A 2106 Deutsches Ärzteblatt
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Jg. 107|
Heft 43|
29. Oktober 2010 Gefragt sind vor allem innovati-ve Therapieansätze, mit denen sich den Betroffenen besser helfen lässt als bisher. Erste Schritte in diese Richtung werden derzeit getan, es wird mit zwei verschiedenen An- sätzen versucht, die Behandlung der Arthrose zu optimieren. Denn mit einem Hebel allein scheint es – anders als bei der rheumatoiden Arthritis – bei der Arthrose nicht getan zu sein, meint Rüther: „Wir müssen trennen zwischen der Be- handlung der Schmerzen und der Behandlung der Knorpelzerstö- rung.“ Während zum Beispiel bei der Behandlung der rheumatoiden Arthritis durch die nachhaltige Entzündungshemmung mit Hilfe der modernen Biologika gleichzei- tig eine effektive Schmerzlinde- rung erwirkt wird, ist dies bei der Arthrose nicht der Fall.
Und noch eines erschwert die Therapie: Bei der rheumatoiden Ar- thritis wird auf eine Frühtherapie gesetzt, um den Entzündungspro- zess und damit die Gelenkzerstö- rung rasch zu stoppen. Bei der Ar- throse aber ist dieser Weg verwehrt, weil eine Frühdiagnostik bislang nicht möglich ist. Dies erklärt, war - um bei der Arthrose völlig andere Therapiestrategien gefragt sind als bei der rheumatoiden Arthritis.
Regeneration des Knorpels anregen
Zurzeit sind vor allem Wirkstoffe in Entwicklung, die in den Nerven- stoffwechsel eingreifen in der Hoff- nung, dadurch den Schmerz grundle- gender und effektiver lindern zu können als mit den derzeit üblicher- weise verordneten nichtsteroidalen Antirheumatika. Ist dieser Ansatz er- folgreich, so Rüther, könnte mögli- cherweise vielen Patienten eine Ge- lenkersatzoperation erspart werden.
Gearbeitet wird außerdem inten- siv an der Entwicklung von Wirk- stoffen, welche die Regeneration des Knorpels anregen. Eine Linderung der akuten Schmerzen ist von sol- chen Strategien aber kurzfristig nicht zu erwarten. Rüther: „Wir gehen al- lerdings davon aus, mit solchen ,disease modifying drugs‘ langfris- tig Einfluss auf die Knorpeldegene- ration nehmen zu können.“ Mögli-
cherweise wird der Ansatz mit ei- nem einzigen Wirkprinzip nicht ausreichen. Wahrscheinlicher ist es, dass sich die Stimulation der Knor- pelregeneration daran orientieren muss, durch welche Mechanismen die initiale Schädigung verursacht wurde. Denn „Arthrose ist nicht gleich Arthrose“, mahnt Rüther.
Das zeige das Beispiel der Trans- plantation von Knorpelzellen, die nur bei speziellen Arthroseformen – und zwar nur solchen mit lokal sehr begrenztem Knorpeldefekt – erfolg- versprechend sei.
Das Team um Prof. Dr. med.
Thomas Pap, Direktor des Instituts für Experimentelle Muskuloskelet- tale Medizin am Universitätsklini- kum Münster und Sprecher des Kompetenznetzes Rheuma, konnte in den vergangenen Jahren zeigen, dass bei der Entstehung einer Ar- throse im Knorpel ähnliche Prozes- se ablaufen wie während der Em- bryonalentwicklung. In beiden Fäl- len wird ein Teil des vorhandenen Knorpels abgebaut und durch knö- cherne Strukturen ersetzt. Während im Mutterleib jedoch intakte Kno- chen angelegt werden, zerstört die Arthrose das Gelenk.
Wie sich der Krankheitsprozess möglicherweise „umdrehen” ließe, hat Pap zusammen mit anderen For- schern an Mäusen gezeigt (Nature Medicine 2009; 15: 1072–76). Sie haben auf der Oberfläche der Knor- pelzellen ein Molekül (Syndecan-4) identifiziert, welches das Enzym ADAMTS-5* aktiviert, das den Knorpel weiter zerstört. „Wird Syn- decan-4 mit Antikörpern blockiert, entwickeln die Tiere keine Arthrose, der Knorpelabbau wird gestoppt“, erklärte Pap.
Die Heterogenität der Arthrose muss sich folglich auch in den For- schungsaktivitäten widerspiegeln.
Entsprechend der initialen Schädi- gung sollten verschiedene Kohor- ten gebildet werden, um Therapie- optionen in klinischen Prüfungen zu untersuchen. Geschieht dies nicht, so werden laut Rüther Be- handlungserfolge weiter auf sich
warten lassen. ■
Christine Vetter
*ADAMTS-5 = anti-A Disintegrin And Metallopro- teinase with Thrombospondin-5
D
ie Hormontherapie (HT) hat nicht nur die Brustkrebsinzi- denz erhöht, in den Folgejahren kam es auch zu einem Anstieg der Brustkrebs- und Gesamtmorta- lität (JAMA 2010; 304: 1684–92).Nachdem der Östrogen-Gestagen- Arm der Women’s Health Initiative 2002 abgebrochen worden war, ha- ben die meisten Frauen einer Nach- beobachtung zugestimmt, die jetzt 7,9 Jahre umfasst. In dieser Zeit sind unter den Exanwenderinnen vermehrt Brustkrebserkrankungen aufgetreten (Inzidenz 0,42 Prozent pro Jahr versus 0,34 im Placebo- arm).
Diese „Nachwirkung“ war er- wartet worden, da zwischen der Einwirkung einer Noxe und der klinischen Manifestation in der Re- gel mehrere Jahre liegen. Man hat- te jedoch gehofft, dass die Hormo- ne nur das Wachstum der Tumoren beeinflussen würden, nicht aber deren Aggressivität, weil bevor- zugt Östrogenrezeptor-positive und vielleicht auch HER2/neu-negative Tumoren angeregt würden. Die neuen Daten zeigen nun aber, dass bei den Exanwenderinnen der Lymphknotenbefund häufiger po- sitiv ist (23,7 Prozent vs. 16,2 Pro- zent). Die Folge war ein Anstieg der Brustkrebsmortalität von 1,3 auf 2,6 Todesfälle auf 10 000 Per- sonenjahre.
Diese Auswertung beruht zwar nur auf 25 Todesfällen an Brustkrebs (versus zwölf im Placeboarm), die Hazard Ratio (HR) von 1,96 erreich- te aber bei einem 95-Prozent-Konfi- denzintervall von 1,00–4,04 das Sig- nifikanzniveau (p = 0,049). Das trifft auch auf die Gesamtsterblichkeit zu, die infolge der HT von 3,4 auf 5,3 Todesfälle pro 10 000 Personenjahre signifikant angestiegen ist (HR 1,57;
1,01–2,48; p = 0,045). ■ Rüdiger Meyer
HORMONTHERAPIE
Neue Daten
Anstieg der Brustkrebs- und Gesamtmortalität unter Exanwenderinnen