A 2418 Deutsches Ärzteblatt
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Jg. 106|
Heft 48|
27. November 2009FALLPAUSCHALEN
Die Autoren Fiori et al. halten die Vor- würfe der Kostenträ- ger, wonach die Krankenhäuser im großen Stil falsch abrechnen, für un- berechtigt (DÄ 41/2009: „Konfliktsitua- tionen sind unvermeidlich“ Leserbrief von Annette Busley und Jürgen Windeler zu DÄ 33/2009: „Codierqualität in den Krankenhäusern: Unberechtigte Vorwür- fe“ von Wolfgang Fiori et al.).
Es gibt keinen Massenbetrug
Den Leserbrief von Frau Dr. Busley und Herrn Prof. Windeler des Medi- zinischen Dienstes des Spitzenver- bandes Bund der Krankenkassen (MDS) zu unserem Artikel über die Rechnungsprüfungen im DÄ 33/2009 können wir nicht unkom- mentiert lassen.
Ziel unseres Artikels war die sachli- che Auseinandersetzung mit dem in den Massenmedien dargestellten Vorwurf, Krankenhäuser würden im großen Stil die Abrechnungen ma- nipulieren. Die unserer Kritik zu- grunde liegenden Daten wurden nicht von uns oder den Kranken- häusern einseitig erhoben, sondern sowohl von Kostenträgern und vom MDK beziehungsweise MDS veröf- fentlicht. Unsere als „Zahlenspiele- reien“ abgetanen soliden und ma- thematisch korrekten Berechnungen haben gezeigt, dass der Vorwurf des
„Massenbetrugs“ absolut unange- messen ist. Der MDS und die Auto- ren des Leserbriefs bestätigen selbst, dass Überprüfungen der kor- rekten Codierung nur eine Minder- heit der Rechnungsprüfungen dar- stellen. Die hohen Angaben zu Prüf- und Erfolgsquoten in einen Zusammenhang mit „Upcoding“
und damit Abrechnungsbetrug der Krankenhäuser zu stellen und damit
die hohen Prüfquoten zu legitimie- ren, ist daher nicht seriös. Es wäre wünschenswert, wenn auch durch den MDK/MDS beziehungsweise Kostenträgern bei Interviews mit den Medien Sachlichkeit an den Tag gelegt würde . . .
Ist es verwunderlich, wenn Kran- kenhäuser reagieren, wenn ihnen durch den MDS beziehungsweise die Kostenträger in Massenmedien direkt Betrug ohne eine nachvoll- ziehbare Grundlage vorgeworfen wird . . . Grund für die hohen Prüf- quoten im leistungsrechtlichen Be- reich sind anscheinend im Wesentli- chen die aktuellen Anreize, die das G-DRG-System und die Abrech- nungsbestimmungen bieten. Klar ist, dass unter diesen Bedingungen auf Abrechnungsprüfungen nicht gänzlich verzichtet werden kann.
Dies haben wir auch gar nicht ver- langt. Dass sich die Ergebnisse in
„den Zahlen der Medizinischen Dienste, als auch in einigen Zahlen von Krankenkassen durchaus an- ders“ als bei den Krankenhäusern darstellen, kann nicht verwundern.
Zum einen kennen die Medizini- schen Dienste und die Krankenkas- sen jeweils nur ihren eigenen Aus- schnitt aus den Rechnungsprüfun- gen. So dürften den Medizinischen Diensten Anzahl und Ergebnisse der Rechnungsprüfungen anderer Kostenträger (private Versicherer, Berufsgenossenschaften, Knapp- schaft, Beihilfe) unbekannt sein, während jedes Krankenhaus den kostenträgerunabhängigen Gesamt- überblick über seine eigenen Fälle hat. Zum anderen wird sicherlich niemand davon ausgehen, dass das Ergebnis einer Begutachtung durch den MDK dem Ergebnis der Rech- nungsprüfung als ganzer gleichzu- setzen wäre. Das Begutachtungs - ergebnis selbst stellt immer die individuelle Überzeugung eines Prüfarztes dar und ist selbstver- ständlich von dessen Erfahrungen und Kenntnissen, sowie von den zur Begutachtung angeforderten medi- zinischen Unterlagen abhängig. Es darf daher nicht einseitig als richtig und als Benchmark für korrekte Codierung interpretiert werden.
Fehlcodierungen gibt es, und sie werden auch künftig nicht auszu- Etwas ganz anderes ist richtig: Ärz-
te werden in ihrem Studium und in der Ausbildung mehr oder weniger gut auf den Umgang mit den Pa- tienten und vor allem auf den mit Krankheiten vorbereitet. Für das tägliche Ringen mit Behörden, Kas- sen, KV und anderen bürokrati- schen Organisationen erhalten sie, im Gegensatz zu z. B. Juristen, Wirtschaftsingenieuren, Beamten . . . keinerlei Hilfestellung. Ärzte müssen ohnehin in einem gleichge- schalteten System ohne Niederlas- sungsfreiheit infolge von Honorar- deckelung und Festbeträgen ohne Gerechtigkeit der Kostenerstattung leben, sie sind Unternehmer, die das volle unternehmerische Risiko tragen, ohne über den Gewinn ver- fügen zu können. Nur den Konkurs dürfen sie ganz allein verantworten und bewältigen.
