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Archiv "Praktische Ernährungsmedizin als interdisziplinäre Aufgabe in Prävention und Therapie" (30.04.1993)

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MEDIZIN

Interdisziplinäres Forum der Bundesärztekammer, Köln 1993, Thema IV

ie Ernährungsmedizin wurde beim 95. Deutschen Ärztetag im Mai 1992 in Köln folgen- dermaßen definiert: Die Er- nährungsmedizin beinhaltet 1. die Aufklärung von Zusammenhängen zwischen Ernährung und Krankheit, 2. die Anwendung wissenschaftlich abgesicherter Ernährungsmaßnah- men zur Prophylaxe ernährungsab- hängiger Erkrankungen oder zur Therapie krankheitsbedingter Er- nährungsstörungen und 3. die Ver- besserung bestehender und die Ent- wicklung neuer ernährungsmedizi- nischer Behandlungsstrategien. Er- nährungsbedingte (zum Beispiel Fettsucht) und ernährungsabhängige (zum Beispiel Hypercholesterin- ämie) Krankheiten oder krankheits- bedingte Ernährungsstörungen (zum Beispiel Tumorkachexie) gibt es in allen Fachdisziplinen der Medizin.

Die Behandlung des Themas Ernäh- rung auf einem interdisziplinären Forum ist deshalb und gerade heute aktuell. Ernährungsabhängige Krankheiten haben bereits im Jahr 1980 Kosten in Höhe von 42 Milliar- den DM verursacht. Zur Zeit werden diese Kosten auf 70 bis 80 Milliarden DM pro Jahr geschätzt. Ernährungs- medizin bietet eine reelle Chance, diesen Teil der Kosten im Gesund- heitswesen entscheidend zu senken.

Die vollwertige Ernährung — ei- ne selbstverständliche Forderung für den Gesunden — darf gerade dem Kranken nicht verweigert werden, denn dem Körper des Patienten bie- tet die bedarfsgerechte Zufuhr von essentiellen Nährstoffen und Energie

KONGRESSBERICHT

Hilfe zur Selbsthilfe. Als Ernäh- rungstherapie haben in den verschie- denen Disziplinen der Medizin die Beseitigung von Mangelzuständen, die Entlastung des Stoffwechsels durch Diät oder die Stärkung der körpereigenen Abwehr durch be- darfsgerechte Nährstoffversorgung unterschiedliches Gewicht. Bei der Umsetzung dieser ernährungsthera- peutischen Konzepte sind moderne Technik und klassische Medizin glei- chermaßen gefragt. Der Arzt ist nach Meinung der Bundesbürger immer noch die Vertrauensperson schlecht- hin für Gesundheit und Ernährung.

Diese Vertrauensstellung sollten die Ärzte in Zukunft noch mehr nützen, um Gesundheitsschäden durch fal- sche Ernährung zu vermeiden und Patienten mit ernährungsabhängigen Krankheiten richtig zu behandeln.

Praktische

Ernährungsmedizin in der Kinderheilkunde

Eine der Herausforderungen der Ernährungsmedizin in der Kinder- heilkunde (Prof. Dr. W. Heine, Ro- stock) ist die Malnutrition, in den in- dustrialisierten Ländern in der Regel mit Malignomen, infektiösen Erkran- kungen, Maldigestions-Malabsorp- tionssyndromen, Krankheiten des Zentral-Nervensystems, angebore- nen Herzfehlern und genetischen Stoffwechselstörungen verknüpft.

Das Behandlungsschema besteht im Schutz gegen Wärmeverluste, in der totalen parenteralen Ernährung, der Sonden- oder Magenfistelernährung und schließlich in der Überleitung zu normaler Nahrungsaufnahme.

