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Archiv "Enterale Ernährung mit hoch- und niedermolekularer Formuladiät" (18.03.1983)

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Zur Fortbildung Aktuelle Medizin

ÄRZTEBLATT

Heft 11 vom 18. März 1983

Enterale Ernährung

mit hoch- und niedermolekularer Formuladiät

Eine Alternative zur parenteralen Nährstoffzufuhr

Udo Rabast

Aus der Inneren Abteilung des

St.-Elisabeth-Krankenhauses, Hattingen (Ärztlicher Direktor: Privatdozent Dr. med. Dr. med. habil. Udo Rabast)

Technische Fortschritte auf dem Gebiet der Sondener- nährung haben mit dazu bei- getragen, daß diese zuneh- mend häufiger angewandt wird. So gibt es eine breite Palette fertiger Nährstoffpro- dukte und neuartige, zum Zwecke der Langzeiternäh- rung geeignete, dünnlumige Sonden aus Polyurethan oder Silikonkautschuk. Pa- tienten, bei denen die Ernäh- rung mit Mischkost nicht möglich, die parenterale Er- nährung aber nicht nötig ist, sollten bevorzugt enteral per Sonde ernährt werden. Dies setzt eingehende Kenntnisse zum praktischen Vorgehen und zu den Indikationen ein- zelner Nährstoffprodukte voraus. Der praktische Ein- satz der Sondenernährung ermöglicht erhebliche Ein- sparungen: So wird ver- ständlich, daß die ambulan- te Ernährung per Sonde bei besserer Praktikabilität rasch eine Konkurrenzme- thode zur ambulanten par- enteralen Ernährung wurde.

1. Formeldiäten als Sondenkost

1.1 Selbstherstellung

Die Herstellung von Sondenkost ist in jeder Diätküche durch Ho- mogenisieren von Nahrungsmit- teln und/oder Verwendung von Oligosacchariden, Eiweißkonzen- traten und Fett grundsätzlich möglich. Der Arbeitsaufwand und das mit 32 Prozent erhebliche Risi- ko der bakteriellen Kontamination (Industrieprodukte sechs Prozent) (15)*) läßt die Selbstherstellung von Sondenkost heute nicht mehr vertretbar erscheinen.

1.2 Industrieprodukte

Die sichere Versorgung mit Ener- gie, essentiellen Nährstoffen und Vitaminen spricht neben der einfa- chen Handhabung, insbesondere der fertigflüssigen Produkte, für die Anwendung industriell herge- stellter Formeldiäten. Für den The- rapeuten reicht es aus, wenn er aus der breiten Palette der Formel- diäten die Zusammensetzung von je einer nieder- und einer hochmo-

lekularen Diät kennt und hiermit Erfahrungen sammelt (siehe hier- zu Tabelle 1 a und 1 b). Da auch bei normaler Digestions- und Ab- sorptionsleistung bei einem Lak- toseanteil von mehr als zehn Pro- zent an der Gesamtenergie mit dem Auftreten von Diarrhoen zu rechnen ist, und ein Laktaseman- gelsyndrom in unseren Breiten mit einer Häufigkeit von mehr als zehn Prozent auftritt, sollten Produkte mit überhöhtem Laktosegehalt ge- mieden werden (vergleiche Tabel- le 1 b). Andere, oft mit großem Werbeaufwand angepriesene Vor- teile einer Diät sind beim kriti- schen Vergleich nicht so schwer- wiegend, daß die Präferenz dieses Produktes gerechtfertigt wäre.

2. Niedermolekulare Formeldiät

Mit Unterstützung der Nasa wurde eine, niedermolekulare Formel- diät (sogenannte Astronautenkost, chemisch definierte Diät oder Ele- mentardiät) entwickelt, die inner- halb von 100 cm Dünndarm weit-

") Die in Klammern stehenden Ziffern bezie- hen sich auf das Literaturverzeichnis des Sonderdrucks.

