mit tremordominanter Symptomatik kann aber ein initialer Behandlungs- versuch mit Anticholinergika ge- rechtfertigt sein (siehe Behandlung des Tremors).

Strategien der frühen Kombinationstherapie

Die frühe Kombinationsbehand- lung wird heute häufig als bevorzugte medikamentöse Behandlungsform angesehen. Zur Zeit werden mehrere Grundmuster der frühen Kombinati- onsbehandlung diskutiert und mehr- heitlich als sinnvoll akzeptiert.

Tabelle 2

Behandlungsmöglichkeiten von Fluktuationen

1. End-of-dose- Akinesien

Einsatz von: verkürzten Dosierungsintervallen retardierten L-Dopa-Präparationen Dopaminagonisten

Selegilin (kontinuierliche Apomorphin- Infusion)

2. On-off- Phänomene

Einsatz von: niedrigeren L-Dopa-Dosierungen höheren Dopaminagonisten-Dosierungen

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!Zweifachkombination von L-Dopa mit Dopaminagonisten Von zahlreichen Autoren wird heute die frühzeitige Einleitung einer Kombinationstherapie L-Dopa/Dop- aminagonist empfohlen, da hierdurch der Beginn von Fluktuationen und Dyskinesien im Vergleich zur L- Dopa-Monotherapie hinausgezögert werden soll (15, 46, 59, 60). Die vorlie- genden Studien beweisen zwar nicht schlüssig, daß der Langzeitverlauf nach solch einer frühzeitigen Kombi- nation tatsächlich günstiger ausfällt als nach initialer Monotherapie mit L-Dopa und erst später einsetzender Addition eines Dopaminagonisten, insgesamt besteht aber derzeit ein deutlicher Trend zugunsten der früh- zeitig einsetzenden Kombinations- therapie. Bedingt durch individuelle Faktoren, können bei den Patienten allerdings im Einzelfall Modifikatio- nen notwendig werden. Aufgrund des im Vergleich zu L-Dopa ungünstige- ren Nebenwirkungsprofils der Dop- aminagonisten wird man ihren Ein- satz bei älteren Patienten bis zum Auftreten von Fluktuationen/Dyski- nesien eher zurückstellen, da diese Patienten in besonderem Maß zu Unverträglichkeitsreaktionen neigen.

Jüngere Patienten mit frühem Krank- heitsbeginn leiden hingegen im Krankheitsverlauf besonders häufig unter frühzeitig einsetzenden Fluk- tuationen und Dyskinesien. Gleich- zeitig sind sie generell weniger emp- findlich gegenüber Dopaminagoni- sten-Nebenwirkungen. Bei diesen Pa- tienten wird deshalb häufig bereits im initialen Krankheitsstadium eine Kombinationsbehandlung von L-Do- pa plus Dopaminagonist oder gar eine initiale Monotherapie mit einem Dopaminagonisten durchgeführt.

!Zweifachkombination von L-Dopa mit Selegilin

Für Selegilin ist ein symptomati- scher, die L-Dopa-Wirkung potenzie- render Effekt klinisch nachgewiesen, und es existieren experimentelle Hin- weise auf einen die Krankheitspro- gression bremsenden, neuroprotekti- ven Effekt der Substanz. Die initiale Kombination von L-Dopa plus Sele- gilin ist deshalb für die Ersteinstel- lung von Parkinson-Patienten eben- falls empfohlen worden, allerdings ist die Datenlage aus klinischen Studien

hierzu kontrovers. Während für die ersten zwölf Monate einer kombinier- ten Therapie aus L-Dopa mit Selegi- lin progressionsmindernde Effekte wahrscheinlich gemacht wurden (45), ist diese Kombination im Langzeit- verlauf von bis zu sechs Jahren nicht mit sicheren Vorteilen verbunden (49, 50). Eine britische Langzeitstudie an neuerkrankten Parkinson-Patienten berichtete sogar über eine gegenüber einer L-Dopa-Monotherapie erhöhte Mortalität unter der Kombinations- behandlung L-Dopa plus Selegilin (33). Dies steht im Gegensatz zu einer früheren Untersuchung, welche über mortalitätssenkende Effekte von Se- legilin berichtet hatte (7). Aus metho- dischen Gründen sind an den Ergeb- nissen der britischen Studie erhebli- che Zweifel angemeldet worden.

