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Patientinnen- Orientierung in der Aufklärung und Beratung bei Brustkrebs Screening Programmen Wunsch oder Wirklichkeit?

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Academic year: 2021

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H o c h s c h u l e N e u b r a n d e n b u r g

Fachbereich Gesundheit, Pflege, Management

Studiengang Gesundheitswissenschaften

Abschlussarbeit

zur Erlangung des Akademischen

Grades

Master of Science

"Patientinnen- Orientierung in der Aufklärung und

Beratung bei Brustkrebs Screening Programmen-

Wunsch oder Wirklichkeit?"

vorgelegt von: Karoline Hein

Betreuer: Prof. Dr. Heidrun Herzberg Prof. Dr. Bernhard Langer

Tag der Einreichung: 22.01.2016

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Inhaltsverzeichnis

Abkürzungsverzeichnis ... IV Abbildungsverzeichnis ...V Abstract ... VI

1. Einleitung ... 1

1.2 Das IQWIG- Projekt: Patientinnen- Orientierung innerhalb des Merkblatt und Einladungsschreiben zum Mammographie Screening ... 2

1.2.1 Ziele und Ergebnisse ...2

1.2.2 Inhalt der IQWiG Materialien ...7

2. Brustkrebs ... 12

2.1 Behandlung von Brustkrebs ... 15

2.2 Versorgungspolitische Bedeutung bei Brustkrebs ... 17

2.3 Sekundärprävention in der Onkologie ... 19

3. Gesundheit als soziale Praxis ... 22

3.1 Biographie und Institution ... 23

3.2 Biographieorientierung in Prävention und Versorgung ... 24

3.3 Die soziale Konstruktion von Krankheit ... 26

4. Unterschiedliche Wissensordnungen ... 28

4.1 Expertenwissen versus Wissensordnung von Patienten ... 28

4.2 Psychosoziale und medizinsoziologische Theorien ... 30

4.3 ausgewählte Studien zum Informationsbedürfnis bei Brustkrebs ... 32

4.4 Partizipative Entscheidungsfindung in Vorsorgeprogrammen ... 34

4.5 Bedeutung von Patientenpräferenzen in der medizinischen Versorgung ... 38

5. Darstellung wissenschaftlicher Daten zum Mammographie-Screening für Patienten ... 39

5.1 Entwicklung Zielgruppengerechter Informationen... 40

5.2 Faktenbox zur Darstellung von Schaden und Nutzen ... 41

5.3 Europäische Leitlinien für die Qualitätssicherung des Brustkrebs- Screenings ... 43

5.4 S 3 Leitlinie Fraueninformation ... 44

6. Fazit ... 50

(3)

7.1 Hintergrund ... 53 6. Literatur ... 56 Eidesstattliche Erklärung – Karoline Hein ... 61

(4)

Abkürzungsverzeichnis

Abs. Absatz

DMP Disease Management Programm etc et cetera

f. folgende i. d. R. in der Regel

IQWiG Institut für Wirtschaftlichkeit im Gesundheitswesen RKI Robert- Koch- Institut

SGB V Sozialgesetzbuch (Fünftes Buch) Vgl. Vergleiche

z. B. zum Beispiel

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Abbildungsverzeichnis

(Abbildung 1: IQWiG Muster Einladungsschreiben-Mammographie

Untersuchung) ... 7

(Abbildung 2: IQWiG Muster Terminvorschlag)... 8

(Abbildung 3: IQWiG Entwurf Merkblatt) ... 10

Abbildung 4: IQWiG Entwurf Merkblatt ... 11

(Abbildung 5: Altersspezifische Erkrankungsrate von Brustkrebs in Deutschland, Statista 2016) ... 17

(Abbildung 6: Datenlage Gesamtmortalität-S3 Leitlinie) ... 22

(Abbildung 7: Harding-Center 2014) ... 41

(Abbildung 8: Harding-Center 2014) ... 42

(Abbildung 9: Stufe 3 Leitlinie 2008) ... 45

(6)

Abstract

Der GBA hat hinsichtlich der Beratung und Aufklärung von Frauen in Scree-ning Programmen Informationslücken, Unsicherheiten und ein starkes Infor-mationsbedürfnis auf Seiten der Patienten ermittelt. Nun möchte der G-BA verbindliche Grundlagen festlegen, welche Informationen Frauen die in die Zielgruppe von Brustkrebsscreening Programmen fallen, fehlen. Im Zuge dessen wurde das Institut für Qualität und Wirtschaftlichkeit im Gesundheits-wesen beauftragt die Materialien zum Mammographie Screening zu bearbei-ten. Jedoch orientiert sich dieses Informationsdefizit am biomedizinischen Faktenwissen, welches den Patienten als Symptomträger sieht. Eine umfas-sende Aufklärung und Beratung wie beispielsweise in den „Europäischen Leitlinien für die Qualitätssicherung des Brustkrebs-Screenings“ gefordert benötigt jedoch zusätzlich einen verstehenden Ansatz zur biographischen Situation von Frauen. Hierzu ist ein neuer Ansatz nötig der nicht den Exper-tenkonsens in den Vordergrund rückt, sondern die Frau und ihre Lebensge-schichte bzw. das Geschehen als lebensgeschichtlichen Prozess erfasst. Nur so kann eine wirksame Informationsvermittlung zum Zweck der Ent-scheidungsfindung realisiert werden. Diese Forderung wird auch durch die Bemühungen des G- BA leider nicht erreicht.

(7)

Abstract

The Gemeinsame Bundesausschuss has found information gaps, uncertainty a strong need of information on the patient side, in terms of counseling and education of women in screening programs. So the G- BA wants to define guidelines to inform women that fall into the target group of breast cancer screening programs. As part of this the Institut für Qualität und

Wirtschaft-lichkeit im Gesundheitswesen has been commissioned to revise the material

for the mammography screening. However, this lack of information is based on biomedical knowledge, which sees the patient as a symptom carrier. A comprehensive claryfiction and consultants is demanded within the „Europe-an Guidelines for quality assur„Europe-ance in breast c„Europe-ancer screenings „Europe-and diago-sis“ but needs additonally an interpretive approach to the biographic situation of women. For this purpose a new approach is needed, which is not focused on expert knowledge, but on women and their biography. This is the only way an effective information exchange can be implemented for the purpose of shared decision making. This demand will not even be achieved by the ef-forts of the G- BA.

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1. Einleitung

Die Früherkennungsuntersuchung für Brustkrebs durch Mammographie der Brust wird seit 2009 flächendeckend in Deutschland angeboten. Seitdem erhalten Frauen ab 50 Jahren alle zwei Jahre eine schriftliche Einladung zur Mammographie sowie ein beigelegtes Merkblatt in Form einer Broschüre. Das IQWIG (Institut für Wirtschaftlichkeit im Gesundheitswesen) wurde mit dem Beschluss vom 21.08.2014 vom Gemeinsamen Bundesausschuss be-auftrag, das Einladungsschreiben und Merkblatt mit Informationen zu über-abreiten um die Aufklärung und Informationsvermittlung auf Seiten der Nut-zerInnen zu verbessern. (vgl. Rapid Report P14-02, Version 1.0, S.-1-ff)

In diesem Zuge hat das IQWiG die Einstellungen und den Wissensbestand von potentiellen NutzerInnen über die Mammographie anhand qualitativer Studien und Umfragen ermittelt. Diese Ergebnisse flossen in den Textentwurf ein, der dann im nächsten Schritt durch eine Testung der NutzerInnen und Online-Befragung mit 1000 Frauen hinsichtlich der Verständlichkeit und Ak-zeptanz überprüft wurde. Nach Angaben des IQWiG fanden die Mehrzahl der Frauen die Unterlagen verständlich und informativ. Eine besondere Heraus-forderung lag aus Sicht von den beteiligten Experten in der einfachen Dar-stellung wissenschaftlicher Daten. (vgl. Rapid Report P14-02, Version 1.0, S.-1-ff)

Das IQWiG ergänzte zudem im Herbst die Broschüre zu einer Entschei-dungshilfe, welche zusätzlich eine Hilfestellung sein soll, eine persönliche Gewichtung von Nutzen und Schaden der Mammographie vorzunehmen. Insbesondere schwierig schien die verwirrende und sich zum Teil wieder-sprechende Evidenzlage zur Mammographie in gut ausgewählte Zahlen zu „verpacken“, ohne dabei eine Wertung vorzunehmen. (vgl. Rapid Report P14-02, Version 1.0, S.-1-ff)

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1.2 Das IQWIG- Projekt: Patientinnen- Orientierung innerhalb des Merk-blatt und Einladungsschreiben zum Mammographie Screening

Mit Beschluss vom 21.08.2014 beauftragte der Gemeinsame Bundesaus-schuss (G- BA) das Institut für Wirtschaftlichkeit im Gesundheitswesen (IQWiG) mit der Erstellung eines Einladungsschreibens und einer Patienten-information (Merkblatt) zum Mammographie- Screening. Seit 2002 wurde vom Deutschen Bundestag beschlossen ein flächendeckendes, qualitätsge-sichertes Mammographie Screening einzuführen. Seit dem Jahr 2004 erhal-ten Frauen zwischen 50 und 69 Jahren alle zwei Jahre ein Einladungs-schreiben per Post. Beigelegt ist ein Merkblatt mit allgemeinen Informationen zum Screening sowie über die Vor- und Nachteile der Untersuchung. (vgl. Rapid Report P14-02, Version 1.0, S.-ix-ff)

Im Rahmen eines Auftrages des Gemeinsamen Bundesausschusses an das IQWiG wurden die Informationsmaterialien (Merkblatt) überarbeitet. Haupt-augenmerk lag zunächst darin, sie dem aktuellen Stand des medizinischen Wissens anzupassen. Untersuchungen der BAMER GEK und der Bertels-mann Stiftung zeigten jedoch über dieses Vorhaben hinaus, dass trotz der Materialien verbreiteten Informationen ein erheblicher Teil der Frauen nicht ausreichend gut über die Motivation der Einladung sowie der Vor- und Nach-teile des Screenings aufgeklärt ist. Demnach gaben 30% der befragten Frauen an, dass die Mammographie verhindert, dass eine Frau an Brust-krebs erkrankt. Ebenso viel es den befragten Frauen eher schwer, den Nut-zen (der im Merkblatt beschrieben wird) des Screenings wiederzugeben. Vie-le überschätzten den Nutzen des Screenings. Die Risiken für falsch-positive Befunde hatten die Befragten erheblich unterschätzt. Die Mehrzahl der Frau-en gab jedoch gleichzeitig an, sich durch die beigefügtFrau-en Informationsmate-rialien sehr gut informiert zu fühlen. (vgl. Rapid Report P14-02, Version 1.0, S.-ix-ff)