Ausgabe A DEUTSCHES ARZTEBLATT 80. Jahrgang Heft 11 vom 18. März 1983 27

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gehend resorbiert wird und als Nährstoffe Glukose, L-Aminosäu- ren und Äthyllinoleat enthält. Die im Experiment gefundene Reduk- tion von Stuhlfrequenz, Stuhlvolu- men und Keimgehalt (13, 24, 25) ließ bald daran denken, die Astro- nautenkost als Therapeutikum bei gastroenterologisch Kranken ein- zusetzen (3, 5, 11, 20, 22, 23). Der schlechte Eigengeschmack der L- Aminosäuren limitierte aber die Anwendung, wobei die Zufuhr per Sonde die Akzeptanz nur teilweise verbessern konnte. Die Kenntnis, daß niedermolekulare Oligopep- tidgemische rascher resorbiert werden als Aminosäuregemische (Literatur hierzu in 18), führte zur Entwicklung der geschmacklich besseren und billigeren Peptiddiä- ten. Heute im Handel befindliche Diäten enthalten neben Vitaminen und Mineralstoffen niedermoleku- lare Kohlenhydrate (80 Prozent) als Mono-, Di- und Oligosacchari- de, Eiweiß (8 bis 18 Prozent) als L- Aminosäuren bzw. Oligopeptidge- mische und Fett (1 bis 9 Prozent) in Form von mehrfach ungesättig- ten Fettsäuren. Der Bedarf an es- sentiellen Fettsäuren ist in einer 8,37- MJ- ( 2000-Kilokalorien- ) Diät mit einem Fettgehalt von 7 bis 8 Prozent gedeckt.

Für niedermolekulare Formeldiä- ten wurde anfangs eine breite Indi- kationspalette angegeben (Litera- tur hierzu in 16), die rasch kleiner wurde, da sich zum Teil bessere Alternativen fanden, und der Ein- satz bei einer Reihe von Erkrankun-

gen aufgrund unzureichender Er- gebnisse heute nicht mehrgerecht- fertigt ist (vergleiche Tabelle 2).

Bei chronisch entzündlichen Darmerkrankungen, insbesondere bei Colitis ulcerosa und Morbus Crohn, werden niedermolekulare Formeldiäten alternativ zur par- enteralen Ernährung angewandt.

Obwohl die alleinige Behandlung mit Formeldiäten möglich ist, wird die begleitende medikamentöse Therapie meist bevorzugt.

Über die drastisch sinkende Zahl blutig-schleimiger Diarrhoen, die rückläufige Tendenz der BSG und den Anstieg von Albumin, Hämo- globin und Erythrozyten wurde wiederholt berichtet (1, 2, 11, 19, 23). Die Ergebnisse werden durch neuere, vergleichende sowie ran- domisiert und kontrolliert durch- geführte Untersuchungen bei Pa- tienten mit Morbus Crohn bestä- tigt (21). - Enttäuscht wurden Er- wartungen, die beim Morbus Crohn auftretenden enterokuta- nen Fisteln würden sich schließen.

Positive Literaturmitteilungen be- schränken sich auf Kurzzeitbeob- achtungen (3, 5, 11). Bessere Er- folgsaussichten bestehen bei postoperativ entstandenen Dünn- und Dickdarmfisteln (5, 12). Nach ausgedehnter Dünndarmresektion mit Restlängen von 30 bis 100 cm wird der Kostaufbau mit nieder- molekularer Formeldiät empfoh- len (6, 22).

Bei allen genannten Indikationen muß trotz theoretisch bestehender Vorteile derzeit offenbleiben, ob die gleichen Effekte auch durch hochmolekulare Formeldiäten er- zielt werden können. Vergleichen- de Untersuchungen fehlen bislang bzw. sind teilweise nicht durch- führbar.

3. Hochmolekulare Formeldiät Bei erhaltener Digestions- und Ab- sorptionsleistung sollte diesen er- heblich preiswerteren, nährstoff- gruppendefinierten Diäten der Vorzug gegeben werden. Sie ent- halten Kohlenhydrate vorwiegend als Oligosaccharide, der Fettanteil ist höher, und Proteine liegen in intakter Form vor. Die meisten im Handel befindlichen Produkte ent- halten nur geringe Mengen an Bal- laststoffen. Ballaststoffreiche oder mit Ballaststoffen angereicherte Diäten bieten meist keine Vorteile, da die Notwendigkeit einer opti- malen Ballaststoffzufuhr vor allem bei kurzfristiger Anwendung nicht gegeben ist.