Zusammenfassend bleibt derzeit aufgrund der nachgewiesenen sym- ptomatischen Wirkung von Selegilin die kombinierte Behandlung mit L- Dopa eine akzeptierte Vorgehenswei- se bei der Ersteinstellung, wenngleich längerfristige Vorteile nicht erwiesen sind.

!Dreifachkombination aus L-Dopa, Dopaminagonisten und Selegilin

Basierend auf den möglichen Langzeitvorteilen der Kombination L-Dopa/Dopaminagonist und den po- stulierten neuroprotektiven Effekten von Selegilin, ergibt sich konsequen- terweise als weitere Möglichkeit die Option auf eine frühzeitige Dreifach- therapie mit L-Dopa/Dopaminago- nist/Selegilin (57). Aufgrund der komplizierten Handhabung erscheint es aber nicht ratsam, bereits in der in- itialen Einstellung eines neuerkrank- ten Parkinson-Patienten eine Drei- fachkombination anzustreben.

Behandlung von Spätkomplikationen

Nach drei- bis siebenjähriger Be- handlungsdauer treten bei der Mehr- zahl der Patienten motorische und nichtmotorische Spätprobleme auf.

Sie sind in unterschiedlichem Ausmaß einer therapeutischen Intervention zugänglich. Es handelt sich bei den motorischen Spätkomplikationen hauptsächlich um L-Dopa-induzierte

Dyskinesien und Fluktuationen der Beweglichkeit. Bei den Fluktuationen kann zwischen von der L-Dopa-Ein- nahme direkt abhängigen und hiervon unabhängigen Formen unterschieden werden. Neben diesen motorischen Spätkomplikationen treten im Krank- heitsverlauf zunehmend häufig auch nichtmotorische Spätkomplikationen mit pharmakogenen Verwirrtheits- zuständen und halluzinatorischen Psychosen auf (Dt Ärztebl 1994; 91:

A-1115–1124 [Heft 16])

Das therapeutische Management der Spätkomplikationen ist schwierig und sollte auf jeden Fall nur in enger Kooperationen mit dem Facharzt er- folgen.

L-Dopa-induzierte Dyskinesien

!Choreatische Peak-dose-Dyskinesien

Häufig ist in fortgeschrittenen Krankheitsstadien die optimale Anti- parkinson-Wirkung der Medikation mit dem Auftreten von unwillkürli- chen Bewegungsmustern, sogenann- ten Peak-dose-Dyskinesien, vergesell- schaftet (42, 43). Bei zahlreichen Pati- enten stellen diese Peak-dose-Dyski- nesien allerdings keinen zwingenden Grund zur therapeutischen Interven- tion dar. Sie werden häufig von den Patienten selbst weniger als störend empfunden als von ihrer Umwelt und um einer optimalen antiakinetischen Wirkung willen in Kauf genommen.

Die derzeitigen therapeutischen Stra- tegien zur Besserung von Peak-dose- Dyskinesien zielen darauf ab, eine möglichst gleichmäßige Medikamen- tenwirkung zu erzielen (67). Hierzu ist eine kombinierte Behandlung mit relativ niedrigen L-Dopa-Dosen und einem Dopaminagonisten einzulei- ten. Bei bereits vorbestehender der- artiger Kombinationsbehandlung ist die Dosisgewichtung zugunsten des Dopaminagonisten zu verschieben, wobei die Reduktion der L-Dopa-Ta- gesdosis langsam erfolgen sollte. An- dernfalls besteht die Gefahr einer Zu- nahme akinetischer Beschwerden.

