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Archiv "Praktische Durchführung enteraler Ernährung" (17.03.1995)

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MEDIZIN ZUR FORTBILDUNG

Praktische Durchführung enteraler Ernährung

Metin Senkal Matthias Kernen

Heinz-Herbert Homann Ulrich Eickhoff

Volker Zumtobel

K

ünstliche Ernährung von Pa- tienten, die nicht essen konn- ten beziehungsweise durften, oder deren schlechter Allge- meinzustand bei konsumierenden Erkrankungen gebessert werden soll- te, wurde bereits im Altertum durch- geführt. Heute stehen zwei sinnvolle, sich gegenseitig ergänzende Verfah- ren der künstlichen Ernährung zur Verfügung: die parenterale Ernäh- rung über venöse Zugänge und die enterale Ernährung in Form von flüs- siger Sondenkost. Der erste nieder- geschriebene Versuch über eine ge- zielte parenterale Ernährung ist das kurze Experiment von Sir Christo- pher Wren aus dem Jahre 1656, in dem er einem Hund eine Weinmixtur intravenös injizierte (11). Der Durch- bruch zur vollständigen parenteralen Ernährung gelang 1967 Dudrick und Mitarbeitern (7) mit dem zentral- venösen Katheter, der die Zufuhr hy- perosmolarer Infusionslösungen er- möglichte. Die enterale Ernährung hat ihre Ursprünge in der Verabrei- chung von rektalen Nährstoffeinläu- fen, die ihren klinischen Wert bis in dieses Jahrhundert behielten. Ein Wendepunkt in der Geschichte der enteralen Ernährung trat ein, als Max Einhorn 1910 erstmalig die Anwen- dung einer nasoduodenalen Ernäh- rungssonde beschrieb und damit den Grundstein für die moderne enterale Ernährung legte (8).

Beide Verfahren sind mit Vor- und Nachteilen behaftet. Die par- enterale Ernährung ist unabhängig von der digestiven und resorptiven Kapazität des Gastrointestinaltraktes und hat daher breite Anwendung in der perioperativen Phase gefunden.

Sowohl während der intensivmedizini- schen Behandlung als auch bei vielen unterschiedlichen chirurgischen und in- ternistischen Krankheitsbildern, die ei- ne orale Nahrungsaufnahme unmög- lich machen, ist die enterale Ernäh- rungsform zu einem wichtigen Be- standteil des Therapiekonzeptes ge- worden. Der gezielte Einsatz von naso- enteralen Sonden, Gastrostomien und Jejunostomien erlaubt einen risiko- armen und kostengünstigen Weg der Nahrungsmittelapplikation. Die unterschiedlichen Formeldiäten er- möglichen eine bedarfsorientierte Er- nährung von Patienten.

Hinzu kommt, daß ein spezifisches nutritives Defizit meist schneller par- enteral als enteral ausgeglichen wer- den kann. Jedoch sind durch Umge- hung des Gastrointestinaltraktes und des Portalkreislaufes bei der parente- ralen Ernährung metabolische Ent- gleisungen wesentlich häufiger, wes- halb sie eines engmaschigen Monito- rings bedarf. Bei einer bedarfs- deckenden parenteralen Ernährung ist die Anlage eines zentralvenösen Zugangs obligat, der mit katheterbe- dingten (Kathetersepsis) und punkti- onstechnischen Problemen behaftet ist (10). Die Kosten einer vollständi- gen parenteralen Ernährung betra- gen 100 bis 200 DM pro Tag.

Die enterale Nährstoffzufuhr ist die physiologische Alternative zur parenteralen Ernährung, wobei ins- besondere ihre Auswirkung auf die Integrität der Darmmukosa hervor- zuheben ist (13). Durch eine

postoperative enterale Ernährung wird beispielsweise eine Mukosa- atrophie verhindert und damit einer drohenden bakteriellen Translokati- on von Erregern und deren Toxinen vorgebeugt (1, 3, 15). Interessant sind auch die im Vergleich zur parentera- len Ernährung niedrigeren Kosten (20 bis 50 DM/Tag).

