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Archiv "Automatische Datenverarbeitung im Gesundheitswesen: Der Grundsatz der Wirtschaftlichkeit bei ihrer Anwendung" (16.12.1976)

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ÄRZTEBLATT

Heft 51 vom 16. Dezember 1976

Spektrum der Woche Aufsätze •Notizen

Automatische Datenverarbeitung im Gesundheitswesen

Der Grundsatz der Wirtschaftlichkeit bei ihrer Anwendung

Hans-Georg Wolters

Es gibt noch keine umfassenden methodenkritischen Darstellungen von Wirtschaftlichkeitsuntersuchungen hinsichtlich der Anwen- dung elektronischer Datenverarbeitung im Gesundheitsiresen. Das magere Fazit entsprechender Literaturrecherchen über die Jahre 1971 bis 1975 legt den Schluß nahe, daß Problembewußtsein, man- power und Forschungspotential bezüglich der Wirtschaftlichkeit des EDV-Einsatzes im Gesundheitswesen, gemessen am Erkenntnis- bedarf, qualitativ und quantitativ unterentwickelt sind. Der Autor plä- diert für die Beachtung der Zweck-Mittel-Relation auch bei der An- wendung der EDV im Gesundheitswesen und stellt aus seiner Sicht als Staatssekretär im Bundesministerium für Jugend, Familie und Gesundheit entsprechende Kriterien auf.

Die Anwendung der EDV im Ge- sundheitswesen wird seit gerau- mer Zeit verstärkt diskutiert.

Zwei Grundsatzbeiträge be- leuchten das Pro und Kontra.

Kostenentwicklung

Die in den letzten zehn Jahren fest- zustellende Kostenentwicklung der sehr unterschiedlich konstruierten Gesundheitssysteme in den indu- strialisierten Staaten hat einen heilsamen Zwang zum Wirtschaft- lichkeitsdenken ausgelöst. In der Bundesrepublik Deutschland sind die Aufwendungen für das Gesund- heitswesen von 6,9 Prozent Anteil am Bruttosozialprodukt 1965 auf 9,3 Prozent im Jahre 1974 gestie- gen. In dem Maße, in dem sich die Schere zwischen dem Anstieg des Bruttosozialproduktes und der Zu- nahme des Kostenaufwandes für Gesundheitssicherung öffnet, ver- stärkt sich in der Auseinanderset- zung um die Verteilung des Natio- naleinkommens die Forderung nach Effektivität und Effizienz im Gesundheitswesen.

Der Nachweis der Wirtschaftlich- keit, also der günstigsten Zweck- Mittel-Relation, bezieht sich sowohl auf die Struktur des Gesundheits- wesens, d. h. die Zweckmäßigkeit

der Zuordnung von Funktionen und Aufgaben zu seinen verschiedenen Einrichtungen, wie auch die Priori- tätensetzung bei der Weiterent- wicklung des Systems durch die Einführung neuer, meist kostspieli- ger Maßnahmen der Gesundheits- sicherung.

Rangfolgeprobleme im Gesundheitswesen

Die Begrenztheit der finanziellen und personellen Kapazitäten im Hinblick auf die gesamtwirtschaftli- che Entwicklung und die Belast- barkeit des einzelnen durch Steu- ern oder Beiträge stellt die Ge- sundheitspolitiker, insbesondere in den industrialisierten Staaten — unabhängig von den Unterschieden in den jeweiligen Gesundheitssy- stemen — vor folgende Notwendig- keiten:

— zielgerichtete Planung,

— funktionsbezogene Arbeitstei- lung und Kooperation der verschie- denen Einrichtungen der gesund- heitlichen Versorgung,

DEUTSCHES ÄRZTEBLATT Heft 51 vom 16. Dezember 1976 3305

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Spektrum der Woche Aufsätze • Notizen

Datenverarbeitung im Gesundheitswesen

— wirtschaftlichere Gestaltung der Betriebsabläufe bei den einzelnen Leistungsträgern: ambulant tätige Ärzte, Krankenhäuser, öffentlicher Gesundheitsdienst.

