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Archiv "Korruption im Gesundheitswesen: Gutachter auf dünnem Eis" (26.11.2004)

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harmafirmen sponsern Ärzten Lu- xusferien im Süden, Klinikchefs vergeben für üppige Provisionen Aufträge, Zahnärzte prellen Kranken- kassen wie Patienten mit Billigpro- thesen aus Fernost. Wie fast überall, wo es um viel Geld geht, wird auch im Ge- sundheitswesen getrickst, gemauschelt und manchmal handfest betrogen. Bis zu 20 Milliarden Euro gehen zulasten der Versicherten durch krumme Ge- schäfte, warnen die Antikorruptions- organisation Transparency International (TI) und der Bundesverband der Ver- braucherzentralen.Wenn der Betrug im Gesundheitswesen wirksam bekämpft würde, brauchte die Politik keine Sparpakete zu schnüren. „Es ist genug Geld im System“, sagte Anke Martiny, TI-Vorstandsmitglied, bei der Vorstel- lung ihres Korruptionsberichts Mitte November in Berlin.

Dass solche Aussagen für Schlagzeilen sorgen, ist kaum verwunderlich. Sie sind Salz auf den Wunden der durch erheb- liche Zuzahlungen belasteten Versicher- ten. Deren Ärger über Betrügereien ist in den Augen aller im Gesundheitswe- sen tätigen Gruppen verständlich. Ob allerdings der vorgelegte TI-Bericht eine solide Grundlage für die Korrup- tionsbekämpfung bietet, wird von Kriti- kern bezweifelt. Das Datenmaterial sei fragwürdig, politische Forderungen in Richtung Selbstverwaltung seien mit- unter völlig überholt, heißt es.

Tatsächlich bewegen sich die Gut- achter auf dünnem Eis. So stützen sich Transparency und Verbraucherzen- tralen bei wichtigen Parametern ihrer Untersuchung lediglich auf Medien- berichte oder auf „gut informierte“, aber anonyme Quellen. Noch brisanter allerdings ist, dass sie die Höhe der Betrugsschäden in Deutschland aus Daten ableiten, die in den USA er-

mittelt wurden – also aus einem vom deutschen grundverschiedenen Gesund- heitssystem.Amerikanische und britische Gesundheitsexperten gingen davon aus, dass drei bis zehn Prozent der Ausgaben im Gesundheitssektor durch Betrug verschleudert werden, heißt es in dem Bericht. „Es besteht kein Grund zu der Annahme, dass dieser Anteil in Deutschland geringer ausfällt.“ Warum es keine handfesten Daten für Deutsch- land gibt, begründet TI-Sprecherin Martiny mit der hohen Dunkelziffer von 95 Prozent – einem ebenfalls ge- schätzten Wert.

Das bloße Herunterbrechen ame- rikanischer Daten auf deutsche Ver- hältnisse stößt selbst bei Vertretern der gesetzlichen Krankenkassen auf Kritik.

Ein Sprecher des Bundesverbandes der Betriebskrankenkassen zeigte sich gegenüber dem Deutschen Ärzteblatt skeptisch, ob man die Verhältnisse in den USA eins zu eins auf Deutschland übertragen kann. Nach Meinung der Barmer Ersatzkasse ist der Schaden durch Betrug und Missbrauch im deut- schen Gesundheitswesen sehr viel ge- ringer als von den Korruptionswächtern genannt. Die Zahl von bis 20 Milliarden

Euro sei „reichlich hoch gegriffen“, sagte Barmer-Chef Eckart Fiedler. Die Organisationen wollten offenbar mit

„überzogenen Zahlen“ öffentlich Auf- merksamkeit erregen.

Rückendeckung für Transparency gab hingegen Gernot Kiefer, Vorstand des Bundesverbandes der Innungskran- kenkassen und Leiter der AG Abrech- nungsmanipulationen der Spitzenver- bände der Krankenkassen: „Die Kritik an den von Transparency International vorgelegten Zahlen ist scheinheilig und dient ausschließlich dazu, vom eigentli- chen Kern des Problems abzulenken.“

Es sei wichtig und gut, dass das Thema der Öffentlichkeit erneut vor Augen geführt werde, sagte Kiefer.

Umstritten ist nicht nur das Daten- material, das dem Korruptionsbericht zugrunde liegt, sondern auch die dar- aus abgeleiteten politischen Forderun- gen. Der Vorsitzende der Kassen- ärztlichen Bundesvereinigung, Dr. med.

Manfred Richter-Reichhelm, wies dar- auf hin, dass die Vertragsärzteschaft die von den Autoren vorgetragene Forde- rung nach einer wach- senden Professionali- sierung innerhalb der Selbstverwaltung bereits seit Monaten umsetze:

„In fast allen Kas- senärztlichen Vereini- gungen haben die Ärzte inzwischen hauptamtli- che Vorstände gewählt.“

Nachweislich dane- ben liegt Transparency mit der Behauptung, die Mitglieder der Kassen- ärztlichen Vereinigun- gen (KVen)würden über die Höhe der Aufwandsentschädigungen der KV-Funktionäre im Unklaren gelas- sen. Richtig ist, dass die Vergütung nach den Vorgaben des Gesetzgebers bereits im März dieses Jahres im Deutschen Ärzteblatt (Heft 13) veröffentlicht wurde.

Entsprechend zurückhaltend rea- gierte denn auch das Bundesgesund- heitsministerium auf den Bericht von Transparency. Dort hieß es, man kom- me gut voran, die Korruption in den Griff zu bekommen. Die meisten Beschäftigten im Gesundheitswesen er- ledigten ihre Arbeit korrekt, auch wenn es schwarze Schafe gebe. Samir Rabbata P O L I T I K

Deutsches ÄrzteblattJg. 101Heft 4826. November 2004 AA3231

Korruption im Gesundheitswesen

Gutachter auf dünnem Eis

Bis zu 20 Milliarden Euro verschwinden durch Betrug im Gesund- heitswesen, berichten Verbraucherschützer und Transparency International. Doch überzeugend belegen können sie dies nicht.

Sorgen immer wieder für Schlagzeilen: Korruptionsvorwürfe im Gesundheitswesen. Die Forderungen sind jedoch oft überholt.

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