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Mammakarzinom. Wie will man un- ter solchen Umständen noch die Qualität einer ärztlichen Arbeit ob- jektivieren? Etwa durch Surrogatpa- rameter im Blut, deren tatsächlicher Wert vielleicht in ein paar Jahren wieder infrage steht? Oder durch die Erzielung eines möglichst langen Le- bens mit all diesen Krankheiten und Beschwerden? Oder durch ein sozi- alverträgliches Frühableben? Statt ständig neuer Qualitätsansprüche nach dem Wurst-an-der-Angel-Prin- zip (liefere du erst mal Qualität, dann bekommst du vielleicht auch Geld dafür), sollte man für diese zeitrau- bende und mühsame Arbeit erst ein- mal gefühlte 250 bis 500 Euro pro Schein und Quartal (einschließlich x Hausbesuche) zur Verfügung stellen.
Dies wäre angemessener als die For- derung nach Sammeln von zusätzli- chen Qualitätspunkten . . .
Dr. med. Hanns Dubischar,Gartenstraße 23, 88212 Ravensburg
ÄRZTEMANGEL
Ostdeutsche Kam- mern werben in Österreich um Ärzte (DÄ 20/2008: „Gegen den Ärztemangel:
Zur Ärzteakquise nach Wien“ von Sunna Gieseke).
Was nicht gesagt wird
Ich habe als deutscher Staatsbürger in Österreich Medizin studiert (2000 bis 2006). Am Ende meiner Studienzeit hatten auch wir eine derartige Veran- staltung in unserer Ärztekammer. Mir fiel allerdings auf, dass nie völlig klar über die Rechtslage in Deutschland informiert worden ist, dass nämlich Kollegen aus Österreich – ohne Tur- nus – lediglich eine „ärztliche Berufs- erlaubnis“ im Sinne der Bundesärzte- ordnung erhalten, über die einige
„Personalentscheider“ in Deutschland
nur verächtlich die Nase rümpfen.
Die Berufserlaubnis ist stark einge- schränkt (eigentlich dürfte man nicht mal Dienste machen) und wird auch nach m. E. recht willkürlichen Kriteri- en vergeben. Wird z. B. im Bundes- land Nordrhein-Westfalen eine globa- le Berufserlaubnis, gültig für das ge- samte Bundesland erteilt, so leisten sich gerade einige, vom ach so schlimmen Ärztemangel heimgesuch- te neue Länder den Luxus, die Berufs- erlaubnis nur für eine Klinik zu ertei- len. Sollte man aus irgendwelchen Gründen die Klinik wechseln müssen, so muss man, selbstverständlich ge- gen satte Gebühr, eine neue Berufser- laubnis beantragen. Auch was das Hofieren und die Weiterbildung der Kollegen angeht, kann ich nur aus ei- gener Erfahrung sagen „Trau, schau, wem!“ Ich bin nämlich mit einem Konabsolventen an einer Thüringer Universitätsklinik gelandet, die auch Kollegen aus Österreich mit allen
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möglichen Versprechungen angelockt hat. Von strukturierter Weiterbildung war da allerdings nichts zu sehen . . .
Dr. med. univ. Wolfgang Strott,
Obere Kirchbergstraße 19, 57290 Neunkirchen
ARZTBILD DER ZUKUNFT
Nach einer Studie des Deutschen Kran- kenhaus-Instituts gehört das Schmerz- management zu ei- ner der Tätigkeiten, die mittelfristig von einer nicht ärztlichen Berufsgruppe über- nommen werden kann (DÄ 22/2008: „Ein- deutiges Votum gegen die Substitution ärztlicher Tätigkeit“ von Thomas Gerst).
Widerspruch
Diese These des Deutschen Kran- kenhaus-Instituts darf nicht unwider- sprochen bleiben:
Schmerztherapie ist traditionell interdisziplinär und interprofessio- nell. In dieser Hinsicht könnte die Organisation der Schmerztherapie als Vorbild für andere interdiszipli- näre Themen dienen.