Voraussetzungen dafür sind

— Verfügbarkeit der für die Pla- nung grundlegenden Daten, z. B.

durch differenziertere Statistiken, Standardisierung der Nomenklatur, Entwicklung von Anhaltswerten für die Qualität gängiger Versorgungs- leistungen,

— Verbesserung der Planungsme- thoden und der Strategien für die Umsetzung der Ergebnisse,

— Rationalisierung der ambulan- ten Versorgung und des Kranken- hauswesens durch konsequente Anwendung kostensparender Tech-

nologien,

— Erarbeitung und Nutzung spezi- fischer Instrumente der Erfolgskon- trolle und der Wirtschaftlichkeits-

prüfung.

Rolle der EDV

als Service im Gesamtsystem Die Erfüllung dieser Bedingungen ist — neben der Bereitstellung des erforderlichen Forschungspotenti- als — stets abhängig von der Qua- lität der im System anfallenden Da- ten, ihrer Erfassung, Verarbeitung und dem Maß ihrer Verdichtung für die jeweils angezeigte Operatio- nalisierung auf den verschiedenen

Entscheidungs- und Handlungs- ebenen. Problemstellungen von der Komplexität und der vielfachen ge- genseitigen Interdependenz wie im Gesundheitswesen sind im Sinne von makroökonomisch orientierten, strategischen Entscheidungshilfen rationell unstrittig nicht mehr ohne automatische Datenverarbeitung lösbar. Das bedeutet, daß die Ein- führung von Computern im Ge- sundheitswesen nicht vom Grund- satz her zur Diskussion steht. In- wieweit die Erfordernisse an die Datenstruktur und -qualität zur Steuerung des Gesamtsystems Rahmenbedingungen für die Da- tenverarbeitung in den Subsyste- men bis hin zum einzelnen Dienst-

leistungsbetrieb setzen, die auch hier den Einsatz der EDV zweck- mäßig erscheinen lassen, bleibt zu

prüfen.

Die Rolle der EDV als Service im Gesundheitswesen liegt also in den technischen Möglichkeiten für ein effizientes Dokumentations-, Infor- mations- und Steuerungspro- gramm. Das gilt in unterschiedli- cher Ausprägung gleichermaßen für die Anwendungsbereiche:

1. der Diagnostik und Therapie ein- schließlich

— computergestützter Diagnose- systeme,

— der Dokumentation von Be- handlungsformen, u. a. Arzneimit- telwirkungen,

— der Verknüpfung diagnosti- scher, therapeutischer und kata- mnestischer Daten zur empirischen Überprüfung des Heilerfolgs;

2. der Verwaltung mit den Teilfunk- tionen

— Leistungsanalyse, Leistungsab- rechnung, Buchführung,

— Kostenarten-, Kostenstellen-, Kostenträgerrechnung,

— betriebliche Planung, zwischen- betriebliche Ablaufplanung, Be- triebsvergleich;

3. der Forschung mit den EDV-rele- vanten Schwerpunkten

— Vorsorgemedizin, d. h. Risiko- populationen, Risikofaktoren und -indikatoren,

— Arzneimittelnebenwirkungen,

— wissenschaftliche Erfolgskon- trolle medizinischer Maßnahmen und Verbesserung der medizini- schen Praxis,

— Effizienzkriterien und -analysen von Verfahren und Regelungen im Leistungsangebot;

4. der Gesundheitspolitik unter der Aufgabenstellung

— medizinische und gesllschaftli- che Stukturdaten, Bedarfsgrößen und Entwicklungstendenzen zu er- mitteln,

— ökonomische Orientierungsda- ten für gesetzliche und vertragliche

Regelungen bereitzustellen,

— ein differenziertes Angebot an leistungsfähigen medizinischen Einrichtungen bedarfsgerecht und kostengünstig zu organisieren,

— den Aufwand bei Kontrolle des Planungsvollzugs und Beobachtung des Gesundheitszustandes der Be- völkerung zu minimieren.

Diese nicht erschöpfende Aufzäh- lung macht deutlich, daß zweckbe- stimmte automatische Datenverar- beitung im Gesundheitswesen die unterschiedlichen Informationsbe- darfe der in verschiedenen Funk- tionen am Gesundheitswesen Be- teiligten berücksichtigen und be- friedigen können muß.