(10)

Die Ziele des Projekts waren:

x Die Aufbereitung des aktuellen Standes des Wissens hinsichtlich der Vor- und Nachteile des Mammografie Screenings,

x Die Überarbeitung und anschließender Nutzerinnentestung des Einla-dungsschreibens für das Mammographie- Screening,

x Die Entwicklung und Nutzerinnentestung eines evidenzbasierten Merkblatts, welches alle relevanten Informationen zum Mammogra-phie-Screening enthält sowie die Vor- und Nachteile darstellt (vgl. Kurzversion Rapid Report S. -ix-ff)

Aus Sicht des IQWiG lag eine besonders große Herausforderung darin, für eine breite Zielgruppe ohne weitergehende wissenschaftliche oder statisti-sche Kenntnisse, bestehende Unsicherheiten angemessen darzustellen. Ins-gesamt orientierte sich das IQWiG bei der Erstellung an den schon beste-henden Materialien des Deutschen Mammographie- Screening- Programms. Um sich den Perspektiven und Informationsbedürfnissen hinsichtlich eines Mammographie- Screenings auf Seiten der Nutzerinnen nähern zu können, wurden qualitative Studien und Surveys herangezogen. Als Grundlagen zu den Aussagen hinsichtlich der Vor- und Nachteile des Screenings wurden hauptsächlich randomisierte kontrollierte Studien (RCT’s) herangezogen. Im Schwerpunkt wurden hierbei die Ergebnisse zu den Endpunkten brustkrebs-spezifische Mortalität und Überdiagnosen sowie ausgewählte Kennzahlen des deutschen Mammographie- Screening- Programms, die dem Evaluati-onsbericht 2010 entnommen wurden. (vgl. Rapid Report P14-02, Version 1.0, S.-ix-ff)

Das IQWiG ist der Ansicht, dass Frauen eine Quantifizierung benötigen, um die wesentlichen Effekte des Screenings realistisch einschätzen zu können. Demnach erfolgte eine Extraktion der relevanten Zahlen zu den Endpunkten brustkrebsspezifische Mortalität und Überdiagnosen zur Darstellung im Merkblatt. Bestehende „Unsicherheiten“ wurden bei der Angabe der Zahlen versucht zu kommunizieren, indem entsprechende „Effekte“ als Spannen dargestellt wurden. Die Entwicklung der Informationsmaterialien schloss eine

(11)

qualitative Nutzertestung über Fokusgruppeninterviews ein. Des Weiteren erfolgte eine qualitative Nutzerbefragung über einen Online-Fragebogen. (vgl. Rapid Report P14-02, Version 1.0, S.-1-ff)

Um die Perspektiven und das Informationsbedürfnis der Nutzerinnen zu er-fassen wurden 21 qualitative Studien und 11 Surveys identifiziert. Mehrere Studien und Surveys vermittelten den Eindruck, dass für die Mehrzahl der Frauen das Mammographie-Screening positiv besetzt ist. Als größter emp-fundener Nutzen werden die Möglichkeit einer frühen Entdeckung von Brust-krebs und die damit verbundene Möglichkeit der frühen Behandlung angese-hen. Kritisch hingegen sehen die befragten Frauen den Zeitaufwand, Zweifel an der Genauigkeit der Ergebnisse sowie Schmerzen bei der Untersuchung. (vgl. Rapid Report P14-02, Version 1.0, S.-1-ff)

Auf Grundlage der qualitativen Studien und Surveys zeigte sich eine Band-breite an Informationsbedürfnissen hinsichtlich der Erkrankung Brustkrebs selbst, zum Ablauf des Screenings und zum Nutzen und Schaden der Mam-mographie. Daraufhin sollten im Merkblatt die genannten Informationsbe-dürfnisse berücksichtigt werden. Als Grundlage zur Darstellung der Vor- und Nachteile des Mammographie-Screenings wurden mehrere systematische Reviews identifiziert, welche alle denselben Pool an Mammographie-Screening-RCT untersuchten. Es zeigte sich, dass von 1000 Frauen eine bis zwei Frauen, in einem Zeitraum von 10 Jahren vor dem Tod durch Brust-krebs bewahrt werden konnten, sich eine Senkung der Gesamtmortalität je-doch nicht ableiten lässt.

Zur Ermittlung der Häufigkeit von Überdiagnosen existiert international keine einheitliche verwendete Methodik. Auf Grundlage der vom IQWiG untersuch-ten randomisiert-kontrollieruntersuch-ten Studien, ließ sich ableiuntersuch-ten, dass in einem Be-obachtungszeitraum von 10 Jahren etwa 5 bis 7 Frauen von insgesamt 1000 Frauen eine Überdiagnose erhalten. (vgl. Rapid Report P14-02, Version 1.0, S.-5-ff)

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psychischer und physischer Belastungen aufgrund des Mammographie-Screenings wurden weitgehend aus dem Evaluationsbericht 2010 des deut-schen Mammographie-Programms entnommen oder abgeleitet.

Schließlich wurde auf Grundlage der dementsprechend extrahierten Informa-tionen das bestehende Muster-Einladungsschreiben zum Merkblatt überar-beitet. (vgl. Rapid Report P14-02, Version 1.0, S.-ix-ff)

Die Entwürfe des zweiseitigen Einladungsschreibens und des Merkblattes das einen Umfang einer 16-Seitigen Broschüre aufweist, wurden im Rahmen einer qualitativen Nutzerinnentestung unterzogen. Nach Angaben des IQWiG zeigte sich eine hohe Akzeptanz. Anmerkungen und Kritikpunkte durch die Nutzerinnentestung wurden zu kleinen Änderungen der Entwürfe. Daraufhin wurden die Materialien einer quantitativen Testung unterzogen. In diesem Rahmen wurden 500 Frauen von 45 bis 69 Jahren befragt. Laut IQWiG zeig-te sich, das die Mehrzahl der Befragzeig-ten verstand, dass die Mazeig-terialien auf eine Untersuchung verweisen, welche ein freiwilliges Angebot darstellt. (vgl. Rapid Report P14-02, Version 1.0, S.-ix-ff)

Die Mehrzahl beurteilte die Materialien als verständlich und informativ. schließend wurde in Einzelheiten das Material erneut bearbeitet. Nach An-gaben des IQWiG deuten die Ergebnisse der Nutzerinnentestung daraufhin, dass die Ziele des Projekts erreicht wurden. Eine Weiterentwicklung der Ma-terialien zu einer Entscheidungshilfe wurde im Rahmen eines Folgeprojektes durchgeführt. (vgl. Rapid Report P14-02, Version 1.0, S.-ix-ff)

Die Ziele des Folgeprojekts umfassten:

x Die Überarbeitung des Einladungsschreibens für das Mammographie- Screening

x Die Weiterentwicklung der Materialien zu einer Entscheidungshilfe x Nutzerinnentestung der überarbeiteten Materialien

x Die Entwicklung eines Konzeptes für die Internetversion

x Die Entwicklung eines Konzeptes zur Evaluation der überarbeiteten Materialien und der Internetversion

(13)

(vgl. Berichtsplan P14-03, Version 1,0 S.-1-ff)

Insgesamt umfasste der Auftrag des G-BA an das IQWiG mehrere Stufen bzw. Teilschritte:

Die erste Stufe stellte die Überarbeitung des Merkblatts und des Einladungs-schreibens inklusive der quantitativen und qualitativen Testung der Materia-lien an potentiellen Nutzerinnen. Das Ergebnis wurde im sogenannten Rapid Report (P14-02) veröffentlicht.

Die zweite Stufe bezog sich auf die Weiterentwicklung der Versichertenin-formation als Entscheidungshilfe, welche im Folgeprojekt realisiert wurde (P14-03).

Bei der Weiterentwicklung wurden die Ergebnisse aus der qualitativen und quantitativen Nutzerinnentestung eingearbeitet. Ebenso wurden auch Rück-meldungen aus dem G-BA Stellungnahmeverfahren zum Merkblatt P14-02 berücksichtigt. (vgl. Berichtsplan P14-03, Version 1,0 S.-1-ff)

Das Ziel der Entscheidungshilfe war:

x Die Erkrankung selbst darzustellen und zu beschreiben sowie Häufig-keiten darzustellen

x Den Vorgang der Mammografie zu beschreiben

x Den möglichen Nutzen und Schaden des Mammografie-Screenings evidenzbasiert und verständlich darzustellen

x Eine Hilfestellung anzubieten, die es Frauen ermöglicht ihre persönli-chen Präferenzen zu erkennen um dann eine Entscheidung treffen zu können

x Frauen in ihrer Entscheidungskompetenz, Entscheidungssicherheit und Partizipation in Bezug auf das Mammografie-Screening zu fördern und zu stärken

(vgl. Berichtsplan P14-03, Version 1,0 S.-6-ff)

Im Rahmen des Folgeprojektes wurden bestimmte, für die Entscheidungshil-fen charakteristische Elemente integriert. Hierunter versteht das IQWiG

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Tools zur Klärung von Werten und eine Hilfestellung zur Kommunikation mit Ärztinnen und Ärzten, die über das Mammographie-Screening aufklären. Zur Darstellung von Nutzen und Schaden wurde ergänzend die Methode der Faktenbox gewählt.

1.2.2 Inhalt der IQWiG Materialien

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(Abbildung 2: IQWiG Muster Terminvorschlag)

Ziel des Projektes war es, ein Einladungsschreiben und ein evidenzbasiertes Merkblatt zu erstellen um die angeschriebenen Frauen verständlich über das Mammographie-Screening im Allgemeinen sowie über die Vor- und Nachteile des Screenings zu informieren. Es ist zu erkennen, dass sich das IQWiG stark an einer objektiven Betrachtung des Mammographie- Screenings orien-tiert hat. Innerhalb eines persönlichen Anschreibens wurde versucht, bei den angeschriebenen Frauen keine unrealistischen Erwartungshaltungen hin-sichtlich der Prävention oder Zuverlässigkeit der Untersuchungsergebnisse zu wecken.