Indikation für enterale Ernährung und

Sondenplazierung

Bevor eine Ernährungstherapie, vorgenommen wird, sollten zunächst eine ausführliche Anamnese und komplette Untersuchung einschließ- lich anthropometrischer Daten erho- ben sowie laborchemische Untersu- chungen durchgeführt werden. Ob der Gastrointestinaltrakt effektiv zur Ernährungstherapie eingesetzt wer- den kann, hängt von der klinischen Situation des Patienten ab. Wenn ei- ne Verletzung oder Obstruktion des Darmes, ein Ileus, eine schwere Diar- rhö oder eine massive gastrointesti- nale Blutung ausgeschlossen werden können, ist eine enterale Er- nährungstherapie möglich. Unter Be- achtung dieser Kontraindikationen ist die enterale Nährstoffzufuhr bei allen Patienten indiziert, die über ei- nen Zeitraum von länger als vier Ta- gen keine adäquate Möglichkeit ha- ben, bedarfsdeckend Nahrung aufzu- nehmen. Von vielen Autoren wird grundsätzlich gefordert, daß bei funktionsfähigem Gastrointestinal- Chirurgische Klinik des St. Josef-Hospitals trakt die Energiezufuhr zumindest (Direktor: Prof. Dr. med. Volker Zumtobel) teilweise enteral erfolgen sollte. Dies der Ruhr-Universität Bochum gilt insbesondere für Patienten mit A-754 (38) Deutsches Ärzteblatt 92, Heft 11, 17. März 1995

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Funktionsfähiger Gastrointestinaltrakt

JA NEIN

Aier JA/ > 4 Wochen NEIN

JA

Jejunostomie FNKJ

NEIN

Gastrostomie

Aspirationsgefahr JA)/

PEG

JA

Naso-Jejunale Sonde

NEIN

Naso-Gastrale Sonde Enterale

Ernährung

Parenterale Ernährung

Enterostomie Naso-Enterale

Sonden Abdomineller

Eingriff Aspirationsgefahr

Abbildung 1: Entscheidungshilfe zur Indikation eines enteralen Zugangs inoperablen Tumoren des oberen

Gastrointestinaltraktes, da oft eine Verbesserung des Ernährungszustan- des erst eine suffiziente Chemo- oder Radiotherapie ermöglicht (Ösopha- gus-, Magen-, Pankreas- und Gallen- wegstumoren und so weiter) (12).

Wir sind uns der in diesem Zusam- menhang entstehenden, ethischen Fragen durchaus bewußt, können aber im Rahmen des vorliegenen Beitrages nicht auf die notwendige vertiefende Erörterung eingehen.

Zugangswege

Als einfachster Zugangsweg zum Gastrointestinaltrakt gilt die nasoen- terale Sonde (Magen- und Duodenal- sonde, Abbildung 2 A, B) . Hierzu werden von der Industrie spezielle Sonden aus Polyurethan und Silikon- kautschuk angeboten. Der Vorteil der Verwendung von Magensonden ist der Erhalt des Magens als Speise- reservoir und somit die Möglichkeit der Bolusgabe und die Verträglich- keit auch hochosmolarer Kost. Ente- rale Ernährung über Magensonden sollte nur bei wachen und nicht be- wußtseinsgetrübten Patienten durch- geführt werden. Bewußtlose Patien- ten oder solche, deren laryngeale Re- flexe gestört sind, können bei Er- nährung über Magensonden schwere Aspirationen entwickeln. Bei Ver- wendung von Duodenalsonden ist die Aspirationsgefahr geringer. Im Vergleich zu den Magensonden wird die Gabe hochosmolarer Kost und die Bolusgabe schlechter vertragen, so daß eine kontinuierliche Nah- rungsapplikation, meist unter Einsatz von Ernährungspumpen, notwendig sind. Das Legen und Positionieren der Duodenalsonden ist meist nur unter Röntgendurchleuchtung oder endoskopisch möglich.

Transnasale Sondensysteme sind wegen ihres Fremdkörpergefühls im Rachen, der Entwicklung einer se- kundären Refluxösophagitis und von Druckulzera nur eingeschränkt zur längerfristigen Ernährung geeignet.