Die Aufteilung der bestehenden L-Dopa-Medikation auf kleinere Ein- zeldosen bei gleichzeitiger Verkür- zung der Dosierungsintervalle bezie- hungsweise der Wechsel zu einer re- tardierten L-Dopa-Präparation kann,

(6)

insbesondere bei Patienten mit nur gering ausgeprägten Dyskinesien, ei- ne, allerdings häufig nur vorüberge- hende, Besserung bewirken.

Es ist nicht sinnvoll, dopaminerg induzierte Dyskinesien durch Gabe von Neuroleptika/Neuroleptikaderi- vaten zu behandeln, da dies mit einer gleichzeitigen Verschlechterung der Motorik verbunden ist und der glei- che Effekt durch eine Reduktion der Dopaminometika erzielt werden kann.

In jüngerer Zeit haben mehrere Arbeitsgruppen über günstige Resul- tate von neurochirurgischen stereo- taktischen Eingriffen am inneren Pal- lidumglied (Pallidotomie oder chroni- sche Hochfrequenzstimulation des Pallidums durch implantierte Elek- troden) bei Patienten mit medika- mentös intraktablen Peak-Dose-Dys- kinesien berichtet. Weitere Erfahrun- gen mit diesem neuen, nicht medika- mentösen Behandlungsansatz sind abzuwarten (37).

!Off-Phasen-Dystonien Mehr als die Hälfte der Patienten entwickelt im Therapieverlauf mit L- Dopa, bevorzugt in Phasen schlechter Beweglichkeit, schmerzhafte dystone Krämpfe. Diese Dystonien treten häufig nachts oder in den frühen Mor- genstunden auf (54). Generell sind hier Strategien zur Glättung von Fluktuationen der Beweglichkeit an- gezeigt. Eine Besserung der nächt- lichen/frühmorgendlichen Dystonien ist häufig durch Gabe einer retardier- ten L-Dopa-Präparation oder eines Dopaminagonisten direkt vor dem abendlichen Einschlafen zu erzielen (2, 32). Bei Versagen dieser Maßnah- men und in schweren Fällen kann eine Besserung zum Teil auch durch vor- sichtige und langsame Reduzierung der L-Dopa-Tagesdosis erreicht wer- den, allerdings hier häufig um den Preis der Zunahme von Akinesien (Tabelle 1).

Fluktuationen der Beweglichkeit

Bei der Mehrzahl der Patienten kommt es nach längerer Krankheits- dauer zu einer zunehmenden Verkür- zung der Wirkdauer einer L-Dopa- Einzeldosis (sogenannte End-of- dose-Akinesien). Da die Patienten durch die hieraus resultierenden Be-

weglichkeitsschwankungen erheblich beeinträchtigt werden, sollten sämtli- che Interventionsmöglichkeiten voll ausgeschöpft werden. Es bieten sich mehrere Therapiestrategien an.

« Stabilisierung der L-Dopa- Konzentrationen im Plasma, entwe- der über eine Verkürzung der Dosie- rungsintervalle oder über die Verwen- dung von retardierten L-Dopa-Präpa- rationen (1).

¬ Hemmung des intrazerebra- len Dopaminabbaus durch Gabe von Selegilin. Durch Selegilin kann bei Patienten mit End-of-dose-Akinesien eine leichte bis mäßige Verlängerung der On-Phasen erreicht werden (22).

­ Die meist wirkungsvollste Strategie liegt in der zusätzlichen Ver- abreichung eines Dopaminagonisten.

Bei bereits mit einem Dopaminagoni- sten vorbehandelten Patienten sollte

die Dosierungsrelation L-Dopa/Dop- aminagonist zugunsten des Agonisten verschoben werden (20, 26, 36, 46, 57).

