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Archiv "DIMDI – Deutsches Institut für Medizinische Dokumentation und Information: Hüter der medizinischen Standards" (11.09.2009)

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A 1772 Deutsches Ärzteblatt

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Jg. 106

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Heft 37

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11. September 2009

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edizinwissen vor 40 Jahren hatte eine völlig andere Be- deutung als heute. Das wird schnell deutlich, wenn Dr. Dietrich Kaiser, langjähriger IT-Experte des DIMDI und seit 2006 Institutsdirektor, von den Anfängen der Einrichtung er- zählt. Als das Institut am 1. Septem- ber 1969 in Köln gegründet wurde, war es damit beauftragt, einen Aus- kunftsdienst über die gesamte me- dizinische Fachliteratur – national und international – aufzubauen. Zu dieser Zeit gab es weder Mikropro- zessoren noch CD-ROM noch Inter- net. Die Welt der Informationsver- arbeitung und -vermittlung steckte noch in den Kinderschuhen und war im Vergleich zu heute recht über- schaubar: So zählte man 1977 welt- weit nur rund 300 Datenbanken.

„Die ersten 20 Jahre hatte das DIMDI eigentlich keine andere Auf- gabe als die eines Hostbetriebs und Datenbankanbieters“, erzählt Kaiser.

Die erste Datenbank beim DIMDI war 1970 Medline von der National Library of Medicine, auf die For- schungsinstitute und Fachbibliothe- ken dann ab 1975 mithilfe einer vom DIMDI entwickelten Retrieval- software selbstständig online (wenn auch noch nicht per Internet) zugrei- fen konnten. 1982 waren immerhin bereits 28 Datenbanken online beim DIMDI abrufbar, viele weitere Da- tenbanken aus Medizin, Biologie und Veterinärmedizin folgten. Als Datenbankanbieter und Entwickler von Retrievalsoftware stellte das

DIMDI innerhalb dieser ersten Ent- wicklungsphase vorwiegend Infor- mationsquellen für das Bundesge- sundheitsministerium (BMG) und die medizinische Fachöffentlichkeit bereit, befasste sich mit der Indexie- rung von Fachzeitschriften und führte Auftragsrecherchen durch.

„Anfang/Mitte der 90er-Jahre kamen zahlreiche weitere gesetzli- che Aufgaben hinzu, von denen ei- nige in den letzten Jahren erheblich an Bedeutung gewonnen haben“, erklärt Kaiser. Der Schwerpunkt verlagerte sich zunehmend von der medizinischen Fachinformation hin zu komplexen Informationssyste- men für Medizinprodukte, Arz- neimittel und die Bewertung von gesundheitsrelevanten Verfahren ( Health Technology Assessment, HTA). Parallel dazu widmete sich das Institut der Pflege und Fortent- wicklung medizinischer Begriffs- systeme. „Heute ist die wohl wich- tigste Aufgabe die Herausgabe von Klassifikationen“, meint Kaiser. Den Anfang hierbei machte das Institut 1993 mit der Herausgabe der deutsch- sprachigen internationalen Klassi- fikation der Krankheiten (ICD-10) und ein Jahr später dem Operatio- nen- und Prozedurenschlüssel (OPS).

Inzwischen betreut das DIMDI zahlreiche Begriffs- und Ordnungs- systeme, Terminologien, Nomen- klaturen und Thesauri für die Me- dizin.

Seit 2003 ist das Institut zudem Kooperationszentrum für die Welt-

gesundheitsorganisation und vertritt die deutschen Interessen im Bereich Klassifikationen. Dabei übernimmt es die Vermittlerrolle zwischen der internationalen Entwicklung von Standards, wie zum Beispiel der ge- planten ICD-11, und den Anforde- rungen des hiesigen Gesundheits- wesens, etwa im Hinblick auf das Abrechnungswesen oder die Klas- sifikationen. „Nur so kann man auf Dauer im Bereich medizinischer Standards, die weltweit von Bedeu- tung sind, erfolgreich mitgestal- ten“, betont der Institutsdirektor.