(16)

Eine Überarbeitung des im Rahmen des Auftrags P14-02 erstellten Einla-dungsschreibens wurde hierbei angedacht. Diesbezüglich will das IQWiG die Rückmeldungen aus dem Stellungnahmeverfahren des G-BA zum Einla-dungsschreiben aus P14-02 berücksichtigen.

Das Einladungsschreiben umfasst 2 DIN-A4-Seiten und enthält grundlegen-de Informationen zum Mammographie-Screening sowie einen Terminvor-schlag.

Merkblatt/ Informationsmaterialien zum Mammographie- Screening

Im Merkblatt zum Mammographie-Screening wird der angeschriebenen Frau ausführlich erklärt, warum sie per Einladungsschreiben kontaktiert wird. Im weiteren Verlauf des Informationsmaterials, werden der Ablauf der Mammo-graphie, die möglichen Vorteile sowie die Nachteile und die zu erwartenden Folgeuntersuchungen bei einem möglichen Befund beschrieben. Ebenso finden sich zu erwartende Zeiträume bis ein Befund der Patientin mitgeteilt wird.

„Bei der Mammographie wird die Brust geröntgt. Ziel ist es, Brustkrebs mög-lichst früh zu erkennen, um ihn besser behandeln zu können und die Hei-lungschancen zu erhöhen. Leider hat die Früherkennungsuntersuchung auch Nachteile: Sie kann zum Beispiel zu unnötigen Behandlungen führen.

Wichtig zu wissen: Die Mammographie kann nicht verhindern, dass Brust-krebs entsteht (zit. N. Rapid Report P14-02, Anhang F – Merkblatt, S.2).“

„Die Befunde aller Untersuchungen werden von mehreren Ärztinnen und Ärz-ten beraÄrz-ten. Innerhalb einer Woche erhält die Frau das Ergebnis (zit. N.

Ra-pid Report P14-02, Anhang F – Merkblatt, S.5).“

Unter der Überschrift „Mammographie in Zahlen: Welche Ergebnisse sind zu

erwarten?“ wurde versucht den Leserinnen eine realistische Vorstellung zu

den Häufigkeiten und den daraus resultierenden individuellen Risiken zu ge-ben.

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„Insgesamt bedeutet das: Etwa 6 von 1000 Frauen bekommen dann die

Di-agnose Brustkrebs. Diese Frauen erhalten dann von der Ärztin oder dem

Arzt der Mammographie-Einheit einen eigenen Termin, um das weitere Vor-gehen zu besprechen.

Diese Zahlen gelten für eine Untersuchungs-runde. Im Laufe des Früherken-nungs-Programms kann eine Frau an bis zu zehn Mammo-graphien teilneh-men. In jeder dieser Unter-suchungsrunden kann es zu einem falschen Ver-dachtsbefund kommen (zit.N. Rapid Report P14-02, Anhang F – Merkblatt,

S.7).“

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(Abbildung 4: IQWiG Entwurf Merkblatt)

In welcher Form „framing of data“, also die Darstellung wissenschaftlicher Daten erfolgt, beeinflusst Professionelle wie auch Patienten in Ihren Hand-lungsentscheidungen. Das IQWiG hat im Rahmen der qualitativen NutzerIn-nentestung die Verständlichkeit der Darstellungen getestet:

In Bezug auf einzelne Aspekte gab es Verständnisprobleme auf Seiten der Testerinnen. Ein Teil der Testerinnen hatte Probleme die Informationen zur Überdiagnose zu verstehen. Manchen Frauen war bisher die unerwünschte Folge einer Überdiagnose durch ein Screenings, auch hinsichtlich des dar-gestellten Ausmaßes, nicht bekannt.

Die dargestellten Zahlen wurden als hilfreiche und verständliche Information empfunden. Gemeinsam mit den anderen Informationen lösten sie bei man-chen Frauen eine Diskussion über die Vor- und Nachteile des Screenings in den Gruppen aus. In Bezug auf die Darstellung der Brustkrebsinzidenz gab

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es Verständnisschwierigkeiten, weshalb diese geändert und auf einen 10-Jahres-Zeitraum bezogen wurden.

Insgesamt wurden die Grafiken als hilfreich und verständlich empfunden. Einigen Testerinnen war nicht klar, auf welchen Zeitraum sich die Diagnose-Ergebnisse bezogen. Dementsprechend wurde die Formulierung daraufhin geändert. Welche redaktionellen Änderungen im Anschluss der qualitativen Nutzerinnen-Testung durchgeführt wurden, sind durch die Materialien des IQWiG nicht ersichtlich. (vgl. Rapid Report P14-02, S. 41ff)

Die Weiterentwicklung des Merkblatts zu einer Entscheidungshilfe mit einem Instrument zur Klärung von Präferenzen findet bis 2016 statt (2. Stufe des IQWiG-Auftrags).

2. Brustkrebs

Das Mammakarzinom (Carcinoma mammae) wird in der Klassifizierungskon-struktion der ICD-10 unter der Kategorie C50: „bösartige Neubildungen der

Brustdrüse“ beschrieben. Der Begriff Brustkrebs erfasst ein infiltrierendes

Zellwachstum in der Brust welches zu einem Tumor führt. Dieser Tumor kann gutartig oder bösartig sein. Eine große Anzahl der berichteten Tumoren in der Brust stellt sich bei der pathologischen Untersuchung als gutartig (be-nigne) heraus.

Die Zellen von bösartigen (malignen) Tumoren, können den Ort ihres Entste-hens verlassen und in die angrenzenden „gesunden“ Gewebeschichten ein-dringen. (vgl. Gesundheitsberichterstattung des Bundes, 2004 Heft 25, S. 7ff)

Brustkrebs ist die häufigste Krebserkrankung und häufigste Krebstodesursa-che bei Frauen Weltweit und in Deutschland. Retrospektiv ist zu beobachten, dass die Erkrankungsraten und Sterbefälle bis zur 2. Hälfte des 20. Jahrhun-derts anstiegen. Hinsichtlich der Sterblichkeit ist seit den 70er Jahren keine Steigung mehr zu beobachten (vgl. RKI 2005). Auch Jahre nach der Wieder-vereinigung der Bundesrepublik zeigt sich zwischen Ost- und

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Westdeutsch-land ein deutliches Gefälle. In den alten Bundesländern zeigen sich höhere Erkrankungs- und Sterberaten (vgl. Verbundprojekt 1999, S. 123 ff).

Zu den anerkannten Faktoren, die zum Entstehen eines Mamma- Karzinom beitragen können sind:

x Familiäre Belastung/ Brustkrebsgeschichte

x Reproduktive und hormonelle Faktoren (z.B. exogene Hormone) x Sozioökonomische Faktoren

x Ernährungsweise

Nicht ausgeschlossen werden kann:

x Alkoholkonsum (alkoholbedingt erhöhte Östrogenanteil)

x Strahlenexposition und Chemische Verbindungen, die in das Hormon-system eingreifen

x Psychosoziale Faktoren

Daten zur Überlebenswahrscheinlichkeit liegen für Deutschland aus dem saarländischen Krebsregister (ab 1970) und dem Gemeinsamen Krebsregis-ter der ehemaligen DDR bzw. der neuen Bundesländer vor (ab 1961). Laut Schätzungen des Robert-Koch-Instituts beträgt die relative Überlebenswahr-scheinlichkeit nach fünf Jahren für die in den Jahren 1990 bis 1994 an Brust-krebs neu diagnostizierten und im Krebsregister des Saarlandes registrierten Frauen 78%. Für Frauen, die in den Jahren 1985 bis 1988 an Brustkrebs erkrankten, betrug sie 73%. Für die Diagnosejahre 1980 bis 1984 lag dieser Wert noch bei 69%, in der ehemaligen DDR lag er für die Diagnosejahre 1983 und 1984 bei 67%. (vgl. Verbundprojekt 1999, S. 123 ff)

Die Überlebenswahrscheinlichkeit für Frauen mit Brustkrebs ist im Vergleich zu anderen Tumorerkrankungen günstig. Im Vergleich der Überlebensraten nach Diagnosezeiträumen weisen die zwischen 1990 bis 1994 diagnostizier-ten Erkrankungen wesentlich verbesserte Überlebensradiagnostizier-ten auf als Erkran-kungen aus dem Diagnosezeitraum 1980 und 1984. (vgl. RKI 2004). Die Brustkrebsinzidenz steigt in Deutschland seit 1970 stetig an, während bis Ende der 1980er Jahre die Sterblichkeit an Brustkrebs in Deutschland stag-nierte. Seit Mitte der 1990er Jahre sinkt die Mortalität leicht und lag im Jahr

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2004 bei 41,7 pro 100 000 oder 17 000 Todesfällen pro Jahr. Aufgrund stei-gender Inzidenz mit gleichzeitig sinkender Mortalität ergibt sich eine zuneh-mende Anzahl von Patientinnen, die eine Brustkrebserkrankung überleben. Die relative 5- Jahres- Überlebensrate für Brustkrebspatientinnen, über alle Stadien betrachtet, beträgt laut Robert-Koch-Institut 81 %. (vgl. Gesund-heitsberichterstattung des Bundes, 2004 Heft 25, S. 7ff)

Auffällig ist, dass Brustkrebs in höheren sozialen Schichten weiter verbreitet ist als in unteren. Also ist anzunehmen, dass soziökonomische Faktoren bei der Entstehung von Brustkrebs beteiligt sind. Frauen mit einem hohen sozi-ökonomischen Status haben ein doppelt so hohes Risiko an Brustkrebs zu erkranken, als Frauen mit einem niedrigen. Frauen in urbanen Regionen er-kranken ebenfalls häufiger als Frauen in ländlichen Gegenden. (vgl. Ver-bundprojekt 1999, S.123 ff)

Die Neuerkrankungsraten bei Brustkrebs zeigen weltweit einen steigenden Verlauf. Das scheint einerseits an einer wirklichen Zunahme von Krebser-krankungen zu liegen und zum anderen, dass insbesondere Brustkrebser-krankungen vor dem Hintergrund der Entwicklung und Verfeinerung diagnos-tischer Verfahren häufiger feststellt werden. Dabei spielt auch die Einführung von Früherkennungsmaßnahmen eine wichtige Rolle. So wurden im Jahr 2000 noch 46 000 Neuerkrankungen an Brustkrebs in Deutschland gezählt, betrug die Anzahl 2002 bereits 55 100, für das Jahr 2006 werden 57 200 Neuerkrankungen angegeben. Brustkrebs ist mit 27,8 % die häufigste Krebs-form unter den bösartigen Neubildungen bei Frauen. Im Jahr 2004 starben 17 768 Menschen in Deutschland an einer bösartigen Erkrankung der Brust-drüse. (vgl. Gesundheitsberichterstattung des Bundes, 2004 Heft 25, S. 11ff)

