• Keine Ergebnisse gefunden

Archiv "§ 218: Sündenböcke" (19.05.1988)

N/A
N/A
Protected

Academic year: 2022

Aktie "Archiv "§ 218: Sündenböcke" (19.05.1988)"

Copied!
1
0
0

Wird geladen.... (Jetzt Volltext ansehen)

Volltext

(1)

Forschung am Menschen dürften Ih- nen nicht unbekannt sein.

Irreführend ist auch Ihr Satz:

„Für Abtreibungen gelten in praxi die Ausnahmeregelungen des § 218 StGB und grundsätzlich die Defini- tion des Bundesverfassungsgerich- tes, daß menschliches Leben im Sinn der geschichtlichen Existenz eines menschlichen Individuums am 14.

Tag nach der Empfängnis beginnt."

Auch hier dürfte Ihnen nicht unbe- kannt sein, daß das nur für die straf- rechtliche Regelung gilt, nicht dage- gen schlechthin. Artikel 2 des Grundgesetzes wird durch die Aus- nahmeregelung nicht aufgehoben.

Schließlich führt auch Ihre Schlußbemerkung in die Irre. Meine dort angesprochene „Kompromiß- losigkeit" gilt der Einhaltung unse- rer Gesetze und der ärztlichen Stan- desregeln. Hier gibt es keine Mög- lichkeit zum Verhandeln und nach Kompromissen zu suchen, so wie man sich nicht auf Grund einer Kompromiß-Lösung darüber eini- gen kann, Raubmorde in besonde- ren Fällen zuzulassen, oder be- stimmten Persönlichkeiten zu gestat- ten, im Straßenverkehr links zu fah- ren. Das ist das, worum es mir geht.

Menschliches Leben ist außer im Fall der Notwehr und des Krieges durch Artikel 2 des Grundgesetzes ausnahmslos geschützt, ebenso seine Unversehrtheit. Fatal ist natürlich, daß unser Staat die ihm aufgegebene Schutzfunktion für das Leben nicht nur nicht wahrnimmt, sondern sich durch die Neuregelung des § 218 StGB von dieser Aufgabe entbun- den hat, indem er keinerlei Kontrol- le dessen, was in diesem Zusammen- hang geschieht, in der gesetzlichen Regelung vorgesehen hat.

Auf diese Dinge hinzuweisen ist nicht „Kompromißlosigkeit", son- dern einfache Bürgerpflicht.

Prof. Dr. med. R. Degkwitz Hauptstraße 5

7800 Freiburg

Schlußwort

Uns sind lediglich Zuschriften zugegangen, die sich kritisch bis ab- lehnend zur Embryonenforschung äußern. Die Verfasser dieser Briefe

scheinen der Meinung zu sein, daß unser Beitrag eher die Embryonen- forschung verteidigt. Tatsächlich lag uns nur daran, die gegensätzlichen Positionen aufzuzeigen und die ak- tuellen Hauptstreitpunkte offenzule- gen. Eine Stellungnahme zugunsten der einen oder anderen Richtung lag nicht in unserem Sinn und kann aus dem Artikel nicht herausgelesen werden. Zu einigen der angespro- chenen Einzelfragen:

Forschungsfreiheit: Die Bun- desregierung hat eine Güterabwä- gung zwischen dem Grundrecht auf Leben und Menschenwürde sowie auf Forschungsfreiheit vorgenom- men. Das wurde in dem Artikel aus- einandergelegt und in diesem Zu- sammenhang festgestellt, daß die Bundesregierung sich gegen das Grundrecht auf Forschungsfreiheit entschieden habe. So ist es. Selbst- verständlich ist es das gute Recht der Bundesregierung, so zu entscheiden.

Wir haben diese Entscheidung nicht bewertet.

Schwangerschaftsabbruch: Die gedankliche Verbindung zwischen Schwangerschaftsabbruch und ver- brauchender Forschung an Embryo- nen ist evident. Die allgemeinen Vorstellungen über den Beginn des Lebens dürften sich auch unter dem Eindruck der neueren Forschung wandeln. Wir stimmen Prof. Dörner zu, daß der § 218 heute wohl nicht mehr so formuliert werden würde.

Diese Auffassung wird auch gestützt durch die jüngste, für die Stim- mungslage charakteristische Diskus- sion in der Bundestagsfraktion der Grünen. — § 2 des Grundgesetzes wird durch die Ausnahmebestim- mungen des § 218 gewiß nicht aufge- hoben werden. Tatsache ist aber auch, daß es diese Ausnahmerege- lungen gibt, daß sie hartnäckig ver- teidigt werden, und darauf haben wir ohne Parteinahme hingewiesen.