Neue Anforderungen durch Telematik

Der Bedarf an Standardisierung werde mit dem zunehmenden Ein- satz von Telematik im Gesundheits- wesen künftig enorm steigen, pro - gnostiziert der Experte. Einerseits wolle man nationale Systeme sau- ber aufsetzen, andererseits würden international die Zusammenarbeit der Systeme, der Austausch von Pa- tientenakten und gemeinsame Kar- tensysteme gefordert. Ein Beispiel hierfür ist das EU-Projekt epSOS (European Patients Smart open Services), das 2007 mit dem Ziel gestartet wurde, die europäischen Gesundheitssysteme stärker mitein- ander zu vernetzen. Das DIMDI engagiert sich in den Arbeitsgrup- pen semantische Interoperabilität, elektronisches Rezept und Patien- tenakte. Viele Elemente müssten dafür erst noch harmonisiert und DIMDI – DEUTSCHES INSTITUT FÜR MEDIZINISCHE DOKUMENTATION UND INFORMATION

Hüter der medizinischen Standards

Das DIMDI feiert sein 40-jähriges Bestehen. Von einem schlichten Datenbankanbieter hat sich das Institut zu einem hoch spezialisierten Informationsdienstleister für das Gesundheitswesen gewandelt.

Foto: iStockphoto

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11. September 2009 A 1773 standardisiert werden, etwa bei La-

bordaten, Arzneimitteln oder Ter- minologien.

Auch die wachsende Internatio- nalisierung der Märkte trägt dazu bei, dass das Interesse an Standards bei Politik und Industrie wächst. So laufen die Zulassungsprozesse bei Medizinprodukten inzwischen auf europäischer Ebene und nähern sich weltweit an. „Überall da, wo wir na- tionale Sonderwege gehen, werden wir irgendwann feststellen, dass wir in den europäischen Kontext nicht hineinpassen“, warnt Kaiser. Die Standardisierungsprozesse vor dem Hintergrund der internationalen Ver- netzung voranzutreiben, sei letztlich eine staatliche Aufgabe. Das DIMDI als Ort, wo Basisinformationen, wie Datenbanken, Strukturen, Normen, Klassifikationen gehostet, gepflegt, weiterentwickelt werden, biete sich aufgrund seiner Kompetenzen für die Rolle als „deutsches Zentrum für medizinische Standards“ geradezu an, denn: „Unsere Stärke sind die strukturierten, exakten medizini- schen Informationen.“ Entspre- chend komplex ist das Aufgaben- feld: „Wir brauchen beispielsweise Verzeichnisse über alle in Deutsch- land zugelassenen, am Markt ver- fügbaren Arzneimittel, das ist eine klare gesetzliche Aufgabe. Das Gleiche gilt für Medizinprodukte.

Dies alles einzubinden in den euro- päischen Kontext, dafür zu sorgen, dass die Information in die entste- henden europäischen Informations- systeme hinein- und auch wieder zurückfließt, ist eine wesentliche Aufgabe des DIMDI.“ Dies wird durch die förderalen Strukturen in Deutschland nochmals komplizier- ter. So ist etwa die Arzneimittelüber- wachung hierzulande Ländersache.

Vor diesem Hintergrund versteht sich das DIMDI letztlich als Platt- form für strukturierte Basisinfor- mation für das Gesundheitswesen, auf denen andere, auch kommer- zielle Dienste, aufsetzen können.

Die administrativ-regulatorische Aus- richtung ist dabei gegenüber dem in der ersten Entwicklungsphase eher forschungsgetriebenen Ansatz zu- nehmend in den Vordergrund ge- rückt. „Anders als vor 30, 40 Jahren ist Forschung nicht mehr das primä-

re Aufgabenfeld des DIMDI.“ Dies habe zuletzt auch die Evaluierung des Wissenschaftsrates ergeben, die das Institut als ein serviceorientier- tes Dienstleistungsunternehmen für das Gesundheitswesen beschreibe und daher empfehle, das DIMDI von der Liste der Forschungsinstitute zu streichen.