Sie ist deshalb abhängig von der Bereitschaft und Fähigkeit aller Be- teiligten zur Mitwirkung, insbeson- dere bei der Inputerstellung, und von der Kompatibilität modularer Teillösungen gerade auch unter wirtschaftlichen Gesichtspunkten.

Notwendigkeit

des Wirtschaftlichkeitsnachweises Die Einführung der elektronischen Datenverarbeitung gehört anderer- seits unter verschiedenen in die Praxis umsetzbaren Fortschritten der medizinischen Wissenschaft und im Gesundheitswesen nutzba- rer Technologien zu den beson- ders kostenintensiven Investitio- nen. Trotz des relativen Rückgangs der Hardwarekosten und der Verla- gerung des wachsenden und lang- fristig bindenden Aufwandes auf Softwareentwicklungen und Sy- stempflege werden Kosten- und Zeitaufwand nach wie vor meistens unterschätzt.

Die volkswirtschaftliche Gesamtsi- tuation der Industriestaaten, insbe- sondere unter Beachtung eines für die vorhersehbare Zukunft wesent- lich langsameren Wirtschafts- wachstums, zwingt auch im Ge- sundheitswesen zu rational be- gründbaren Prioritätensetzungen, zur Optimierung bei der Auswahl von Handlungsalternativen. Das gilt

3306 Heft 51 vom 16. Dezember 1976 DEUTSCHES ÄRZTEBLATT

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Aufsätze • Notizen

Datenverarbeitung im Gesundheitswesen

erst recht, wenn man sich zur Not- wendigkeit eines zunächst noch in den kommenden Jahren steigen- den Anteils am Bruttosozialprodukt für Aufwendungen der Gesund- heitssicherung bekennt.

Wesentlicher Grund für eine be- sonders kritische Beurteilung von gewünschten Investitionen ist die Tatsache, daß das Gesundheitswe- sen nicht der korrigierenden Wir- kung marktwirtschaftlicher Gesetz- mäßigkeiten unterliegt. Im Gegen- teil ergibt sich aus der Doppelrolle des Arztes, der zugleich alle we- sentlichen Leistungen anbietet und über deren Notwendigkeit dispo- niert, daß das System immanent die Nachfrage nach Leistungen be- liebig der jeweiligen Kapazität des Leistungsangebotes anpaßt. Dabei sind keine nennenswerten Unter- schiede zwischen Staaten mit Pflichtversicherung, durch die die Kosten der Gesundheitsversorgung für den einzelnen fast vollständig abgedeckt werden, und Staaten mit einer überwiegend privaten Finan- zierung des jeweiligen Erkran- kungsfalles feststellbar. Am Rande sei in diesem Zusammenhang an- gemerkt, daß der Aufbau integrier- ter Datenverarbeitungssysteme auch die Bewertung des erforderli- chen Umfangs ärztlicher Leistun- gen erleichtert.

Die Notwendigkeit von methodisch einwandfreien Analysen zur Fest- stellung der Konsequenzen von Da- tenverarbeitungssystemen, auch im Sinne der organisatorischen und fi- nanziellen Sicherstellung von lang- fristigen Lösungen, folgt zwingend aus diesen Überlegungen. In der Wirklichkeit steht dem' allerdings ein erhebliches Defizit sowohl von brauchbaren Methoden wie auch der Anwendung von verfügbaren Wirtschaftlichkeitsuntersuchungen bei der Planung und Durchführung zugunsten von Prestige-Investitio- nen gegenüber. Die Ursachen da- für sind nur zum geringen Teil in Schwierigkeiten bei der Beurtei- lung des Aufwandes, sondern vor- rangig in den unbefriedigenden Be- urteilungsmöglichkeiten der ver- schiedenen Nutzeffekte zu suchen.

