Deutsches Ärzteblatt
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Jg. 107|
Heft 30|
30. Juli 2010 A 1461 An der Rückresorption von Glukoseaus dem Primärharn sind Natrium- Glukose-Cotransporter (SGLT) ent- scheidend beteiligt. Mit SGLT- Hemmern kann die Glukose-Rück- resorption in den Nieren gehemmt werden, Glukose wird dann ver- mehrt mit dem Urin ausgeschieden.
Dadurch sinken unter anderem Blutglukosespiegel, HbA
1c-Werte und Körpergewicht. Erstmals wur- den nun Ergebnisse einer Phase-III- Studie mit dem SGLT-Hemmer Dapagliflozin veröffentlicht.
Dapagliflozin ist ein oral appli- zierbarer SGLT-2-Hemmer mit ei- ner Halbwertszeit von etwa 17 Stun-
den. In einer randomisierten, kon- trollierten Phase-III-Studie erhiel- ten erwachsene Typ-2-Diabetiker, die auf Metformin nicht aus - reichend ansprachen, zusätzlich vor dem Frühstück Dapagliflozin 2,5 mg, 5 mg, 10 mg oder Placebo über 24 Wochen. Der primäre End- punkt, der HbA
1c-Wert, wurde in allen drei Dapagliflozin-Gruppen signifikant im Vergleich zu Placebo gesenkt (Tabelle). Auch das Körper- gewicht reduzierte sich mit Dapa- gliflozin in allen drei Dosierungen signifikant im Vergleich zu Placebo schon früh ab Therapiebeginn und über den gesamten Untersuchungs-
zeitraum. Die Glukoseausscheidung im Urin stieg unter Dapagliflozin, nicht aber bei Placebo.
Hypoglykämien gab es vergleich- bar häufig (2 bis 4 %) in allen Grup- pen, sie waren in der Regel leicht.
Genitalinfektionen waren in der Da- pagliflozin-Gruppe mit 8 bis 13 % häufiger als unter Placebo (5 %).
Schwere Nebenwirkungen traten in allen Gruppen vergleichbar häufig auf (3 bis 4 %).
Fazit: Das neue Therapieprinzip ei- ner SGLT-2-Hemmung kann bei Typ-2-Diabetikern, die auf Metfor- min nicht gut ansprechen, die Blut- zuckerkontrolle verbessern. Prof.
Dr. med. Markolf Hanefeld und Dr.
Thomas Forst (Dresden) äußern im Editorial die Vermutung, SGLT-2 - Hemmer könnten wegen der schäd- lichen Wirkungen erhöhter Blut - glukosewerte, ihrer gewichtsredu- zierenden Effekte und des geringen Hypoglyämierisikos auch zur Thera- pie in sehr frühen und späten Krank- heitsstadien infrage kommen.
Dr. rer. nat. Susanne Heinzl
1. Bailey C et al.: Effect of dapagliflozin in pa- tients with type 2 diabetes who have inade- quate glycaemic control with metformin: a randomised, double-blind, placebo-control- led trial. Lancet 2010; 375: 2223–33.
2. Hanefeld M et al.: Dapagliflozin, an SGLT2 inhibitor, for diabetes. Lancet 2010; 375:
2196–7.
TABELLE
Änderung des HbA1c-Werts und des Körpergewichts (95%-Konfidenzintervall) in Woche 24 im Ver- gleich zum Ausgangswert bei Patienten mit Diabetes mellitus Typ 2 unter Metformin-Therapie ohne und mit zusätzlicher Gabe von Dapagliflozin in steigender Dosierung
nach Bailey et al.
HbA1c-Wert- Änderung (%) p-Wert (vs. Placebo) Gewichtsabnahme (kg)
p-Wert (vs. Placebo)
Placebo (n = 137) –0,30 (–0,44 bis –0,16)
–0,9 (–1,4 bis –0,4)
Dapagliflozin 2,5 mg (n = 137) –0,67 (–0,81 bis –0,53) 0,0002 –2,2 (–2,7 bis –1,8)
<0,0001
Dapagliflozin 5 mg (n = 137) 0,70
(–0,85 bis –0,56)
<0,0001 – 3,0 (–3,5 bis –2,6)
<0,0001
Dapagliflozin 10 mg (n = 135) –0,84 (–0,98 bis –0,70)
<0,0001 –2,9 (–3,3 bis –2,4)
<0,0001 karzinome diagnostiziert (Haz ard
Ratio 0,77; 95%-Konfidenzintervall 0,70–0,84). Die Mortalität an kolo- rektalen Karzinomen war in der En- doskopie um 31 Prozent niedriger (HR 0,69; 95%-KI 0,59–0,82). In der Per-Protokoll-Analyse, die nur die 71 % der Probanden berück- sichtigte, die tatsächlich sigmoido- skopiert wurden, waren die Abnah- men mit 33 % beziehungsweise 43 % noch aus geprägter. Die Inzi- denz von Karzi nomen im Rektum und Sigma wurde um 50 % re - duziert. Um die Diagnose eines Karzinoms zu verhindern, mussten 191 Probanden untersucht werden („Number- needed-to-be-screened“;
95%-KI 145–277); für die Verhin-
derung eines Todesfalls lag die Zahl bei 489 (95%-KI 343–852).
Fazit: Die Studie zeigt erstmals pro- spektiv randomisiert den Nutzen endoskopischer Screeningmethoden bei der Darmkrebsvorsorge mit einer Senkung von Mortalität und Darm- krebsinzidenz. Sie schließe damit ei- ne Lücke, so Dr. Christian Pox und Prof. Dr. med. Wolf Schmiegel (beide Bochum). Der positive Ef- fekt wäre vermutlich bei regelmäßi- ger Sigmoidoskopie (zum Beispiel alle 5 Jahre) statt einmaliger noch größer gewesen.
Man sollte jetzt in Deutschland nicht die Koloskopie durch die Sig- moidoskopie ersetzen, denn deren
protektiver Effekt war erwartungs- gemäß auf die einsehbaren distalen Abschnitte beschränkt, so Pox und Schmiegel. Von den 44 % der Kar- zinome in der Screeninggruppe, die proximal des Sigmas lagen, wurden weniger als 5 % bei der Vorsorge entdeckt. Hier ist die Koloskopie klar im Vorteil, zumal wenn durch flächendeckende Maßnahmen, wie sie im Rahmen der Einführung der Vorsorgekoloskopie in Deutschland implementiert wurden, eine hohe Untersuchungsqualität gewährleis- tet wird. Josef Gulden
Atkin WS et al.: Once-only flexible sigmoidos- copy screening in prevention of colorectal cancer: a multicentre randomised controlled trial. Lancet 2010; 375: 1624–33.
DIABETES MELLITUS