Hochmolekulare Formeldiäten können in allen klinischen Fach- gebieten dann eingesetzt werden, wenn der Patient nicht essen kann, darf oder will (4), die par- enterale Ernährung aber nicht er- forderlich ist. Bei hohem Energie- bedarf können enterale und par- enterale Ernährung kombiniert an- gewandt werden. Bevorzugte Indi- kationen für diese Diäten sind in

Produkt Protein

g/1000 kcal

Fett g/1000 kcal

Kohlenhydrate g/1000 kcal

Energie Preis pro Bemerkungen kcal (MJ) 1000 kcal (4,2 MJ)

Survimed Survimed renal

35,1 15,9

10,8 11,7

ess. FS 5,6 ess. FS 6,1

190,3 210,5

Laktose 2,1 Laktose 1,2

1000 (4,2) 1000 (4,2)

7,75 DM 8,22 DM

Peptiddiät Peptiddiät

13,3 175,0

Peptisorb Peptide

+AS 45,0 ess. FS 3,5 Laktose 1000 (4,2) 9,90 DM Peptiddiät 7,6

AKV L-AS 22,3 ess. FS 6,5 211,6 Laktose 0 1000 (4,2) 11,81 DM Aminosäurediät BSD 1800 L-AS 44,8 Safloröl

0,87

ess. FS 0,7 Oligosaccharide 208,3 Laktose 0

1000 (4,2) 23,36 DM Aminosäurediät

Tabelle 1 a: Derzeit im Handel befindliche niedermolekulare Formeldiäten (- = keine Angaben) (Die Daten konnten zum Teil den Produktinformationen der Hersteller entnommen werden; alle Angaben ohne Gewähr)

28 Heft 11 vom 18. März 1983 80. Jahrgang DEUTSCHES ÄRZTEBLATT Ausgabe A

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Enterale Ernährung

der inneren Medizin Tumor- und Beatmungspatienten, Patienten mit Anorexia nervosa, apoplekti- schem Insult, geriatrische Patien- ten und alle Zustandsbilder, bei denen trotz intakter Absorptions- leistung die adäquate Energiever- sorgung mit Hilfe von Mischkost nicht möglich ist.

4. Verabreichungsmodus von hoch- und niedermolekularen Formeldiäten

Jede Formeldiät kann per os ver- abreicht werden. Das Anlegen ei- ner Sonde ist oft unumgänglich, wenn Formeldiäten therapeutisch eingesetzt oder ausschließlich mit ihnen ernährt werden soll. Nur so lassen sich z. B. die bei Patienten

Produkt Protein

g/1000 kcal

Nutricomp 43,9

Nutricomp F 43,2

Fresubin 35,1

Fresubin flüssig 38,0 Diab.-Fiüssignahrung 50,0 Sonana "pikant" 62,3 Sonana "süß" 43,3 Sonana "süß" flüssig 45,0

Biosorb 39,8

Biosorb Drink 40,0

Biosorb Sonde 40,0

Biosorbin MCT 49,3

Sokoharn 35,6

meritene 89,2

meritene flüssig 81,6

meritene MCT 64,0

precitene 27,0

precitene N 54,0

nutrodrip 40,2

Serodiät S 28,9

Serodiät V: P,IP2 115,0

E 2,9

mit Morbus Crohn beobachteten hohen Ausfallraten und die unzu- reichende Energiezufuhr verhin- dern (21 ).

5. Praktische Durchführung der Sondenernährung 5.1 Sondentechnik

Die Entwicklung dünnlumiger, zum Zwecke der Langzeiternäh- rung geeigneter Sonden aus Po- lyurethan oder Silikonkautschuk mit Außendurchmessern von 2,5 bis 3 mm bedingte, daß diese Er- nährungsform auch bei bewußt- seinsklaren Patienten zunehmend häufiger praktiziert wurde. Bei er- haltenen Schluckreflexen ist das Legen einer nasagastrischen San-

Fett Kohlenhydrate

g/1000 kcal g/1000 kcal

de meist problemlos. Liegt die Sonde, so beeinträchtigt sie den Patienten nicht. Durch die Aspira- tion von Magensaft oder die wie- derholte lnsufflation von 20 ccm Luft bei gleichzeitiger Auskulta- tion über dem Magen läßt sich die Lage der Sonde im Magen nach- weisen. Bei Zweifeln an der kor- rekten Plazierung der Sonde ist die Röntgenkontrolle angezeigt.

