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Archiv "Morbus alzheimer: Immunisierung als kausale Therapie auf dem Prüfstand" (29.09.2006)

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A2520 Deutsches Ärzteblatt⏐⏐Jg. 103⏐⏐Heft 39⏐⏐29. September 2006

M E D I Z I N R E P O R T

D

as Eiweißfragment Aβkönn- te der Schlüssel für eine kau- sale Therapie bei der Alzheimer- Krankheit sein. Dieses durch Pro- teolyse freigesetzte Peptid bildet die charakteristischen Plaques im Ge- hirn der Erkrankten und soll durch Induktion einer spezifischen Im- munantwort abgebaut werden. Der Wirkmechanismus der Immunisie- rung kann durch die „sink“-Hypo- these (deutsch: Ausguss) erklärt werden, die intensiv auf der Interna- tional Conference on Alzheimer’s Disease and Related Disorders in Madrid diskutiert wurde.

Diese besagt, dass zwischen Aβ im Zentralnervensystem (ZNS) und im peripheren Gewebe ein dynami- sches Gleichgewicht besteht. Ent- zieht man Aβ der Peripherie, bei-

spielsweise durch Antikörper,

„fließt“ aufgrund des Konzentrati- onsgefälles Aβaus dem ZNS über die Blut-Hirn-Schranke ins periphe- re Gewebe. Unterstützt wird diese Annahme von Experimenten, in de- nen transgenen Mäusen mit Alzhei- mer-ähnlichen Merkmalen ein Anti- Aβ-Antikörper injiziert wurde. Dies führte dazu, dass dieses Peptid vom ZNS ins Plasma gelangte.

Alternativ kann der durch Anti- körper vermittelte Abbau auch auf eine direkte Interaktion von Aβmit Immunzellen zurückgeführt wer- den. In diesem Fall würde die Mi- kroglia durch Anti-Aβ-Antikörper stimuliert, die beispielsweise an Plaques gebunden haben. Dies könnte dazu führen, dass die Mikro- glia Aβphagozytiert. Diese Hypo-

these wird dadurch untermauert, dass es im postmortalen Gewebe er- folgreich immunisierter Menschen und Mäuse Areale gibt, in denen vermutlich zuvor Plaques lokalisiert waren und die von Mikroglia umge- ben sind. Dass Aβdirekt kognitive Leistungen beeinflussen könnte, er- gaben Experimente, in denen eine intrazerebrale Injektion von Aβbei Mäusen zu einer eingeschränkten Gedächtnisleistung führte. Im Ge- gensatz dazu verbesserte eine Injek- tion von Anti-Aβ-Antikörpern bei Mäusen mit Alzheimer-ähnlichen Symptomen kurzfristig die Merk- fähigkeit.

Bei transgenen Mäusen, die eini- ge Merkmale der Alzheimer-Patho- logie rekapitulieren, kann eine Im- munisierung mit Aβzu einem Ab- bau der Amyloid-Plaques im Gehirn wie auch zu verbesserten kognitiven Fähigkeiten führen. Anhand dieser Ergebnisse initiierte die US-ameri- kanische Firma Elan eine placebo- kontrollierte Impfstudie mit 372 Alzheimer-Patienten. Als Antigen verwendeten die Forscher präaggre- giertes Aβ. Sechs Prozent der im- munisierten Studienteilnehmer ent- wickelten eine Meningoenzephalitis, was zum Abbruch der Studie führte.

Patienten, die eine Immunantwort auf Aβ entwickelten, zeigten eine kleine, statistisch signifikante Ver- besserung der Gedächtnisleistung.

Nach Kritik wurde eine Follow-up-Studie initiiert

Bis auf eine kleine Kohorte von 30 Patienten in Zürich wurden die Stu- dienteilnehmer nicht weiter beob- achtet. Dies wurde vielfach kriti- siert, sodass sich Elan im Januar entschloss, wieder Kontakt zu den Probanden aufzunehmen. Wie Leon

MORBUS ALZHEIMER

Immunisierung als kausale Therapie auf dem Prüfstand

Die Hypothese wurde aufgrund von Tierversuchen und einer Phase-3-Studie mit einem körpereigenen Antikörper aufgestellt.

Markante Veränderungen des Gehirns:

Bei Alzheimer (links) ist die Ge- hirnmasse verklei- nert, die Liquorbe- reiche sind ver- größert, und die Durchblutung ist verringert (rote Färbung)

Foto:Bayer

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A2522 Deutsches Ärzteblatt⏐⏐Jg. 103⏐⏐Heft 39⏐⏐29. September 2006

M E D I Z I N R E P O R T

Thal von Elan ausführte, konnten bisher 67 Patienten aus der Verum- gruppe und 18 aus dem Placeboarm kontaktiert werden. Viele Patienten waren in der Zwischenzeit aller- dings verstorben, weigerten sich, an der Follow-up-Studie mitzuwirken, oder befinden sich in einem Krank- heitsstadium, in dem eine kognitive Testung nicht mehr möglich ist. Von den insgesamt 85 ermittelten Pati- enten begaben sich 52 zur Untersu- chung in eine Klinik, von den ande- ren erhoben die Wissenschaftler te- lefonisch Daten.