Vielmehr sind transnasale Son- den als vorübergehende, zeitlich be- grenzte Ernährungszugänge zu be- trachten. Auch wenn die Entwick- lung neuer, dünner transnasaler Son-

den die Nährstoffapplikaton für ei- nen Zeitraum bis zu einigen Wochen erlaubt, werden diese von den Pati- enten als störend empfunden.

Indikationen für naso-enterale Sonden sind Schädel-Hirntrauma, Tu- moren im oro-pharyngealen Bereich, Anorexie, Malabsorption, entzündli- che Darmerkrankungen oder gastro- intestinale Fisteln, Verbrennungen,

Abbildung 2: Anatomische Lage verschiedener Er- nährungssonden: (A) naso-gastral, (B) naso-duode- nal, (C) perkutan-gastral, (1) perkutan-jejunal (zum Beispiel Feinnadelkatheter-Jejunostomie)

Chemo- und Radiotherapie, sowie Gewichtsverlust bei HIV-Erkran- kung (AIDS) (5). Magensonden wer- den nach Abdominaleingriffen we- gen der zu erwartenden postoperati- ven Magenatonie routinemäßig pla- ziert.

Als Orientierungshilfe, welcher enterale Zugang indiziert ist, kann das Schema in Abbildung 1 genom- men werden.

Bei einem funktionsfähigen GI- Trakt sollte, falls keine sonstigen Kontraindikationen bestehen, die enterale Ernährung bevorzugt wer- den. Bei kurzfristiger Ernährung ist die Versorgung mit naso-enteralen Sonden möglich. Ist eine Ernährung für längere Zeit beabsichtigt, sollte ei- ne Enterostomie bevorzugt werden, wobei sich bei abdominellen Eingrif- fen die intraoperative Plazierung ei- ner Jejunalsonde anbietet.

Ein wichtiger Meilenstein in der Entwicklung der enteralen Ernäh- rungstherapie war die Einführung der perkutanen endoskopisch kon- trollierten Gastrostomie (PEG) (16), die bei Erkrankungen oberhalb des ösophago-gastralen Überganges indi- ziert ist (Abbildung 2, C). Gastro- stomien eignen sich gut als Langzeit- Ernährungszugang bei Patienten mit funktionsfähigem Intestinaltrakt, die nicht essen oder schlucken können.

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ENERGIEZUFUHR

(große Oberbaueheingriffe)

parenterale Flüssigkeitszufuhr

bis 2500 ml Gesamtvolumen

4 5 6 7 8 9 10 11 12 13 POSTOPERATIVER TAG

MEDIZIN

Abbildung 3: Intraoperative Plazierung einer Fein- nadelkatheter-Jejunostomie. Bildung des subserösen

„Tunnels".

Ferner kann die PEG für die gastrale Dekompression eingesetzt werden.

Bei Patienten mit einer kompletten Obstruktion des Pharynx oder des Ösophagus ist die Anlage einer PEG wegen der endoskopischen Passage- behinderung im Tumorbereich in der Regel nicht möglich.

Die Ernährung über Gastro- stomien sollte wegen der Aspirati- onsgefahr nur bei bewußtseinsklaren Patienten durchgeführt werden. Frü- her wurden Voroperationen des Ab- domens als Kontraindikation für eine PEG angesehen. Mit dem breiteren Einsatz und der größeren Erfahrung wurde diese Kontraindikation wei- testgehend relativiert. Als Komplika- tionen der PEG werden Wundkom- plikationen, wie zum Beispiel Bauch- wandabszeß oder gastrointestinale Blutung aus der Punktionsstelle in ei- ner Häufigkeit von bis zu sechs Pro- zent beschrieben. Ferner ist die Peri- tonitis als mögliche, jedoch seltene Komplikation der PEG bei Lösung des Magens von der vorderen Bauch- wand zu erwähnen. Insgesamt ist die PEG besonders geeignet für ältere pflegebedürftige Patienten, die nicht mehr in der Lage sind, ausreichend Nahrung aufzunehmen. Neuerdings werden Gastrostomien auch sonogra-

ZUR FORTBILDUNG

phisch plaziert. Diese Methode wird jedoch bisher nur in einigen Zentren durchgeführt.

