A 618 Deutsches Ärzteblatt
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Jg. 111|
Heft 15|
11. April 2014GESUNDHEIT
SSYSTEMÄrzte beklagen Kostendruck
In einer Umfrage berichten deutsche Ärzte aus der Versorgungsrealität:
Der Kostendruck stellt die Therapiefreiheit infrage, und der Ärztemangel ist längst Realität. Eine zentrale Terminvergabe lehnen die meisten Ärzte ab.
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ie Deutschen sind mit ihrem Gesundheitssystem zufrie- den. Das geht aus dem MLP-Ge- sundheitsreport 2014 hervor, für den das Institut für Demoskopie Al- lensbach 2 088 Bürger und 540 Ärzte befragte. Neun von zehn Ärz- ten sowie acht von zehn Bürgern bewerten die Gesundheitsversor- gung demnach als gut oder sehr gut.„Im Behandlungszimmer bemü- hen sich Ärzte immer um eine qua- litativ hochwertige Versorgung der Patienten, ganz gleich, welchen Versichertenstatus sie haben“, kom- mentierte der Präsident der Bundes- ärztekammer, Prof. Dr. med. Frank Ulrich Montgomery, dieses Ergeb- nis. Und auch internationale Studi- en belegten immer wieder: Die Menschen in Deutschland werden im weltweiten Vergleich auf einem überdurchschnittlich hohen Niveau versorgt – ganz gleich, ob Kassen- oder Privatpatient.
Die Versorgungsqualität an deut- schen Krankenhäusern bewerten 83 Prozent der Ärzte dem Report zu- folge mit gut oder sehr gut. Die Ar- beitsbedingungen für Krankenhaus-
ärzte empfinden jedoch nur 31 Pro- zent als gut oder sehr gut – 68 Pro- zent als weniger oder gar nicht gut.
77 Prozent der befragten Kranken- hausärzte erklären zudem, sie sehen durch den Kostendruck im Gesund- heitssystem ihre Therapiefreiheit infrage gestellt. Vor zwei Jahren waren es erst 67 Prozent. Und vier von fünf Krankenhausärzten mei- nen, dass die wirtschaftliche Leis- tungsfähigkeit ihres Hauses einen höheren Stellenwert habe als die medizinische.
Ärztemangel im stationären
und ambulanten Bereich
Knapp die Hälfte der Krankenhaus- ärzte gibt an, dass in ihrem Haus schon heute Ärztemangel herrsche (Grafik). Dass aus finanziellen Gründen in letzter Zeit Personal abgebaut worden sei, berichten 43 Prozent von ihnen. Bei jedem siebten Arzt wurden sogar Abtei- lungen geschlossen.Auch im ambulanten Bereich ist der Ärztemangel Realität. Jeder dritte niedergelassene Arzt erklärt, dass es in seiner Region bereits
heute einen Ärztemangel gibt – vor vier Jahren waren es noch 22 Pro- zent. In die Zukunft blicken die meisten der befragten Ärzte skep- tisch. 84 Prozent erwarten, dass es in den nächsten zehn Jahren schwieriger sein wird, alle medi - zinisch notwendigen Leistungen zu verordnen. Und vier von fünf glau- ben, dass Ärzte weniger Zeit für ihre Patienten haben werden.
Eine zentrale Terminvergabe, wie sie die Große Koalition plant, lehnen sechs von zehn Kranken- hausärzten und acht von zehn nie- dergelassenen Ärzten ab. Drei von vier Krankenhausärzten erklären zudem, dass die Krankenhäuser gar keine Kapazitäten hätten, um Pa- tienten ambulant zu behandeln, die innerhalb von vier Wochen keinen Termin bei ihrem Haus- oder Fach- arzt erhalten haben.
Die niedergelassenen Ärzte wur- den gefragt, ob es ihnen in der Regel möglich sei, Termine inner- halb von vier Wochen zu vergeben.
96 Prozent der Haus- und 82 Pro- zent der Fachärzte bejahen diese Frage. Demgegenüber erklärt ein Drittel der befragten Bürger, sie hätten in den letzten ein, zwei Jah- ren mehrmals „sehr lange“ auf ei- nen Termin beim Arzt warten müs- sen. Wie lange sie genau warten mussten, und was der Anlass ihres Arztbesuches war, wurde jedoch nicht erfragt. „In dieser Studie ver- misse ich konkrete Zahlen“, kriti- sierte daher der Vorstand der Kas- senärztlichen Bundesvereinigung, Dipl.-Med. Regina Feldmann.
„Denn die Länge der Wartezeit ist eine sehr subjektive Empfindung.“
Menschen auf dem Land, wo vieles mit höherem Aufwand verbunden sei, schätzten Wartezeiten häufig weniger dramatisch ein als Men- schen in der Großstadt.
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Falk Osterloh GRAFIK
Quelle: MLP-Gesundheitsreport 2014,IfD-Umfrage 6282
Würden Sie sagen, dass es bei Ihnen am Krankenhaus einen Ärztemangel gibt, oder erwarten Sie, dass es bei Ihnen in den nächsten Jahren zu einem Ärztemangel kommen wird?
Gibt es am Krankenhaus Ärztemangel?
Ich rechne damit.
Krankenhausärzte aus Städten/Regionen mit
mehr als 750 000 Einwohnern 100 000 bis 750 000 Einwohnern weniger als 100 000 Einwohnern
an Krankenhäusern der
Grund-/Regelversorgung Schwerpunkt-/Maximalversorgung
48
33 54 59
53 45
15
20 15 8
11 17
%