Deutsches Ärzteblatt
|
Jg. 107|
Heft 19|
14. Mai 2010 A 887K
ommt das Ende der neuen Gesundheitspolitik schon vor dem eigentlichen Start? Nach der Landtagswahl in Nordrhein-Westfalen am 9. Mai wer- de es richtig losgehen mit Gesetzesinitiativen der schwarz-gelben Regierung in Berlin, hieß es immer.Nun aber, nach der Wahlschlappe von CDU und FDP, hat sich die Ausgangsbasis völlig verändert, weil das Regierungslager von Union und Liberalen die Mehrheit im Bundesrat verloren hat. Dazu haben Gesundheits - politiker in Berlin und München ihren Beitrag geleistet, schließlich war der Begriff Kopfpauschale über Wochen zu einem Synonym für Streit in der Koalition gewor- den. Was folgt aus dem veränderten Parallelogramm der Kräfte für die Gesundheitspolitik?
Die Delegierten und Gäste des 113. Deutschen Ärzte - tages hatten von Bundesgesundheitsminister Philipp Rösler Aufschluss erwartet. Der FDP-Politiker antwor- tete mit einer asiatischen Spruchweisheit: „Der Bam- bus wiegt sich im Wind, im Sturm, bricht aber nicht.“
Ungebrochen und unbeirrt erläuterte Rösler, warum er eine andere Finanzierung der gesetzlichen Krankenver- sicherung anstrebt mit einem sozialen Ausgleich über das Steuersystem. Was er nicht sagte: Schritte hin zu ei- nem Prämiensystem wird es auf absehbare Zeit nicht geben können, weil dazu die Zustimmung der SPD- regierten Länder im Bundesrat nötig wäre. Anlass zu Spekulationen bietet Röslers Bemerkung, die im heuti- gen Versicherungssystem eingeschränkte Solidarität sei durch eine Verbreiterung der Einnahmebasis sicherzu- stellen. Ob er an eine Ausweitung der Steuerfinanzie- rung oder an eine Beitragspflicht für andere Einkunfts- arten über Lohneinkommen hinaus denkt, blieb offen.
Auf die Forderungen der Ärzteschaft, beschlossen beispielsweise auf der Vertreterversammlung der Kas- senärztlichen Bundesvereinigung, blieben die Antwor- ten Röslers sehr allgemein. Gleichwohl war sein Auf- tritt vor dem Deutschen Ärztetag bemerkenswert. Der Klimawandel im Vergleich zu seiner Vorgängerin hätte größer nicht sein können. Gab es bei Ulla Schmidts Reden regelmäßig eine spannungsgeladene Atmosphäre,
nicht selten auch Pfiffe und Buhrufe, wurde der Arzt im Ministeramt überaus freundlich begrüßt und später mit minutenlangem Beifall bedacht. Deutlich wurde: Hier spricht jemand – erfrischend eloquent – die Sprache der Ärzte, hier kennt jemand ihre Sorgen aus eigenem Erle- ben. Ihm nimmt man ab, dass er ein faires Gesundheits- system will, das nicht vor allem auf Kontrollen der Ärzte und der anderen Gesundheitsberufe setzt. Die Repräsentanten von Bundesärztekammer und Kassen- ärztlicher Bundesvereinigung bestätigen zudem, dass in der Zusammenarbeit mit dem Bundesgesundheitsmi- nisterium inzwischen eine „Kultur des Vertrauens“ ge- wachsen sei. Ein Ergebnis sind vier Arbeitsgruppen mit ärztlichen Vertretern und Ministerialbeamten, die sich intensiv mit Maßnahmen zur Bekämpfung des Ärzte- mangels und der Sicherung einer flächendeckenden Versorgung befassen sollen. Themen sind der Zugang zum Medizinstudium, die Struktur des Studiums, die Bedarfsplanung und die Delegation ärztlicher Leistun- gen. Vergleichbare Kommissionen gab es früher auch schon, nur diesmal herrscht auf ärztlicher Seit die Zuversicht, zu gemeinsamen Lösungen zu kommen.
Rösler hat allerdings auch gesagt, dass er niemandem mehr Geld versprechen könne und dass das vorhandene Geld effizienter einzusetzen sei. Das klang dann schon fast wie bei Ulla Schmidt.
PHILIPP RÖSLER AUF DEM DEUTSCHEN ÄRZTETAG
In der Sprache der Ärzte
Heinz Stüwe
Heinz Stüwe Chefredakteur