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Archiv "Direktbeteiligung: Deutschland liegt auf einem Mittelplatz" (23.08.2004)

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eutschland zählt im internationa- len Vergleich zu jenen Ländern, in denen Ärzte am häufigsten konsul- tiert werden. Bei den Zuzahlungs- regelungen im gesetzlichen System der Gesundheitssicherung liegt Deutschland dagegen auf einem Mittelplatz. Zu die- sem Ergebnis kommt ein Gutachten von BASYS Beratungsgesellschaft für Sy- stemfragen im Gesundheitswesen mbH, Augsburg, das im Auftrag des Bundesmi- nisteriums für Gesundheit und Soziale Sicherung auf der Basis des Jahres 2003 unter Berücksichtigung der Vergleichs- daten der europäischen Länder durch- geführt wurde. Berücksichtigt wurden auch die Neuregelungen des GKV- Modernisierungsgesetzes (GMG), das im Wesentlichen eine Zusatzbelastung

durch die am 1. Januar 2004 neu ein- geführte Praxisgebühr für die Kranken- versicherten mit sich brachte. Solche Praxis-„Eintrittsgelder“ sind in ande- ren europäischen Ländern bereits seit vielen Jahren üblich, beispielsweise in den skandinavischen Ländern, ins- besondere im „Muster-Wohlfahrtsstaat“

Schweden und in Frankreich, wo seit jeher das Kostenerstattungsverfahren (mit Selbstbehalt) gilt.

Veröffentlichung der Studie von Schmidt zeitlich abgepasst

Bei der Studie des Augsburger Instituts BASYS handelt es sich um eine Sonder- auswertung einer seit vielen Jahren vom

Bundesgesundheitsministerium in Auf- trag gegebenen internationalen Ver- gleichsstudie der Gesundheitssiche- rungssysteme, die auch früher schon von dem damaligen Bundesgesund- heitsminister der konservativ-liberalen Bundesregierung, Horst Seehofer, in Pressekonferenzen erläutert und kom- mentiert wurde. Bei der aktuellen Un- tersuchung fällt aber auf, dass die Er- gebnisse just zu dem Zeitpunkt vor der Bundespressekonferenz und im Fernse- hen durch die Bundesgesundheits- und Sozialministerin Ulla Schmidt publik gemacht wurden, als die ersten Zwi- schenergebnisse der am 1. Januar 2004 in Kraft getretenen Gesundheitsreform in einem positiven Licht dargestellt werden sollten. Bei der internationalen Vergleichsstudie und in den öffentlich- keitswirksamen Kommentaren der zu- ständigen Ressortministerin wurden allerdings nicht erwähnt die kollektive Basisfinanzierung im gesetzlichen Sy- stem im Zusammenhang mit den übri- gen Sozialabgaben, die Art und Weise der Leistungsgewährung (Sachleistung versus Kostenerstattung) und der Umfang des Pflichtleistungskatalogs der Krankenversicherung.

In neun Ländern wurden die Häufig- keit und die Relevanz der Arztbesuche miteinander verglichen. Ergebnis: Deut- sche liegen mit 9,1 Arztbesuchen pro Jahr an der Spitze (Basis: 1998). Belgier und Japaner konsultieren nahezu dop- pelt so häufig einen Arzt wie Niederlän- der (2001: 5,8 im Jahr), Franzosen (2000:

5,4), Schweden (1999: 2,9), gefolgt von den Dänen und den Schweizern.

Berechnet wurden auch die Bela- stungswirkungen von Direktzuzahlun- gen in den einzelnen Leistungsberei- chen der Krankenversicherung. Bezogen auf die Pro-Kopf-Gesundheitsausgaben (ohne Langzeitpflege und sonstige Lei- stungen) ist die Zuzahlung am höchsten in der Schweiz (13,9 Prozent), gefolgt von Frankreich (9 Prozent) und Däne- mark (8,4 Prozent). In Österreich liegt dieser Anteil bei 6,4 Prozent, in den Nie- derlanden bei 4,1 Prozent. In Deutsch- land betrug der Zuzahlungsanteil vor In-Kraft-Treten des GKV-Modernisie- rungsgesetzes 5,2 Prozent (absolut: mehr als 10 Milliarden Euro jährlich).