Befinden der Responder tendenziell besser

Zu Beginn der Impfstudie in 2001 hatten alle Patienten einen MMSE- Wert („minimental state examina- tion“) von 20. Bei der jetzigen Un- tersuchung ermittelten die Forscher bei den Verumpatienten einen MMSE von 13, in der Placebogruppe von zehn. Von den seinerzeit erfolg- reich immunisierten Patienten hat- ten noch zehn einen Aβ-Antikörper- titer von 1 : 200. Placebopatienten waren zu 95 Prozent Pflegefälle, von den zehn Respondern lediglich vier. Das Durchschnittsalter lag zu Beginn der Impfstudie vor fünf Jah- ren bei 71 Jahren. In der Verum- gruppe betrug es in der jetzigen Fol- geuntersuchung 76 Jahre, wohinge- gen das Durchschnittsalter in der Vergleichsgruppe immer noch bei 71 Jahren lag.

Das anscheinend gleich gebliebe- ne Durchschnittsalter der Kontroll- patienten könnte dadurch erklärt werden, so Thal, dass im Gegensatz zur Verumgruppe unter Placebobe- dingungen mehr ältere Patienten

starben. Von den 18 Patienten, die seinerzeit an der Menigoenzephali- tis erkrankt waren, konnten sich 16 hiervon erholen. Weitere Nebenwir- kungen traten nach Wissen der Stu- diengruppe in den folgenden Jahren nicht auf.

Obwohl die Studie nicht so erfolg- reich verlaufen ist wie erhofft, ist Thal der Auffassung, das „die klini- schen Ergebnisse der Impfrespon- der tendenziell besser sind“. Von den 30 Patienten der Zürcher Ko- horte dieser Impfstudie entwickel- ten drei eine Meningoenzephalitis, berichtete Roger Nitsch von der Universität Zürich. Von diesen hat- ten zwei Aβ-Antikörper gebildet und haben bis heute einen stabilen Krankheitsverlauf, wohingegen der dritte Antikörper-negative Patient drei Jahre nach der Immunisierung starb. In Zürich konnte mittlerweile eine postmortale Untersuchung ei- nes geimpften Studienteilnehmers durchgeführt werden.

Der im Alter von 79 Jahren ver- storbene Patient erhielt zwei In- jektionen des Impfstoffs drei Jah- re nach Beginn der Demenz. Nach weiter fortschreitender Demenz starb er vier Jahre später. Niedrige Aβ- Antikörpertiter waren in Liquor und Blut nachweisbar. Der Patient hat- te einen starken Neuronenverlust und eine Gliose. Im frontalen und temporalen Cortex war wenig Aβ und Amyloid nachweisbar. Um die Amyloid-Plaques zeigte sich Mi- kroglia. Dies legt die Vermutung nahe, dass die Mikroglia die Amy- loid-Ablagerungen abgebaut haben könnte.

Weltweit untersuchte man mitt- lerweile vier verstorbene Patienten der Impfstudie. In allen Fällen wie- sen die Wissenschaftler wesentlich weniger Amyloid nach, als typi- scherweise bei Alzheimer-Patienten zu erwarten ist. Allerdings bestan- den andere charakteristische Merk- male wie Neurofibrillen und zere- brale Amyloid-Angiopathie. Diese Befunde deuten darauf hin, dass die Immunisierung zu einem Abbau von Amyloid und Aβgeführt haben könnte. Allerdings korrelierte dieser Abbau von Aβnicht mit einem Er- halt der kognitiven Leistungsfähig- keit. Dies könnte einerseits damit

zusammenhängen, dass die Patien- ten zu spät immunisiert wurden und der kognitive Verfall zu diesem Zeitpunkt nicht mehr aufzuhalten war. Andererseits ist es denkbar, dass die Immunisierung zwar gegen ein neuropathologisches Korrelat gerichtet ist, dies aber nicht für die Entwicklung der Demenz (aus- schließlich) ursächlich ist.

Dies wurde mit der Entstehung des Diabetes mellitus verglichen.

Obwohl Insulin bei Typ-1- und Typ- 2-Diabetes eine zentrale Rolle spielt, ist die Pathogenese verschie- den. Ähnlich könnte es bei der Aβ- Hypothese sein, denn die Impfstu- die beruht auf Ergebnissen mit transgenen Mäusen. Die krankheits- verursachenden Gene dieser Tiere stammen von Patienten mit here- ditärer Alzheimer-Krankheit. Diese betrifft nur wenige Prozent aller Alzheimer-Patienten.

Im Gegensatz zur „klassischen“

Form von Alzheimer erkranken die- se Patienten meistens vor dem 60.

Lebensjahr; und es ist nicht belegt, dass die Pathogenese der here- ditären Form der der „klassischen“

entspricht. Somit könnte das trans- gene Maus-Modell, das die Grund- lage für die Immunisierungsstudie bildet, möglicherweise Krankheits- prozesse rekapitulieren, die in der

„klassischen“ Form in dieser Weise nicht vorkommen.

Immuntherapie in klinischen Studien

Nahezu alle großen Pharmafirmen forschen an Medikamenten gegen die Alzheimer-Erkrankung. Die meis- ten Substanzen zielen darauf ab, die Symptomatik zu lindern, indem die cholinerge und glutamaterge Si- gnaltransduktion moduliert wird.

Daneben testen einige Unternehmen Strategien mit einer passiven Immu- nisierung. In diesen Fällen werden humanisierte monoklonale Antikör- per eingesetzt, die sich gegen ver- schiedene Peptidabschnitte von Aβ richten. Hieran arbeiten beispiels- weise Elan/Wyeth, Novartis und Lilly. Ferner gibt es Versuche, Aβ chemisch zu neutralisieren oder die Bildung dieses Peptids mit Protea- seinhibitoren zu hemmen. I Dr. sc. nat. Stephan Mertens Epidemiologie:

Mehr als 30 Prozent der über 90-Jährigen sind demenzkrank.

Foto:Kompetenznetz Demenzen

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