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Archiv "Pharmamarketing: Ärzte als williges Werkzeug" (09.05.1997)

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Academic year: 2022

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Bei der vor kurzer Zeit in dieser Zeitschrift geführten „Helicobacter- pylori-Diskussion“ wurde leider ein Aspekt schamhaft verschwiegen, nämlich die Verquickung von medizi- nischer Aufklärung und pharmazeuti- schem Marketing.

Wenn angesehene Ärzte sich in ganzseitigen Anzeigen ablichten las- sen und für bestimmte Arzneimittel werben, ohne erkennen zu geben, wer die Kosten der Kampagne trägt, dann werden wir zumindest unzureichend informiert. Es ist das Recht desjeni- gen, der aufgeklärt wird, zu erfahren, ob die Unabhängigkeit der Aufklärer gewährleistet ist. Dies hätte erfolgen können, indem die „Initiative für die neue Ulcus-Therapie“ etwa mit fol- gendem Zusatz versehen worden wä- re: „Die Unterzeichneten haben diese Aktion aus eigenen Mitteln und ohne die Unterstützung der für die genann- ten Medikamente verantwortlichen Firmen finanziert.“ Andernfalls hätte der Zusatz etwa so lauten müssen:

„Die Anzeige wurde von der Firma X finanziert, und der Abgebildete hat dafür ein Honorar von XXXX DM er- halten.“ Bei einer solchen Vorgehens- weise wäre es dem unbefangenen Be- trachter möglich gewesen, die Ernst- haftigkeit und den Wert der Kampa- gne kritisch zu analysieren und richtig einzuordnen.

Abhängigkeiten der Vortragenden darlegen

Gewiß wird Fortbildung häufig durch die pharmazeutische Industrie finanziert, und Wissenschaftler erhal- ten nicht allzu selten für ihr diesbe- zügliches Engagement ein Honorar.

Der Zuhörer hat aber ein Recht dar- auf, mehr über mögliche finanzielle Abhängigkeiten der Vortragenden zu erfahren. Das ist keinesfalls eine uto- pische Forderung, sondern ihr wird in den USA bereits nachgekommen.

Dort müssen Vortragende schriftlich darlegen, von welchen Firmen sie Ho-

norare erhalten, ob sie entsprechende Aktien besitzen oder gar Beraterver- träge abgeschlossen haben (1). Es ist allerhöchste Zeit, daß auch bei uns den Zuhörern wissenschaftlicher Ver- anstaltungen derartige Informationen zugänglich gemacht werden, damit mögliche Interessenkonflikte und Voreingenommenheiten erkannt und Inhalte von Vorträgen kritisch gewer- tet werden können.

Abhängigkeiten zwischen Indu- strie und Ärzteschaft existieren nicht nur auf der Ebene sogenannter Mei- nungsbildner, sondern leider auch auf der der Rezeptblockbesitzer. Auf die Problematik der Vorteilsannahme durch Ärzte ist außerhalb der Bundes- republik Deutschland in zahlreichen Artikeln aufmerksam gemacht wor- den (2–4). Hierzulande dagegen er- scheint die ethische Fragwürdigkeit, größere Geschenke von der pharma- zeutischen Industrie anzunehmen, trotz entsprechender Vorschriften un- serer Berufsordnung, entweder nicht erkannt oder ignoriert zu werden.

Wer heute zu (internationalen) Kongressen an attraktive Orte fährt, wird sich über eine Vielzahl deutscher Kollegen wundern, die in Gruppen und unter der Obhut von Vertretern der Pharmaindustrie auftreten. Daß dieses Verhalten als ein normales Phä- nomen zu betrachten ist, wurde mir kürzlich bewußt, als mich ein Kollege auf der amerikanischen Gastroentero- logentagung mit den Worten er- schreckte: „Mit welcher Firma sind Sie eigentlich hier?“ Seither trete ich jede berufliche Reise mit der Sorge an, man könne auch mich als Nutznießer frag- würdiger Einladungs-Praktiken ver- dächtigen, und ich ertappe mich selbst bei dem Gedanken, ob dieser oder je- ner geschätzte Kollege nicht auch zum Heer der Abhängigen gehört.