..,. Bei Patienten mit liegender Sonde ist das Kopfende um 20 bis 30° hochzustellen, da der Kardia- schluß gestört ist und so die Ge- fahr der Aspiration wächst. Ma- gensonden können durch Rechts- seitenlage und durch Gabe von Metoclopramid in Duodenal- oder in Jejunalsonden umgewandelt werden.

Energie Grosso EP ohne MWST kcal (MJ) 1000 kcal (4,2 MJ) 27,3 ess. FS 15,9 144,3 Laktose < 1 ,6 1000 (4,2) 4,30 DM (neutral) 26,4 ess .. FS 15,2 148,8 Laktose < 1 ,0 1000 (4,2) 3,92 DM (neutral)

7,7 ess. FS 4,1 196,7 Laktose 28,5 1000 (4,2) 3,93 DM 34,0 ess. FS 18,0 138,0 Laktose 1,0 1000 (4,2) 6,60 DM 42,0 ess. FS 24,1 107,1 (Polysaccharide) 1000 (4,2) 8,48 DM 35,4 ess. FS

-

108,0 Laktose 57,5 1000 (4,2) 2,74 DM 35,6 ess. FS

-

125,1 Laktose 26,4 1000 (4,2) 2,27 DM 35,7 ess. FS - 124,3 Laktose 26,4 1000 (4,2) 3,93 DM 39,8 ess. FS 27,1 117,4 Laktose 15,1 1000 (4,2) 3,51 DM 40,0 ess. FS 27,3 118,0 Laktose 15,0 1000 (4,2) 5,90 DM 40,0 ess. FS 27,3 118,0 Laktose 15,0 1000 (4,2) 5,90 DM 33,0 ess. FS 4,7 123,2 Laktose < 1 ,6 1000 (4,2) 5,96 DM 43,8 ess. FS 25,0 111,9 Laktose 0 1000 (4,2) 8,80 DM 10,1 ess. FS 4,2 139,3 Laktose 133,2 1000 (4,2) 5,54 DM 20,4 ess. FS 10,2 112,3 Laktose

-

1000 (4,2) 9,69 DM

47,1 ess. FS 3,8 80,6 Laktose 62,7 1000 (4,2) 5,67 DM MCT . 38,1

9,4 ess. FS 4,4 201,9 Laktose 0 1000 (4,2) 8,63 DM 9,4 ess. FS 4,4 174,9 Laktose 0 1000 (4,2) 10,52 DM 40,2 ess. FS 13,1 119,6 Laktose 23,4 1000 (4,2) 10,47 DM

28,9 ess. FS 5,8 155,6 Laktose 1,8 1000 (4,2) 6,62 DM 75,0 ess. FS 5,8 115,0 Laktose

-

1000 (4,2) P, 20,92 DM P2 12,08 DM 47,5 ess. FS 5,4 139,2 Laktose 1,6 1000 (4,2) E 8,42 DM

Tabelle 1 b: Derzeit im Handel befindliche hochmolekulare Formeldiäten (-= keine Angaben) (Die Daten konnten zum Teil den Produktinformationen der Hersteller entnommen werden; alle Angaben ohne Gewähr)

30 Heft 11 vom 18. März 1983 80. Jahrgang DEUTSCHES ARZTEBLATT Ausgabe A

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..,. ln Ausnahmefällen wird die Sonde unter Zuhilfenahme eines Gastroskops gelegt. Zunächst wird an der Sondenspitze ein Cat- gut-Faden befestigt und eine Schluppe gebildet, die mit der Biopsiezange gefaßt werden kann.

Bei liegendem Endoskop wird die Sonde über die Nase in den Ma- gen eingeführt, die Schluppe des Catgut-Fadens mit der Biopsie- zange gefaßt und das Endoskop samt Sonde vorgeschoben. Der Rückzug des Gastroskops erfolgt vorsichtig, um ein Zurückgleiten der Sonde zu verhindern.