Neben der nasalen Plazierung duodenaler Sonden und den Gastro- stomien gilt heute bei Laparotomien mit längerfristiger Nahrungskarenz oder unzureichender Nahrungsauf- nahme die intraoperative Anlage so- genannter Katheterjejunostomien als Standardverfahren zur intrajejunalen Sondenernährung (Abbildung 2, E).

Durch Verbesserungen in der Kathe- tertechnik und Verringerung der Diätviskosität sind die Sonden immer dünner geworden, woraus der Name Feinnadelkatheterjejunostomie

(FNKJ) resultierte. Jejunostomien sind intraoperativ einfach anzulegen (14) und bei allen großen Ober- baucheingriffen (Ösophagusresekti- on, Gastrektomie, Duodenohemi- pankreatektomie usw.), wo eine rela- tiv lange orale Nahrungskarenz vor- auszusehen ist, indiziert (Abbildung 3). In einigen Zentren werden Jejunalsonden bereits endoskopisch plaziert (Perkutane endoskopische Jejunostomie-PEJ). Die Katheterje- junostomie wird in der Regel 15 bis 30 cm distal des Treitzschen Liga- ments, beziehungsweise distal der chirurgischen Anastomose angelegt.

Das Jejunum wird dann an der Ka- theteraustrittsstelle an das parietale Peritoneum an der Bauchwandinnen- seite fixiert.

Die Nahrungsapplikation kann frühpostoperativ in den ersten 12 bis 24 Stunden begonnen werden, falls keine anderweitigen Kontraindika- tionen bestehen. Mögliche Kompli- kationen bei Katheterjejunostomien sind Verlegung des Lumens, Über- tritt von Sondenkost in das Peritone- um und Volvulus (Tabelle 1). Im eige- nen Krankengut wurde eine Kompli- kationsrate von weniger als ein Pro- zent festgestellt (13).

Abbildung 4: Postoperatives Ernährungsschema nach großen Oberbaucheingriffen. Beginn der ente- ralen Nahrungsapplikation am ersten postoperati- ven Tag mit 20 mI/h und Steigerung bis 80 ml/h.

Parenterale Flüssigkeits- und Elektrolytzufuhr nach Bedarf.

A-756 (40) Deutsches Ärzteblatt 92, Heft 11, 17. März 1995

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Tabelle I: Allgemeine Indikationen, Kontraindikationen und die Applikationsart für die unterschiedlichen Sondensysteme und enterale Ernährung.

Indikation Komplikationen Applikationsart

Naso-enterale Sonden

Schädel-Hirntrau- ma, Oro-pharyn- geale Tumoren, Anorexie, ent- zündliche Darm- erkrankungen, GI-Fisteln, Che- mo- oder Radio- therapie, Ge- wichtsverlust bei HIV

Fremdkörperge- fühl, Druckulze- ra, Refluxöso- phagitis, subjek- tive Störung des Patienten

intermittierende Bolusgabe bei naso-gastralen Sonden, konti- nuierliche Zu- fuhr bei naso- duodenalen Sonden

Langzeit-Ernäh- rung bei funkti- onsfähigem GI- Trakt und erhal- tenen Laryngea- len Reflexen, gastrale Dekom- pression

Wundkomplika- tionen, (Bauch- wandabszeß), Blutung aus Punktionsstel- len, Peritonitis

intermittierende Bolusgabe Gastrostomie

Jejunostomie, FNKJ

Langzeiternäh- rung bei funkti- onsfähigem GI- Trakt, Postopera- tive Nährstoffzu- fuhr nach großen Oberbauchein- griffen

Lumenverle- gung, Volvulus, Übertritt von Sondenkost in das Peritoneum mit Peritonitis

kontinuierliche Nährstoffzufuhr mit Ernährungs- pumpe

Sowohl Katheterjejunostomien als auch Gastrostomien sind bei ge- gebener Indikation für eine längerfri- stige enterale Ernährung als definiti- ve Versorgung geeignet.

Diätformen

Da die Sondenernährung in der Regel eine längerfristige Behandlung darstellt, muß der Bedarf des Patien- ten an sämtlichen Nährstoffen, Elek- trolyten, Spurenelementen und Vit- aminen gedeckt werden. Die Nähr- stoffe sollten sich gut zur Digestion und Resorption eignen. Die Diät soll- te laktosefrei und isoosmolar sein, so- wie eine geringe Viskosität besitzen.