Manch einer wird sich fragen, warum ich mich denn über einen Um- stand errege, der in der Wirtschaft gang und gäbe ist. Nun, Ärzte sind für gewöhnlich keine Wirtschaftsma- nager und sind in ihrem Handeln aus-

schließlich dem Patienten verpflich- tet. Diese Verpflichtung ist nur unzu- reichend erfüllbar, wenn die Rezeptur von der zuvor erfolgten Reise beein- flußt wird. Natürlich wird jeder Be- troffene sagen, die ihm zugekomme- ne Zuwendung bewirke keinerlei Ver- pflichtungen. Die Zuwendung würde indes nicht erfolgen, wenn die Indu- strie sich davon nichts verspräche.

Und demjenigen, der trotz Zuwen- dung auf seiner Unabhängigkeit be- harrt, muß zumindest eine parasitäre Verhaltensweise angelastet werden.

Notwendiges Engagement der Industrie

Um nicht mißverstanden zu wer- den: meine Kritik bezieht sich nicht auf das notwendige Engagement der pharmazeutischen Industrie in Wis- senschaft und Fortbildung. Sie be- zieht sich ausschließlich auf die pro- blematische Vorteilsannahme gutsitu- ierter Ärzte. Auch ist es keinesfalls fragwürdig, wenn jungen wissen- schaftlichen Talenten aus Mitteln der Industrie Forschungstätigkeit und Kongreßteilnahme finanziert werden.

Sie stehen nicht im Verdacht, dadurch in ihrer Handlungsfreiheit beein- trächtigt zu werden. Derartige Unter- stützungen fördern die medizinische Wissenschaft und kommen damit in- direkt unseren Patienten zugute.

Ganz anders verhält es sich aber mit den Meinungsbildnern und Rezeptie- rern. Sie dürfen sich in derartige Ab- hängigkeiten nicht begeben und sich schon gar nicht an Arzneimittelrekla- men wie der „Initiative für die neue Ulcustherapie“ beteiligen.

Literatur

1. Ethics Document. American Society for Gastrointestinal Endoscopy. August 1992.

Manchester, Massachusetts, USA

2. Council on Ethical and Judicial Affairs of the American Medical Association: Gifts to physicians from industry. JAMA 1991; 265:

501

3. Bricker EM: Industrial marketing and med- ical ethics. New Engl J Med 1989; 320:

1690–1692

4. Waud RD: Pharmaceutical promotions – a free lunch? New Engl J Med 1992; 327:

351–353

Prof. Dr. med. Volker F. Eckardt Dotzheimer Straße 14–18 65185 Wiesbaden

A-1260 (36) Deutsches Ärzteblatt 94,Heft 19, 9. Mai 1997

T H E M E N D E R Z E I T FORUM

Pharmamarketing

Ärzte als williges Werkzeug

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Es ist doch merkwürdig: Es gibt Arztpraxen, in denen man – mit oder ohne Termin – nie länger als eine vier- tel bis eine halbe Stunde wartet. Es gibt andere, in denen man – trotz Ter- min – nie weniger als zwei Stunden zu warten hat.

Frage ich in diesen Praxen nach, bekomme ich fast immer folgende Er- klärung (eine Entschuldigung habe ich bisher nur ein einziges Mal gehört): „Wir hatten Schmerzpati- enten vorzuziehen.“

Die Erfahrung besagt jedoch etwas ganz anderes:

Patienten mit akuten, kaum auszuhaltenden Schmerzen, denen keinerlei Wartezeit zugemutet werden darf, gibt es kaum – abge- sehen davon, daß dieser Zustand subjektiv ist und schließlich auch der langfristig angemeldete Pati- ent am vereinbarten Termin unter erheblichen akuten Schmerzen lei- den kann.

Offensichtlich wird die Zeit, in der der Patient beim Arzt vorspre- chen darf, eher zu kurz bemessen, geringer jedenfalls, als es der im Durchschnitt tatsächlich benötig- ten Untersuchungs- oder Bera- tungszeit entspricht – um auf kei- nen Fall Wartezeit für den Arzt ent- stehen zu lassen.

Vereinzelt werden sogar zwei Pa- tienten zur selben Zeit bestellt; es könnte ja einer verspätet oder gar nicht kommen.

