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Archiv "Streit um die Embryonen: Was tun, wenn man sich nicht einigen kann?" (06.04.2001)

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stungsmotivstärke und Durchsetzungs- vermögen, die zu unterschiedlichen Praxiserträgen beitragen. Die Ärzte mit unternehmerischem Potenzial erwirt- schaften mehr Gewinne, obwohl sie we- der mehr Patienten behandeln noch länger arbeiten.

Die Ergebnisse der Studie zeigen ei- nerseits, dass gut ein Viertel der unter- suchten Ärzte als uneingeschränkt un- ternehmerisch geeignet und immerhin mehr als 60 Prozent als partiell unter- nehmerisch geeignet eingestuft werden können. Zum Zweiten hat sich heraus- gestellt, dass Ärzte mit unternehmeri- schem Eigenschaftspotenzial größere Praxiserträge erwirtschaften als Ärzte mit weniger ausgeprägtem Eigen- schaftspotenzial. Die sich abzeichnen- den Kerneigenschaften des Unterneh- mers Arzt legen den Schluss nahe, dass der wirtschaftliche Praxiserfolg primär auf einer intensiveren Beschäftigung mit unternehmerischen Aufgaben (Lei- stungsmotivstärke) und einer wirkungs- volleren Praxisführung (Durchset- zungsvermögen) beruht. Diesen Er- kenntnissen können auch Hinweise ent- nommen werden, worin Maßnahmen zur Kompensation dispositioneller De- fizite bestehen könnten. Zwar ist es nur langfristig und selten ohne professio- nelle Hilfe möglich, die Ausprägung von Persönlichkeitsmerkmalen sub- stanziell zu verändern. Gleichzeitig je- doch lässt sich belegen, dass Personen mit weniger stark ausgeprägten Eigen- schaftspotenzialen oft besser auf Inhal- te von Schulungs- und Trainingsveran- staltungen ansprechen als Personen mit stärker ausgeprägten Eigenschaftspo- tenzialen. Durch den Erwerb von wirt- schaftlichem Know-how und Führungs- kompetenz sollten Ertragssteigerungen demnach auch bei dispositionell weni- ger günstigen Voraussetzungen möglich sein.

Prof. Dr. phil. Günter F. Müller

Fachbereich Psychologie, Universität Koblenz-Landau, Abteilung Landau

Im Fort 7 76829 Landau

E-Mail: mueller@uni-landau.de

Niko Kohls Institut PMR GmbH Kartäuserstraße 47 79102 Freiburg

E-Mail: kohls@institut-pmr.de

A

A896 Deutsches Ärzteblatt½½½½Jg. 98½½½½Heft 14½½½½6. April 2001

D O K U M E N T A T I O N

D

em Leser „anspruchsvoller“ Zei- tungen wird seit einigen Monaten ein erbitterter Kampf aufgefallen sein. Gestritten wird um neuere Techno- logien wie die Präimplantationsdiagno- stik oder die Forschung an embryonalen Stammzellen, vor allem aber um die grundlegende Frage, welcher Schutz dem ungeborenen menschlichen Leben zukommen soll. Anlässe zu dieser De- batte gab es mehrere: Die Bundesärzte- kammer hatte einen Entwurf einer Richtlinie zur Präimplantationsdiagno- stik (PID) vorgestellt, in der sie diese in- nerhalb strenger Grenzen befürwortet.

Ein Mitglied der Bundesregierung, Staatsminister Julian Nida-Rümelin, hat- te sich gegen die gleiche Zuschreibung der Menschenwürde an menschliche Embryonen in den ersten 14 Tagen vor der Implantation ausgesprochen. Seither wechseln sich wöchentlich, zuweilen täg- lich die Stellungnahmen für und gegen den Lebensschutz von Embryonen ab.

Die Argumente sind seit langem bekannt

Die Standpunkte und die angeführten Argumente zum Lebensrecht des unge- borenen menschlichen Lebens sind nicht neu, sondern seit langem bekannt.

Alles, was in den letzten Monaten für und wider den Lebensschutz von Em- bryonen zu lesen war, lässt sich schon seit geraumer Zeit in der einschlägigen moralphilosophischen Literatur finden.