6. Applikationsmöglichkeiten von Formeldiäten

6.1 Portionierte Verabreichung

6.1.1 Zufuhrper Spritze

Die Bolusapplikation über eine Magensonde, bei der einschlei- chend in eineinhalb bis dreistündi- gen Abständen 50 bis 200 ml Nah- rung innerhalb von 5 bis 10 Minu- ten zugeführt werden, war die am häufigsten praktizierte und emp- fohlene Methode (4, 17). Bei Duo- denal- oder Jejunalsonden muß- ten die Einzelportionen zur Ver- meidung einer Dumping-Sympto- matik auf 80 bzw. 50 ml begrenzt werden (4). Von diesem Therapie- prinzip wurde angenommen, daß der physiologische Dehnungsreiz erhalten bliebe und so der Nah- rungstranspürt gewährleistet sei.

Als nachteilig erwiesen sich der erforderliche Arbeitsaufwand in- folge häufiger Manipulationen so- wie die Gefahr einer bakteriellen Kontamination.

6.1.2 Zufuhr per Laufsonde

Die sogenannte Laufsonde gilt als Zwischenglied zwischen portio- nierter und kontinuierlicher Nah- rungszufuhr. Innerhalb von 5 bis 15 Minuten werden 100 ml Nah- rung zugeführt. Ihr Einsatz wird empfohlen, wenn große Energie- mengen (bis 25 MJ = 6000 Kiloka-

Gastroenterologie ..,. Magen-Darm-Trakt:

Morbus Crohn Colitis ulcerosa enterekutane Fisteln Short-Gut-Syndrom Sprue

chronische Diarrhoen unbekannter Ursache Morbus Whippie Darmtuberkulose exsudative Enteropathie Cronkhite-Canada-Syndrom ..,. Pankreas:*)

akute Pankreatitis?

chronische Pankreatitis Zustand nach Pankreatektomie

....

Leber:*)

Praecoma hepaticum Kachexie

*) = fragliche Indikationsgebiete

lntensivpatienten*) Beatmungspatienten Bewußtlose

Vorbereitung zur Diagnostik*) Rektoskopie

Sigmoidoskopie Kotoskopie Enteroskopie

Tabelle 2: Mögliche Indikationen für niedermolekulare Formuladiäten in der inneren Medizin

Abbildung 1: 64jähriger Patient mit Frenta-Ernährungspumpensystem

lorien) erforderlich werden. Die re- lativ großen, eventuell in kurzen Zeitabständen verabreichten Ein- zelportionen erhöhen das Risiko der Aspiration allerdings in erheb- lichem Maße.

6.2 Kontinuierliche Zufuhr Als physiologische, mit dem ge- ringsten Wartungsaufwand und dem größten Komfort verbundene Form der Sondenernährung ist die kontinuierliche Verabreichung mittels Tropfsonde oder Ernäh- rungspumpe anzusehen. Flüssige Sondennahrung wird in 500-mi- Fiaschen oder -Piastikbeuteln ver- abreicht, die mit einem Überlei- tungssystem verbunden, an die Sonde angeschlossen werden, ähnlich wie bei einer lnfusionsthe- rapie. Anschluß- und Überlei- tungsstücke sind so normiert, daß eine Verwechslung mit parentera- len Infusionssystemen ausge- schlossen ist.

6.2.1 Tropfsonde

Pro Stunde werden 100 bis 200 ml Nahrung kontinuierlich zugeführt, wobei in 24 Stunden die Energie- menge meist zwischen 8,37 und 16,74 MJ (2000 bis 4000 Kilokalo- Ausgabe A DEUTSCHES ARZTEBLATT 80. Jahrgang Heft 11 vom 18. März 1983 33

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Enterale Ernährung

rien) liegt. Nach Kontrolle der ex- akten Sondenlage beginnt man mit der Zufuhr einer geringen Menge (ca. 100 ml) Tee. Glattes Einlaufen und das Fehlen von Aspirationssymptomen können als letzte Hinweise auf die korrekte Lage gelten. Danach werden in- nerhalb von 6 bis 12 Stunden 500 ml Sondennahrung kontinuierlich verabreicht. Bei guter Verträglich- keit wird die Zufuhr um 500 bis 1000 ml Sondennahrung pro Tag gesteigert. Beim Auftreten von Komplikationen (vor allem Diar- rhoen) reduziert man die Dosis und/oder verdünnt die Sonden- nahrung zusätzlich. In der Initial- phase und in den ersten Tagen nach Erreichen der Maximaldosis sollte in 6stündigen Abständen der Nahrungstransport mittels Aspirationskontrolle überwacht werden. Können mehr als 100 ml aspiriert werden, so wird die Nah- rungszufuhr für 1 bis 2 Stunden unterbrochen und nach erneuter Kontrolle mit reduzierter Zufuhrra- te fortgesetzt. — Das Anwärmen der Sondennahrung hat sich als nicht erforderlich erwiesen. Fer- tigflüssige, unter Bedingungen der Zimmertemperatur verabreich- te Nahrung führte nicht zu einem

vermehrten Auftreten von Abdomi- nalbeschwerden oder Diarrhoen.