Welche Gründe aber auch immer dazu führen, daß Patienten länger als eine halbe Stunde auf den erlösenden Aufruf ihres Namens warten müssen – warum erscheint praktisch niemals eine jener organisationsmächtigen Tresenkräfte von sich aus im Warte- zimmer, erklärt die Verzögerung und stellt anheim, die Praxis zu verlassen und eine halbe Stunde, eine Stunde oder eben auch zwei Stunden später wiederzukommen?

Ist es nicht denkbar, daß auch die Zeit von Patienten kostbar ist – und jedenfalls zu schade, um sie im wenig

ermunternden Kreise der vielen Mit- Leidenden zu verdösen?

Das Ganze wäre ja nicht so nerv- tötend, wenn die Wartezimmer wenig- stens ein Minimum an geistiger Anre- gung zu bieten hätten. Das übliche An- gebot beschränkt sich jedoch auf Lese- zirkelhefte, die meist nicht einmal dem unterschiedlichen Leseniveau, Unter- haltungs- oder Informationsbedürfnis

der Patienten gerecht werden; Rekla- meposter und Infofolder der pharma- zeutischen Industrie, bestenfalls aber Wechselrahmen mit – freilich nie ge- wechselten – Kunstgemälden.

Eine irgendwo noch hinge- quetschte Kleinkinderecke mit zer- fledderten Bilderbüchern, einem Minisortiment von Bauklötzen oder Legosteinen und längst demolierten Spielzeugautos sowie „beruhigende“

Musikberieselung vom Band ergän- zen manchmal die „Wartekultur“ in Arztpraxen.

Warum jedoch nicht einmal et- was Neues in die Wechselrahmen?

(Die steuerliche Absetzbarkeit sollte es doch – noch – möglich machen?)

Eine Pinnwand mit aktuellen me- dizinischen Nachrichten, Cartoons oder ähnlichem?

Eine für die jeweilige Praxis indi- viduell zusammengestellte „Nach- richtenmappe für meine Patienten“

oder auch nur der Anschlag eines

„Wortes der Woche“ – am besten an einer Tafel mit Kommentiermöglich- keit (und damit der Förderung von krankheitsunabhängigen Gesprächen der Patienten untereinander dien- lich)?

Kaum auszudenken: ein PC-Pro- bierplatz für Unerfahrene – oder gar ein Internet-Anschluß zum kurzweili- gen Surfen?

Bis auf den letzten kosten sämtli- che dieser Vorschläge nichts als ein wenig (den Patienten gewidmete) Zeit und Mühe, der letzte nicht mal das, sondern allenfalls „peanuts“.

Es gibt sicher noch viel mehr praktikable Wege, Patienten die Wartezeit zu verkürzen – jeden- falls, was die Hauptwartezeit be- trifft. Denn mit dem Verlassen des Wartezimmers ist es ja oft noch längst nicht getan: Dem Gespräch mit dem Arzt – immer in Eile, denn man spürt, man habe sich jetzt doch bitte kurz zu fassen –, diesem ersten Gespräch folgt üblicherwei- se die Verabreichung praxisge- rechter Diagnose- und Thera- piehäppchen an das leidgeplagte Individuum: Dazu hat es immer wieder einsame Viertelstunden in diversen, oft unterkühlten „MTA- Zellen“ abzusitzen – in Labor-, Röntgen-, EKG-, Ultraschall-, Pflaster- und Verbandskabinen.

Brav schlucken wir alles, was uns nach und nach verordnet wird. End- lich aber dürfen wir, dankbar ob all des medizinischen Aufwands für un- ser Wohlergehen, die heiligen Hallen verlassen – und dem nächsten All- mächtigen bei der Rückkehr an unse- ren Arbeitsplatz die vorwurfsvolle Frage beantworten „Was haben Sie da eigentlich so lange getrieben?“

Ich aber frage ketzerisch:

Sind jemals irgendwo die Kosten berechnet worden, die privaten und öffentlichen Arbeitgebern durch die sinnlos verbrachte Arbeitszeit in den Wartezimmern vieler „Götter in Weiß“ entstehen?

Warum werden diese Verluste al- lein von den Arbeitgebern und nicht auch von den verursachenden Ärzten

getragen? Elena Ezeani

A-1261 Deutsches Ärzteblatt 94,Heft 19, 9. Mai 1997 (37)

T H E M E N D E R Z E I T GLOSSE

Ärztebesuche

Eine Ketzerin klagt an

Zeichnung: Jörg Spielberg, Kempten

Referenzen

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