Wenngleich die Qualität der Nährlö- sungen in den letzten Jahren verbes-

sert wurde, mangelt es den verfügba- ren Nährlösungen im Vergleich zur Muttermilch an einigen speziellen Substraten, die wahrscheinlich für die normale Hirnentwicklung essen- tiell sind, zum Beispiel langkettige (1)-3, w-6-Fettsäuren, Sialinsäure etc.

Die Kinderärzte halten die Er- nährung an der Brust nach wie vor für die beste Form der Säuglingser- nährung. Die Kinder sollen nach Möglichkeit bis zum 6. Lebensmonat gestillt werden. Die Schadstoffbela- stung der Muttermilch sollte kein Grund sein, den Säugling nicht bis wenigstens zum 4. Monat zu stillen.

Die Mütter sollten sich in Stillgrup- pen praktischen Rat holen. Eine wichtige Neuentwicklung sind die hy- poantigenen Nahrungen für Kinder aus Familien mit positiver Familien- anamnese (Vorkommen allergischer Krankheiten bei atopischer Dermati- tis, allergischem Asthma, allergischer Rhinitis, intestinalen Allergien bei einem oder beiden Elternteilen). Bei derartigen anamnestischen Hinwei- sen und erhöhtem IG E-Spiegel im Nabelschnurblut (> 3 KU/L) ist die Empfehlung zum Stillen oder alter- nativ zur Ernährung mit hypoantige- nen Nahrungen zu geben. Die stillen- de Mutter sollte die übermäßige Zu- fuhr von Nahrungsallergenen wie Kuhmilch, Ei, Soja, Fisch, Nüsse ver- meiden. Die Ernährung mit hypoan- tigenen Nahrungen über die ersten vier Lebensmonate reduziert die Zahl allergischer Manifestationen gegenüber adaptierten Säuglingsnah- rungen um mehr als 50 Prozent. Die- ser Effekt ist über zwei Jahre anhal- tend, wenn die ab 6. Monat einge- führte Beikost allergenarm ist. Die Wirkung der Langzeitbehandlung mit hypoallergenen Nahrungen kann nur durch Registrierung der Manifestati- on allergischer Symptome kontrol- liert werden.

Die Adipositas im Kindesalter ist ein weiteres aktuelles Problem.

Sie ist im Kindesalter teils genetisch, teils durch die Umwelt bedingt.

Wenn beide Eltern adipös sind, sind 80 Prozent der Kinder adipös. Bei Adipositas eines Elternteils sind es 40 Prozent, bei normalgewichtigen Eltern 10 Prozent. Die Beobachtun- gen an eineiigen Zwillingen lassen erkennen, daß Umwelteinflüsse (Ab-

Praktische

Ernährungsmedizin als

interdisziplinäre Aufgabe in Prävention und Therapie

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MEDIZIN

hängigkeit von den Lebensgewohn- heiten der Pflegeeltern) einen ent- scheidenden Einfluß haben. Die kör- perliche Inaktivität beeinflußt heute zunehmend die Körpermassenzunah- me. Die Zahl der Stunden, die täg- lich vor dem Fernsehgerät verbracht werden, ist besser mit der Adipositas korreliert als die Menge der aufge- nommenen Nahrungsmittel. Der ver- mehrte Verzehr von Süßigkeiten und Fett ist ein wesentlicher Faktor in der Entstehung der Adipositas. Als Prävention können folgende Rat- schläge gegeben werden: Übermäßi- ge Fett- und Kohlenhydratzufuhr ist zu vermeiden, die Nahrung sollte reich an Ballaststoffen sein. Null- Diäten und Außenseiter-Diäten sind im Kindesalter nicht vertretbar. Eine energiereduzierte Mischkost muß den Bedarf an essentiellen Nährstof- fen decken. Eine ausreichende kör- perliche Aktivität, am besten in einer Sport-Therapiegruppe, ist notwen- dig. Die Ernährungserziehung muß das Elternhaus mit einbeziehen.

