• Keine Ergebnisse gefunden

Archiv "Kanalisieren oder verbieten? Streit um Forschung an Embryonen: Mehr Empfindsamkeit" (19.05.1988)

N/A
N/A
Protected

Academic year: 2022

Aktie "Archiv "Kanalisieren oder verbieten? Streit um Forschung an Embryonen: Mehr Empfindsamkeit" (19.05.1988)"

Copied!
2
0
0

Wird geladen.... (Jetzt Volltext ansehen)

Volltext

(1)

zuführen sei, die Welt einem aufge- zogenen Uhrwerk gleiche, wo es für eine ordnende und planende Macht, eben Gott, keinen Platz mehr gebe, alles Zufall sei, der Mensch das vor- läufig höchst entwickelte Produkt ei- nes Evolutionsprozesses wäre, der durch die Selbstorganisation der Materie in Gang gekommen sei.

Wir sind mit experimentellen Mitteln einer exakten Wissenschaft an den Punkt gelangt, der uns zwei Welten zeigt, in welchen wir leben:

Die ewige unvergängliche Welt und die irdische Welt, also die Natur;

und über beide regiert und plant ei- ne höchste Macht — Gott.

Der britische Nobelpreisträger DIRAC, der sich jahrzehntelang mit den rätselhaften Quantensprüngen, die von Max Planck entdeckt wur- den, beschäftigte, warf auf einer No- belpreisträgertagung die Frage auf:

„Sind nicht die Quantensprünge je- ne Mittel, mit denen Gott die Welt lenkt . . . und in ihr Geschehen ein- greift?" Noch deutlicher war Max Planck, durch dessen Entdeckungen als Physikochemiker das mecha- nisch-deterministische Zeitalter überholt wurde: „das richtungswei- sende Losungswort lautet von jeher und in alle Zukunft: Hin zu Gott."

Demnach herrscht in unserer Natur auch ein Bereich, von dem der übereifrige Mensch seine Hände weghalten sollte.

Dr. Josef Klosa Jänickestraße 13 1000 Berlin 37

Mehr Empfindsamkeit

Der Artikel und die Glosse auf Seite 1 im Ärzteblatt Heft 3/88

„Embryonenschutz — ein Schlup- floch" bestätigen die Vorwürfe von Prof. Degkwitz. Es gibt offensicht- lich die verbrauchende Forschung an sogenannten „überzähligen" Em- bryonen in der Bundesrepublik Deutschland. Das erschreckt uns zu- tiefst, und wir sehen hier eine ähn- lich blinde Unbefangenheit, wie sie die Eugenikdiskussion Ende der zwanziger Jahre kennzeichnete. Es soll mittlerweile 2000 in vitro ge- zeugte Kinder weltweit geben.

Wenn diese Zahlen zutreffen, muß

man von mehreren Zehntausenden sogenannter „überzähliger" Em- bryonen ausgehen. Der Gedanke liegt nahe, daß nicht die Forschung an „überzähligen" Embryonen ein Nebenprodukt der Fertilisationsme- dizin sei, sondern daß 2000 in vitro gezeugte Kinder die Nebensache bei einer weltweit mit großem Aufwand betriebenen genetischen Forschung seien, daß hier also mit dem Kinder- wunsch Mißbrauch getrieben wird.

Wir sind immer davon ausge- gangen, daß das Ärzteblatt die Zei- tung für alle Ärzte sei. Dann würde es sich aber gehören, daß man der für ehrgeizige Forscher sicher unbe- quemen und lästigen Haltung von Prof. Degkwitz mehr Achtung zollt, und seinen „Offenen Brief" an alle Ärzte nicht nur kommentiert, son- dern auch ungekürzt abdruckt. Das ist aber vielleicht für eine Redak- tion, die die fundamentale Ge- schmacklosigkeit der Karikatur auf der Titelseite des gleichen Ärzte- blattes nicht empfinden kann, eine Überforderung. Nur setzt man sich mit der Veröffentlichung einer sol- chen Karikatur der Vermutung aus, daß man gar nicht gewillt sei, diese schwierigen Probleme mit dem Ernst zu diskutieren, der ihnen zu- kommt

Wir teilen nicht alle Herrn Prof.