Neu ist allenfalls die Aufgeregtheit an- gesichts der Tatsache, dass ein Mitglied der Bundesregierung den Lebensschutz von Embryonen relativiert hat. Dabei

hat Nida-Rümelin nur das öffentlich ge- sagt, was in der Moralphilosophie – der Staatsminister ist hier ausgewiesener Experte – zu den ausführlich diskutier- ten Positionen gehört.

Man wird sich nicht einigen können

Bei der Debatte war eines schon vorab klar: Man wird sich am Ende nicht eini- gen können. Man hätte gleich eingangs vor der Illusion warnen sollen, es ließe sich zum moralischen Status des unge- borenen menschlichen Lebens ein Kon- sens finden. Die Positionen zwischen den Befürwortern eines uneinge- schränkten Schutzes der Embryonen ab Verschmelzung von Samen- und Eizelle und den Befürwortern eines abgestuf- ten, wachsenden Schutzes der Embryo- nen liegen so weit auseinander, dass sie nicht zu vermitteln sind. Selbst ein Rückgriff auf das Grundgesetz und die darin verankerte Menschenwürde kann die Kontroverse nicht entschärfen.

Zwar schützt das Grundgesetz nach Ansicht der meisten Rechtsgelehrten menschliches Leben ab der Verschmel- zung von Samen- und Eizelle, doch auch hier erhebt sich Widerspruch. Für Norbert Hoerster lässt die Verfassung keine eindeutigen Rückschlüsse zu, und für Reinhard Merkel ist das Embryo- nenschutzgesetz gar verfassungswidrig.

Es bestätigt sich, was im Grunde seit langem bekannt ist: Man wird sich nicht einig, und daran dürfte sich auch in Zu- kunft nichts ändern. Für mehrere Posi- tionen zum Schutz des ungeborenen Lebens lassen sich plausible Argumen-

Streit um die Embryonen

Was tun, wenn man sich nicht einigen kann?

Nach den Äußerungen des Präsidenten der Bundesärzte- kammer in der Frankfurter Allgemeinen stellt sich die Frage:

Welche Rolle kommt der Ärzteschaft zu?

Urban Wiesing

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te anführen. Wenn es eines Be- weises bedurft hätte, dass wir uns in einer wertepluralen Ge- sellschaft befinden, hier ist er.

Was folgt aus dieser ernüch- ternden Diagnose? Die Debat- te um den moralischen Status des ungeborenen menschli- chen Lebens führt uns mit Deutlichkeit vor Augen, dass in dieser Frage eine politische Entscheidung gefällt werden muss, da kein moralischer Konsens erwartet werden darf.

Der Staat in Form seiner de- mokratisch legitimierten In- stitutionen muss sich Fragen jenseits der verschiedenen Überzeugungen stellen. Er- stens: Auf welchen Prämissen basieren die jeweiligen Positio- nen zum Lebensschutz des un- geborenen Lebens, und inwie- weit sind diese Vorannahmen – zum Beispiel religiöser Art – für alle verbindlich? Zweitens:

Nicht die Frage, welche Vorge- hensweise ist moralisch die einzig richtige, stellt sich, son- dern: Welche Handlungen soll

der Staat erlauben? Im Grunde hat sich der Gesetzgeber so bereits beim § 218 verhalten. Dieses Gesetz ist einzig ein politischer Kompromiss, der dem mo- ralischen Dissens in unserer Gesell- schaft nicht beikommen konnte.

Auch die Konsequenzen aus der no- torischen Uneinigkeit beim Embryo- nenschutz sind lange bekannt. Schon vor über zehn Jahren beendete Anton Leist seine Untersuchung zum morali- schen Status des ungeborenen Lebens mit der Feststellung, dass sie in die Frage der Toleranz münden würde.

Was soll erlaubt werden, ohne die Zu- mutbarkeit der Vertreter anderer An- sichten zu überfordern? Wenn gute Argumente für einen gestuften Le- bensschutz von Embryonen angeführt werden können und die Gegenargu- mente zumeist auf bedingt verallge- meinerungsfähigen Vorannahmen be- ruhen, dann sollte man den Schutz der Embryonen in der frühesten Phase zumindest gegen andere hochrangige Güter zur Abwägung stellen. Dass die- se Überlegungen nicht ganz folgewid- rig sind, sei mit Verweis auf die Rea-

lität untermauert: Die Tötung von Embryonen geschieht beispielsweise durch die Spirale millionenfach, ohne dass sie sonderlich kontrovers wäre.