Praktische Ernährungs- medizin in der Chirurgie Die Ernährungstherapie hat in der Chirurgie (Prof. Dr. V. Zumtobel, Bochum) inzwischen einen festen Platz, da in der Bundesrepublik in größeren Chirurgischen Kliniken bei 10 Prozent der Patienten mit primä- rer Mangelernährung zu rechnen ist.

Da der Immunstatus vom Ernäh- rungszustand abhängt, ergeben sich auch zwischen präoperativem Ernäh- rungszustand und postoperativer Komplikationsrate besonders bei ma- lignen Oesophagus- und Magen- krankheiten deutliche Zusammen- hänge. Durch präoperative künstli- che Ernährung sind erst ab der zwei- ten Woche sicher belegbare Einflüs- se auf immunologische Parameter zu erwarten. Der Vorteil einer präope- rativen Ernährung ist deshalb gegen die Nachteile des Fortschreitens der Krankheit und der größeren Konta- minationsmöglichkeit mit Hospital- keimen abzuwägen. Nach heutiger Auffassung können nur bestimmte Patienten mit zum Beispiel Oesopha- gus-Karzinom, Morbus Crohn oder Colitis Ulzerosa von einer präopera-

KONGRESSBERICHT

tiven künstlichen Ernährung wirklich profitieren.

Postoperativ verlangen die Ma- gen-Darm-Atonie und Anastomosen- heilungsphase in Abhängigkeit von der Art und Größe abdomineller Eingriffe eine unterschiedlich lange intravenöse Ernährung. Bei Patien- ten in ausreichendem Ernährungszu- stand kann diese niedrig kalorisch auch periphervenös appliziert wer- den. Bei unterernährten Patienten ist eine kalorisch vollwertige Ernährung, auch unter Einbeziehung von Fett als Energiequelle, notwendig. Diese Art der Ernährung erfolgt meist zentral- venös. Bei der Anwendung dieses Prinzips ohne Spezialpersonal ist mit einer Katheterinfektionsrate von 10 bis 15 Prozent, mit Spezialpersonal von 3 bis 8 Prozent zu rechnen. Die Verwendung mehrlumiger zentraler Katheter erhöht die Katheterinfekti- onsrate auf das 3- bis 5fache.

Die Höhe der Kosten und der Komplikationsraten ließen das Kon- zept einer intraoperativ angelegten Katheterjejunostomie für die ente- rale Ernährung zu einer interessan- ten Alternative werden. In aller Re- gel wird parallel zu einer niedrigkalo- rischen parenteralen Ernährung be- reits am ersten postoperativen Tag mit einer enteralen Nährstoffzufuhr begonnen. Die enterale Ernährung verhindert eine verminderte Bereit- stellung von mukosaassoziierten Im- munglobulinen und eine intestinale Mukosatrophie mit nachfolgender erhöhter Translokation von Darm- bakterien aus dem Darmlumen mit dem Risiko einer Sepsis. Verglei- chende Untersuchungen belegen für die enterale Ernährung deutlich ge- ringere Infektionsraten und eine kür- zere Krankenhausaufenthaltsdauer.

Nach Oesophagusresektionen, Gastrektomien und Duodeno-Hemi- pankreatektomien kommt es zu er- heblichen Einschränkungen der Ver- dauungsfunktionen, die regelmäßig erst nach mehrwöchigen bis mehrmo- natigen Anpassungsphasen soweit kompensiert werden, daß die betrof- fenen Patienten ihr Körpergewicht halten können. Je nach Ausgangszu- stand stellt der anpassungsbedingte Gewichtsrückgang eine vitale Bedro- hung dar. Mit Hilfe einer enteralen Zufütterung über eine Katheter-Je-

junostomie oder eine andere Ernäh- rungssonde kann der Ernährungszu- stand in dieser Phase gehalten oder sogar noch verbessert werden. Bei vielen Patienten ist dadurch eine frü- here Entlassung möglich, wenn der Hausarzt die Betreuung mit über- nimmt. Die häusliche Versorgung er- folgt unter Aufsicht der Klinik und des Hausarztes durch nebenberufli- che Ernährungshelfer.