Bei einigen Patienten mit schwe- ren, durch andere Maßnahmen nicht beherrschbaren End-of-dose-Akine- sien gelingt es, durch kontinuierliche subkutane Infusion des Dopaminago- nisten Apomorphin eine Besserung zu erzielen (55, 71). Hierfür ist aller- dings die regelmäßige Überwachung durch eine erfahrene Facheinrichtung unabdinglich.

Echte paroxysmale On-off-Phä- nomene treten relativ selten auf. Sie sind durch einen zeitlich unvorher- sehbaren, abrupten Wechsel der Be- weglichkeit gekennzeichnet. Ihr the- rapeutisches Management ist schwie- rig und führt nicht immer zu befriedi- genden Resultaten. Bei einigen Pati- enten kann eine Besserung durch vor- sichtige Reduktion der L-Dopa-Ta- gesdosis, eventuell bei gleichzeitiger

Steigerung der Dopaminagonistendo- sis, erreicht werden (Tabelle 2).

Nachmittäglichen Akinesien mit Versagen der mittäglichen L-Dopa Dosis liegt häufig eine verzögerte Entleerung des postprandial gefüllten Magens oder eine erschwerte Passage von L-Dopa durch die Blut-Hirn- Schranke zugrunde. Es kann versucht werden, durch zu den Mahlzeiten zeitversetzte L-Dopa-Einnahme (In- tervall>45 Minuten) oder durch Ein- haltung diätetischer Maßnahmen (Eiweißrestriktion, kleine Einzel- mahlzeiten) eine Besserung zu er- reichen (53).

Pharmakogene Psychosen

Im Krankheitsverlauf entwickeln 10 bis 20 Prozent der Patienten exoge- ne Psychosen. Neben den Medika- menten selbst gel- ten hohes Alter sowie zerebrovas- kuläre und neuro- degenerative Be- gleiterkrankungen (wie kortikale Hirn- atrophie) als Ri- sikofaktoren. Die Therapie der phar- makogenen Psy- chosen besteht aus den drei folgenden Hauptstrategien, die auch kombiniert angewendet werden können:

1Stabilisierung des Allgemein- zustandes. Bei zahlreichen, meist älte- ren Patienten kann bereits durch Sta- bilisierung des Allgemeinzustandes mit ausreichender Flüssigkeitszufuhr und adäquater Therapie von Zweiter- krankungen eine Besserung erreicht werden.

1 Dosisreduktion oder Abset- zen der laufenden Parkinson-Medika- tion. Für die einzelnen Pharmaka sind jeweils die Relationen zwischen Psy- choserisiko und Wirksamkeit zu berücksichtigen. An erster Stelle sind Anticholinergika und Amantadine als schwach wirksame Substanzen mit hoher Psychoseneigung abzusetzen.

Auf den Einsatz von Dopaminagoni- sten muß wegen ihres hohen psychoti- schen Potentials – trotz guter Wirk- samkeit – ebenfalls häufig verzichtet werden. Selegilin besitzt ein relativ geringes psychoseauslösendes Poten- Tabelle 3

Therapiemöglichkeiten des Tremors

1. Stufe 2. Stufe 3. Stufe Ruhetremor Dopaminergika b-Blocker Clozapin

Anticholinergika Stereotakt.

Operation Halte-/ b-Blocker Primidon

Aktionstremor

(7)

tial, ist aber auch nur schwach wirk- sam. Die L-Dopa-Medikation sollte wegen ihrer relativ günstigen Ratio Wirksamkeit/Psychoserisiko erst an letzter Stelle auf eine unverzichtbare Minimaldosis reduziert werden.

1Gabe antipsychotisch wirksa- mer Neuroleptika. Der Gebrauch der klassischen Neuroleptika vom Ha- loperidol-Typ ist, außer in schwersten Fällen, nicht indiziert, da diese Sub- stanzen akinetische Krisen auslösen können. Alternativ bietet sich bei the- rapiebedürftigen Psychosen die Ver- wendung von Clozapin in einer Do- sierung von 12,5 bis 100 Milli- gramm/die an (19, 66), ohne daß die Induktion akinetischer Krisen zu be- fürchten ist. Clozapin ist allerdings nur zur Behandlung schizophrener Psychosen und wegen der Gefahr me- dikamentös induzierter Leukopeni- en/Agranulozytosen zur kontrollier- ten Verschreibung zugelassen. Auf die Einhaltung der vorgeschriebenen Blutbildkontrollen ist unbedingt zu achten!