Degkwitz' Einstellung zum § 218, möchten aber daran erinnern, daß der § 218 und die dazugehörige Rechtsprechung sehr wohl von der Tatsache menschlichen Lebens ab der Konzeption ausgeht und nur aus besonderen Gründen von der Straf- verfolgung abgesehen wird. Für je- den Arzt sollte die Konfliktlage ei- ner schwangeren Frau eine höhere Wertigkeit haben, als der sicher auch verständliche Wunsch ehrgeizi- ger Forscher nach dem Nobelpreis.

Der Präsident der Bundesärzte- kammer, Dr. Karsten Vilmar, meint im Ärzteblatt vom 30. 4. 87, daß die Ärzteschaft in Deutschland aus den Verbrechen von Ärzten während des Nationalsozialismus ihre Lehren gezogen hätte. Besonders die Art und Weise, wie hier mit den Beden- ken und ernsten Sorgen von

Prof.

Degkwitz umgegangen wird, läßt be- fürchten, daß hier Herr Vilmar sei- nen Wunsch für die Realität hält.

Auf uns wirkt die Anspielung auf das Schicksal von Prof. Degk- witz während der Nazizeit wie eine Diffamierung, als wenn damit seine heutige Haltung als die eines beson- ders empfindsamen Menschen ge- kennzeichnet werden sollte neben der Unterstellung der grundsätz- lichen Befangenheit. Dabei würde uns allen etwas mehr Empfindsam- keit und Vorsicht, als sich im hier angesprochenen Artikel ausdrückt, wohl anstehen. Schließlich haben Ärzte während des Nationalsozialis- mus auch deshalb Verbrechen be- gangen, weil sie ihre Vorsicht und ihre Empfindsamkeit den angebli- chen Forderungen des Tages ge- opfert haben.

Der Ärztliche Vorstand der Westfälischen Klinik für Psychiatrie, Psychosomatik und Neurologie, im Auftrag Dr. Friedrich Leidinger Hermann-Simon-Straße 7 4830 Gütersloh 1

Bürgerpflicht

Sie diskutieren die Problematik erfreulich offen, aber es sind Ihnen auch einige Schnitzer unterlaufen, die die Klarheit Ihrer Ausführungen doch erheblich beeinträchtigen, so daß ich nicht umhin kann, den Fin- ger darauf zu legen.

Sie schreiben, die Bundesregie- rung habe sich beim Abwägen der Grundrechte „klar gegen die For- schungsfreiheit" entschieden. Das ist falsch und vor allem irreführend.

Eine absolute Freiheit der For- schung hat es nie gegeben und gibt es auch heute nicht. Die Freiheit der Forschung endet ausnahmslos dann, wenn menschliches Leben beschä- digt, gar nicht zu reden davon, daß es zu Tode gebracht wird, von der notwendigen Zustimmung des Be- treffenden dazu, daß an ihm ge- forscht werden darf, ganz abgese- hen. Infolgedessen hat die Bundes- regierung gemäß bestehenden Ge- setzen entschieden und die Freiheit der Forschung nicht zusätzlich

ein-

geschränkt, was Sie behaupten. Da-

bei

entsteht leider der Eindruck ei- ner tendentiellen Formulierung, denn die genannten Grenzen für die Dt. Ärztebl. 85, Heft 20, 19. Mai 1988 (51) A-1447

(2)

Forschung am Menschen dürften Ih- nen nicht unbekannt sein.

Irreführend ist auch Ihr Satz:

„Für Abtreibungen gelten in praxi die Ausnahmeregelungen des § 218 StGB und grundsätzlich die Defini- tion des Bundesverfassungsgerich- tes, daß menschliches Leben im Sinn der geschichtlichen Existenz eines menschlichen Individuums am 14.

Tag nach der Empfängnis beginnt."

Auch hier dürfte Ihnen nicht unbe- kannt sein, daß das nur für die straf- rechtliche Regelung gilt, nicht dage- gen schlechthin. Artikel 2 des Grundgesetzes wird durch die Aus- nahmeregelung nicht aufgehoben.