Chancen der ambulanten künstlichen Ernährung Die ambulante künstliche Er- nährung ist eine neue sehr interes- sante Variante praktischer Ernäh- rungsmedizin (Prof. Dr. D. Sailer, Er- langen). Von diesem Verfahren pro- fitieren vor allem chronisch Kranke, deren Nährstoffaufnahme nicht gesi- chert ist und deren Hospitalisation nur aus diesem Grund erfolgt. Es handelt sich dabei um onkologische geriatrische Patienten sowie Patien- ten mit Schluckstörungen, Kurz- darmsyndrom oder entzündlichen Darmkrankheiten. Die Malnutrition selbst limitiert die Lebensqualität, aber auch die Lebenserwartung die- ser Patienten. Sowohl die parentera- le als auch die enterale Nährstoffzu- fuhr ist ambulant durchführbar, wenn über ein kompetentes Ernäh- rungsteam die Schulung des Patien- ten oder dessen Angehöriger und die laufende Betreuung sichergestellt wird. Durch die ambulante Heimer- nährung werden die Lebensqualität der Betroffenen deutlich erhöht, die Krankenhäuser entlastet und erheb- liche Kosten eingespart.

Bei erhaltener digestiver und re- sorptiver Kapazität des Magen- Darm-Traktes ist heute die endosko- pisch kontrollierte perkutane Gastro- stomie (PEG) das Verfahren der Wahl. Bei Kontraindikationen für die enterale Zufuhr (zum Beispiel Ileus, unstillbares Erbrechen, Peritoneal- karzinose) oder erheblich einge- schränkter resorptiver Kapazität des Darmes muß die Nährstoffzufuhr parenteral erfolgen. Für ältere Pa- tienten und für Patienten mit malig- ner Grundkrankheit wird in aller Re- gel als intravenöser Zugangsweg ein Hickman-Katheter gewählt. Bei jün-

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MEDIZIN

geren Patienten mit benignen Erkran- kungen werden implantierbare Port- Systeme eingesetzt. Erfahrungsgemäß lassen sich über 80 Prozent aller Pa- tienten, die ambulant künstlich er- nährt werden müssen, mit dem entera- len Zugangsweg (PEG) versorgen.

Die im Handel befindlichen nährstoffdefinierten Diäten kosten um 12 DM pro 1000 kcal und sind bei den meisten Patienten ausreichend.

Oligopeptid-Diäten und Spezialdiä- ten sind etwas teurer. Der Patient be- nötigt zusätzlich einen Beutel, in den das Nährstoffgemisch eingefüllt wird.

Dieser kostet ebenfalls etwa 12 DM und muß aus hygienischen Gründen täglich gewechselt werden. Nach der neuen Fassung der Richtlinien des Bundesausschusses der Ärzte und Krankenkassen (Verordnung von Arzneimitteln in der kassenärztli- chen Praxis, 9. 11. 1989, § 21 i) sind Sondendiäten bei medizinisch indi- zierter Sondenernährung auf Kosten der gesetzlichen Krankenkassen re- zeptierfähig. Für das Beihilferecht (Beamte) gilt das gleiche. Es emp- fiehlt sich grundsätzlich, an den Ko- stenträger zu schreiben mit der Bitte um Kostenübernahme. In der Küche selbst hergestellte Sondennahrungen sind aus verschiedenen Gründen ab- zulehnen. Sie haben wegen der vielen Manipulationen ein hohes bakteri- elles Kontaminationsrisiko, sind schlecht sondengängig und ernäh- rungsphysiologisch nicht vollwertig.

Diese Gründe sprechen eindeutig dafür, nur industriell hergestellte Sondenkosten zu verwenden.

Praktische

Ernährungsmedizin in der Inneren Medizin In der Inneren Medizin (Prof. Dr.