Bei den heute industriell hergestell- ten Diäten unterscheidet man nähr- stoffdefinierte (NDD) und chemisch definierte Diäten (CDD).

Charakteristikum der NDD (Formuladiät) ist das hochmolekula- re Substrat. Sie enthalten intakte (Makro-)Nährstoffe wie Proteine, Fette und Kohlenhydrate in hochmo- lekularer Form in optimaler Relation zueinander sowie alle essentiellen Substanzen in ausreichendem Maße.

Durch die Verwendung von Fetten und Oligosacchariden kann die Osmolalität dieser Diäten in nahezu physiologischen Bereichen gehalten werden (bis 450 mosmol/kg). Diäten, deren Osmolalität höher als 450 mos- mol/kg liegt, erzeugen in der Regel Diarrhöen. NDD werden bei Appli- kation sowohl in den Magen als auch in das Duodenum und Jejunum gut toleriert. Nach Zumischung von Ge- schmackskomponenten eignen sich NDD auch zur oralen Applikation.

Bei Zusatz von Milchprodukten ist auf eine mögliche Laktoseintoleranz zu achten.

CDD sind aus nieder- bezie- hungsweise hochmolekularen Kom- ponenten zusammengesetzt und be- stehen überwiegend aus Oligopepti- den, monomolekularen Kohlenhy- draten, essentiellen Fettsäuren, Vit- aminen und Mineralstoffen. Diese Diäten sind so konzipiert, daß die Absorption der Nahrungsbestandtei- le unabhängig von Verdauungsfer- menten erfolgen kann und die einzel- nen Bausteine bereits in den oberen Dünndarmabschnitten absorbiert

werden. Nachteile der CDD liegen im schlechten Geschmack, der hohen Osmolalität und den gegenüber der NDD höheren Kosten. CDD sind in- diziert bei entzündlichen Darmer- krankungen und Zuständen mit ver- minderter Digestions- und Absorpti- onsleistung wie nach Strahlenthera- pie und während einer Chemothera- pie.

Eine Sonderstellung nehmen krankheitsadaptierte Diäten mit Ver- änderung der Protein-, Kohlenhy- drat- und Fettkomponente ein. Diese modifizierten Ernährungsformen kommen bei Patienten zur Anwen- dung, denen bestimmte Makronähr- stoffe unter Berücksichtigung des zu- grundeliegenden Krankheitsbildes zugeführt werden sollen. Beispiels- weise sind spezielle Aminosäure- präparate zur Ernährung von Patien- ten mit akuter oder chronischer Nie- reninsuffizienz angezeigt. Sie enthal-

ten essentielle Aminosäuren und Hi- stidin. Patienten mit akuter oder chronischer Leberinsuffizienz oder drohender hepatischer Enzephalopa- thie können mit Diäten ernährt wer- den, die einen relativ hohen Anteil verzweigtkettiger Aminosäuren und nur geringe Mengen aromatischer Aminosäuren enthalten. Der Zusatz von Arginin, Omega-3-Fettsäuren und Nukleinsäurebausteinen zu ente- raler Diät verbessert die postoperati- ve Immundysfunktion und vermin- dert postoperativ die Komplikations- raten (2, 6).

Praxis der

Sondenernährung

Applikation der Sondenkost (Tabelle 1): Die Verträglichkeit ente- raler Diäten hängt auch vom Aufbau der Ernährungstherapie ab. Er sollte

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MEDIZIN

grundsätzlich stufenweise über meh- rere Tage (drei bis vier Tage) erfol- gen. Bei gastraler Sondenlage emp- fiehlt sich die intermittierende Zufuhr, wobei mit etwa 500 ml einer Formu- ladiät, die in 5 Einzelportionen zu cir- ca 100 ml als Bolus appliziert werden, begonnen werden sollte. Wird die Diät gut vertragen, kann in den näch- sten Tagen um jeweils 500 ml/Tag ge- steigert werden bis zu einer täglichen Gesamteinfuhr von 2000 bis 2500 ml.

Nach erfolgreichem Kostaufbau kann der Ernährungsplan im Hin- blick auf die Fortführung der Son- denernährung zu Hause oder in ei- nem Pflegeheim so geändert werden, daß Schlafpausen eingehalten wer- den.

