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Langzeitregistrierung der circadianen Rhythmen des Schlaf-Wach-Zyklus, der Körperkerntemperatur und der Aktivität bei Ratten, Spitzhörnchen (Tupaia belangeri) und Weißbüschelaffen (Callithrix jacchus)

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Academic year: 2022

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Langzeitregistrierung der circadianen Rhythmen des Schlaf-Wach-Zyklus, der Körperkerntemperatur und der Aktivität bei Ratten, Spitzhörnchen (Tupaia belangeri) und

Weißbüschelaffen (Callithrix jacchus)

INAUGURAL – DISSERTATION

zur Erlangung des Grades einer Doktorin der Veterinärmedizin - Doctor medicinae veterinariae -

( Dr. med. vet. )

vorgelegt von Kerstin Plaßmann

Bielefeld

Hannover 2010

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Deutsches Primatenzentrum, Göttingen

1. Gutachter: Univ. Prof. Dr. F.-J. Kaup 2. Gutachter: Univ. Prof. Dr. E. Zimmermann

Tag der mündlichen Prüfung: 18.11.2010

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2 LITERATURÜBERSICHT ... 3

2.1 Der Schlaf-Wach-Zyklus ... 3

2.1.1 Überblick und Definition ... 3

2.1.2 Schlafphasen ... 4

2.1.3 Neuronale Regulation ... 5

2.1.3.1 Regulation des Wachzustandes ... 5

2.1.3.2 NREM-Schlaf ... 7

2.1.3.3 REM-Schlaf ... 9

2.1.4 Homöostase ... 10

2.1.5 Circadiane Rhythmik ... 11

2.1.6 Schlaf und Thermoregulation ... 13

2.1.7 Methoden der Registrierung ... 15

2.1.7.1 Aufzeichnung des Ruhe-Aktivitäts-Zyklus ... 15

2.1.7.2 Elektroenzephalographie ... 16

2.1.7.3 Temperatur ... 17

2.2 Untersuchte Tierarten ... 18

2.2.1 Ratten (Rattus norvegicus) ... 18

2.2.1.1 Lebensweise von Ratten ... 19

2.2.1.2 Physiologie von Laborratten ... 21

2.2.1.3 Ratten in der tierexperimentellen Forschung ... 23

2.2.2 Spitzhörnchen ... 24

2.2.2.1 Lebensweise der Spitzhörnchen (Tupaiidae) ... 25

2.2.2.2 Physiologie von Tupaia belangeri ... 28

2.2.2.3 Tupaiidae in der tierexperimentellen Forschung ... 29

2.2.3 Weißbüschelaffen (Callithrix jacchus) ... 31

2.2.3.1 Lebensweise von Weißbüschelaffen ... 31

2.2.3.2 Physiologie von Weißbüschelaffen ... 34

2.2.3.3 Weißbüschelaffen in der tierexperimentellen Forschung ... 35

3 MATERIAL UND METHODEN ... 38

3.1 Tiere und Tierhaltung ... 38

3.1.1 Ratten ... 38

3.1.2 Spitzhörnchen ... 39

3.1.3 Weißbüschelaffen ... 39

3.2 Versuchsaufbau ... 40

3.2.1 Zeitlicher Verlauf ... 41

3.3 NeuroLogger® ... 42

3.3.1 Entwicklung und Optimierung der Kopfhalter ... 43

3.3.1.1 Ratten ... 43

3.3.1.2 Spitzhörnchen ... 44

3.3.1.3 Weißbüschelaffen ... 45

3.3.2 Vorbereitung der Stecker ... 45

(4)