Im Hinblick auf die Ätiologie der Krankheit zeigt sich ein erheblicher For-schungsbedarf. Bisher fehlen weitgehend Erkenntnisse z.B. über Verarbei-tungsstrategien Betroffener, (Bedarf weiterer Studien). Ebenso ist weiterhin eine breite Öffentlichkeitsarbeit zur Enttabuisierung gefragt. Nach wie vor wird die Effektivität von Früherkennungsprogrammen diskutiert. Hier werden

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terfragt. Es wird diesbezüglich betont, dass es beim Einsatz der Mammogra-phie auf die Einhaltung entsprechender Qualitätsmaßstäbe ankommt. Für die Patientinnen sollten die Vor- und Nachteile bekannt sein und abgewogen werden, bzw. eine hinreichende Beratung und Aufklärung durch das medizi-nische Personal erfolgen. In Anbetracht des ungenügenden Erkenntnis-stands von Ursachen und Risikofaktoren kommt jedoch weiterhin der Sekun-därprävention (Früherkennung) besondere Bedeutung zu. (vgl. Verbundpro-jekt 1999, S. 123 ff).

2.1 Behandlung von Brustkrebs

Die Möglichkeiten der Behandlung können in operative, strahlentherapeuti-sche, Hormontherapie und medikamentöse Maßnahmen eingeteilt werden. Es existieren lokale (örtlich beschränkte) und systemische (den ganzen Kör-per betreffende) Therapieformen. Die Behandlung richtet sich nach dem je-weiligen Stadium der Erkrankung, nach der Größe des Tumors, nach dem evtl. Ausbreitungsgrad, den geweblichen und biologischen Kennzeichen des Tumors und dem Risiko der Patientin für ein Rezidiv. Je höher dieses Risiko ist, umso intensiver wird die Therapie sein, damit keine Rezidive auftreten und die Bildung von Metastasen möglichst verhindert werden kann. (vgl. Fink, A., Behrens, J. in Nittel, D. et al 2013, S.14ff)

Die Operation von Brusttumoren kann brusterhaltend oder durch die Amputa-tion der Brust erfolgen. Es hat sich heraus gestellt, dass unter bestimmten Voraussetzungen eine brusterhaltende Therapie mit einer Mastektomie in Bezug auf die Überlebensrate gleichwertig ist. Deshalb sollte nach derzeiti-gen Empfehlunderzeiti-gen möglichst brusterhaltend operiert werden. Der Lymphkno-tenstatus, also ob die anliegenden Lymphkonten ebenfalls „befallen“ sind, spielt auch als ein Indikator für die Prognose von Brustkrebserkrankungen eine wichtige Rolle. (vgl. Fink, A., Behrens, J. in Nittel D. et al 2013, S.14ff)

Bei einer Chemotherapie werden Zytostatika in den Organismus eingebracht, um das Zellwachstum bzw. die Zellteilung zu unterbinden. Da diese Behand-lung bekanntermaßen erhebliche Nebenwirkungen wie Haarausfall,

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Erbre-chen oder Durchfall hat, wird die Entscheidung davon abhängig gemacht, ob sich die jeweilige Patientin in einer besonderen Risikosituation befindet. Im Zuge des stetigen medizinisch-technologischen Fortschritts wurde auch die Therapie von Brustkrebs in den letzten Jahren erheblich verbessert. Dies zeigt sich in einer Verbesserung der Überlebenschancen von Patientinnen mit Brustkrebs und einer spürbaren Verminderung der späteren Morbidität. Trotz genannter Weiterentwicklung von Therapieangeboten geht die Behand-lung von Brustkrebserkrankungen noch immer mit Folgeerscheinungen ein-her, welche die Lebensqualität der Patientinnen stark beeinträchtigen kön-nen. Diese Folgeerscheinungen sind zum Beispiel die Toxizität der Chemo-therapie, Sensibilitätsstörungen, Schmerzen sowie Lymphödeme durch ope-rative Eingriffe an den Lymphgefäßen. (vgl. Fink, A., Behrens, J. in Nittel D. et al 2013, S.14ff)

Die Ursachen für Brustkrebs sind grundsätzlich nicht eindeutig herzuleiten. Die Wahrscheinlichkeit, an Brustkrebs zu erkranken, steigt mit zunehmen-dem Lebensalter. Derartige Wahrscheinlichkeiten sind Risikofaktoren, die als Korrelationen allerdings nicht einheitlich, kausal interpretiert werden können. Einige weitere Risikofaktoren konnten identifiziert werden. So steigt das indi-viduelle Brustkrebsrisiko für Frauen, in deren naher Verwandtschaft Brust-krebserkrankungen aufgetreten sind. Die Erkenntnisse zum Einfluss des Le-bensstils auf das Erkrankungsrisiko sind vieldeutig. Eindeutig sind die wis-senschaftlichen Erkenntnisse hinsichtlich des ungünstigen Einflusses von Bewegungsmangel und Übergewicht. Auch regelmäßiger Alkoholkonsum hat sich als risikosteigernd erwiesen. (vgl. Fink, A., Behrens, J. 2013 in Nittel, D. et al, S.14ff)

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(Abbildung 5: Altersspezifische Erkrankungsrate von Brustkrebs in Deutschland, Statista 2016)

Die Prävention von Brustkrebs gestaltet sich aufgrund der ungeklärten Ätio-logie schwierig. Primäre Präventionsmaßnahmen beziehen sich auf die Ver-meidung von potentiellen, allgemeinen Risikofaktoren. Die Früherkennung als sekundäre Prävention nimmt in Anbetracht der hohen Morbiditäts- und Mortalitätsraten bei Frauen einen besonderen Stellenwert ein. (vgl. Richter, P. 2009, S.11ff)

2.2 Versorgungspolitische Bedeutung bei Brustkrebs

Die Aussage „jede 10. Frau trifft es“ deutet auf eine hohe Erkrankungsrate hin und erschreckt viele Frauen. Doch bei genauerer Betrachtung der Zahlen wird deutlich, dass sich diese Aussage auf die gesamte statistische Lebens-erwartung von Frauen bezieht und kaum „nützlich“ ist um das eigene Risiko real-istisch einzuschätzen. Besser nachvollziehbar erscheint die Aussage: „2 von 1000 Frauen erkranken jährlich im Alter zwischen 50 und 59 Jahren und 3 von 1000 Frauen zwischen 60 und 69Jahren“. (vgl. Richter P. 2009, S. 4) Es ist offenkundig, dass Brustkrebs seit einigen Jahren in den Medien und der Öffentlichkeit große Beachtung erfährt. Durch die mediale

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Thematisie-rung wird zwar einerseits ein wichtiger Beitrag zu einem dringend erforderli-chen Prozess der End-Stigmatisierung und Enttabuisierung beigetragen, doch andererseits ist immer auch anzunehmen, dass die mediale Kommuni-kation und Informationsvermittlung interessegeleitet stattfindet. Es werden Beispielweise Bilder kreiert, welche den Entscheidungsprozess von Patien-tinnen nicht unerheblich beeinflusst. (vgl. Richter P. 2009, S. 4ff)

Brustkrebs stellt unumstritten derzeit eine Erkrankung dar, von der viele Frauen betroffen bzw. bedroht sind und die auch deshalb von großer ge-sundheitspolitischer Bedeutung ist. Von aktuellen Entwicklungen im deut-schen Gesundheitswesen der letzten Jahre wurde die Erkrankung Brust-krebs mehrfach berührt.

Im Zuge einer angestrebten Qualitätssicherung im Gesundheitswesen wur-den sogenannte zertifizierte „Brustzentren“ gebildet um die Behandlung und Versorgung zu optimieren. Im Zuge der Entwicklung und Einführung von Disease-Management-Programmen wurden Brustkrebserkrankungen als eine chronische Krankheit in neue Versorgungskonzepte aufgenommen. Das Mammographie Screening wurde Anfang 2000 in Pilotregionen getestet und später als Regelleistung der gesetzlichen Krankenversicherungen einge-führt. Neben den gesundheitspolitischen Implikationen sind die öffentlichen Diskussionen und die mediale Thematisierung des Mammographie- Scree-nings von großer Bedeutung. (vgl. Richter P. 2009, S. 4ff)

Es besteht mittlerweile ein großer Fundus gesellschaftlich geteilten Wissens über Brustkrebs sowie an gesellschaftliche Erwartungsmuster hinsichtlich der medizinischen Dienstleistungen und gegenüber erkrankten Frauen. Vor dem Hintergrund des Fortschritts medizinischer Behandlungsmöglichkeiten und Diagnoseverfahren sowie den wachsenden Versorgungsstrukturen von Brustkrebserkrankungen, sollte vermehrt die Frage aufgeworfen werden in welchem Umfang die psychosoziale Begleitung von Brustkrebspatientinnen ebenfalls Beachtung findet. (vgl. Richter P. 2009, S. 5ff)

Es ist bereits länger bekannt, dass die Zuwendung zu den psychosozialen Problemen Krebskranker ein unabkömmlicher Bestandteil der medizinischen Regelversorgung sein muss. Die psychosoziale Versorgung von

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Brust-krebspatientinnen wird zum gegenwärtigen Zeitpunkt insgesamt als unzu-reichend angesehen. Dennoch liegen keine als verbindlich anerkannten Un-tersuchungen über den Bedarf an psychosozialer Betreuung vor.