Akutschmerzteams vereinen typi- scherweise Ärzte der Anästhesiologie und der operativen Fächer mit An- gehörigen des Pflegepersonals. Ga- ranten des Erfolgs sind dabei a) die Auswahl, Einleitung und Beendigung des Verfahrens durch den verantwort- lichen Arzt und b) die Delegation de- finierter Aufgaben der Überwachung, Fortsetzung und begrenzten Anpas- sung der Verfahren durch speziell ge- schultes Pflegepersonal.
Spezielle Schmerztherapie chroni- scher Schmerzen im ambulanten wie stationären Bereich basiert auf der institutionalisierten Kooperation von Ärzten/Zahnärzten verschiedener Fachrichtungen, Psychologischen Psychotherapeuten, Physiotherapeu- ten und anderen Professionen. Die Leistungsfähigkeit dieser Einrichtun- gen basiert auf einer integrativen Teamstruktur, in die speziell weiterge- bildete Fachärzte eingebunden sind.
Aus diesen Erfahrungen zu fol- gern, dass die ärztliche Kompetenz im Schmerzmanagement verzichtbar sein könnte, ist völlig verfehlt. Alle anerkannten Kriterien für den Arzt-
vorbehalt in der medizinischen Ver- sorgung treffen für das Schmerzma- nagement zu:
a) müssen schwierige differenzial- diagnostische Entscheidungen ge- troffen werden (Schmerz als Warn- zeichen einer Komplikation oder Tu- morprogression vs. Chronifizierung durch Lernprozesse)
b) werden potenziell gefährliche Be- handlungen eingesetzt (Medikamen- te wie Coxibe, Antidepressiva, An- tiepileptika, Opioide und invasive Verfahren wie rückenmarksnahe Ka- theter).
Allein aus juristischen Gründen (Betäubungsmittelverschreibungs- verordnung, invasive oder operative Verfahren) sind Ärztinnen und Ärzte aus dem Schmerzmanagement nicht wegzudenken, und ihnen obliegt auch die Haftungs- und Budgetver- antwortung.
Wir fordern das Bundesgesundheits-
ministerium, die Bundesärztekam- mer, die Kassenärztliche Bundesver- einigung, die Deutsche Kranken- hausgesellschaft und die Kostenträ- ger auf, den Irrweg eines nicht ärzt- lich koordinierten Schmerzmanage- ments nicht zu beschreiten, sondern stattdessen die von den Fachvertre- tern bereits vorbereiteten und auf lo- kaler Ebene funktionsfähigen Struk- turen der qualitätsgesicherten inter- disziplinären und interprofessionel- len Schmerztherapie bundesweit ver- fügbar zu machen.
Prof. Dr. med. Rolf-Detlef Treede,Präsident der Deutschen Gesellschaft zum Studium des Schmer- zes e.V. (DGSS), Lehrstuhl für Neurophysiologie, Medizinische Fakultät Mannheim, Universität Heidel- berg, Ludolf-Krehl-Straße 13–17, 68167 Mannheim Dr. med. Gerhard H. H. Müller-Schwefe, Präsident der Deutschen Gesellschaft für Schmerztherapie e.V. (DGS), Schillerplatz 8/1, 73033 Göppingen
Dr. Reinhard Thoma,Präsident des Berufsverban- des der Schmerztherapeuten in Deutschland e.V.
(BVSD), Benedictus Krankenhaus Tutzing GmbH &
Co. KG, Bahnhofstraße 5, 82327 Tutzing
STUDIENHOSPITAL
Laienschauspieler bereiten Studieren- de auf den Alltag im Krankenhaus vor (Leserbrief DÄ 25/
2008: „Missachtung der wirklichen Pati- enten“ von Prof. Dr. Peter von Wichert).