M. Berger, Düsseldorf) hat die prakti- sche Ernährungsmedizin neben den obengenannten Indikationen für die künstliche Ernährung vor allem einen Stellenwert bei der Behandlung von Stoffwechselkrankheiten. Zentrale Bedeutung hat die Ernährungsthera- pie der Fettsucht, da diese ein wichti- ger Manifestationsfaktor von Diabe- tes, Dyslipoproteinämien, Bluthoch- druck und Gicht darstellt. Viele dieser Patienten, für die die ernährungsme-

KONGRESSBERICHT

dizinische, nicht medikamentöse The- rapie die primäre Behandlung über- haupt ist, werden unter sträflicher Vernachlässigung der Ernährungs- therapie von Anfang an mit Medika- menten behandelt. Dieser Mißstand ist besonders für die Praxis der Thera- pie des Typ-Il-Diabetes mellitus deut- lich gemacht und wegen seiner negati- ven Folgen für den Patienten und un- ser Gesundheitswesen angeprangert worden.

Für den Typ-Il-Diabetes konnte allerdings in den letzten Jahren in Deutschland unter entscheidender Berücksichtigung ernährungsmedizi- nischer Gesichtspunkte ein Thera- piekonzept entwickelt werden. Die- ses strukturierte Therapie- und Schu- lungsprogramm für nichtinsulinbe- handelte Typ-Il-Diabetiker wurde im Rahmen einer umfassenden Initiati- ve aus dem Bereich der internisti- schen klinischen Forschung in Ko- operation mit Ernährungs- und Ge- sundheitswissenschaftlern, Vertre-

Praxis

der Ernährungsberatung Ernährungstherapie ist nicht möglich ohne Ernährungsberatung (Prof. Dr. V. Pudel, Göttingen). Des- halb kommt der Praxis der Ernäh- rungsberatung eine große Bedeutung zu. Die Ernährungsberatung soll das Ernährungsverhalten des Patienten ernährungsphysiologisch optimieren.

Das Problem liegt dabei nicht in der Definition der richtigen Ernährung, sondern in der Umsetzung mit dem Ziel, daß der Patient diese gewünsch- te Ernährungsweise auch befolgt.

Ausgangspunkt muß eine Verhal- tensdiagnose sein, um für jeden Pa- tienten individuell den Ist-Zustand mit dem Soll-Zustand zu vergleichen und so die Ziele der Beratung zu de- finieren. Dabei sind zwei Aspekte wichtig: Objektiv die tatsächliche Zu- fuhr von Energie und Nährstoffen zu ermitteln, aber auch zu ergründen, welchen Stellenwert subjektiv der Verzehr bestimmter Lebensmittel für den einzelnen Patienten hat. Es genügt nicht, nur Ziele festzulegen, sondern es muß auch eine Zielhierar- chie, welche Ziele vom Patienten subjektiv eher leichter und welche

tern der Fachgesellschaften, der kas- senärztlichen Vereinigung und insbe- sondere den niedergelassenen Ärz- ten und den Betroffenen entwickelt und in unser Gesundheitswesen flä- chendeckend implementiert. Dabei steht der ernährungsmedizinische Ansatz einer flexiblen Empfehlung zur Kalorienreduktion, rückgekop- pelt und gestärkt durch systematische Glukosurie-Selbstkontrollen der Pa- tienten, eine Steigerung der körperli- chen Aktivität und ein strukturiertes Schulungsprogramm im Zentrum der konzertierten Intervention. In einer prospektivkontrollierten Studie wur- de der Nachweis der Effizienz dieses Programms dokumentiert: signifikan- te Gewichtsreduktion, Verbesserung der Stoffwechseleinstellung und eine über 50prozentige Reduktion der Rezeptur von oralen Antidiabetika.