6.2.2 Ernährungspumpe

Die seit kurzem erhältlichen trag- baren Pumpensysteme ermögli- chen die kontinuierliche, zeitlich exakt kontrollierbare Zufuhr von Formeldiäten (6, 7, 14) und stellen eine Alternative zur ambulanten parenteralen Ernährung dar (8).

Unter der Oberbekleidung wird ei- ne Weste getragen, die neben der Pumpe bei optimaler Gewichtsver- teilung einen nachfüllbären Beutel mit 1 Liter Sondennahrung enthält (Frenta-System, vergleiche Abbil- dung 1). Pro Stunde können zwi- schen 25 bis 250 ml zugeführt wer- den. Der mit Sondennahrung nachfüllbare PVC-Beutel wird in dreitägigen Abständen gewech- selt. Nach einer entsprechenden

Einarbeitungszeit kann der Patient die in der Klinik begonnene Be- handlung ambulant fortsetzen.

Vergleichende Untersuchungen an 18 Patienten, die unter ambu- lanten Bedingungen alternativ enteral oder parenteral über 2 bis 22 Monate ernährt wurden, zeig- ten unter beiden Therapieformen gleich gute Ergebnisse (7).

Erheblich different waren Kosten, die einschließlich verordneter Pumpe, Formeldiät, Container und sonstigem Zubehör 20 bis 40 Dol-

lar pro Tag für die Sondenernäh- rung und 150 bis 200 Dollar pro Tag für die parenterale Ernährung betrugen. In der Bundesrepublik Deutschland betragen die Kosten für 8,37 MJ (2000 Kilokalorien) Sondennahrung etwa 10,00 bis 20,00 DM, für parenterale Ernäh-

rung etwa 140,00 DM (vergleiche auch Darstellung 1). Erste eigene Erfahrungen mit der Ernährungs- pumpe bei einem 64jährigen Pa- tienten mit oesophago-pulmona- ler Fistel waren positiv. Nach Ga- strektomie wegen eines Adenokar- zinoms war postoperativ eine fili- forme Ösophagusstenose entstan- den. Die erforderliche Reopera- tion mit Bougierung der Stenose führte zu einer ösophago-pulmo- nalen Fistel mit einem Pleuraem- pyem (vergleiche Abbildungen 1 bis 3, Darstellung 1). Neben der Dränagebehandlung und der anti- biotischen Therapie wurde der Pa- tient zunächst parenteral, danach enteral unter Zuhilfenahme einer Ernährungspumpe ernährt. Die Fi- stel erwies sich bei der radiologi- schen und endoskopischen Kon-

Abbildung 2: Röntgenaufnahme des Thorax: Pleuraempyem Abbildung 3: Darstellung der ösophago-pulmonalen Fistel mit

bei ösophagopulmonaler Fistel Gastrografinschluck

34 Heft 11 vom 18. März 1983 80. Jahrgang DEUTSCHES ÄRZTEBLATT Ausgabe A

(6)

5. 1. 82

Körpergewicht: 52,7 kg

20. 2. 82

Körpergewicht: 50,3 kg

20. 3. 82 Ges. EW: 7,4 Albumin: 4,6

Körpergewicht: 51,2 kg

10. 3. 82

Körpergewicht: 50,3 kg 14. 2. 82

Ges. EW: 6,8 Albumin: 3,9

Körpergewicht: 46,8 kg Ernährungspumpe überlappend mit TPE 4 x 5000 ml Reoperation ösophagopulmonale Fistel Fresubin flüssig Verlegung Chirurgie Pleuraempyem

TPE (1. 2.-14. 2. 82) 3. 12. 81

Ges. EW: 6,4 Albumin: 4,0

Körpergewicht: 44,5 kg TPE (3. 12. 81-5. 1. 82)