Einige Missverständnisse
In dem Leserbrief, den wir mit zu- nehmender Verwunderung bis hin zu Unverständnis gelesen haben, kom- mentiert Prof. von Wichert den Arti- kel zum Studienhospital in Münster – uns scheint, er ist hierbei einigen Missverständnissen erlegen. Zuvor- derst scheinen der Sinn und das Ziel der Lehre im Studienhospital grund- sätzlich falsch verstanden worden zu sein: Keineswegs geht es darum, dass
„Schauspieler . . . die Gesamtkom- plexität eines Krankheitsbildes de- monstrieren“ oder die Leiden von Pa- tienten in „erlernte Formeln“ gepresst werden. Niemand wird bestreiten, dass Herzfehler an Patienten mit Herzfehlern auszukultieren sind oder dass es bei der Betastung des Abdo- mens auf die Reaktionen des Patien- ten ankommt. Jedoch ist unbestritten,
dass auch Vorlesungen nicht dem Er- lernen dieser Tätigkeiten dienen – wäre es daher folgerichtig, ihre Ab- schaffung zu fordern? Ich hoffe, die- ser Logik wird niemand erliegen.
Ebenso unsinnig ist die vorgebrachte Kritik am Studienhospital. Denn hier ist – ebenso wenig wie in einer Vorle- sung – das Ziel nicht, den Kontakt zwischen Studierenden und „realen“
Patienten zu vertiefen. Vielmehr geht es darum, die Studierenden optimal auf den Umgang mit Patienten vorzu- bereiten. Denn um die Gesamtkom- plexität der Medizin zu erlernen, ist eine Vielzahl von sinnvoll aneinander- gelegten Puzzleteilen erforderlich. So sind Kernziele der Lehre im Studien- hospital unter anderem die Verbesse- rung der Kommunikationsfähigkeiten und der Gesprächsführung. Gerade in diesen Bereichen herrscht nach wie vor vielerorts ein eklatantes Defizit in der ärztlichen Ausbildung. Umso er- freuter sollten alle, die „der studenti- schen Ausbildung Aufmerksamkeit“
schenken, über den innovativen Münsteraner Weg sein. Im Studien- hospital können Studierende in rea- litätsnaher Umgebung den Umgang mit Patienten in einer Form trainie- ren, die im realen Krankenhausbe- trieb unmöglich wäre. Denn niemals
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wird ein Patient einem Studierenden auch nur annähernd offen, ehrlich und fundiert Rückmeldung über seine Gesprächsführung geben, wie es die hierauf geschulten Schauspieler so- wie die Lehrenden und nicht zuletzt die Kommilitonen im Studienhospital tun. Dass ein solches Feedback beim Erlernen von Soft Skills unerlässlich ist, liegt nicht nur auf der Hand, son- dern ist auch lerntheoretisch hinrei- chend belegt . . . Die Lerninhalte, die im Studienhospital vermittelt werden, stellen eine notwendige Bedingung für die angemahnte ganzheitliche Be- trachtung des Patienten an. Zum an- gesprochenen Recht der Studieren- den auf eine qualifizierte Ausbildung ist daher zu sagen: Wir freuen uns, wie ernst dieses Recht in Münster ge- nommen wird!
Peter Brinkrolf,8. Semester, Fachschaft Medizin Münster, Scheibenstraße 55, 48153 Münster
FILMKALENDER
Das DÄ stellt alle vier Wochen eine Auswahl sehens- werter Neustarts vor (DÄ 26/2008: „Im Ki- no andere Welten entdecken“).
Korrektur
„Das XXY-Chromosom“, wie in dem Text genannt, gibt es überhaupt nicht.
Jungen und Männer mit Klinefelter- Syndrom haben strukturell normal aufgebaute Geschlechtschromoso- men; zusätzlich zum üblichen männli- chen Satz XY tragen sie ein zweites X-Chromosom. Durch das Y-Chro- mosom ist eine in der Selbst- wie auch Außenwahrnehmung eindeutig männliche Geschlechtsidentität fest- gelegt – mit Intersexualität, wie hier suggeriert, hat das Klinefelter-Syn- drom absolut nichts zu tun. Ebenso falsch ist die Aussage, dass „meist schon früh medizinisch eingegriffen“
werde – hierzu gibt es in aller Regel keine Notwendigkeit, sondern erst mit der Pubertät kommt eine die endoge- ne Testosteronproduktion ergänzende Hormonsubstitution in Betracht.
Prof. Dr. med. Wolfram Henn,Institut für Humangenetik, Universität des Saarlandes, 66421 Homburg/Saar