Bei der Zuzahlung, gestützt auf das Pro-Kopf-Einkommen der Bevölkerung, P O L I T I K

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A2288 Deutsches ÄrzteblattJg. 101Heft 34–3523. August 2004

Direktbeteiligung

Deutschland liegt auf einem Mittelplatz

BASYS-Gutachten über „Zuzahlungen im internationalen Vergleich“ vom Gesundheitsministerium veröffentlicht

Zuzahlungsbefreiungen

Umfrage bei Krankenkassen-Verbänden

Gesetzlich Versicherte können sich, wenn der Gesamtbetrag der Zuzahlungen und Direktbeteiligungen zwei Prozent des jährlichen Brutto-Familieneinkommens übersteigt, von jedweden Zuzahlungen befreien lassen.

Bei chronisch Kranken liegt die Höchstbelastungsgrenze bei einem Prozent. Zuzahlungen fallen in Form der Praxisgebühr, der Rezeptgebühr für Medikamente, der Zuzahlung bei verordneten und Verbandmitteln und bei Hilfs- und Heilmitteln, bei häuslicher Krankenpflege, Krankenhausaufenthalten bei der stationären medi- zinischen Rehabilitation, beim Krankentransport und bei Fahrten zu einer ambulanten Behandlung an.

Von den rund 25 Millionen Mitgliedern der Ortskrankenkassen (AOK) sind bis zum 1. Juni dieses Jahres 1,13 Millionen (5,52 Prozent) von Zuzahlungen befreit.

Ende Mai dieses Jahres waren 100 000 von insgesamt 4 468 000 IKK-Versicherten (2,24 Prozent) von Zuzahlungen befreit.

Der BKK-Bundesverband schätzt die Zahl der von den Zuzahlungen Befreiten Ende Juni dieses Jahres auf 200 000 (1,43 Prozent) – Tendenz steigend. Insgesamt sind 14 Millionen Personen bei Betriebskranken- kassen versichert.

Von den 22 Millionen VdAK/AEV-Versicherten waren Ende Juni 500 000 von den Zuzahlungen befreit (2,27 Prozent).

Nach Hochrechnungen des Wissenschaftlichen Instituts der AOK (WIdO), Bonn, wird sich die Gesamtzahl aller Versicherten, die bei ihrer Krankenkasse in den kommenden Monaten Anträge auf Zuzahlungsbefrei- ung stellen, auf 20 Millionen belaufen. (WIdO: Marktforschung, GKV-Monitor: Inanspruchnahmeverhalten nach dem GMG, Stand: Mai 2004)

Nach Angaben der ABDA – Bundesvereinigung Deutscher Apothekerverbände, Berlin, ist der Anteil der Zu- zahlungen an den Arzneimittelausgaben kontinuierlich gesunken.Wurden im Januar durchschnittlich noch 6,13 Euro bei jedem Rezept zugezahlt, waren es im Mai nur noch 5,78 Euro. Für die ABDA ist dies der Be- leg dafür, dass bereits viele Patienten ihre Belastungsgrenze erreicht haben und für den Rest des Jahres

von Zuzahlungen befreit sind. MM

Textkasten

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ändert sich teilweise die Rangfolge der Länder. Nach der Schweiz (10,7 Prozent), Frankreich (7,7 Prozent), Österreich (6,61 Prozent) und Dänemark (4,83 Pro- zent) liegt Deutschland mit 4,26 Prozent vor den Niederlanden mit 2,41 Prozent.

Die relativ geringe Zusatzbelastung in Dänemark und in den Niederlanden kor- respondiert mit dem niedrigeren Anteil der dortigen Gesundheitsausgaben am Bruttoinlandsprodukt.