Vermeidbare Kosten

Unter dem Gesichtspunkt der Ko- stenfaktoren werden hier nicht die- jenigen Aspekte angesprochen wie technische Leistungsfähigkeit, Ein- satz-Breite und -Reserve, Unter- stützung durch die Hersteller, die routinemäßig Bestandteil der Aus- schreibung, der Angebotsbeurtei- lung und der schließlichen System- auswahl sind. Hinzuweisen ist ferner darauf, daß Risikobetrach- tungen und die Kosten für den un- erläßlichen Datenschutz unerwähnt bleiben.

Vermeidbare Kosten entstehen be- reits in der Phase der vorbereiten- den Planung durch überdimensio- niert prognostizierte Datenmengen und Außerachtlassung der Mög- lichkeiten des Schichtbetriebes so- wie der Nutzung einer Datenverar- beitungsanlage gemeinsam durch mehrere Einrichtungen. Verzögerte Veranlassung unabweisbarer Ände- rungen der Organisationsstruktur und unzureichendes oder zu spät begonnenes Training der Mitarbei- ter sind weitere Gründe für über- flüssigen finanziellen Aufwand. Im Zusammenhang mit der Fortbil- dung des Personals soll nicht uner- wähnt bleiben, daß die Hersteller beispielsweise durch stärkere Be- achtung der medizinspezifischen Benutzerfreundlichkeit von Termi- nals und die Bereitstellung von an- wendungsbezogener Software mehr als bisher zur Wirtschaftlich- keit beitragen können.

Technisch und manpower-bedingte Systemausfälle in der Anlaufphase, die allgemein stärker ausgeprägte Zurückhaltung der im Gesundheits- wesen Beschäftigten gegenüber

Neuerungen führen häufiger, als fi- nanziell zu verantworten ist, zu ei- nem Nebeneinander des Datenver- arbeitungsbetriebes und der tradi- tionellen Geschäftsabläufe. Solche Folgen sind vor allem immer dann zu beobachten, wenn die Computer- anwendung auf Strukturen aufge- pfropft wird, die sich bereits für die konventionelle Ablauforganisation als nicht optimal erwiesen hatten.

Ein anderes Problem des EDV-Ser- vice mit noch negativeren Wirkun-

gen für die angestrebte Kostenmi- nimierung ist die Vielzahl von über- wiegend aufeinander nicht abge- stimmten Lösungsansätzen. Es zeigt sich, daß Einrichtungen, die autonom im Rahmen ihrer Organi- sationsgewalt standardisierte No- menklaturen durchsetzen können, ausschließlich an ihren individuel- len Erfordernissen ausgerichtete und damit meistens nicht übertrag- bare Datenverarbeitungssysteme aufbauen.

Dabei handelt es sich einerseits um große Krankenhäuser und Uni- versitätskliniken. Die föderalisti- sche Struktur mit fast ausschließ- lich dezentralen Kompetenzen im Gesundheitswesen und die star- ken, öffentlich-rechtlich verfaßten berufsständischen Organisationen der niedergelassenen Ärzte in der Bundesrepublik fördern anderer- seits derartige Tendenzen. Nicht nur, aber ganz besonders aufgrund von wirtschaftlichen Überlegungen wird es in Zukunft darauf ankom- men, unter Wahrung der organisa- torischen Eigenständigkeit aller Partner und ohne unangemessene Verkürzung notwendiger Experi- mente die Kooperationsfähigkeit aller Teillösungen durch ihre mo- dulare Gestaltung in einem Ge- samtsystem der Datenverarbeitung im Gesundheitswesen besser si- cherzustellen.

DOMINIG

In der Bundesrepublik Deutschland wurde 1974 mit öffentlichen Mitteln in Höhe von 60 Millionen Deutsche Mark für eine Laufzeit von sechs Jahren ein Demonstrationsvorha- ben „Datenverarbeitungseinsatz zur Lösung überbetrieblicher Orga- nisations- und Managementaufga- ben durch Integration des normier- ten Informationsflusses zwischen verschiedenen Einrichtungen des Gesundheitswesens (DOMINIG)"

begonnen.