Bei der duodenalen oder jejuna- len Form der Nährstoffzufuhr sollte am ersten Tag mit einer kontinuierli- chen Zufuhr von 20 bis 25 ml/h be- gonnen werden. Bei guter Verträg- lichkeit kann auch hier die Zufuhr über einen Zeitraum von vier bis fünf Tagen bis zu der Menge, die zur Deckung des Nahrungsbedarfs des Patienten nötig ist, gesteigert werden (Gesamtmenge von etwa 2000 ml/d).

Die Ernährung über den Dünndarm sollte kontinuierlich erfolgen, da in- termittierende Bolusgaben schlech- ter vertragen werden.

Postoperatives Ernährungssche- ma: Bei großen Oberbaucheingriffen wird die enterale Ernährung über ei- ne intraoperativ plazierte Feinnadel- katheterjejunostomie (FNKJ) durch- geführt. In unserer Klinik beginnen wir mit einer Dosierung von 20 Inn am ersten postoperativen Tag bezo- gen auf 70 kg Körpergewicht (Abbil- dung 4). Über eine Adaptationsphase wird die volle enterale Ernährung in der Regel am fünften postoperativen Tag erreicht (80 ml/h). Zwischenzeit- lich werden Flüssigkeitsdefizite nach Bedarf parenteral ausgeglichen. Zwi- schen dem sechsten und dem achten postoperativen Tag wird überlappend mit dem oralen Nahrungsaufbau be- gonnen. Die enterale Zufuhr über die Feinnadelkatheterjejunostomie wird ab dem zehnten postoperativen Tag allmählich reduziert und bis zur aus- reichenden oralen Nahrungsaufnah- me — dies zeigt sich in der Steigerung des Körpergewichts — beibehalten.

Wird der Kalorienbedarf allein durch

ZUR FORTBILDUNG

die orale Nahrungsaufnahme wäh- rend des stationären Aufenthaltes nicht erreicht, wird die FNKJ-Sonde belassen und eine supplementäre enterale Heimernährung daran ange- schlossen.

Bei der heute zur Verfügung ste- henden Vielfalt der Diätformen ist es häufig schwierig, unter Beachtung der zugrundeliegenden Indikation zur künstlichen Ernährung die richti- ge Diät auszusuchen. Prinzipiell soll- te man sich für den klinischen Alltag mit einigen Präparaten vertraut ma- chen und diese einsetzen, anstatt eine Vielzahl von häufig sich nur nament- lich unterscheidenden Diäten zu be- nutzen.

Nebenwirkungen

Durchfälle entstehen meist bei zu rascher Nahrungsapplikation, zu hoher Osmolarität oder zu niedriger Temperatur der zugeführten Kost.

Eine hyperosmolare Diät führt insbe- sondere im Jejunum zu Dumpingbe- schwerden. Enteral zugeführte Nähr- stoffe werden auch bei Diarrhöen, die längere Zeit bestehen, resorbiert.

Daher sollte bei dem betreffenden Patienten die enterale Ernährung bei bestehender Diarrhö auch dann wei- tergeführt werden, wenn diese das subjektive Wohlbefinden oder die Pflege des Patienten nicht zu sehr be- einträchtigen. Bei hartnäckigen Diar- rhöen wird je nach deren Heftigkeit die Nährstoffzufuhr reduziert oder kurzfristig (weniger 12 Stunden) un- terbrochen. Sollte hierunter keine Besserung auftreten, können Anti- diarrhoika oder Diäten mit Ballast- stoffen eingesetzt werden.

Sondenpflege: Insbesondere die für die längerfristige Ernährung pla- zierten Sonden (PEG, FNKJ) müssen regelmäßig bei jeder Unterbrechung der Nahrungszufuhr mit Tee oder NaCl-Lösung gespült werden, da sie leicht verstopfen können. Die Son- den sind in der Regel mit einer Naht an der Bauchwand fixiert. Die Ein- stichstellen können sich infizieren.