Dies ist ein eindrucksvolles Beispiel für die erfolgreiche Umsetzung und Nutzung der Ernährungsmedizin in der Inneren Medizin.

eher schwerer realisiert werden kön- nen, ermittelt werden. Bei der Pla- nung konkreter Maßnahmen muß man darauf achten, sich dem Ziel in kleinen Schritten zu nähern, da nur so Erfolge wahrscheinlich werden und dadurch geändertes Eßverhalten stabilisiert wird. Erst danach wird ein neues Ziel anvisiert. Damit wird deutlich, daß Ernährungsberatung ein kontinuierlicher Kommunikati- ons- und Trainingsprozeß in mehre- ren Stufen sein muß. Das Prinzip der flexiblen Kontrolle wird rigiden Ver- haltensvorschriften vorgezogen, da nur so massive Rückfälle vermieden werden. Favorisiert werden sollte auch das Training einer gesteigerten Selbstkontrolle.

Das Patientenverhalten ist des- halb so, wie es ist, weil es durch viel- fältigste Lebensbedingungen stabili- siert wird. Das Verhalten ist dem- nach eine subjektive Optimierung, wenngleich es objektiv betrachtet nicht optimal ist. Auch verständliche und nachvollziehbare Informationen reichen in aller Regel nicht aus, nachhaltig das Verhalten eines Pa- tienten zu verändern. Gesundheit für die Bevölkerung ist ein „Produkt", das vom Individuum wenig nachge-

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MEDIZIN

fragt wird. Ein oft übersehener Para- meter der Qualitätskontrolle der Er- nährungsberatung ist die subjektive Zufriedenheit des Patienten mit der Ernährungsberatung. Nur Patienten- zufriedenheit schafft die notwendige, doch nicht die hinreichende Basis für jede Verhaltensänderung. Eine Er-

nährungsberatung kann neurotisie- rend wirken, wenn sie den Patienten kognitiv „unter Druck" setzt, ihm aber die notwendigen Hilfsmaßnah- men zur Durchsetzung der vereinbar- ten Ziele vorenthält.

Die Ausführungen der Referen- ten wurden ergänzt durch zahlreiche Diskussionsbemerkungen und die eingeladenen Diskutanten Dr. A.

Wiesemann (Ostringen) sowie Prof.

Dr. P. Schauder (Göttingen), dem Präsidenten der Deutschen Gesell- schaft für Ernährungsmedizin.

Zusammenfassend hat dieses Symposium gezeigt, daß in der Er-

KONGRESSBERICHT / FÜR SIE REFERIERT

nährungsmedizin in den letzten Jah- ren enorme Fortschritte erzielt wur- den. Fortbildung ist also dringend notwendig. Neue Entwicklungen gibt es sowohl bei der Indikation der Er- nährungstherapie, bei der Zusam- mensetzung der Diäten und Infusi- onslösungen als auch bei der Appli- kation und bei der Methodik der Er- nährungsberatung. All dies ist für die praktische Medizin wichtig, der Arzt muß es wissen. Zumindest muß er wissen, wo er sich informieren kann, damit der Patient an den Fortschrit- ten teilhat. Anamnese und klinische Untersuchung kommen als Basis der Ernährungstherapie immer wieder zu kurz. Dies gilt vor allem für die Familienanamnese bei angeborenen Stoffwechselkrankheiten. Der Arzt stellt die Diagnose, legt die Therapie fest und sollte sich in der Routinear- beit der intensiven Ernährungsbera- tung durch Fachkräfte entlasten las-

sen. Er hat die Verantwortung und sorgt für die Kontrolle. Der Arzt ist die Vertrauensperson des Patienten, auch in Fragen der Ernährungsmedi- zin. Dieses Vertrauen muß er sich durch kompetentes Wissen und Han- deln auch in Ernährungsfragen er- halten, um die Patienten immer wie- der motiveren zu können. Durch richtige Ernährung ist eine Präventi- on ernährungsabhängiger Krankhei- ten möglich. Es gibt kaum eine The- rapie mit einem günstigeren Kosten- Nutzen-Risiko-Verhältnis als die Er- nährungstherapie.