„Wir möchten künftig noch stär- ker im Vorfeld von Gesetzen aktiv werden und beratend tätig sein“, be- tont Dr. Michael Schopen, Abtei- lungsleiter Medizinische Informati- on beim DIMDI. So sei es sinnvoll, bereits beim Entwurf die Prozesse so zu planen, dass man sie mit EDV umsetzen könne, nicht zuletzt, um auch Bürokratieabbau zu betreiben.

Ein aus Sicht des DIMDI gelunge- nes Beispiel hierfür ist das Medi- zinproduktemeldesystem, der „erste elektronische Workflow, der wirk- lich funktioniert“, angefangen bei der einzelnen Meldung, die logisch bei der zuständigen Behörde auf Bezirksebene erfolgt, technisch aber in der Datenbank beim DIMDI lan- det. Die Bearbeitungsvorgänge lau- fen vollständig elektronisch, und am Ende steht eine Anzeige für ein Medizinprodukt nicht nur in Deutsch- land, sondern in Europa. „Ein Akt der Verwaltungsmodernisierung, der viel Papier spart, schlank und effi- zient ist“, meint Kaiser. Bei einem

unerwünschten Zwischenfall mit ei- nem Medizinprodukt irgendwo in Europa ermögliche dies etwa die schnelle Assoziation mit dem ent- sprechenden Hersteller.

Im Arzneimittelbereich gestaltet sich dies weitaus schwieriger, weil dort eine über 15 AMG-Novellen gewachsene Rechtslage besteht.

Darüber hinaus gibt es in Europa

„eine lange Geschichte von disjunkt entwickelten nationalen Systemen.

Jeder, der aus der IT kommt, weiß, dass nachträgliche Standardisie- rung von exisitierenden Systemen nicht möglich ist. Da muss man et- was Neues entwickeln – auf euro- päischer Ebene recht mühsam“, er-

läutert Kaiser. ■

Heike E. Krüger-Brand

1969: Gründung als nicht rechtsfähige Bundes- anstalt in Köln; 20 Mitarbeiter

1971: eigenes Rechenzentrum

1975: Online-Recherche in Medline über DIMDI 1979: 3 Datenbanken, 25 Mitarbeiter 1983: Retrievalsystem „grips“

1985: Anschluss an BTX, 90 Mitarbeiter 1993: Internationale Klassifikation der Krankhei-

ten (ICD-10)

1994: Operationen- und Prozedurenschlüssel (OPS), erste Homepage

1995: Arzneimittelinformationssystem (AMIS) 1996: Medline beim DIMDI frei übers Internet 1997: Europäisches Medizinprodukte-Informati-

onssystem (EUDAMED); Nomenklatur für Medizinprodukte (UMDNS) in Deutsch 2000: Gründung der Deutschen Agentur für Health

Technology Assessment (DAHTA@DIMDI)

2003: eJournal German Medical Science online in Kooperation mit ZB Med und AWMF; WHO-Ko- operationszentrum; Online-Erfassungssysteme für Medizinprodukte und In-vitro-Diagnostika 2004: Anatomisch-Therapeutisch-Chemische

Klassifikation (ATC); Nomenklatur für Labor- daten (LOINC)

2006: Klassifikation der Funktionsfähigkeit, Be- hinderung und Gesundheit (ICF) 2007: Beteiligung am EU-Projekt epSOS zur Ver-

netzung der Gesundheitssysteme; Arznei- mittelinformationsportal PharmNet.Bund on- line mit elektronischen Änderungsanzeigen, Clinical Trials und Arzneimittelinformationen 2009: 116 Mitarbeiter; 233 HTA-Berichte in der DAHTA-Datenbank; Herstellerklärung zur elektronischen Signatur; Versandapothe- kenregister; circa 70 Datenbanken online

ARBEITSSCHWERPUNKTE 1969–2009

Sieht als Stärke des DIMDI „die strukturierten medi- zinischen Informa- tionen“: Dr. Dietrich Kaiser, amtierender Direktor des DIMDI

Foto: Bernd Wawer

P O L I T I K

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