Vor diesem Hintergrund wurde eine biographieanalytische Untersuchung mit Brustkrebspatientinnen im Rahmen der Dissertation von Petra Richter durchgeführt. Die biographische Forschungsperspektive trägt dem Umstand Rechnung, dass jede Krankheit auf einen Menschen mit einer Geschichte trifft und hier erst die Frage nach der Form psychosozialer Begleitungspro-zesse ansetzen sollte. Dabei ist das Krankheitserleben bzw. die Verarbeitung dieser mehr als die Aufnahme und Akzeptanz der Diagnose. Das Krank-heitserleben bzw. der Umgang mit potentiellen Gesundheitsrisiken umfasst auch die biographische und soziale Aushandlung der Krankheit. (vgl. Richter P. 2009, S. 4ff)

2.3 Sekundärprävention in der Onkologie

Mit einem Screening sollen vornehmlich gesunde Menschen angesprochen werden. Das Ziel von Scrrenings ist es, eine bestimmte Erkrankung oder ein erhöhtes Risiko im Frühstadium erkennen zu können. Im Zuge dessen wer-den Informationen zum Nutzen bzw. Schawer-den des Screenings der Personen und der Bevölkerung gesammelt werden. Screening ist kein diagnostischer Test, kann aber hilfreich sein um Personen in der Bevölkerung zu ermitteln, die ein hohes Risiko für eine Erkrankung haben. (vgl. Karsa L. v. 1998, S. 723)

Durch sogenannte Früherkennungsmaßnahmen (Screenings) wird es ermög-licht den Diagnosezeitpunkt (lead time) gegenüber der symptomgeleiteten kurativen Versorgung die Heilungschancen zu verbessern, dies jedoch nur wenn bestimmte Voraussetzungen gegeben sind. Die Einhaltungen dieser Voraussetzungen bzw. Bedingungen stellt grundsätzliche Anforderungen an das medizinische Versorgungssystem wenn Wirksamkeit und Effizienz der sekundären Prävention aufrechterhalten werden sollen. In der Literatur wird in Bezug auf bildgebende und präventive Verfahren gelegentlich zwischen „Screening“ und „Früherkennung“ unterscheiden. Es ist anzunehmen, dass

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diese begriffliche Trennung verwirrend ist, wenn doch in beiden Fällen das frühe Erkennen von Brustkrebserkrankungen im Vordergrund steht, bevor sie sich durch Symptome bemerkbar machen. Daher wird im Folgenden der in-ternational gebräuchliche Begriff „Screening“ verwendet. Hierbei wird in der Literatur häufig zwischen zwei Formen unterschieden:

x Das organisierte Screening: Eine oder mehrere Maßnahmen zur Früherkennung im Rahmen einer organisierten Programmes, das u.a. spezielle Vorkehrungen zur Einbeziehung eines Großteils der Zielbe-völkerung beinhaltet.

x Das opportunistische Screening: Eine weitgehend unkoordinierte Früherkennung, die hauptsächlich aus eigenem Antrieb der Unter-suchten in Anspruch genommen wird. (vgl. Karsa L. v. 1998, S. 724ff)

Das gemeinsame Ziel beider Formen ist die Verbesserung des Heilungser-folges durch das frühe Erkennen einer möglichen Brustkrebserkrankung. Wie bei allen präventiven Maßnahmen sind Schaden und Nutzen eines Mammo-graphie- Screenings streng abzuwägen. Es ist hervorzuheben, dass in der Mehrheit gesunde, asymptomatische Frauen die Nutzerinnen sind und Ziel-gruppe des Screenings bilden.

Aus diesem Grund ist es dringend notwendig, dass die gesundheitliche aber auch psychosoziale Belastung der Frauen möglichst gering gehalten wird. Darüber hinaus muss die Qualitätssicherung den gesamten Versorgungspro-zess vom Angebot der Screening- Untersuchung bis hin zur ggf. veranlass-ten Therapie (die sogenannte „Screeningkette“) umfassen, wenn das Ziel der sekundären Prävention erreicht werden soll. (vgl. Karsa L. v. 1998, S. 724ff)

Formale Anforderungen an Screening Programme

Die Welt Gesundheitsorganisation (WHO) formulierte bereits vor mehr als 30 Jahren Kriterien, die bei der Durchführung von Screenings zu berücksichti-gen sind. Schon bei der Berücksichtigung dieser Kriterien muss ein gesuch-ter Tumor Häufig sein, nach der klinisch gestellten Diagnose letal verlaufen und gleichzeitig eine lange subklinische Phase durchlaufen. Frühstadien des

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als die Spätstadien. Die Methode des Screenings muss kostengünstig, sehr zuverlässig und wenig belastend für die Patientinnen sein. Ebenso müssen die Abklärungen aufgrund von falsch-positiven Screening-Befunden diese Kriterien erfüllen. (vgl. Albert U.-S. et al 2002, S.1040)

An Screening-Programme werden immer umfassendere Anforderungen ge-stellt, die den gestiegenen Anforderungen an Wirksamkeitsnachweise und der Bedenken hinsichtlich unerwünschter Effekte in der Medizin geschuldet sind. Auch hinsichtlich der Teilaspekte eines Screenings wird heute eine Quantifizierung hinsichtlich Nutzen und Güte gefordert. (vgl. Höldke, B. 2002, S.37)

Brustkrebsfrüherkennung hat den Vorteil, dass eine medizinische Behand-lung im besten Fall so früh einsetzt, dass der Tod durch Brustkrebs verhin-dert werden kann. Oft entsteht als Schlussfolgerung daraufhin die Annahme, dass Früherkennungsuntersuchungen von Brustkrebs die Überlebenschan-cen erhöhen. Zur Gesamtmortalität lässt sich aufgrund der spärlichen Daten-lage keine Aussage machen (Abbildung 6). Gleiches gilt für die Lebensquali-tät, die nicht systematisch untersucht wurde. (Vgl. S 3 Leitlinie 2008, S.105)

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(Abbildung 6: Datenlage Gesamtmortalität-S3 Leitlinie)

3. Gesundheit als soziale Praxis

Das Thema Gesundheit ist allgegenwärtig als höchstes „Gut“ der Menschheit und das erstrebenswertestes Ziel einer modernen Gesellschaft. Gesundheit verbleibt dabei keinesfalls als Residualgröße einer medizinischen Krank-heitskonzeption, sondern wird gesellschaftlich konstruiert, als schillernde Größe produktiver Selbstpräsentation des Individuums. Durch die ständige gesundheitserhaltende Arbeit am eigenen Körper und der damit verbunde-nen, erhofften Dokumentation eines verantwortungsvollen Umgangs mit der eigenen Gesundheit, ist Gesundheit zur sozialen Praxis geworden. Sie hat sich als Teil gemeinsam geteilter Sinnproduktion etabliert, deren Hintergrün-de vielmehr im sozialen Wert Hintergrün-der Arbeit am eigenen Körper anzusehen sind.

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Ohne jeden Zweifel ist die Medizin als eine der erfolgreichsten Professionen der Geschichte in der Moderne hervorzuheben. Historisch betrachtet hat sie mit ihrem biomedizinischen Wissen die Infektions- und Zivilisationskrankhei-ten der Vergangenheit bewältigen können. Doch gegenwärtig entwickeln sich ganz andere Erkrankungsbereiche zu den neuen gesundheitlichen Heraus-forderungen (z. B. chronische Erkrankungen, psychische und/ oder psycho-soziale Problemlagen). Demnach scheint es so, dass die biomedizinische Ausrichtung der Medizin an ihre Grenzen kommt, die nicht nur durch den medizinisch- technologischen Fortschritt zu bewältigen sind. (vgl. Hansens, A. und Richter, P. 2009, S.2ff der vorliegenden Fassung)

3.1 Biographie und Institution

Ein unterstelltes Gegensatzpaar liegt scheinbar in der antizipierten Differenz von Individuum und Institution. Oftmals wird ein hierarchisches Strukturver-hältnis postuliert indem die Biographien der Menschen als eine von der zeit-lich übergeordneten Struktur der gesellschaftzeit-lichen Institutionen als abhängig beschrieben werden. In der Theorie werden Subjekt- und Institutionsanaly-sen als getrennte Bereiche mit einem wechselseitigem Ausschlussverhältnis beschrieben. Insbesondere durch biographieanalytische Studien wird diese Dichotomie nach und nach aufgebrochen. Insbesondere Studien die sich mit der Inanspruchnahme von medizinischen Dienstleistungen beschäftigen, las-sen das Verhältnis von Biographie und der Praxis in Institutionen in einem neuen Licht erscheinen. Es zeigt sich hier, dass immer dann medizinische Dienstleistungen als gelungen bewertet werden, diese „Leistungen“ im Kern durch die Aneignungsleistung der Perspektive der NutzerInnen zustande kommt. Dort wo diese Aneignungsleistung nicht zur Verfügung steht, haben die medizinischen Dienstleistungen der „erkrankten“ Menschen nur proze-diert haben. Durch diese Betrachtung wird deutlich, dass Institutionen und professionellen Praxen gesundheitlicher und sozialer Sicherung einer Neu-bewertung bedürfen. Es ist eine neue Perspektive nötig. Denn nicht die „Pro-fessionellen“ bzw. die Institutionen produzieren die Dienstleistungen, son-dern die NutzerInnnen sind die eigentlichen Produzenten von Dienstleistun-gen. Dienstleistungssysteme müssen ihre Angebote so organisieren, dass

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diese an die Wissensordnungen und Wissensbestände sowie biographi-schen Sinnorientierungen der NutzerInnen Anschluss finden. (vgl. Hansens, A., Richter, P. 2009, S. 4 der vorliegenden Fassung)

Eine systematische Analyse der Lebenssituationen von erkrankten Frauen, welche die Wechselwirkungen zwischen der Erkrankung, des Behandlungs-prozess und der individuellen Lebensgeschichte aus subjektiver Sicht der PatientInnen untersucht, wurde zum Beispiel durch die Dissertation von Pet-ra Richter 2009 systematisch vorgenommen. So ist sie der Ansicht, dass um die verschiedenen Aspekte der individuellen Krankheitsgeschehen erfassen und langfristige Entwicklungs- und Veränderungsprozesse erkennen zu kön-nen, die Selbstsichten und Eigenperspektiven erkrankter Frauen im Zentrum des Forschungsinteresses stehen müssen. (vgl. Richter, P. 2009, S. 35)

3.2 Biographieorientierung in Prävention und Versorgung

Biographische Forschung gehört im Kontext der Gesundheitswissenschaften bisher nicht zu den selbstverständlichen heuristischen Ansätzen und For-schungsmodellen. Zu fremd scheint die Einzelwahrnehmung des Menschen in einer wissenschaftlichen Welt, die mit ihrem „klinischen Blick“ die Erkennt-nisse aus der Beschreibung des kranken Körpers zu entwickeln gelernt hat. Auch wenn schon lange betont wurde, dass auch in der Medizin die Notwen-digkeit einer „Biographik“ besteht, so bleibt Biographieforschung bisher noch gesundheitswissenschaftliche Fremde. (vgl. Hansens, A. und Richter, P 2009, S.4ff)