Entweder die Spirale müsste verboten werden, oder die Überlegungen der Bundesärztekammer zur PID sind nicht ganz abwegig. Zudem schließen liberale rechtliche Regelungen nicht aus, dass für zahlreiche Bürger auf- grund von moralischen, hoch respekta- blen Überzeugungen eine PID oder ein Schwangerschaftsabbruch nicht in- frage kommen.

Die Ärzteschaft – welche Rolle?

In die Diskussion haben sich Ärzte und Vertreter der verfassten Ärzteschaft eingeschaltet – mit deutlicher Reso- nanz. Insbesondere ein Artikel des Präsidenten der Bundesärztekammer, Jörg-Dietrich Hoppe, in der Frankfur- ter Allgemeinen Zeitung hat zahlreiche Reaktionen provoziert. Nicht zuletzt von ihm selbst, wurde doch sein Artikel

ohne Rücksprache gekürzt, entstellend überschrieben und redaktionell vernichtend kom- mentiert: Seine Ausführungen seien „in weiten Teilen ein Do- kument der Hilflosigkeit“.

Das bitterböse Urteil des redaktionellen Kommentars richtete sich unter anderem ge- gen Hoppes Äußerung, die aufgeworfenen Fragen könn- ten nur von der „Gesamtge- sellschaft“ beantwortet wer- den. Dem hielt wenig später Stephan Sahm entgegen, es zähle „zu den vornehmsten ärztlichen Pflichten [. . .], zu den ethischen Herausforde- rungen medizinischer Praxis einen Standpunkt zu finden“ . Unweigerlich drängt sich die Frage auf, welche Rolle der Ärzteschaft bei der Auseinan- dersetzung zukommt. Zweier- lei sollte man sich vergegen- wärtigen. Erstens: Wen betref- fen die Entscheidungen? Und zweitens: Gibt es eine Gruppe, die über einen privilegierten Zugang zu einer besseren und in höherem Maße verbindlichen Moral verfügt?

Die erste Frage lässt sich leicht be- antworten: Die Auswirkungen neuer Technologien in der Medizin betreffen alle potenziellen Kranken, also im Prin- zip alle Bürger. Die Frage, wie eine Gesellschaft mit dem ungeborenen menschlichen Leben umgehen soll, be- trifft gleichermaßen alle Bürger. Hier steht kein professionsinternes, sondern ein „gesamtgesellschaftliches“ Problem zur Debatte.

Bei der Frage nach einem privilegier- ten Zugang zu einer Moral wird man auf Grundannahmen unseres Gemein- wesens verweisen müssen. Zu diesen gehört, dass ein jeder Bürger in Sachen Moral zunächst einmal selbst Experte ist. Als sittliche Subjekte sind wir in ho- hem Maße auf uns selbst verwiesen, und darin sind sich alle Bürger gleich.

Es ist mit dem Selbstverständnis einer demokratischen und offenen Gesell- schaft daher kaum zu vereinbaren, dass einer Berufsgruppe exklusive morali- sche Fähigkeiten zugestanden werden, und Gleiches gilt für exklusive morali-

Deutsches Ärzteblatt½½½½Jg. 98½½½½Heft 14½½½½6. April 2001 AA897

D O K U M E N T A T I O N

PID im Deutschen Ärzteblatt

Der von der Bundesärztekammer vorgelegte, von deren Wissenschaftlichem Beirat ausgearbeitete „Diskussionsent- wurf zu einer Richtlinie zur Präimplantationsdiagnostik“ (PID) wurde im Deutschen Ärzteblatt, Heft 9/2000, dokumentiert.