1 2. 82 Ges. EW: 6,4 Albumin: 2,9

Körpergewicht: 45,0 kg

Fistel radiologisch und endoskopisch geschlossen Patient d 64j.: Zustand nach Gastrektomie bei Adenoca des Magens Juli 81

Juli 81—Dezember 81: 15 kg Gewichtsabnahme (anamnestisch) Röntgen und Endoskopie: filiforme Stenose im Anastomosenbereich

Kosten TPE: 159,31 DM pro Tag 7 168,95 DM gesamt

Kosten TESE: 20,04 DM pro Tag 701,40 DM gesamt

Darstellung 1: Prä- oder postoperativer Therapieverlauf bei einem Zustand nach Gastrektomie, Reoperation wegen filiformer ösophagusstenose und anschließender Ausbildung einer ösophago-pulmonalen Fistel

trolluntersuchung als geschlos- sen, Drucknekrosen im Ösopha- gus bestanden bei endoskopi- scher Kontrolle nicht. Die Kosten der Sondenernährung betrugen insgesamt 701,00 DM für die par- enterale Ernährung 7 100,00 DM.

7. Komplikationen bei Sondenernährung

Wie bei allen therapeutischen Ver- fahren, sind auch bei der Sonden- ernährung Nebenwirkungen mög- lich. Sie sind seltener als bei par- enteraler Ernährung und bei exak- tem Einhalten der beschriebenen Vorsichtsmaßnahmen meist ver- meidbar. Vor allem in der Initial- phase können Abdominalbe- schwerden und Diarrhoen auftre- ten. Die einschleichende Nah- rungszufuhr hilft, die Häufigkeit dieser Komplikationen zu reduzie- ren. Meist sind die Nebenwirkun- gen Folge von zu konzentriert, zu rasch und/oder mengenmäßig zu viel zugeführter Nahrung oder durch bakterielle Kontamination bedingt. Bei anhaltenden Diarrho- en wird die Sondenernährung un-

terbrochen, eine Teepause einge- legt und gleichzeitig parenteral er- nährt. Oft reicht es aus, die Son- denkost zu verdünnen, die Dosis auf die Hälfte zu reduzieren und/

oder Loperamid zuzusetzen. Ab- dominalbeschwerden infolge von Motilitätsstörungen können durch Gabe von Metoclopramid beein- flußt werden.

Selten zu beobachten ist das sich im Anstieg von Serum-Harnstoff, Kreatinin und Elektrolyten äußern- de Tube-feeding-Syndrom (9, 10), welches sich durch Verdünnung der Sondennahrung oder zusätzli- che Flüssigkeitszufuhr beseitigen läßt. Die schwerstwiegende Kom- plikation ist die Aspiration zuge- führter Nahrung, die infolge un- sachgemäßer Handhabung bei zu flacher Lagerung des Patienten oder mengenmäßig zu hoher Nah- rungszufuhr, aber auch ohne er- kennbare Ursache auftritt.

Therapeutisch kommen Antibioti- ka und Kortikosteroide sowie die Intubation und Spülen und Absau- gen unter bronchoskopischer Sicht in Frage.

8. Kontrollen bei Sondenernährung

Täglich sollten das Körperge- wicht, die Flüssigkeitsein- und -ausfuhr kontrolliert und die Bi-

lanz errechnet werden. Bei ein- deutiger Plusbilanz und/oder dem Auftreten von Ödemen können 20 bis 40 mg Furosemid per Sonde gegeben werden. Harnstoff und Elektrolyte sollten zu Beginn kurz- fristig, später alle 8 bis 14 Tage kontrolliert werden. Die Blutgluko- se ist anfangs häufig, später in größeren Abständen in Form von Tagesprofilen zu kontrollieren. La- borparameter-Kontrollen sind nur bei Komplikationen erforderlich.

Zur Objektivierung des Thera- pieerfolges sollte ein Ernährungs- status (Triceps-Hautfaltendicke, Oberarmumfang, Kreatinin-Index, Eiweißstatus) vorliegen, der bei Abschluß der Behandlung kontrol- liert wird.

Anschrift des Verfassers:

Privatdozent Dr. med.

Dr. med. habil. Udo Rabast St. Elisabeth-Krankenhaus 4320 Hattingen-Niederwenigern Ausgabe A DEUTSCHES ARZTEBLATT 80. Jahrgang Heft 11 vom 18. März 1983 37

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