Theoretisch werden Subjekts- und Institutionsanalysen als getrennte Berei-che in einem beidseitigen Ausschlussverhältnis beschrieben. Diese antizi-pierte Differenz von Biographie und Institution wird insbesondere durch bio-graphieanalytische Studien nach und nach aufgebrochen. Vor allem solche Studien, die sich mit der Inanspruchnahme von gesundheitlichen Dienstleis-tungen beschäftigt haben, zeigen in Bezug auf das Verhältnis von Biographie und institutioneller Praxis neue Herausforderungen. Hier konnte aufgezeigt

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werden, dass dort wo Dienstleistungen durch die Patienten als gelungen be-wertet wurden, diese Dienstleistungen auf Grundlage einer Aneignungsleis-tung von Ressourcen und Problemlagen der Nutzer zustande gekommen ist. Dort wo diese Aneignungsleistungen nicht zustande gekommen sind, werden die Problemlagen der Erkrankten nur prozediert. Mit diesen Beobachtungen wird deutlich, dass z.B. die Institutionen und professionellen Praxen gesund-heitlicher und sozialer Sicherung einer Neubewertung bedürfen. Diese Dienstleistungssysteme müssen Ihre Angebote so organisieren, dass sie an den Wissensbeständen und biographischen Sinnorientierungen der Nutze-rinnen und Nutzer anschlussfähig sind. Demzufolge bedarf es weitreichender praktischer und theoretischer Implikationen für eine neue Bestimmung des Verhältnisses von Biographie und Institution. (vgl. Hansens, A. und Richter, P 2009, S.4ff)

Im Kontext einer Biographieorientierung innerhalb von Screeningverfahren und der Versorgung einer Brustkrebserkrankung würden die Zustände von Gesundheit und Krankheit als lebensgeschichtliche Prozesse aufgefasst werden, welche immer auch in unauflösbarer Verbindung zum jeweiligen Subjekt, dem Menschen den es betrifft, stehen. Innerhalb einer solchen Vor-gehensweise würde immer auch dem Menschen und seinen ganz individuel-len Umgehens-Weisen mit Erkrankungs- und Genesungsprozessen eine be-sondere Aufmerksamkeit geschenkt werden. Der Aufbau dieser Verarbei-tungsmuster wird u.a. durch die sozialen und kulturellen Rahmenbedingun-gen wie beispielsweise dem sozialem Milieu, geformt. Biographische Verar-beitungsmuster sind dabei nicht durch diese Rahmenbedingungen festge-legt, sondern folgen vielmehr einem „biographischen Eigensinn“ (vgl. Herz-berg, 2013, S.528ff).

Die soziale Konstruktion Biographie, ist in der soziologischen Biographiefor-schung ein ebenso relevanter Bestandteil der Biographieorientierung. Also der durch die Wechselwirkung von sozialer Bedingungen und individueller Aktivität zugleich „hergestellten“ Realität eines konkreten Lebensablaufs. Eine Biographieorientierung im Menschenbild von medizinischen Experten würde die Grundhaltung implizieren, dass an die biographischen

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Erfahrun-gen der einzelnen Menschen angeknüpft werden muss, um Lern- und Verar-beitungsprozesse zu ermöglichen. Ein Verständnis über die biographische Sinnsetzung und individuellen Blockaden und Ressourcen, könnte einen ent-scheidenden Beitrag zur Steigerung der Lebensqualität und Genesung bei erkrankten Patienten und einen adäquaten Umgang mit Frauen innerhalb von Screenings schaffen. In den wissenschaftlichen Arbeiten von Fesenfeld (2006), Richter und Hanses (2008) und Seltrecht (2006) wird eindrucksvoll verdeutlicht, dass Prozesse von Gesundheit- und Krankheit nicht nur einer äußeren Symptomlogik folgen, sondern vielmehr einer eigenen biographi-schen Logik. Das biographische Wissen stellt dabei eine „komplexe Gesamt-heit kognitiver, habitueller, emotionaler und körperlicher Wissensformen dar“, was Herzberg (2004) als biographischen Lernhabitus bezeichnet. (vgl. Herz-berg, 2013, S.530)

3.3 Die soziale Konstruktion von Krankheit

Die Auseinandersetzung mit Gesundheit und Krankheit ist ein prozesshaftes Geschehen, welches sich in Gestalt typisierbarer Verläufe wissenschaftlich analysieren lässt. Diese stehen im Einfluss subjektiver Faktoren, welche sich im Bezugsrahmen lebensgeschichtlicher- sinnhafter Perspektiven wieder-spiegeln. Sie sind zusammengesetzt aus erinnerten Vergangenheitsereignis-sen und Zukunftserwartungen. Im Bereich medizinischer Institutionen ist es daher von Bedeutung eine Fähigkeit herauszubilden, auf die erinnerten Sachverhalte und Ereignisse des Patienten einzugehen und diagnostisch- klassifikatorische Begriffsapparate in einen lebensweltlichen Verständi-gungshorizont anzupassen. Eine stark naturwissenschaftlich ausgerichtete Ausbildung der Medizin hat es bislang jedoch erschwert, eine Methodenlehre z.B. in Bezug auf das anamnestische Gespräch theoretisch, reflektiert her-auszuarbeiten. Dabei sollte die Anamnese ebenso in ihrer Funktion, ein the-rapeutisches „Arbeitsbündnis“ auf der Grundlage wechselseitigen Vertrauens zu entwickeln und den Patienten/Klienten in seiner Expertenrolle zu bestär-ken, betrachtet werden. (vgl. Remmers H. 2006, S. 184ff)

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und unbeabsichtigt tritt dem Patienten ein Stück seiner Lebensgeschichte durch gedankliche Wiederholung (Amnesis) als Betroffenheit vor Augen. Dies erfolgt durch die Aufforderung des medizinischen Personals, sich an das Auftretens seiner Beschwerden bzw. seiner familiären Krankheitsge-schichte chronologisch zu erinnern. (vgl. Remmers H. 2006, S. 184ff)

In der medizinischen Praxis sind multiprofessionelle Ansätze eher die Aus-nahme. Somit ergibt sich oftmals eine Diskrepanz zwischen den zur Verfü-gung stehenden Angeboten der Medizin und den Bedürfnissen und Proble-men der Patienten. Es bedarf demnach der Entwicklung neuer Konzepte. Insbesondere die Medizin sollte bestrebt sein, bisherige Handlungsstrategien vermehrt zu hinterfragen und neue, innovative Ansätze entwickeln. Um sol-che Konzepte auch bedürfnisgereicht gestalten zu können, ist es notwendig, Kenntnisse über die Lebenswelt, Lebensrealität und Lebensziele der Patien-ten bzw. des im Kontext dieser Arbeit, Nutzerinnen von Screening Program-men zu bekomProgram-men. Medizinisches Personal wird nur auf diesem Wege in die Lage versetzt, die pflegerische Arbeit in einem Gesamtkontext des Lebens der betroffenen Person einzubetten und wirklich unterstützend tätig zu sein. Es bedarf einer Annäherung an die Perspektive der betroffenen Menschen und ihrer eventuell durch das Krankheitsgeschehen veränderten Perspekti-ven. Im sozialwissenschaftlichen Diskurs ist es umstritten ob man das direkte persönliche Erleben eines anderen Menschen überhaupt ganz nachvollzie-hen kann, da es nur vollständig für die jeweilige Person zugänglich ist. Und selbst der jeweilige Mensch hat nur begrenzt Zugang zu seinen bestimmten Handlungsmotivationen und kann sie nur in Reflexion rekonstruieren. Den-noch erfolgt das Handeln aufgrund von Bedeutungen, welche die Person den Dingen beimisst und diese in einem integrativen Prozess sowohl benutzt als auch abändert. Dies ist jedoch abhängig von Bildung und der Bedeutung so-zialer Interpretation. Die soziale Interaktion setzt ein Verstehen des Gegen-übers und eine Interpretation seiner Handlungen voraus. Damit wird versucht sich dem subjektiven Sinngefüge des Gegenübers anzunähern. (vgl. Rem-mers H. 2006, S.184ff)

Die sozialwissenschaftliche Forschung hat aufgrund ihres Bestrebens menschlichen Erlebens möglichst nahe zu kommen, diesem alltäglichen

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Handlungsmuster von gegenseitigem Verstehen und Interpretation zu folgen. Sie will aber auch diese Sinngehalte erfassen, die der handelnden Person zunächst verborgen bleiben. Um den Zielsetzungen sozialwissenschaftlicher Forschung gerecht werden zu können, bedarf es geeigneter Forschungsme-thoden (wie oben aufgezeigt wurde). Die rekonstruktiven Ansätze der Bio-graphieforschung öffnen den Raum für die Relevanzen der betroffenen Per-son selbst, ihre individuellen Handlungsmotive und Interpretationen. Sie sind auch geeignet um die individuelle Handlungsgeschichte eines Menschen zu rekonstruieren. Dieses Vorgehen erscheint besonders dort hilfreich, wo es um das Verstehen von Menschen geht, die durch Krankheitsdiagnose oder im Rahmen der Diagnostik einen tiefen Einschnitt in ihre bisherigen Lebens-muster erfahren haben. Wenn die Medizin sich auf das Erleben solcher Men-schen selbst einlassen und deren ureigenen Bedürfnisse erfassen will, soll-ten sie ohne vorgefestigte Hypothesen und Kategorien vorgehen. (vgl. Fe-senfeld 2006, S. 240 ff)

4. Unterschiedliche Wissensordnungen

4.1 Expertenwissen versus Wissensordnung von Patienten

Menschliche Orientierung und menschliches Handeln erfolgen im Rekurs auf einen subjektiven Wissensbestand. Dieser Wissensvorrat steht wiederum in einer komplexen Verbindung zu ebenfalls angelegten gesellschaftlichen Wissensbeständen. Hierbei ist biographisches Wissen von professionellem Wissen zu unterscheiden. Diese beiden Wissensformen lassen wiederum weiter aufspalten in explizites und implizites Wissen sowie das Routine- und Sonderwissen. Professionelles Wissen wird als mehrdimensionales Zusam-menspiel von explizitem Professionswissen, impliziten Routinewissen sowie berufsbiographischen Kompetenzstrukturen beschrieben. (vgl. Richter, P. 2009, S.40)