Außerdem sind bisher folgende Beiträge erschienen: „Auftakt des öffentlichen Diskurses“ von Sabine Rieser (Heft 9), „Am Rande der schiefen Bahn“ von Norbert Jachertz (Heft 9), „Plä- doyer für eine unvoreingenommene offene Debatte“ von Ulri- ke Riedel (Heft 10), „Mensch von Anfang an“ von Joachim Kar- dinal Meisner (Heft 14), „Kein Blick aufs Ganze“ von Sabine Rieser (Heft 16), „Schöne Neue Welt: Muss man alles machen, was man kann?“ von Dr. med. Frank Ulrich Montgomery (Heft 18), „Präimplantationsdiagnostik – medizinische, ethische und rechtliche Aspekte“ von Prof. Dr. med. Hermann Hepp (Heft 18), „Absage an jede Art eugenischer Zielsetzung“ (Heft 22),

„Ethisches Dilemma der Fortpflanzungsmedizin“ (Heft 47),

„Unterschiedliche Schutzwürdigkeit“ (Heft 48) von Gisela Klinkhammer, „Zunehmendes Lebensrecht“ (Heft 51–52) von Dr. jur. Rudolf Neidert sowie „Gibt es das Recht auf ein gesun- des Kind?“ von Dr. theol. Mirjam Zimmermann und Dr. theol.

Ruben Zimmermann (Heft 51–52). Zu einigen zentralen Punk- ten der Diskussion hat der Wissenschaftliche Beirat in Heft 17 Stellung bezogen. In Heft 17 und Heft 28–29 erschien außer- dem eine umfangreiche Aussprache. Die kontroverse Diskussi- on zur Thematik Präimplantationsdiagnostik wird in diesem Heft mit einer Aussprache zu dem Beitrag „Zunehmendes Le- bensrecht“ und einem weiteren Aufsatz fortgesetzt. Kli

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sche Befugnisse. Wer es anders sieht, müsste es begründen – und das dürfte kaum gelingen. Kurzum: Die Frage, wie eine Gesellschaft mit dem ungeborenen Leben umgehen soll, lässt sich nicht von einer Profession lösen. Erstens geht sie alle an, und zweitens verfügt ein Berufs- stand über keinerlei besondere Fähig- keiten und Befugnisse in moralischen Fragen.

Die Ärzteschaft – Spiegel einer wertepluralen Gesellschaft

Demokratische Gesellschaften halten die Zuständigkeit von Professionen ge- zielt begrenzt: Für die moralischen Pro- bleme in ihrem Arbeitsbereich und vor allem für die Grundhaltungen des ärzt- lichen Ethos wird der Profession zwar ein Formulierungsrecht, beim ärztli- chen Ethos gar ein Vorschlagsrecht ein- geräumt. Die Berufsordnung – in Selbstverwaltung erstellt – muss jedoch stets von einem Minister gezeichnet werden. Anderes wäre in einem demo- kratischen Rechtsstaat auch schwerlich zu vertreten. Ärzte können die morali- schen Normen ihres Handelns formu- lieren, argumentativ untermauern und für sie werben. Ihre Gültigkeit festle- gen können sie als Profession jedoch nicht. Zuständig sind die demokratisch legitimierten Institutionen der Gesell- schaft.

Dieser Aufteilung von Zuständigkeit wird stets der hohe Sachverstand der Professionen entgegengehalten. Nur sie verfügten über die Kenntnisse, die an- gemessene und sachgerechte Urteile er- lauben. Und in der Tat ist der öffentli- che Diskurs vom Sachverstand der Ex- perten abhängig – allerdings nur in technischen Fragen. Nichts anderes ist mit dem Selbstverständnis einer Demo- kratie zu vereinbaren, als dass die Dis- kussion um die Medizin im öffentlichen Raum stattfindet, dass die Vertreter der Standesorganisationen ein Diskussi- onspartner unter vielen sind, dass von ihnen zwar technischer Sachverstand verlangt werden kann, ihnen aber kein privilegierter Zugang auf eine überle- gene oder bindende Moral zusteht.

Ein Vergleich drängt sich auf: Man stelle sich das Befremden vor, wenn die militärische Führung der Bundeswehr

feststellen würde, es gehöre zu den vor- nehmsten Pflichten des Militärs, in Sa- chen Kriegsführung einen Standpunkt zu finden und entsprechend zu ent- scheiden. Wenn demokratische Gesell- schaften beständig darauf beharren, dass Soldaten „Bürger in Uniform“

sind und ihnen keinerlei Sonderstellung zukommt, dann ist doch nicht einzuse- hen, was so schlecht dran ist, wenn sich die Ärzte als „Bürger im weißen Kittel“

verstehen.