3.5 Implantation der Telemetriesender und Anbringen der NeuroLogger®-Kopfhalter ... 47

3.6 Registrierte Parameter ... 52

3.6.1 Elektroenzephalogramm und Elektromyogramm ... 52

3.6.2 Elektrookulogramm ... 54

3.6.3 Körperkerntemperatur ... 55

3.6.3.1 Remo 200 ... 55

3.6.3.2 PhysioTel® TA-F20 ... 55

3.6.4 Aktivität ... 56

3.6.4.1 Accelerometer ... 56

3.6.4.2 Remo 200 ... 57

3.7 Statistische Auswertung ... 57

4 ERGEBNISSE ... 59

4.1 Ratten ... 59

4.1.1 Registrierung des Elektroenzephalogramms und Elektromyogramms ... 59

4.1.2 Registrierung des Elektrookulogramms ... 60

4.1.3 Schlaf ... 60

4.1.3.1 Beurteilung der Schlafphasen ... 60

4.1.3.2 Circadiane Rhythmik der Gesamtdauer von Wach-, NREM- und REM-Phasen ... 62

4.1.3.3 Einfluss der Haltungsbedingungen auf die circadiane Rhythmik von Wach-, NREM- und REM- Phasen ... 64

4.1.3.4 Schlafstruktur in der Hellphase ... 67

4.1.4 Körperkerntemperatur ... 79

4.1.4.1 Registrierung der Körperkerntemperatur ... 79

4.1.4.2 Circadiane Rhythmik der Körperkerntemperatur ... 79

4.1.4.3 Vergleich der Aufnahmezeiträume ... 82

4.1.5 Aktivität ... 85

4.1.5.1 Registrierung der Aktivität ... 85

4.1.5.2 Circadiane Rhythmik der Aktivität ... 85

4.1.5.3 Vergleich der Aufnahmezeiträume ... 89

4.1.5.4 Korrelation mit der Körperkerntemperatur ... 93

4.2 Spitzhörnchen ... 94

4.2.1 Registrierung des Elektroenzephalogramms und Elektromyogramms ... 94

4.2.2 Schlaf ... 94

4.2.2.1 Beurteilung der Schlafphasen ... 94

4.2.2.2 Circadiane Rhythmik der Gesamtdauer von Wach-, NREM- und REM-Phasen ... 97

4.2.2.3 Schlafstruktur in der Dunkelphase ... 98

4.2.3 Körperkerntemperatur ... 103

4.2.3.1 Registrierung der Körperkerntemperatur ... 103

4.2.3.2 Circadiane Rhythmik der Körperkerntemperatur ... 103

4.2.3.3 Vergleich der Aufnahmezeiträume ... 106

4.2.4 Aktivität ... 108

4.2.4.1 Registrierung der Aktivität ... 108

4.2.4.2 Circadiane Rhythmik der Aktivität ... 108

4.2.4.3 Vergleich der Aufnahmezeiträume ... 109

(5)

4.3.2 Schlaf ... 112

4.3.2.1 Beurteilung der Schlafphasen ... 112

4.3.2.2 Circadiane Rhythmik der Gesamtdauer von Wach-, NREM- und REM-Phasen ... 115

4.3.2.3 Schlafstruktur in der Dunkelphase ... 117

4.3.3 Körperkerntemperatur ... 129

4.3.3.1 Registrierung der Körperkerntemperatur ... 129

4.3.3.2 Circadiane Rhythmik der Körperkerntemperatur ... 129

4.3.3.3 Vergleich der Aufnahmezeiträume ... 132

4.3.4 Aktivität ... 135

4.3.4.1 Registrierung der Aktivität ... 135

4.3.4.2 Circadiane Rhythmik der Aktivität ... 135

4.3.4.3 Vergleich der Aufnahmezeiträume ... 136

4.3.4.4 Korrelation mit der Körperkerntemperatur ... 139

5 DISKUSSION ... 140

5.1 Eingesetzte Systeme und registrierte Parameter ... 140

5.2 Ratten ... 142

5.2.1 Schlaf ... 142

5.2.1.1 Einzelhaltung ... 142

5.2.1.2 Gruppenhaltung ... 145

5.2.2 Körperkerntemperatur ... 147

5.2.3 Aktivität ... 148

5.3 Spitzhörnchen ... 150

5.3.1 Schlaf ... 150

5.3.2 Körperkerntemperatur ... 151

5.3.3 Aktivität ... 152

5.4 Weißbüschelaffen ... 153

5.4.1 Schlaf ... 153

5.4.2 Körperkerntemperatur ... 155

5.4.3 Aktivität ... 157

5.5 Methodik ... 158

5.6 Fazit ... 159

6 ZUSAMMENFASSUNG ... 161

7 SUMMARY ... 164

8 ANHANG ... 166

8.1 Zusatzdaten Ratten ... 166

8.1.1 Schlaf ... 166

8.1.2 Körperkerntemperatur ... 168

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8.2 Zusatzdaten Spitzhörnchen ... 178