Jedenfalls gut, dass man die Ärzte endlich in Handschellen zur Fort- bildung bringt, denn vorher waren deutsche Ärzte anscheinend eine undisziplinierte und faule Horde, die ihre Patienten nach Gutdünken behandelt hat. Wenn man nun noch zu Zeiten einer etwas rückläufigen
Ärzteschwemme denen die Zulas- sung entzieht, die Fleißpunkte nicht vorlegen (was nicht heißt, dass sie sich nicht fortbilden!), spart man noch mehr Geld: bei den Kassen, weil insgesamt weniger Patienten behandelt werden können, viel- leicht auch bei den Rentenversiche- rungen, weil die Menschen wieder früher sterben. Und das Ausland, das nach wie vor um die gut ausge- bildeten deutschen Mediziner wirbt, wird sich freuen, Bürgermeister ab- gelegener deutscher Gemeinden weniger.
Dr. med. Peter Pommer, Hubertusstraße 2, 82487 Oberammergau
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Die Redaktion behält sich ohne weitere Mitteilung vor, E-Mail-Nachrichten, die als Leserbrief erscheinen sollen,
zu kürzen. DÄ
USC
D a w g K g a berechtigt (DÄ 41/20
B R I E F E
schließen sein. Anderes war bereits zur DRG-Einführung nicht zu er- warten. Dabei ist ein großer Teil von Codierfehlern nicht gruppie- rungsrelevant und hat damit keinen Einfluss auf den Erlös!
Fazit: Die derzeit aufgrund von Fehlanreizen für Krankenhäuser und Krankenkassen im Rahmen der Einzelfallprüfungen gebundenen fi- nanziellen Ressourcen sind unbe- dingt in die direkte Versorgung von Patienten zurückzuführen. Die Fra- ge ist daher nicht, wie viel muss ge- prüft werden, um Beitragssätze zu reduzieren, sondern wie viele Prü- fungen können wir uns bei limitier- ten Gesamtressourcen in Zukunft überhaupt leisten. Deshalb müssen die Fehlanreize, die sowohl auf Sei- te der Leistungserbringer als auch der Kostenträger bestehen, über- dacht und wo notwendig modifi- ziert werden . . . Dass Stichproben- prüfungen und bei Auffälligkeiten auch darüber hinausgehende Analy- sen notwendig sind, wird nicht in- frage gestellt.
Literatur im Internet:
www.aerzteblatt.de/lit4809
Dr. med. Wolfgang Fiori, DRG-Research-Group Medizincontrolling, Medizinisches Management, Universitätsklinikum Münster, Domagkstraße 20, 48129 Münster
HAFTUNG
Geht in Kliniken et- was schief, müssen sich die Ärzte ver- antworten, nicht die Geschäftsführer (DÄ 42/2009: „Fehler durch Kostendruck:
Keine rechtlichen Konsequenzen bei ,Managerpfusch‘“ von Uwe Schulte- Sasse).
Verpasste Sanktion
Seit Jahren fordere ich die Haftung derer, die menschenunwürdige Ar- beitszeiten anordnen – insbesonde- re auch im Krankenhaus. Jahrelang mussten wir teilweise 32 Stunden ununterbrochen Dienst leisten, ohne nennenswerte Ruhezeiten.
Wer so etwas veranlasst und „ver- antwortet“, ist meines Erachtens bei Schäden für Gesundheit und Leben
von Patienten und Ärzten haftbar – zivil- und strafrechtlich. Wann end- lich urteilen die Strafgerichte so wie das LG Nürnberg-Fürth im Fall des übermüdeten LKW-Fahrers 2006?
Haftstrafen für die „Hintermänner“
– eine viel zu lange verpasste Sank- tion.
Ulrich Niebuhr, Timmersloher Straße 8, 28215 Bremen
Juristenschelte
Es ist eine schreiende Ungerechtig- keit, wie die Verantwortlichen für medizinische Organisationsstruktu- ren ungeschoren und straflos da- vonkommen. Der Artikel illustriert einmal mehr das Sprichwort, dass die Kleinen gejagt werden und man die Großen laufen lässt. – Es ist un- bedingt erforderlich, die Verant- wortlichen in Krankenhausverwal- tungen und Trägergesellschaften, ja auch Gesundheitspolitiker über ihre Amtszeit hinaus direkt in die Haftung und in die strafrechtliche Beurteilung einzubeziehen. Nur eine einzige Inhaftierung eines Gesundheitspolitikers, eines Ge- schäftsführers oder Verwaltungsdi- rektors wegen einer „wettbewerbs- fördernden“ Entscheidung mit tödlichem Ausgang brächte eine rasche Wende.
Wettbewerbsentscheidungen sind nichts anderes mehr als die Klärung der Frage, wie viel Leistung dem Patienten noch entzogen werden kann, ohne dass er bemerkt, welch lebensgefährlichen Strukturen er sich ausliefert. Der seit Jahren poli- tisch propagierte Wettbewerb hat daher in der Medizin – entgegen der Auffassung von Gesundheits- ökonomen – nichts, aber auch gar nichts zu suchen.
An dieser Stelle sei einmal Juristen- schelte erlaubt. Warum verurteilen Richter vorsätzlich die dem „Pro- duktionsdruck“ ausgelieferten Ärz- te, während sie die für das System Verantwortlichen nicht zur Rechen- schaft ziehen? Ist es die Angst vor dem politischen Willen, der die Ökonomie zum obersten Maßstab gemacht hat? Man wird ja noch fra- gen dürfen.
Dr. med. Axel Darwig, Maarweg 31, 53123 Bonn G
w s a G 4 d Keine rechtlichen Ko
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