Professor Dr. med.

Günther Wolfram Leiter des Instituts

für Ernährungswissenschaft der Technischen Universität München in Weihenstephan W-8050 Freising 12

Helicobacter pylori in Nahrungsmitteln

Nach wie vor ist unklar, wie wir uns mit Helicobacter pylori infizie- ren. Diskutiert wird eine Infektion über das Oberflächenwasser, in dem Helicobacter pylori in kokkoiden Formen für Monate und Jahre zu überleben vermag.

Auf der anderen Seite ist bereits vor einigen Jahren gezeigt worden, daß das Schlachthauspersonal eine besonders hohe Durchseuchungsrate aufweist, wenn es in direkten Kon- takt mit Tieren gekommen ist. In die- se Richtung gehen auch die Untersu- chungen einer italienischen Arbeits- gruppe, die das Fleisch von 15 Schweinen, 15 Kaninchen und 5 Kü- hen auf Helicobacter-pylori-Antikör- per untersuchte. Erhöhte Serum- IgG-Werte fanden sich bei 93 Pro- zent der Schweine und 87 Prozent der Kaninchen, während das Rind- vieh keine erhöhten IgG-Werte auf- wies. Helicobacter pylori konnte bei 8 von 10 Schweinen und 7 von 10 Ka- ninchen in der Magenschleimhaut mittels Bürstenzytologie nachgewie- sen werden. Die Autoren vermuten,

daß ein Tierreservoir bei der Helico- bacter-pylori-Infektion des Men- schen eine wichtige Rolle spielt. W

Vaira D., P. Ferron, R. Negrini et al.:

Detection of Helicobacter pylorilike or- ganisms in the stomach of some food- source animals using a monoclonal anti- body. Ital. J. Gastroenterol. 24: 181-184, 1992.

I. Clinica Medica, Universita di Bologna, Ospedale S. Orsola, Nuove Patologie, Via Massarenti 9, 40138 Bologna, Italien

Kolonschleimhaut- veränderungen bei

NSAR-Therapie

Erosionen und Ulzera in Magen und Zwölffingerdarm sind unter der Einnahme nicht-steroidaler Anti- rheumatika (NSAR) geläufig. Die Zahl der schwerwiegenden Kompli- kationen wird auf 1:1 Million Ver- ordnungen geschätzt. Aber auch Dünn- und Dickdarm sind, wohl be- dingt durch den enterohepatischen Kreislauf der Pharmaka, nicht selten betroffen. Dünndarmulzera sind un- ter der Einnahme nicht-steroidaler

Antirheumatika zehnmal häufiger als in einem Kontroll-Kollektiv, darüber hinaus findet sich mitunter das Bild einer hämorrhagischen Colitis bis hin zu Kolonulzera, die nach Absetzen der Noxe spontan wieder verschwin- den.

Auch bei der Kollagen-Colitis könnte die Einnahme von NSAR- Präparaten eine Rolle spielen. Die kanadischen Autoren fanden bei 19 von 31 Patienten mit einer Kollagen- Colitis eine positive NSAR-Anamne- se, während in einer Kontroll-Grup- pe von Colon irritabile und Diverti- kulose-Patienten dies nur bei 4 von 31 der Fall war.

Schönberger, B., S. Nickl, F. Schweiger:

Colonic ulcerations associated with dic- lofenac treatment. Can. J. Gastroenterol.

6: 15-17, 1992

TU München und The Moncton Hospi- tal, Moncton, New Brunswick

Riddell, R. H., M. Tanaka, G. Mazzole- ni: Non-steroidal anti-inflammatory drugs as a possible cause of collagenous colitis: a case-control study. Gut. 33:

683-686, 1992

Department of Pathology, McMaster University Medical Center, Hamilton, Ontario, Kanada.

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