8.2.1 Schlaf ... 178

8.2.2 Körperkerntemperatur ... 180

8.2.3 Aktivität ... 184

8.3 Zusatzdaten Weißbüschelaffen ... 186

8.3.1 Schlaf ... 186

8.3.2 Körperkerntemperatur ... 189

8.3.3 Aktivität ... 193

9 VERZEICHNISSE ... 195

9.1 Literaturverzeichnis ... 195

9.2 Abbildungsverzeichnis ... 218

9.3 Abkürzungsverzeichnis ... 227

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1

1 Einleitung

Schlaf ist nicht einfach ein Ruhezustand, sondern ein dynamischer und komplex regulierter Prozess, dessen Funktion trotz intensiver Forschung noch nicht abschließend geklärt ist. Physiologischer Schlaf ist, zumindest bei Säugetieren, durch das Auftreten von NREM- (Non Rapid Eye Movement) und REM-Phasen (Rapid Eye Movement) gekennzeichnet, die in ultradianen Rhythmen alternieren. An der Regulation des Schlaf- Wach-Rhythmus sind homöostatische und circadiane Prozesse beteiligt. Dieser Rhythmus ist jedoch anfällig für Störungen, die auf innere und äußere Faktoren zurückzuführen sind und Schlafstörungen sind die am häufigsten berichteten Gesundheitsprobleme (MAHOWALD u.

SCHENCK 2005; SCHWARTZ u. ROTH 2008). Schlafstörungen treten auch typischerweise bei einer Vielzahl von psychischen und neurologischen Erkrankungen auf. Hier sind zum Beispiel Depressionen, Angsterkrankungen oder Demenz zu nennen (RIEMANN et al. 2001;

LUCCHESI et al. 2005; PAPADIMITRIOU u. LINKOWSKI 2005; WULFF et al. 2010).

Die Erforschung der Ursachen und Mechanismen sowie von Behandlungsmöglichkeiten von Schlafstörungen erfordert adäquate Tiermodelle. Ein häufig verwendetes Tiermodell stellen Ratten dar, die als nachtaktive Tiere einen Schlaf-Wach-Rhythmus aufweisen, der sich deutlich von dem des Menschen unterschiedet. Demgegenüber weisen sowohl Spitzhörnchen als auch Weißbüschelaffen den Vorteil auf, einen ähnlichen Aktivitäts- und Schlafrhythmus wie der Mensch zu haben (CROFTS et al. 2001; FUCHS u. FLÜGGE 2002).

Bei Ratten sind für die direkte Zuordnung von Wach-, NREM- und REM-Phasen bisher vor allem kabelgestützte polysomnographische Systeme beschrieben (DATTA u. HOBSON 2000; VOGEL et al. 2002). Diese Systeme bedingen oftmals eine Bewegungseinschränkung der Tiere und können nur in Einzelhaltung eingesetzt werden. Demgegenüber stehen die bisher bei Ratten, Spitzhörnchen, Weißbüschelaffen und anderen Labortieren eingesetzten telemetrischen Systeme, die zu keiner Mobilitätseinschränkung führen. Jedoch ist bei ihnen die Anzahl der Messkanäle stark eingeschränkt oder die im Transmitter enthaltenen Batterien weisen nur eine kurze Laufzeit auf. Einen weiteren Nachteil, vor allem bei Spitzhörnchen und Weißbüschelaffen, stellt bei den bisher vorhandenen Telemetrie-Systemen die oftmals geringe Reichweite der Signale dar.

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2

Das Ziel der vorliegenden Arbeit bestand darin, zwei neue Systeme zur Langzeitregistrierung des Schlaf-Wach-Rhythmus, sowie den damit eng verknüpften circadianen Verläufen von Körperkerntemperatur und lokomotorischer Aktivität bei Ratten, Spitzhörnchen und Weißbüschelaffen zu etablieren. Dazu wurde ein für Mäuse neu entwickeltes Datenlogger-System zur Registrierung von Elektroenzephalogramm (EEG), Elektromyogramm (EMG) und Aktivität, genannt NeuroLogger®, in Kombination mit telemetrischen Methoden der Temperatur- und Aktivitätsregistrierung eingesetzt. Hiermit sollte eine Registrierung von frei beweglichen, im Sozialverband lebenden Tieren ermöglicht werden.