Das professionelle Wissen ist ein sogenanntes Sonderwissen. Über dieses Sonderwissen verfügt meist nur eine bestimmte Gruppe von Personen. Da

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se Menschen auf dieses Wissen verwiesen und angewiesen. Die Personen-gruppe des professionellen Wissens wird in der einschlägigen sozialwissen-schaftlichen Literatur in der Regel als Experten bzw. Expertinnen bezeichnet. (vgl. Richter, P. 2009, S.52)

Petra Richter beschreibt in ihrer Forschungsarbeit, dass schon in der ersten Erhebungsphase biographisch-narrativer Interviews mit Brustkrebspatientin-nen sehr deutlich wurde, dass das Thema ‚psychosoziale Begleitung’ über-raschend selten von den interviewten Frauen im Rahmen ihrer lebensge-schichtlichen Erzählung thematisiert bzw. problematisiert wurde. Gleichzeitig trat die Beobachtung auf, dass Interaktionsbeschreibungen im Kontext von Brustkrebstherapien in den Interviews erzählrelevant sind, insbesondere die Begegnungen mit Professionellen der Institutionen des Gesundheitswesens. Daraufhin legte Petra Richter neben den biographischen Strukturen des Krankheitserlebens eine besondere Gewichtung auf die Betrachtung der un-terschiedlichen Wissensformen im Kontext der von den Frauen beschriebe-nen Interaktionsbeschreibungen. Es zeigte sich in den erhobebeschriebe-nen biogra-phisch-narrativen Interviews mit Brustkrebspatientinnen, dass Begegnung und Verhandlung unterschiedlicher Wissensformen zentrale Elemente in den Erzählungen brustkrebserkrankter Frauen darstellen.

Hierbei stehen Vermittlung, Durchsetzung oder Missachtung von Wissens-ordnungen im Mittelpunkt der aus Perspektive der Frauen beschriebenen Begegnungen zwischen Professionellen und erkrankten Frauen. In den an-schaulichen Erzählungen geht es um die Herstellung sozialer Ordnungen, dies wird sowohl in konkreten Interaktionsbeschreibungen greifbar als auch in latenten narrativen Strukturmerkmalen. (vgl. Richter, P. 2009, S.52)

Es wird verdeutlicht wie unterschiedliche Wissensformen für Brustkrebspati-entinnen bedeutsam werden und welche Handlungsoptionen sich vor diesem Hintergrund ergeben oder unterdrückt werden. Biographische Handlungsori-entierungen stehen im Zusammenhang mit biographischen Erfahrungsauf-schichtungen und darauf aufbauendem biographischen Wissen. Brustkrebs-patientinnen treffen mit ihren jeweiligen biographischen Wissensbeständen

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auf wiederum wissensbasierte Ordnungen von Professionellen und Institutio-nen.

Mit der Diagnose einer Krebserkrankung beginnt in aller Regel die medizi-nische Behandlung dieser. Die betroffenen PatientInnen finden sich an-schließend im medizinischen und auch sozialen „Ablauf- und Erwartungs-muster“ der Therapie wieder. Dieser institutionalisierte Ablauf trifft auf Frauen mit unterschiedlichen biographischen Erfahrungsaufschichtungen und eigen Wissensbeständen. Die zwangsläufige Begegnung von biographischen Wis-sensbeständen mit professionellen medizinischen WisWis-sensbeständen und Routinen, bedingt verschiedene Zugänge auf die Versorgung durch die be-treffenden Frauen mit unterschiedlichen Folgen. (vgl. Richter, P. 2009, S.40)

4.2 Psychosoziale und medizinsoziologische Theorien

Es ist offenkundig, dass die psychosoziale Betreuung Krebserkrankter ein unabkömmlicher Bestandteil der medizinischen Regelversorgung darstellt, da diese Personengruppe starken psychischen Belastungen ausgesetzt ist. Hierzu zählen wohl unumstritten die Belastungen durch die aggressiven The-rapieverfahren, die unsichere Prognose, sowie die immer präsente Gefahr eines tödlichen Ausgangs der Erkrankung. Trotz dieser Realitäten, liegen bisher keine als verbindlich anerkannten Untersuchungen bezüglich der Be-darfe psychosozialer Betreuung von Krebspatienten vor. Richter (2009) geht davon aus, dass sich Patienten vielmehr als eine begleitende Psychothera-pie wünschen, dass auf ihre Gefühle wie Verzweiflung, Angst aber auch Hoffnungen von dem behandelnden medizinischen Personal selbst einge-gangen wird. Jedoch fokussiert die medizinische Versorgung nach wie vor eher die technisch-somatischen Faktoren und lässt psychische und psycho-soziale Folgeerscheinungen außer Acht. (vgl. Richter, P., 2009, S.18ff)

Krebs ist eine chronische Erkrankung, die zu Metastasierungen oder Rezidi-ven führen kann. Die dadurch bedingte Lebensunsicherheit, die Angst vor dem Fortschreiten der Erkrankung oder das tatsächliche Auftreten von Meta-stasen und Rezidiven bedeutet für die Patienten eine ständige Bedrohung

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zugehen, dass diese Erkrankung in einem besonderen Maße von psychi-schen Belastungen und sozialen Folgen begleitet ist. Zeitgleich wächst die Kritikbereitschaft an der Medizin, die häufig medizinische Interventionen oh-ne Rücksicht auf die psychischen und sozialen Folgen unternimmt.

Innerhalb der Krebsforschung besteht eine sehr unterschiedliche Schwer-punktsetzung zwischen medizinisch- biologischen bzw. biochemischen An-sätzen im Vergleich zu psychologisch oder psychosozial orientierten schungsaktivitäten. So wurde bis Mitte der 1990 Jahre nur in wenigen For-schungsprojekten die Thematik zur Krankheitsverarbeitung und psychosozia-len Versorgungskonzepten. (vgl. Richter, P., 2009, S.20ff)

Die Schwerpunkte psychosozialer und psychosomatischer Forschung, unter besonderer Berücksichtigung der onkologischen Krankheitsforschung liegen in der „Life-event-Forschung“, Erforschung der sogenannten „Krebspersön-lichkeit“, „Krankheitsbewältigung“, „Coping“ sowie „psychosoziale und psy-chotherapeutische Interventionen“. (vgl. Richter, P., 2009, S.20ff)

Die Frage nach psychischen Faktoren einer Krebserkrankung bestimmte vie-le Jahre die wissenschaftliche Diskussion. Vor alvie-lem wurden hierbei Zusam-menhänge zwischen bestimmten psychischen und psychosomatischen Fak-toren und einer dadurch entstehenden Krebserkrankung angenommen. Die-se Annahmen gipfelten schließlich in der Theorie der „Krebspersönlichkeit“. Im Zuge dieser These erschien ein unüberschaubares Ausmaß an Publikati-onen, die teilweise jedoch nicht den heutigen wissenschaftlichen Kriterien genügen. (vgl. Richter, P., 2009, S.20ff)

Die Eigenschaften der sogenannten Krebspersönlichkeit wurden retrospektiv zugeschrieben, wodurch nicht unterschieden werden kann, ob diese Eigen-schaften erst durch die Krebserkrankung entstanden sind oder lange vorher zum Teil der betreffenden Persönlichkeit gehörten. Zu den besonderen Merkmalen der Persönlichkeitsstruktur einer Krebspersönlichkeit wurden Ei-genschaften wie depressive Stimmungslage, soziale Angepasstheit, ge-hemmter Ausdruck von Bedürfnissen und reduzierte Aufmerksamkeit hin-sichtlich körperlicher Reaktionen beschrieben. (vgl. Richter, P., 2009, S.20ff)

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Hinsichtlich des Forschungsstandes in Bezug auf die Krankheitsbewältigung bei Brustkrebs kann zusammenfassend festgehalten werden, dass weder generell noch im Einzelfall zu sagen ist, welche Bewältigungsstrategien hilf-reich sind und welche nicht. Eine Brustkrebserkrankung stellt für eine Frau eine Zäsur im bisherigen Leben dar. Häufig finden sich die betroffenen in einem medizinischen und sozialen Ablauf- und Erwartungsmuster wieder. In diesem Rahmen müssen Entscheidungen getroffen und Pläne verändert werden müssen und so die bisherige Lebensführung folgenreich unterbro-chen werden muss. (vgl. Richter, P., 2009, S.27ff)

4.3 ausgewählte Studien zum Informationsbedürfnis bei Brustkrebs

In einer Vielzahl von Studien ist zu beobachten, dass keine klare Trennung von subjektiven Bedürfnissen und objektiven Bedarfen erfolgt. Das bedeutet, dass die subjektiven Einschätzungen von Patienten nicht von den Experten-einschätzungen getrennt betrachtet werden. So wird in manchen Studien Problem- und Belastungsprävalenz erfasst und die Betreuungssituation aus Perspektive der Patientinnen bewertet. Anschließend wird bewertet, wie hoch die Betreuungsbedürfnisse sind. Diese Erfassung vernachlässigt die Tatsache, dass Problem- und Bedürfnisprävalenz nicht immer gleich sind. Ebenso ist abzugrenzen, dass Informationsbedürfnisse der Patienten nicht gleich des Informationsstand des fremdgenerierten Wissens von Experten sind.