Floride psychotische Zustands- bilder sind häufig für Patient und Um- gebung stärker beeinträchtigend als die motorische Behinderung. Bei ei- nigen Patienten muß deshalb eine Zu- nahme der Parkinson-Symptomatik unter der Medikamentenreduktion gegebenenfalls in Kauf genommen werden.

Behandlung des Tremors

Patienten mit im Vordergrund stehendem Tremor (Tremor-Domi- nanz-Typ) besitzen generell eine gün- stigere Prognose bezüglich Erhalt der Arbeitsfähigkeit, der Entwicklung in- validisierender Gangstörungen und kognitiver Störungen. Dennoch kom- men nicht selten gerade bei diesen Patienten erheblich behindernde Tre- morausprägungen vor, die besonderer Behandlungsmaßnahmen bedürfen.

Die pharmakologische Beeinflussung des Ruhetremors und des Halte- tremors bei der Parkinsonschen Krankheit unterscheiden sich. Eine exakte differentialdiagnostische Ab- grenzung ist deshalb wichtig.

Für die Behandlung des Tremors ist zwischen einem typischen Ruhe- tremor, einem Tremor unter Halte-

bedingungen oder einem Tremor un- ter Zielbewegungen zu unterschei- den (Tabelle 3). Der Ruhetremor spricht in der Regel auf die Gabe von Dopaminergika und Anticholinergi- ka an. Der Haltetremor ist hingegen durch Dopaminergika weniger gut zu beeinflussen und spricht oft auf nicht-kardioselektive b-Blocker oder als Mittel der zweiten Wahl auf Prim- idon an.

Es empfiehlt sich, die Tremorbe- handlung in drei Stufen zu gliedern.

Da es im Einzelfall nur schwer vor- aussehbar ist, wie der Tremor auf Ga- be von Dopaminergika reagiert, soll- te zu Beginn der medikamentösen Einstellung allerdings nicht der Tre- mor, sondern die Akinese wichtigstes Zielsymptom sein. Ist diese zufrie- denstellend eingestellt, der Tremor aber noch behindernd, so sollten zu- sätzlich Anticholinergika eingesetzt werden, soweit diese vom Patienten toleriert werden. Ist auch hierunter keine ausreichende Tremorkontrolle zu erreichen, so stehen b-Blocker als Mittel zweiter Wahl zur Verfügung.

Mit diesen Maßnahmen kann die Mehrzahl der Patienten zufrieden- stellend behandelt werden. Falls auch dies nicht ausreicht, kann Clozapin im Rahmen eines Heilversuches ein- gesetzt werden. Allerdings ist die Substanz für diese Indikation nicht zugelassen.

Für Parkinson-Patienten mit ei- nem medikamentös therapierefrak-

tären, behindernden Tremor stellen stereotaktische Eingriffe im Bereich des Thalamus nach wie vor eine er- folgversprechende Behandlungsop- tion dar. Während durch klassische Thalamotomie in der Regel nur ein- seitige Eingriffe möglich sind, gelingt es durch Hochfrequenzstimulation mittels implantierter Elektroden, auch beidseitige Operationen erfolg- reich und mit nur geringer Morbi- dität durchzuführen. Es steht aller- dings nur eine begrenzte Zahl von erfahrenen Zentren für diese Opera- tionsmethodik zur Verfügung (4).

Behandlung akinetischer Krisen

Akinetische Kri- sen bedürfen auf- grund ihrer vitalen Bedrohlichkeit sofor- tiger intensivmedizi- nischer Intervention.

