A 1544 Deutsches Ärzteblatt
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Jg. 110|
Heft 33–34|
19. August 2013U
m ihre Leistungen abzurech- nen, übermitteln Kranken- häuser automatisch anonymisierte Patientendaten an die Krankenkas- sen. Seit einigen Jahren wertet das Wissenschaftliche Institut der AOK diese Routinedaten für bestimmte Indikationen aus, um die Behand- lungsqualität in den Krankenhäu- sern zu messen. Dafür werden unter anderem Angaben über Erkrankun- gen und Eingriffe, Liegezeiten und Verlegungen, aber auch über Alter und Geschlecht herangezogen. Das Besondere an diesem Verfahren zur Qualitätssicherung mit Routineda- ten (QSR-Verfahren) ist, dass der Werdegang des Patienten auch nach der Entlassung aus dem Kranken- haus verfolgt wird – über insgesamt ein Jahr.Thrombosen und Folge-OPs
Betrachtet werden dabei die Indika- toren Sterblichkeit, chirurgische Komplikationen, ungeplante Folge- OPs, Thrombose/Lungenembolie und Oberschenkelhalsbruch. QSR-Da- ten gibt es zurzeit bei elektiven Leistungen in den Bereichen Knie-und Hüftendoprothetik, Entfernung der Gallenblase sowie therapeuti- sche Herzkatheter. Die Ergebnisse stehen im Internet.
Die AOK Nordost hat sich nun dazu entschlossen, die QSR-Daten auch bei der Beratung ihrer Versi- cherten zu verwenden. Und nicht nur das. „Wenn ein Versicherter zu uns kommt und uns nach einem gu- ten Krankenhaus fragt, prüft der Kundenberater zunächst, ob der vor- zunehmende Eingriff auch ambulant durchgeführt werden kann“, sagte die Geschäftsführerin Stationäre Versorgung der Kasse, Anke-Britt Möhr, bei der Vorstellung des neuen Beratungsangebots im Juli. Wenn ja, rufe er bei dem behandelnden Arzt an und frage, warum der Ein- griff stationär erfolgen solle. Sofern der Arzt keine Einwände gegen ei- nen ambulanten Eingriff habe, ma- che der Kundenberater auf Wunsch des Versicherten einen Termin für einen ambulanten Eingriff aus.
Muss der Eingriff stationär erfol- gen, präsentiert der Berater dem Versicherten die Ergebnisse des QSR-Verfahrens. Möhr wies darauf
hin, dass dabei auch die Patienten- struktur eines Krankenhauses be- rücksichtigt werde. Denn bei Kran- kenhäusern mit vielen alten und multimorbiden Patienten seien auch mehr Komplikationen zu erwarten.
Schließlich wird der Versicherte über die Ansichten anderer Patien- ten informiert, bei denen der Ein- griff in der jeweiligen Klinik bereits vorgenommen worden ist. Grundla- ge dafür ist eine Versichertenbefra- gung, an der bislang etwa 95 000 Versicherte der AOK Nordost teil- genommen haben.
Dr. med. Werner Wyrwich, Vor- standsmitglied der Ärztekammer Berlin, befürwortet das neue Ange- bot der Kasse: „Die Verwendung der QSR-Daten ist aus meiner Sicht sinnvoll, weil dabei nicht nur iso- liert der Zeitraum des Kranken- hausaufenthaltes betrachtet wird, sondern das gesamte folgende Jahr.“ Die AOK Nordost habe als erste Krankenkasse die Forderung der Ärztekammer umgesetzt, die Qualität einer Behandlung anhand von Routinedaten darzustellen.
Grenzen des Verfahrens
Wyrwich wies aber auch auf die Grenzen des Verfahrens hin. So sei darauf zu achten, ob eine Komplika- tion nach einer Entlassung tatsäch- lich etwas mit dem Eingriff in dem Krankenhaus zu tun habe. „Wenn bei einer Hüftoperation im Kranken- haus alles glatt gelaufen ist, der Pa- tient aber zu Hause stürzt, die Pro- these bricht und er wieder eingewie- sen werden muss, hat das nichts mit der erbrachten Qualität der Hüftope- ration im Krankenhaus zu tun“, so Wyrwich. Man müsse also im Detail schauen, ob sich die Qualitätsbewer- tung mittels QSR-Daten so schärfen lasse, dass deren Aussagekraft auf lange Sicht noch besser werde.
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Falk Osterloh
QUALITÄTSMESSUNG VON KRANKENHÄUSERN
Die Krankenkasse empfiehlt
Bei der Wahl eines geeigneten Krankenhauses berät die AOK Nordost ihre Versicherten als erste Krankenkasse auf der Grundlage einer Auswertung von Routinedaten. Die Ärztekammer Berlin befürwortet dieses Verfahren, zeigt aber auch dessen Grenzen auf.
Für therapeuti- sche Herzkathe- ter bei Patienten ohne Herzinfarkt liegen seit Juli Da- ten aus dem QSR- Verfahren vor.
Foto: dpa