Deswegen sollte in regelmäßigen Ab- ständen ein Verbandswechsel durch- geführt werden. Auch wenn Infektio- nen selten sind, müssen diese recht- zeitig erkannt und gegebenenfalls

chirurgisch revidiert werden. In Aus- nahmefällen entleert sich etwas Darminhalt oder Sondenkost neben der Sonde nach außen, welches in der Regel spontan nach einigen Tagen si- stiert.

Die dünnen Jejunostomiesonden können abknicken oder die Konvek- toren können abgerissen werden. In solchen Fällen können mit Hilfe von Reparatursets die Sonden wieder hergestellt werden.

Überwachung der Sondenernährung

Die Kontrolle der enteralen Ernährung erfolgt in erster Linie kli- nisch. Das Erheben des Abdominal- befundes und Auskultation des Ab- domen und der Lunge sind wesentli- che Bestandteile der Patientenüber- wachung neben der Bilanzierung von Ein- und Ausfuhr, Gewichtskontrol- len und laborchemischen Kontrollen.

Beendigung der Ernährung

Die für eine vorübergehende Versorgung geeigneten nasoentera- len Sonden können, nachdem sie ihre Aufgabe erfüllt haben, problemlos entfernt werden. Bei den für die defi- nitive Versorgung gedachten Gastro- stomien oder Jejunostomien sollte überprüft werden, ob eine enterale Ernährung in nächster Zukunft indi- ziert ist. Dies ist insbesondere bei Pa- tienten mit malignen Tumoren des oberen Gastrointestinaltraktes zu berücksichtigen. Häufig sind chirur- gische Eingriffe bei diesen Patienten palliativ und die intraoperativ pla- zierten Sonden stellen die letzte Möglichkeit dar, diese Patienten ef- fektiv und komplikationsarm zu ernähren. Vor allem die dünnen FNKJ-Sonden werden von Patienten gut toleriert und als wenig störend empfunden. Nachdem die orale Nah- rungsaufnahme problemlos funktio- niert, die Patienten an Gewicht zu- genommen haben und eine ente- rale supportive Ernährungstherapie wahrscheinlich nicht mehr nötig sein wird, kann die FNKJ-Sonde pro- blemlos wie ein Venenkatheter ent- A-760 (44) Deutsches Ärzteblatt 92, Heft 11, 17. März 1995

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Zu dem Beitrag von

PD Dr. med. Thomas Weber Prof. Dr. med. Sigrid Poser Prof. Dr. med. H.A. Kretzschmar in Heft 44/94

Fragen offen

Zur Entwarnung besteht kein Anlaß, weil die Autoren schließen,

„daß die Möglichkeit einer Infektion des Menschen durch den Verzehr von BSE-kontaminiertem Fleisch sich nicht mit 100prozentiger Sicherheit ausschließen läßt", auch wenn die Wahrscheinlichkeit eines Infektions- weges „extrem gering" scheint.

Bei Verzehr von kontaminiertem Hirngewebe dürfte „eine gewisse ge- ringfügige Gefährdung" bestehen.

Dem Verbraucher bleiben Fragen:

1. Muß nicht eine Kontaminati- on des Fleisches beim Schlachtvor- gang befürchtet werden (Spritzer beim Zerteilen mit der Säge)?

2. Werden die BSE-Prionen durch a) normales Kochen, b) Ko- chen im Dampfdruckkochtopf oder c) Durchbraten ausreichend inakti- viert? Werden im Dampfdruck- kochtopf 2 kg/m2 und 136 °C er- reicht? Kommt dies der Wirkung im Autoklaven gleich?

3. War nicht das mangelhaft ste- rilisierte Tiermehl Hauptübertra- gungsweg für BSE in Großbritanni- en? Welche (höheren) Temperaturen wurden früher eingesetzt und welche niedrigeren führten dann — da unzu- reichend — zu den BSE-Übertragun- gen auf Rinder? Können daraus Schlüsse für die Sicherheit der Gar- verfahren für den Verzehr gezogen werden?

4. Wird in der Bundesrepublik Rinder-Hirngewebe zu Stoffen verar- beitet, die in Nahrungsmitteln Ver- wendung finden (Brühwürfel, Soßen- pulver, Gelantine)?