Sie kommen in fort- geschrittenen Krank- heitsstadien im Rah- men von Zweiter- krankungen, operati- ven Eingriffen, exsik- kotischen Zuständen, Medikations- unterbrechungen oder nicht indiz- ierter Neuroleptikagabe vor.

Neben der spezifischen Behand- lung eventuell bestehender Zweiter- krankungen sollte die vorbestehende Anti-Parkinson-Medikation nach Möglichkeit fortgeführt werden. Häu- fig ist allerdings eine Verabreichung der Parkinson-Medikation parenteral oder per Magensonde notwendig. Zur parenteralen Therapie steht in Deutschland zur Zeit nur Amantadin- sulfat (500 ml à 200 Milligramm) als zu- gelassenes Präparat zur Verfügung.

Die Tagesdosis liegt bei 200 bis 600 Milligramm/die (11). Hierdurch kann in der Regel die Beweglichkeit inner- halb einiger Tage so weit gebessert werden, daß die vorbestehende orale Medikation fortgeführt werden kann.

Die parenterale Gabe von Anticholin- ergika bleibt wirkungslos. In schwer- sten Fällen besteht in Spezialabteilun- gen die Möglichkeit, mittels subkuta- Tabelle 4

Ansätze zur Therapie nicht motorischer Begleiterscheinungen

Orthostatische Hypotonie Midodrin Fludrocortison?

Reduktion von:

Dopaminagonisten Selegilin

Hypersalivation Anticholinergika

Depression Trizyklische

Antidepressiva Blasenfunktionsstörungen Oxybutynin

Dopaminagonisten?

Obstipation Cisaprid

Apomorphin?

Übelkeit Domperidon

(8)

ner Apomorphin- oder intravenöser L- Dopa-Dauerinfusion therapeutisch zu intervenieren.

Behandlung anderer nicht motorischer Störungen

In fortgeschrittenen Krankheits- stadien können neben den motori- schen Kernsymptomen und den phar- makogenen Psychosen häufig weitere, nicht motorische Störungen, zum Bei- spiel vegetative Funktionsbeeinträch- tigungen, auftreten und ein erhebli- ches Krankheitsgewicht erlangen. Zur Therapie dieser Störungen existieren nur wenige systematische Untersu- chungen. Die derzeitigen Behand- lungskonzepte basieren überwiegend auf klinisch-empirischen Erfahrungs- berichten, und die Behandlungser- folge sind nicht immer befriedigend.

Dennoch sollen hier einige Thera- piemöglichkeiten in tabellarischer Form kurz dargestellt werden (Ta- belle 4).

Zukünftige Strategien

Bezüglich potentiell neuropro- tektiver Wirkungen werden die Effek- te von Antioxidantien, antiglutama- terg wirkenden Substanzen und Ei- sen-Chelatoren untersucht. Das Inter- esse richtet sich aber auch auf mögli- cherweise bestehende neuroprotekti- ve/-restaurative Effekte von neu- rotrophen Faktoren (28).

Auch im Hinblick auf die sym- ptomatische Besserung der Bewe- gungsstörung werden neue Konzepte verfolgt. Neue Dopaminagonisten mit abweichendem pharmakologi- schen Profil (zum Beispiel Cabergo- lin, Ropinirol, Pramipexol) befinden sich in der klinischen Entwicklung.

Ein erfolgversprechender Ansatz besteht in der Gabe von Inhibitoren der Catechol-O-Methyl-Transferase (COMT), einem Dopamin abbauen- den Enzym, wobei sich derzeit zwei Substanzen in klinischer Erprobung befinden (Entacapone, Tolcapone).

Positive Effekte auf die Motorik sind möglicherweise auch über antigluta- materg wirkende Substanzen zu er- reichen.

Die genannten neuen Therapie- ansätze werden zur Zeit entweder präklinisch oder klinisch erprobt. Sie stehen für die routinemäßige thera- peutische Versorgung noch nicht zur Verfügung.