Insofern war es nur zu angemessen, wenn die Bundesärztekammer zu- nächst einen Entwurf zur Präimplanta- tionsdiagnostik zur Diskussion gestellt hat. Den Kritikern dieser Vorgehens- weise sei gesagt, dass alles andere un- gleich mehr Proteste hervorgerufen hätte.

Jörg-Dietrich Hoppe hat nicht nur die „Gesamtgesellschaft“ als Forum des Diskurses angeführt, sondern realisti- scherweise hinzugefügt, dass es um ethische Grundfragen gehe, „über die gesamtgesellschaftlich keine Einigkeit erzielt werden kann“. Ist es vor diesem Hintergrund nicht völlig abwegig, von den Ärzten zu verlangen – wie im re- daktionellen Kommentar der Frankfur- ter Allgemeinen –, was der Gesellschaft nicht mehr gelingt? Die Ärzteschaft spiegelt auch nur die Gesellschaft wi- der, und es wäre ganz illusorisch anzu- nehmen, dass sich alle Ärzte in der Fra- ge des Schwangerschaftsabbruchs oder der PID einig wären. (Noch nicht ein- mal innerhalb der Vorstandes der Bun- desärztekammer, wie der Kommentar von Frank Ulrich Montgomery, gleich- falls in der Frankfurter Allgemeinen, verdeutlicht!) Die Ärzteschaft einer wertepluralen Gesellschaft ist keine vollständig homogene Gruppe, bei der es zu schwierigen und komplexen The- men nur eine Meinung gibt.

Gibt es ein „schuldfreies Arztsein“?

Dem Präsidenten der Bundesärzte- kammer wurde überdies der Verweis auf eine Äußerung von Hermann-Josef Hepp vorgeworfen, in dieser Situation könne es „ein schuldfreies Arztsein“

nicht mehr geben. Man mag über den Begriff „schuldfrei“ streiten, vermut-

lich wäre „konfliktfrei“ treffender.

Gleichwohl, in der Sache steht jedoch völlig außer Zweifel, dass die Heraus- forderungen der modernen Medizin – auch die PID – eben nicht einfach zu lösen sind, sondern die Unsicherheit, die Abwägung und der Kompromiss zur Regelung dieser Verfahren ge- hören. Viele Aspekte sind zu berück- sichtigen, und bei einer Entscheidung müssen bestimmte Aspekte zurück- treten – so oder so mit Folgen für die Beteiligten. Zu loben ist, wer sich dazu bekennt, und nicht, wer das ver- leugnet.

Hilflosigkeit oder Eingeständnis der Schwierigkeiten?

Wenn der redaktionelle Kommentar der Frankfurter Allgemeinen die Aus- führungen Hoppes als „hilflos“ be- zeichnet, so mag man dem in gewissem Maße zustimmen. Aber eignet sich die- se Eigenschaft eines Diskussionsbei- trags als Vorwurf? Wer ist denn in die- ser Situation nicht hilflos? Die, die vor- geben, es nicht zu sein, berufen sich zu- meist auf Prämissen, die schwerlich zu verallgemeinern sind, oder sie scheuen die Komplexität der Sachverhalte. Sie erklären ihren eigenen Standpunkt zum Maßstab für alle anderen und glauben, die Tiefe ihrer persönlichen Überzeugtheit gebiete zwangsläufige Allgemeinverbindlichkeit. Sie können sich beispielsweise auf religiöse Über- zeugung zurückziehen, aber in einem Rechtsstaat mit Religionsfreiheit sind damit die Schwierigkeiten einer allge- meinen Regelung nicht behoben. Ein Eingeständnis der Schwierigkeiten, will man in einer wertepluralen Gesell- schaft hochkomplizierte Methoden der Medizin regeln, ist kein Ausdruck der Hilflosigkeit, sondern ein Ausdruck der Redlichkeit und ein erster Schritt.

Zitierweise dieses Beitrags:

Dt Ärztebl 2001; 98: A 896–898 [Heft 14]

Literatur beim Verfasser

Anschrift des Verfassers:

Prof. Dr. med. Dr. phil. Urban Wiesing Lehrstuhl für Ethik in der Medizin Universität Tübingen

Keplerstraße 15 72074 Tübingen

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A898 Deutsches Ärzteblatt½½½½Jg. 98½½½½Heft 14½½½½6. April 2001

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