Richter (2009) betont unter Betrachtung mehrerer Untersuchungen über die Informationsbedürfnisse Brustkrebserkrankter Frauen, dass hier auf Seiten der Patienten ein besonders stark ausgeprägtes Informationsbedürfnis zu erkennen ist. Dieses Informationsbedürfnis bezieht sich insbesondere auf die Themengebiete Krankheit, Prognose und Therapie. Dementsprechend sind vielen Patientinnen die Auskünfte von den behandelnden Medizinern sehr viel wichtiger als andere unterstützende Maßnahmen. Es ist festzuhal-ten, dass die Untersuchungen ebenso zeigen konnfestzuhal-ten, dass Informationsun-sicherheiten für die betreffenden Patientinnen als stark belastend empfunden

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Eine kommunikationssoziologische Studie (Kirschning 2011) untersucht den Diagnoseprozess in Verbindung mit Brustkrebs. Hierbei stehen die verschie-denen Bedingungen, die auf den Diagnoseprozess einwirken im Zentrum der Betrachtung. Die Autorin führte elf Interviews durch, wodurch elf Diagno-seprozesse erfasst werden konnten, auf dessen Grundlage unterschiedliche Verlaufsformen abzuzeichnen waren. In diesem Zusammenhang wurden folgende Schwerpunkte extrahiert: Verdachtsentstehung, Fehleinschätzun-gen durch medizinisches Personal, Abwehr seitens der Patientinnen, Abwehr seitens des medizinischen Personals sowie eine kritische Haltung der Be-troffenen in Bezug auf die Schulmedizin. (vgl. Richter 2009, S. 35)

Die betreffende Untersuchung verdeutlicht, dass die Diagnose Brustkrebs nicht in festlegbarer Gesprächssituation zwischen Medizinern und Patientin mitgeteilt werden kann. Vielmehr handelt es sich in Bezug auf die Diagno-seeröffnung um einen prozesshaften Verlauf, welchen keinen definierbaren Endpunkt hat. (vgl. Richter 2009, S. 35)

Aus Perspektive der interviewten Frauen zeigte sich der Diagnoseprozess als ein kräftezehrender und schwieriger Aneignungsprozess in welchem die ärztlich übermittelten Untersuchungsergebnisse nur schrittweise in ihrer Be-deutung für die persönliche Lebenssituation verarbeitet werden konnten. Folgende Bedingungen werden als Einflussgrößen auf den Diagnoseprozess beschrieben:

1. Das ärztliche Handeln ist arbeitsteilig aufgegliedert. Am Diagnosepro-zess sind mehrere MedizinerInnen beteiligt.

2. Das ärztliche Handeln findet im Rahmen verschiedener Institutionen statt. Eine gemeinschaftliche ärztliche Beratung der PatientInnen ist so nur schwer möglich.

3. Die tätigen MedizinerInnen sind jeweils nur für einen Teilausschnitt des Diagnoseprozess verantwortlich. Die PatientInnen erleben dem-entsprechend mehrere einzelne und relativ oberflächliche Arztkontak-te.

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4. Das ärztliche Handeln beruht auf einem „instrumentellen Medizinver-ständnis“ über den Patienten.

5. Die dominante ärztliche Gesprächsführung wird als vorherrschend be-schrieben. Diese Form der Gesprächsführung scheint ein System zu schützen, in dem das individuelle Beratungsgespräch keine Bedeu-tung erhält. Die MedizinerInnen sind für BeraBedeu-tungssituationen nur mangelhaft bis gar nicht geschult, zeitliche und finanzielle Ressourcen fehlen im Praxisalltag.

6. Die erkrankten Frauen werden aus dem Erkenntnisprozess der Diag-noseerstellung weitgehend ausgeschlossen.

7. Die Bedeutung der medizinischen Informationen für das eigene, bis-herige und zukünftige Leben, müssen sich die betroffenen PatientIn-nen in einem Aneignungsprozess weitgehend selbst erschließen. Sel-ten beschrieben die Frauen hierbei ärztliche Unterstützung. (vgl. Rich-ter 2009, S. 36)

4.4 Partizipative Entscheidungsfindung in Vorsorgeprogrammen

Die Rolle des Patienten in der Gesundheitsversorgung gewinnt mehr und mehr an Bedeutung. Diese noch laufende Entwicklung wurde ursprünglich von Patienten angestoßen, die eine aktive Rolle im Rahmen der medizini-schen Versorgung einforderten. Vor dem Hintergrund der Zunahme chroni-scher Erkrankungen wurde auch von politichroni-scher Seite verlangt, den Patienten als zentralen, selbstverantwortlichen Akteur stärker in den Mittelpunkt zu stellen. So soll das Selbstmanagement gefördert und das Gesundheitssys-tem entlastet werden. (vgl. Weyman, N. et al. 2013, S. 284ff)

Viele Patienten erfahren im Rahmen der medizinischen Versorgung eine Aufklärung über ihre Erkrankung und ihre Therapieoptionen. Es ist für die Patienten zunehmend wichtiger bei der Entscheidungsfindung und Behand-lung beteiligt zu werden. Forschungsergebnisse konnten zeigen, dass die Beteiligung von Patienten das Wissen über die Erkrankung verbessern, Ent-scheidungskonflikte minimieren, die Therapieadhärenz (die Einhaltung der

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gemeinsam vom Patienten und dem medizinischen Fachpersonal gesetzten Therapieziele) verbessern und das Gesundheitsverhalten erhöhen.

Das Bundesministerium hat von 2001 bis 2007 den Förderschwerpunkt „Pa-tient als Partner im medizinischen Entscheidungsprozess“ aufgebaut um die Methode der „Shared Decision Making“ stärker voranzutreiben. (vgl. Wey-man, N. et al. 2013, S. 284ff)

Die Partizipative Entscheidungsfindung ist ein Interaktionsprozess mit dem Ziel, über die gleichberechtigte, aktive Einbeziehung von Arzt und Patient auf Grundlage geteilter Informationen zu einer gemeinsam verantworteten Über-einkunft zu kommen. Es existieren international unterschiedliche Schwer-punkte und Modelle der Partizipativen Entscheidungsfindung nebeneinander. (vgl. Weyman, N. et al. 2013, S. 284)

Die heilsame Wirkung einer partnerschaftlichen Arzt- Patienten Beziehung wird seit dem Altertum theoretisch betont. Daher ist es umso erstaunlicher, dass klinische Kompetenz aus der Sicht des medizinischen Mainstream hauptsächlich die drei Bereiche medizinisches Wissen, körperliche Untersu-chung und medizinische Problemlösung umfasste. Kommunikationsstrate-gien werden an den medizinischen Fakultäten weder explizit gelehrt noch systematisch erfasst oder geprüft.

In der Literatur existieren mehrere Modelle der Arzt- Patient- Beziehung: x Das parternalistische Modell

x Das informative Modell x Das interpretative Modell x Das beratende Modell

x Das patientenzentrierte Modell

x Das Shared Decision Making- Modell

Zur Unterscheidung dient hier insbesondere die Unterschiedliche Haltung des Mediziners in den Bereichen Informationsfluss, Abwägungsprozess und Entscheidung.

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Im Folgenden werden zur Gegenüberstellung die zwei Modelle vorgestellt die hinsichtlich des implizierten Menschenbildes im größten Kontrast zueinander stehen. (vgl. Klemperer 2005, S. 71ff)

Das Paternalistische Modell

Im paternalistischen Modell dominiert der Arzt. Er ermittelt den Gesundheits-zustand des Patienten und entscheidet über die diagnostischen und thera-peutischen Maßnahmen, die aus seiner professionellen Sicht am sinnvollsten erscheinen um den Gesundheitszustand des Patienten wieder herzustellen. Anhand eines selektierten Informationsflusses, kommt es zur Herstellung einer Zustimmung auf Seiten des Patienten. Informationen, die den Patienten in seiner Entscheidung irritieren könnten, werden vermieden. Der medizini-sche Experte entmedizini-scheidet somit anstelle des Patienten aufgrund seines Wis-sens und seiner dem Patienten übergeordnete Position. Dem parternalisti-schen Konzept liegen mehrere Grundannahmen die sich wie folgt zusam-menfassen lassen:

x Es existieren objektive Kriterien dafür, was das Beste für einen Patien-ten ist.

x Nur Mediziner verfügen über das nötige Wissen (die objektiven Krite-rien) und wenden es an ihren Patienten an.

x Aufgrund ihrer Erfahrung und Fachwissen können Mediziner am ehes-ten die Risiken und den Nutzen verschiedener Behandlungsoptionen abwägen.

x Aufgrund ihrer Verpflichtung gegenüber ethischer Prinzipien stellen die Ärzte das Patientenwohl über alle anderen Interessen.

In den letzten Jahren hat dieses sehr hartnäckige Modell zunehmend an Glaubwürdigkeit bei der Bevölkerung einbüßen müssen. Dennoch finden sich diese historisch gewachsenen Vorstellungen über die Rolle des Arztes auch heute noch in der medizinischen Praxis wieder. (vgl. Klemperer 2005, S. 72ff)

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Shared Decision Making- Modell

Das Modell des Shared Decision Making hat in den letzten Jahren ein hohes Maß an Publizität gewonnen. Charles et al (1997 und 1999) weist darauf hin, dass SDM zwar zunehmend an Bekanntheit gewinnt jedoch zeitgleich noch immer ein weitgehend undefiniertes Konzept darstellt. So besteht in der Lite-ratur teilweise eine nur geringe Übereinstimmung darüber, was genau unter dem Modell zu verstehen ist. Es existieren verschiedene Vorstellungen, Prin-zipien und Theorien was unter der Arzt- Patient- Interaktion zusammenge-fasst werden sollte. (vgl. Klemperer 2005, S. 76ff)

Insbesondere für den deutschsprachigen Raum besteht ein Mangel an vali-dierten Messinstrumenten für das Shared Decision Making- Konzept. Das Bundesministerium für Gesundheit und soziale Sicherung richtete 2001 den Förderschwerpunkt Partizipation und Entscheidungsfindung ein. Ein Schwer-punkt dieser Initiaive lag u.a. darin geeignete Messinstrumente für den deut-schen Bereich verfügbar zu machen und weiter zu entwickeln. (vgl. Klempe-rer 2005, S. 76ff)

Vor dem Hintergrund moderner Versorgungskonzepte wie dem des Shared Decision Making werden Frauen nicht nur zu Entscheidungsträgerinnen, sondern auch zu Verantwortungsträgerinnen. Denn das Modell des Shared Decision Making bezeichnet nicht nur die geteilte Entscheidungsfindung, sondern zeitgleich ebenso das Teilen der Verantwortung für die jeweilige medizinische Entscheidung. Natürlich sind diese Entwicklungen hinsichtlich neuer Versorgungskonzepte von einer paternalistischen hin zu einer partizi-pativen medizinischem Perspektive zu begrüßen. Hierbei entsteht jedoch die Frage vor welchem jeweiligen Hintergrund Frauen diese Entscheidungsräu-me nutzen wollen, möglicherweise nicht nutzen können oder diese unbesetzt lassen. Entscheidungsprozesse finden häufig im Rahmen von Kommunikati-ons- bzw. Interaktionssituationen zwischen Professionellen des Gesund-heitswesens und erkrankten Frauen statt. (vgl. Richter, P. 2009 S. 37)

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