Der Nutzen des Projekts wird er- wartet in:

— einer Optimierung der Bedin- gungen für die ärztliche Diagnostik

und Therapie,

DEUTSCHES ÄRZTEBLATT Heft 51 vom 16. Dezember 1976 3307

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Spektrum der Woche Aufsätze • Notizen

Datenverarbeitung im Gesundheitswesen

— der Austauschbarkeit von dia- gnostischen und therapeutischen Informationen verschiedener Lei- stungsstellen,

— der langfristigen Verfügbarkeit spezifischer Befunde zur Verlaufs- kontrolle bei einer Reihe chroni- scher Erkrankungen und spezifi- scher Gefährdungen,

— einer stärker koordinierten Aus- lastung der medizinischen Lei- stungsstellen,

— der Aktualisierung und Kom- plettierung der Planungsunterlagen für die Gesundheitsversorgung.

Inwieweit die erwarteten Nutzeffek- te realisiert werden, hängt weitge- hend davon ab, ob die angespro- chenen Berufsgruppen im Gesund- heitswesen und in der Administra- tion in der Lage sind, Gebrauch von dem angebotenen Service zu machen. Das Vorhaben wird durch Kosten-Nutzen-Untersuchungen be- gleitet.

Grenzen der Effizienzbeurteilung

Die

grundsätzlichen Schwierigkei- ten, den Nutzen von Investitionen und anderen Maßnahmen im Ge- sundheitswesen zu quantifizieren oder wenigstens deskriptiv zu er- fassen, sind beträchtlich. Das liegt nicht nur an der Vielzahl von un- mittelbaren und mittelbaren Vortei- len, ihrer Verteilung auf mehrere meist räumlich und organisatorisch getrennte Nutzenträger und dem zeitlich unterschiedlich anfallenden Nutzeffekt. Diese Gesichtspunkte lassen sich durch gängige Kosten- Nutzen-Untersuchungen oder Ko- sten-Wirksamkeits-Analysen ein- fangen, soweit die zu beurteilenden Parameter in vergleichbaren Ein- heiten ausgedrückt werden kön- nen. Dabei ist selbstverständlich, daß es sich nicht nur um die Fest- stellung der betrieblichen Wirt- schaftlichkeit, also die Ermittlung des Verhältnisses von Kosten zu Leistungen bzw. Einsparungen im Sinne der Investitionsrechnung und den Vergleich zur konventionellen Aufgabenbewältigung handeln kann. Die Zugrundelegung eines modifizierten volkswirtschaftlichen

Nutzenbegriffs ist erforderlich, um eine Aussage nicht nur über die gesteigerte Leistungsfähigkeit etwa eines Krankenhauses bei unverän- derten Ressourcen, sondern auch zu günstigen externen Wirkungen außerhalb des Bereiches der Ge- sundheitsversorgung, beispielswei- se durch die Identifizierung von Ri- sikogruppen, treffen zu können.

Grenzen aus methodischen Grün- den ergeben sich vor allem bei der volkswirtschaftlichen Betrach- tungsweise, während sie bei der betriebswirtschaftlichen Ertragsbe- rechnung eine geringere Rolle spielen. Sie liegen:

1. In der mangelnden Quantifizier- barkeit zahlreicher Nutzeffekte, insbesondere beim intangiblen Nutzen, der in der üblichen Termi- nologie vom direkten, indirekten und vom tertiären Nutzen unter- schieden wird,

2. in dem überwiegend humanitä- ren Charakter einiger erzielter Ef- fekte — bestimmte Konsequenzen der Vornahme oder Unterlassung von Schwangerschaftsabbruch und passiver ärztlicher Sterbehilfe ver- anschaulichen das — die dadurch

Wirtschaftlichkeitsberechnungen entzogen sind,

3. in der Schwierigkeit einer kor- rekten Zurechnung mancher Nut- zungsgewinne zu einzelnen Wirt- schaftseinheiten, die aber teilweise durch Definitionen im Konsensus- Verfahren lösbar sein müßte, 4. in den meist fehlenden Ver- gleichsmöglichkeiten gegenüber der Unterlassung frühzeitigerer und zielgerechterer Dispositionen durch bessere Entscheidungs- grundlagen, da der Wert von Infor- mationen nur durch die ökonomi- schen Folgen bestimmbar ist.