Der Hinweis „auf das Schicksal von Prof. Degkwitz während der Nazizeit" (der Ärztliche Vorstand der Gütersloher Klinik) möge als Ausdruck des Respektes gewertet werden, wie der Artikel insgesamt auch vom Respekt vor den von Prof.

Degkwitz geäußerten Auffassungen zeugt.

Norbert Jachertz/Sabine Dauth

§ 218:

Sündenböcke

Zehn Jahre sind seit der Reform des § 218 vergangen. Die Diskussion darüber wird wieder schärfer. Die Fronten sind klar, die Argumente nicht neu.

Ex-Familienminister Geißler legte sich vor Jahren mit der Organi- sation „pro familia" an. Seinem Vorwurf, in Wahrheit betrieben de- ren Mitarbeiter vor allem den Ver- trieb von Anschriften abtreibungs- williger Ärzte, ließ er nach angemes- sener Aufregung sämtlicher Betei- ligter die abwiegelnden Worte fol- gen, es sei ihm ja nur darum gegan- gen, das Bewußtsein dafür zu schär- fen, daß pro Jahr 80 000 Abtreibun- gen legal vorgenommen würden.

Bei der Diskussion um die Ab- brüche sind indirekt immer auch die Ärzte involviert, denen die Politiker gerne die Verantwortung dafür zu- schanzen möchten mit der Begrün- dung, die Ärzte seien es vor allem, die die jährlichen rund 70 000 Indi- kationen wegen „sozialer Notlage"

überhaupt erst ermöglichten.

Natürlich ist es ein Armutszeug- nis, daß in einem Land mit einem Bruttosozialprodukt von fast zwei Billionen Mark so viele Kinder nicht geboren werden. Aber wer ist denn für die wirtschaftlichen, sozialen und familiären Rahmenbedingungen hierzulande verantwortlich?

Gewiß nicht die Frauenärzte, die sich mit den betroffenen Frauen konkret und nicht in der Abstrakt- heit statistischer Zahlen auseinan- dersetzen müssen. Sie wissen, wie schwierig es ist, eine junge Frau, die noch in der Ausbildung ist, von ei- ner Abtreibung abzuhalten. Sie ken- nen die Klagen Alleinstehender, die eine Abtreibung wünschen. Und sie wissen, was Frauen sagen, die schon drei Kinder haben und mit einem vierten die Familie in die Sozialhilfe brächten. Die maximal 5000 DM der Stiftung „Mutter und Kind" sind al- lenfalls ein Tropfen auf den heißen Stein. — Für viele „Notlagen" trägt die Politik eine Mitverantwortung.

Rolf Combach A-1448 (52) Dt. Ärztebl. 85, Heft 20, 19. Mai 1988

Referenzen

ÄHNLICHE DOKUMENTE

Bisher sind sich trotz weitgefächerter Informationsmaßnahmen des Sächsi- schen Staatsministeriums für Energie, Klimaschutz, Umwelt und Landwirt- schaft nur wenige Menschen des Ge

1.   Antipersonenminen oder Streumunition einzusetzen, zu entwickeln, herzustellen, mit ihnen Handel zu treiben, von einem anderen zu erwerben oder einem anderen zu

"Gesetz über die Regelung der Landeszugehörigkeit des Verwaltungsbezirks Oldenburg und des Landkreises Schaumburg-Lippe nach Artikel 29 Abs. 1.1976 +++) Eingangsformel   .

aa) Der Bundesminister für Soziales, Arbeit und Konsumentenschutz hat das Institut für Soziale Innovation als eigenen Rechtsträger zu errichten. Es darf Finanzmittel ausschließlich

Als Sündenböcke werden jene bezeichnet, auf die Schuld abgeschoben wird – sie werden für Ereignisse verant- wortlich gemacht, die anderen Sorgen oder Ängste bereiten.. Vor

Und wenn es dann heißt, daß Gott das schon immer war und auch darum gebeten wurde, dann kann ich zwar nicht an die Gräber in der Hei- mat treten, aber ich weiß all die, die

6.5.6 Auch insoweit kann kein Zweifel bestehen, dass ganz allgemein gesetzgeberische Maßnahmen erforderlich sind, um einen dem Rahmenübereinkommen entsprechenden Schutz der

Die inhaltliche Würdigung von Konfliktlösung in paulinischer Traditi- on hat I Kor 5f im Blick (Kap. 6, Konfliktsitua- tionen nicht vor Gericht, sondern coram ecclesiae zu