Schließlich führt auch Ihre Schlußbemerkung in die Irre. Meine dort angesprochene „Kompromiß- losigkeit" gilt der Einhaltung unse- rer Gesetze und der ärztlichen Stan- desregeln. Hier gibt es keine Mög- lichkeit zum Verhandeln und nach Kompromissen zu suchen, so wie man sich nicht auf Grund einer Kompromiß-Lösung darüber eini- gen kann, Raubmorde in besonde- ren Fällen zuzulassen, oder be- stimmten Persönlichkeiten zu gestat- ten, im Straßenverkehr links zu fah- ren. Das ist das, worum es mir geht.

Menschliches Leben ist außer im Fall der Notwehr und des Krieges durch Artikel 2 des Grundgesetzes ausnahmslos geschützt, ebenso seine Unversehrtheit. Fatal ist natürlich, daß unser Staat die ihm aufgegebene Schutzfunktion für das Leben nicht nur nicht wahrnimmt, sondern sich durch die Neuregelung des § 218 StGB von dieser Aufgabe entbun- den hat, indem er keinerlei Kontrol- le dessen, was in diesem Zusammen- hang geschieht, in der gesetzlichen Regelung vorgesehen hat.

Auf diese Dinge hinzuweisen ist nicht „Kompromißlosigkeit", son- dern einfache Bürgerpflicht.

Prof. Dr. med. R. Degkwitz Hauptstraße 5

7800 Freiburg

Schlußwort

Uns sind lediglich Zuschriften zugegangen, die sich kritisch bis ab- lehnend zur Embryonenforschung äußern. Die Verfasser dieser Briefe

scheinen der Meinung zu sein, daß unser Beitrag eher die Embryonen- forschung verteidigt. Tatsächlich lag uns nur daran, die gegensätzlichen Positionen aufzuzeigen und die ak- tuellen Hauptstreitpunkte offenzule- gen. Eine Stellungnahme zugunsten der einen oder anderen Richtung lag nicht in unserem Sinn und kann aus dem Artikel nicht herausgelesen werden. Zu einigen der angespro- chenen Einzelfragen:

Forschungsfreiheit: Die Bun- desregierung hat eine Güterabwä- gung zwischen dem Grundrecht auf Leben und Menschenwürde sowie auf Forschungsfreiheit vorgenom- men. Das wurde in dem Artikel aus- einandergelegt und in diesem Zu- sammenhang festgestellt, daß die Bundesregierung sich gegen das Grundrecht auf Forschungsfreiheit entschieden habe. So ist es. Selbst- verständlich ist es das gute Recht der Bundesregierung, so zu entscheiden.

Wir haben diese Entscheidung nicht bewertet.

Schwangerschaftsabbruch: Die gedankliche Verbindung zwischen Schwangerschaftsabbruch und ver- brauchender Forschung an Embryo- nen ist evident. Die allgemeinen Vorstellungen über den Beginn des Lebens dürften sich auch unter dem Eindruck der neueren Forschung wandeln. Wir stimmen Prof. Dörner zu, daß der § 218 heute wohl nicht mehr so formuliert werden würde.

Diese Auffassung wird auch gestützt durch die jüngste, für die Stim- mungslage charakteristische Diskus- sion in der Bundestagsfraktion der Grünen. — § 2 des Grundgesetzes wird durch die Ausnahmebestim- mungen des § 218 gewiß nicht aufge- hoben werden. Tatsache ist aber auch, daß es diese Ausnahmerege- lungen gibt, daß sie hartnäckig ver- teidigt werden, und darauf haben wir ohne Parteinahme hingewiesen.

Der Hinweis „auf das Schicksal von Prof. Degkwitz während der Nazizeit" (der Ärztliche Vorstand der Gütersloher Klinik) möge als Ausdruck des Respektes gewertet werden, wie der Artikel insgesamt auch vom Respekt vor den von Prof.

Degkwitz geäußerten Auffassungen zeugt.