Trotz dieser bedeutsamen Ein- schränkung bei der Effizienzbeur- teilung ist die Voraussetzung für

Wirtschaftlichkeitsuntersuchungen überhaupt die Katalogisierung der Ziele, die durch den Einsatz - der automatischen Datenverarbeitung

im Gesundheitswesen realisiert werden sollen, ihre Gewichtung und die Feststellung der verschie- denen Zielerreichungsgrade. Diese Prozedur muß unverzichtbarer Be- standteil der Planungs- und Über- wachungsphase sein.

Die Rolle der EDV als Innovationsfaktor

Unabhängig von diesen Überlegun- gen lohnt ein Blick auf innovative Wirkungen der automatischen Da- tenverarbeitung im Sinne einer In- itiierung oder Beschleunigung von Weiterentwicklungen im System der Gesundheitssicherung, obwohl es sich dabei naturgemäß um Mut- maßungen handeln muß.

Die gezielte Auswertung der auf den verschiedenen Ebenen kom- munaler bzw. staatlicher Verwal- tung verfügbaren, selbstverständ- lich aus Datenschutzgründen an- onymisierten Daten unter sozialme- dizinischen und epidemiologischen Merkmalen kann eine Versachli- chung der Diskussion über indivi- duelles Fehlverhalten wie Ernäh- rungs- und Freizeitgewohnheiten oder Rauschgiftmißbrauch einer- seits und gesellschaftlichen Fakto- ren wie Umweltverschmutzung und verbesserungsbedürftigen Arbeits- platzbedingungen andererseits als wesentliche Ursachen von Krank- heit ermöglichen. Durch die ge- meinsame Nutzung hochtechnisier- ter, mit EDV-Anlagen an line ver- knüpfter diagnostischer Apparate kann das Problembewußtsein für neue Organisationsformen, die stärkere Integration der verschie- denen Versorgungsbereiche geför- dert werden. Veränderungen im Spektrum der klassischen Gesund- heitsberufe mit einer Bedeutungs- minderung von einigen traditionel- len Berufen, der Wandlung von Ausbildungsanforderungen und Ausbildungsinhalten anderer und dem Bedarf nach völlig neuen Be- rufsbildern kann durch den zweck- mäßigeren Informationsfluß ver- deutlicht werden. In der Auseinan- dersetzung über die Angemessen- heit des Kostenaufwandes im Ver- hältnis zum Zielerreichungsgrad

3308 Heft 51 vom 16. Dezember 1976 DEUTSCHES ARZTEBLATT

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Aufsätze -Notizen

Datenverarbeitung im Gesundheitswesen

einzelner Formen der gesundheitli- chen Versorgung ermöglichen In- formationssysteme eine größere Transparenz der tatsächlichen Be- weggründe für Partikularinteressen und genaueren Aufschluß über wirkliche Mißbräuche des Lei- stungsangebots.

Soweit derartige Vehikelfunktionen der Datenverarbeitung im Gesund- heitswesen zum Tragen kommen, haben sie selbstverständlich eben- falls Auswirkungen auf die Wirt- schaftlichkeit des Systems.

Literatur zur Wirtschaftlichkeit der Datenverarbeitung

Literaturrecherchen über die Jahre 1971 bis 1975 durch das Deutsche Institut für Medizinische Dokumen- tation und Information (DIMDI) in Köln in den Datenbanken der US- National Library of Medicine, des Instituts für Dokumentation und In- formation über Sozialmedizin und öffentliches Gesundheitswesen, des Deutschen Krankenhausinsti- tuts und in Excerpta Medica sowie Anfragen bei den bedeutendsten EDVA-Herstellern ergaben, daß um- fassende methodenkritische Dar- stellungen von Wirtschaftlichkeits- untersuchungen der EDV-Anwen- dung im Gesundheitswesen nicht vorliegen.

Eine Reihe solcher Veröffentlichun- gen von einer überschaubaren Au- torenzahl gibt es über die automa- tische Datenverarbeitung in Funk- tionsbereichen von Krankenhäu- sern, insbesondere in der Admini- stration, in der zentralen Versor- gung und in den medizinisch-tech- nischen Einrichtungen.