Als Folge des GKV-Modernisie- rungsgesetzes stieg die Zuzahlungs- belastung der durchschnittlichen Ein- kommen in Deutschland von 4,3 Pro- zent auf 5,91 Prozent. Die Zuzahlungs- zusatzeinnahmen der Krankenkassen belaufen sich auf 3,2 Milliarden Euro im Jahr 2004. Die Zuzahlungserhöhun- gen führten dann auf ein Niveau, das im Mittelfeld der europäischen Nachbar- länder liegt. Dabei ist zu berücksichti- gen, dass auch in den europäischen Nachbarländern die Zuzahlungen aktu- ell erhöht wurden oder noch diskutiert werden. Die durchschnittliche Zusatz- belastung in Österreich, Frankreich, der Schweiz und in Dänemark beträgt 6,1 Prozent. Der Anteil der Zuzahlungen an der Finanzierung der Gesundheits- ausgaben (ohne Langzeitpflege) steigt durch die Maßnahmen des GMG von 5,2 auf 7,2 Prozent. Der durchschnitt- liche Finanzierungsanteil der Zuzah- lungen der fünf ausgewählten Länder liegt bei 8,1 Prozent.

Belastungsgrenzen bei Härtefällen

Die BASYS-Studie untersucht auch die Befreiungsregelungen und die übrigen Modalitäten der Direktbeteiligung der Versicherten an den Krankheitskosten.

Dabei wurden im Wesentlichen zwei Gruppen von Befreiungsregelungen ausgemacht: sozial und medizinisch indizierte Regelungen. Zu den sozial indizierten Regelungen gehört die Be- freiung von Kindern oder bestimmter Personengruppen, beispielsweise durch Überforderungsgrenzwerte, um unzu- mutbare Belastungen zu vermeiden.

Medizinisch indizierte Regelungen knüpfen an einzelne Indikationen und Krankheitsbilder, die Schwere von Erkrankungen oder aber an bestimmte

Tatbestände (wie beispielsweise Arbeits- unfall oder Schwangerschaft) an.

Bei Inanspruchnahme von ärztlichen Leistungen gelten in Belgien, in der Schweiz und in Frankreich, die prozen- tuale Zuzahlungen verlangen, Über- forderungsbegrenzungen. Ferner gibt es in allen Ländern Mechanismen zur Abfederung der sozialen Belastungen.

Allerdings unterscheiden sich die Überforderungsgrenzen zwischen den einzelnen Ländern erheblich. In Öster- reich gibt es keine Überforderungs- regelung, da die geringe Krankenschein- gebühr nur viermal im Jahr zu zahlen ist. Einkommensabhängige Überforde-

rungsklauseln und Belastungshöchst- grenzen gibt es in Belgien, Deutschland, Schweden und in Japan.

Die varianten- und umfangreichsten Möglichkeiten bei der Zuzahlungshöhe in der Gesundheitssicherung gibt es in der Schweiz. Dänemark praktiziert ei- nen alternativen Tarif für die ambulante Versorgung, der Wahlmöglichkeiten mit einer höheren Zuzahlung verbindet. In Frankreich, wo seit jeher das Kostener- stattungsverfahren gilt, und in Däne- mark besteht indirekt eine Wahlmög- lichkeit für eine Zusatzversicherung, die die Kosten der Zuzahlung über- nimmt. Dr. rer. pol. Harald Clade P O L I T I K

Deutsches ÄrzteblattJg. 101Heft 34–3523. August 2004 AA2289

Grafik 2

Hilfsmittel Arzneimittel Heilmittel Reha, Kuren Krankenhaus Zahnärzte/Zahnersatz Arztpraxen

0,00 0,50 1,00 1,50 2,00 2,50 ‰

Ausland Deutschland nach GMG

Grafik 1

Hilfsmittel Arzneimittel Heilmittel Reha, Kuren Krankenhaus Zahnärzte/Zahnersatz Arztpraxen

0,00 0,50 1,00 1,50 2,00 2,50 ‰

Ausland Deutschland vor GMG

Die Promilleangaben beziehen sich auf den Anteil, gemessen am Bruttoinlandsprodukt pro Kopf. Quelle: BASYS

Zuzahlungsbelastung vor GMG, verglichen mit dem Ausland

Zuzahlungsbelastung nach GMG, verglichen mit dem Ausland

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