Norbert Jachertz/Sabine Dauth

§ 218:

Sündenböcke

Zehn Jahre sind seit der Reform des § 218 vergangen. Die Diskussion darüber wird wieder schärfer. Die Fronten sind klar, die Argumente nicht neu.

Ex-Familienminister Geißler legte sich vor Jahren mit der Organi- sation „pro familia" an. Seinem Vorwurf, in Wahrheit betrieben de- ren Mitarbeiter vor allem den Ver- trieb von Anschriften abtreibungs- williger Ärzte, ließ er nach angemes- sener Aufregung sämtlicher Betei- ligter die abwiegelnden Worte fol- gen, es sei ihm ja nur darum gegan- gen, das Bewußtsein dafür zu schär- fen, daß pro Jahr 80 000 Abtreibun- gen legal vorgenommen würden.

Bei der Diskussion um die Ab- brüche sind indirekt immer auch die Ärzte involviert, denen die Politiker gerne die Verantwortung dafür zu- schanzen möchten mit der Begrün- dung, die Ärzte seien es vor allem, die die jährlichen rund 70 000 Indi- kationen wegen „sozialer Notlage"

überhaupt erst ermöglichten.

Natürlich ist es ein Armutszeug- nis, daß in einem Land mit einem Bruttosozialprodukt von fast zwei Billionen Mark so viele Kinder nicht geboren werden. Aber wer ist denn für die wirtschaftlichen, sozialen und familiären Rahmenbedingungen hierzulande verantwortlich?

Gewiß nicht die Frauenärzte, die sich mit den betroffenen Frauen konkret und nicht in der Abstrakt- heit statistischer Zahlen auseinan- dersetzen müssen. Sie wissen, wie schwierig es ist, eine junge Frau, die noch in der Ausbildung ist, von ei- ner Abtreibung abzuhalten. Sie ken- nen die Klagen Alleinstehender, die eine Abtreibung wünschen. Und sie wissen, was Frauen sagen, die schon drei Kinder haben und mit einem vierten die Familie in die Sozialhilfe brächten. Die maximal 5000 DM der Stiftung „Mutter und Kind" sind al- lenfalls ein Tropfen auf den heißen Stein. — Für viele „Notlagen" trägt die Politik eine Mitverantwortung.

Rolf Combach A-1448 (52) Dt. Ärztebl. 85, Heft 20, 19. Mai 1988

Referenzen

ÄHNLICHE DOKUMENTE

„Gesundheitswissenschaften und Sozialmedizin" bietet die Heinrich-Heine-Universität Düsseldorf unter Mitwirkung der „Akademie für das Öf- fentliche Gesundheitswesen",

1.   Antipersonenminen oder Streumunition einzusetzen, zu entwickeln, herzustellen, mit ihnen Handel zu treiben, von einem anderen zu erwerben oder einem anderen zu

"Gesetz über die Regelung der Landeszugehörigkeit des Verwaltungsbezirks Oldenburg und des Landkreises Schaumburg-Lippe nach Artikel 29 Abs. 1.1976 +++) Eingangsformel   .

Wenn Bundeskanzler Ger- hard Schröder sich in dieser Situation zu- dem offen dafür ausspricht, die bioethi- sche Debatte nicht den besonders klugen und ethischen Leuten zu

6.5.6 Auch insoweit kann kein Zweifel bestehen, dass ganz allgemein gesetzgeberische Maßnahmen erforderlich sind, um einen dem Rahmenübereinkommen entsprechenden Schutz der

5 der Hessischen Be- rufsordnung für Ärzte entspricht, es Ärzten nicht gestattet ist, ihre Patienten ohne hinrei- chenden Grund an bestimmte Apotheken, Geschäfte oder Anbieter

aa) Der Bundesminister für Soziales, Arbeit und Konsumentenschutz hat das Institut für Soziale Innovation als eigenen Rechtsträger zu errichten. Es darf Finanzmittel ausschließlich

aa) Der Bundesminister für Soziales, Arbeit und Konsumentenschutz hat das Institut für Soziale Innovation als eigenen Rechtsträger zu errichten. Es darf Finanzmittel