Für Informations- und Dokumenta- tionssysteme, die außerhalb des Gesundheitswesens national und international als zukunftsweisende EDV-Anwendungsgebiete bezeich- net werden, gilt übrigens im we- sentlichen das gleiche. Auch hier fehlen weitgehend praktische Er- gebnisse; eine hervorragende theoretische Grundlage im deutschen Schrifttum ist die Mono- graphie „Wirtschaftlichkeitsanaly-

se von Informationssystemen" von Dworatschek und Donike.

Dieses magere Fazit legt den Schluß nahe, daß Problembewußt- sein, Manpower und Forschungs- potential bezüglich der Wirtschaft- lichkeit des EDV-Einsatzes im Ge- sundheitswesen, gemessen am Er- kenntnisbedarf, qualitativ und quan- titativ unterentwickelt sind.

Zusammenfassung

Angesichts der Ressourcenknapp- heit, der Verpflichtung auf den Grundsatz der Wirtschaftlichkeit und der daran zu orientierenden Rangordnung von Investitionen im Gesundheitswesen ist die Anwen- dung von automatischer Datenver- arbeitung für die vorhersehbare Zukunft im Gesundheitswesen nur in modular aufgebauten Modellen gerechtfertigt.

Sie müssen

— bezüglich der Anwendungsbe- dürfnisse und -fähigkeiten der Be- nutzer nach Größenordnung und Zeitablauf des Ausbaues maßge-

schneidert sein,

— unter Beachtung der erforderli- chen Kompatibilität in allen Berei- chen des Gesundheitswesens vor- ausschauend geplant,

— auch in der Durchführungspha- se von geeigneten Wirtschaftlich- keitsuntersuchungen begleitet wer- den.

Damit sind gleichzeitig die wesent- lichen Gesichtspunkte für den not- wendigen und besser zu organisie- renden internationalen Erfahrungs- austausch genannt.

(Vortrag bei „Medis '75 — Interna- tional Symposium an Medical Infor- mation Systems", 7. bis 9. Oktober 1975 in Tokio)

Anschrift des Verfassers:

Professor Dr. Hans-Georg Wolters Staatssekretär im

Bundesministerium für

Jugend, Familie und Gesundheit Kennedyallee 105-107

5300 Bonn-Bad Godesberg

Die Arzneimittel- kommission

zieht um nach Köln

Die Arzneimittelkommission der deutschen Ärzteschaft, die mit ihrer Geschäftsstelle seit 1973 in Heidelberg ansässig war, siedelt gegenwärtig nach Köln-Lindenthal in das Gebäu- de Haedenkampstraße 5 um.

Der so gewährleistete auch räumlich enge Kontakt mit der Bundesärztekammer — insbe- sondere mit der Geschäftsstel- le ihres Wissenschaftlichen Beirates und ihrer Abteilung für Fortbildung und Wissen- schaft — sowie mit der Kassen- ärztlichen Bundesvereinigung wird für die Zusammenarbeit von großem Nutzen sein.

Da die Arbeit der Geschäfts- stelle der Arzneimittelkommis- sion durch den Umzug nicht unterbrochen werden darf, ist sie bis zum 31. Dezember die- ses Jahres sowohl in Köln als auch in Heidelberg zu errei- chen. Ihre Anschriften:

Haedenkampstraße 5 5000 Köln 41 (Lindenthal) Telefon (02 21) 47 28-1 oder

Bienenstraße 7 Postfach 10 12 09 6900 Heidelberg 1

Telefon (0 62 21) 2 90 91/2 Sobald ihre Geschäftsstelle in Köln voll besetzt ist, wird die Arzneimittelkommission die Durchwahlnummern der ein- zelnen Referate bekannt ge- ben. Darüber hinaus werden dann zwei Telefon-Sonderan- schlüsse — während der Dienststunden ständig von ei- nem Arzt besetzt — für die Aus- kunftserteilung bei besonders dringenden Arzneimittelsi- cherheitsproblemen zur Ver- fügung stehen. K/WZ

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