Schlußbetrachtung

In der Pharmakotherapie der Parkinson-Krankheit hat ein syste- matischer Weg in direktem Zusam- menwirken von tierexperimenteller Grundlagenforschung und klinischer Erprobung über die Entdeckung ei- nes biochemischen Defektes zu einer wirksamen Therapie geführt. Durch deren gezielte Anwendung können heute in enger Zusammenarbeit zwi- schen Hausarzt, Neurologen und Spe-

zialisten Lebenserwartung und Le- bensqualität von Parkinson-Patienten erheblich verbessert werden. Den- noch bestehen in der medikamen- tösen Langzeittherapie noch zahl- reiche Probleme, zu deren Lösung die weitere Zusammenarbeit zwischen Grundlagenwissenschaftlern und Kli- nikern gefordert ist.

Zitierweise dieses Beitrags:

Dt Ärztebl 1996; 93: A-2470–2477 [Heft 39]

Die Zahlen in Klammern beziehen sich auf das Literaturverzeichnis im Sonderdruck, anzufordern über die Verfasser.

Anschrift für die Verfasser:

Priv.-Doz. Dr. med. Horst Baas Klinikum der Johann-Wolfgang- Goethe-Universität

Zentrum der Neurologie und Neurochirurgie

Theodor-Stern-Kai 7 60590 Frankfurt

In einer Multicenterstudie wur- de eine thrombolytische Therapie mit Streptokinase bei ischämischem Schlaganfall geprüft. 310 Patienten mit mittel- oder höhergradigen Ischämien im Ausbreitungsgebiet der Arteria cerebri media wurden in- nerhalb von sechs Stunden nach Auftreten des Schlaganfalls rando- misiert mit Streptokinase (n = 156) oder Plazebo ( n = 154) behandelt.

Hauptkriterien für die Sicherheit der Methode waren 10-Tages-Mortalität

und das Auftreten von Hirnblutun- gen, für die Effektivität wurden die Gesamt-Mortalität und das neurolo- gische Defizit nach sechs Monaten bewertet.

Bezüglich der Effektivität der Streptokinase ergaben sich nach sechs Monaten keine Unterschiede zur Plazebogruppe, etwa 80 Prozent der Patienten in beiden Gruppen wiesen schwere neurologische Defi- zite auf oder waren verstorben. Un- terschiede zeigten sich bei der Si- cherheit der Methode: In der Strep- tokinasegruppe war die 10-Tages- Mortalität mit 34 Prozent gegenüber 18 Prozent bei der Plazebogruppe

deutlich erhöht. Als Ursache hierfür zeigte sich eine signifikant häufigere hämorrhagische Transformation der Ischämie nach Streptokinaseanwen- dung. Aufgrund dieser Beobachtun- gen raten die Autoren der Studie von der Streptokinase-Thrombolyse bei Patienten mit akutem ischämi- schen Schlaganfall ab. acc

The Multicenter Acute Stroke Trial – Eu- rope Study Group: Thrombolytic therapy with streptokinase in acute ischemic stroke. N Engl J Med 1996; 335: 145–150 Dtr. M. Hommel, Stroke Unit, Clinique Neurologique, Centre Hospitalier Uni- versitaire de Grenoble, B.P. 217, 38043 Grenoble, Cedex 9, Frankreich Dieser Beitrag wurde von der „Arbeits- gruppe Morbus Parkinson“ verfaßt:

Priv.-Doz. Dr. med. Horst Baas Prof. Dr. med. Uwe Besinger Prof. Dr. med. Günther Deuschl Prof. Dr. med. Joachim Glaß Dr. med. Harald Kissel Prof. Dr. med. Wolfgang Oertel Prof. Dr. med. Werner Poewe Prof. Dr. Dipl.-Ing. Peter Riederer Prof. Dr. med. Eberhard Schneider

Streptokinase bei

Schlaganfall

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