Dr. med. Georg Niepel Kaiserplatz 11 • 52222 Stolberg

Schlußwort

In der biologischen Wissenschaft gibt es keine 100prozentige Sicher- heit, daher läßt sich die Möglichkeit einer Infektion des Menschen durch den Verzehr von BSE-kontaminier- tem Fleisch nach vorliegenden Er- kenntnissen nur als extrem gering ein- stufen aber nicht absolut ausschließen.

1. Spritzer beim Zerteilen von Fleisch dürften nicht zur Übertra- gung führen, eine minimale Gefähr- dung ist bei Zerteilung von Hirn und Rückenmark denkbar.

2. Die Temperaturen, die in ei- nem Kochtopf, beim Durchbraten oder in einem Dampfdruckkochtopf erreicht werden, reichen nicht aus, um Prionen zu inaktivieren.

3. Ursachen der mangelhaften Sterilisierung bei der Knochenmehl- herstellung sind im Absenken der Temperatur auf 80 °C und im Weglas- sen von organischen Lösungsmitteln zu sehen, die das Scrapie Agens und Prionen inaktivieren.

4. Uns ist nicht bekannt, inwie- weit die Richtlinien den Einsatz von Nervengewebe aus dem Rind bei der Herstellung von Gelatine, Brühwür- feln, Soßenpulver, Gelatine oder Kosmetika regeln. Gelatine wird aus entfettetem Knochenschrot herge- stellt. Rinderhirn wird nicht verwen- det. Derzeit wird untersucht, ob sich Spuren von Rückenmarks- und Hirn- gewebe, das während des Schlacht- vorgangs als Verunreinigung anfallen könnte, darin nachweisen lassen.

Über die Zusammensetzung von Brühwürfeln und Soßenpulver liegen uns keine Informationen vor. Detail- lierte Auskünfte zu diesem und ver- wandten Themen sind über die Bundesanstalt für Fleischforschung, E.-C.-Baumann-Str. 20, 95326 Kulm- bach, zu erhalten.

PD Dr. med. Thomas Weber Neurologische Klinik der Universität Göttingen Robert-Koch-Straße 40 37075 Göttingen fernt werden. Gastrostomiesonden

können ebenfalls problemlos ent- fernt werden, nachdem endoskopisch die Fixation der Sonden gelöst wur- de. Bis zum Verschluß des Defektes werden die Patienten zwei bis drei Tage nüchtern gelassen, um die Bil- dung einer Fistel möglichst nicht zu fördern.

Zusammenfassend ist die entera- le Ernährung eine vielseitige, sichere und kostengünstige Alternative und Ergänzung zur parenteralen Ernäh- rung (4). Dies bestätigen auch eigene Erfahrungen an insgesamt 323 Pati- enten, die nach großen Ober- baucheingriffen in unserer Klinik in der postoperativen Phase enteral ernährt wurden. So wird seit 1982 bei allen großen Oberbaucheingriffen routinemäßig eine FNKJ angelegt, über die die Patienten ernährt wer- den. Bei diesen Patienten traten in drei Fällen ernsthafte, katheterbe- dingte Komplikationen auf (13).

Durch Adaptation der enteralen Ernährung sind Nebenwirkungen wie Diarrhöen, Erbrechen oder Meteo- rismus auf zwölf Prozent gesenkt worden. Ein Abbruch der enteralen Nahrungsapplikation aufgrund dieser Nebenwirkungen wurde dennoch bei sechs Prozent der Patienten notwen- dig. Bei 78 Patienten, die bei man- gelnder oraler Nahrungsaufnahme ihr Gewicht nicht halten konnten, wurde die enterale Ernährung über die FNKJ zuhause in Zusammenar- beit mit den Hausärzten, Diätbera- tern und den Krankenkassen fortge- setzt. Das Konzept der enteralen Ernährung im Anschluß an große Oberbaucheingriffe hat sich im eige- nen Krankengut sehr bewährt.

Zitierweise dieses Beitrags:

Dt Ärztebl 1995; 92: A-754-762 [Heft 11]

Die Zahlen in Klammern beziehen sich auf das Literaturverzeichnis im Sonderdruck, anzufordern über die Verfasser.

Anschrift für die Verfassen Dr. med. Metin Senkal St. Josef-Hospital Gudrunstraße 56 44791 Bochum

Prionkrankheit

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