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3

2 Literaturübersicht

Der erste Abschnitt dieses Kapitels gibt einen Überblick über den Schlaf-Wach-Zyklus.

Beginnend mit der Definition und der Charakterisierung der einzelnen Schlafphasen werden im Anschluss die schlafregulierenden Mechanismen kurz dargestellt. Daran schließt sich eine Übersicht über die Zusammenhänge zwischen Schlaf und Thermoregulation an. Zum Abschluss werden einige Methoden vorgestellt, die im Rahmen der Schlafforschung angewendet werden.

In den nachfolgenden Abschnitten werden die untersuchten Tierarten – Ratten, Spitzhörnchen und Weißbüschelaffen – vorgestellt. Nach einem Überblick über die Systematik sowie einer allgemeinen Beschreibung der Tiere und ihrer Lebensweise folgt eine Darstellung ausgewählter physiologischer Kenngrößen. Zum Abschluss wird eine Übersicht über die Bedeutung und Verwendung der jeweiligen Tierart in der wissenschaftlichen Forschung gegeben.

2.1 Der Schlaf-Wach-Zyklus

2.1.1 Überblick und Definition

Schlaf wird im Allgemeinen als Zustand der Immobilität in Verbindung mit einer stark reduzierten Ansprechbarkeit auf sensorische Reize definiert, der durch seine schnelle Reversibilität gekennzeichnet ist und homöostatisch reguliert wird (SIEGEL 2005, 2008).

Diese Definition kann durch weitere Faktoren, wie die circadiane Organisation des Schlaf- Wach-Zyklus, sowie das Aufsuchen eines Ruheplatzes und das Einnehmen einer speziesspezifischen, schlaftypischen Körperhaltung erweitert werden (CAMPBELL u.

TOBLER 1984; TOBLER 1995).

Der Schlaf-Wach-Rhythmus wurde mit tierartspezifischen Unterschieden bei allen bisher untersuchten Säugetieren und Vögeln nachgewiesen. Des Weiteren wurde Schlaf oder ein Schlaf-ähnlicher Zustand auch bei Fischen (YOKOGAWA et al. 2007), Amphibien

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(HOBSON et al. 1968), Reptilien (TAUBER et al. 1968), sowie Insekten (HENDRICKS et al.

2000) gefunden.

Zur Funktion von Schlaf gibt es zahlreiche Hypothesen; die meisten postulieren, dass Schlaf ein adaptiver Prozess ist, der der Energieersparnis dient und eine Erholungsphase für den Körper bzw. das Gehirn darstellt. Weiterhin wird angenommen, dass Schlaf in Zusammenhang mit der Ontogenese, der Neurogenese, mit Prozessen der neuronalen Plastizität sowie mit Lernprozessen steht (SIEGEL 2005).

2.1.2 Schlafphasen

Der Schlaf von Säugetieren wird in 2 verschiedene Phasen unterteilt, den NREM-Schlaf (Non Rapid Eye Movement) und den REM-Schlaf (Rapid Eye Movement). Die Unterscheidung erfolgt auf der Basis der Elektroenzephalographie. Hierbei wird die elektrische Aktivität des Gehirns durch Messung von Potentialdifferenzen erfasst. Weiterhin werden zur Identifizierung der Schlafphasen der Muskeltonus über ein Elektromyogramm (EMG) und die Augenbewegungen über ein Elektrookulogramm (EOG) registriert. Die zeitgleiche Erfassung von EEG, EMG und EOG wird auch als Polysomnographie bezeichnet (PACE-SCHOTT u. HOBSON 2002).

Im Wachzustand weist das kortikale EEG typischerweise desynchronisierte Wellen auf, die eine niedrige Amplitude und eine Frequenz von 14-30 Hz aufweisen. Diese werden auch als Beta-Wellen bezeichnet und sind Anzeichen kortikaler Aktivität. Die ebenfalls mit dieser Phase assoziierten Alphawellen (8-13 Hz) treten vor allem dann auf, wenn die Augen geschlossen sind. Das EMG ist durch einen hohen Muskeltonus charakterisiert.

Der NREM-Schlaf wird in 4 Phasen unterteilt. Phase 1 stellt eine Übergangsphase zwischen Wachphasen und tieferen Schlafphasen dar oder folgt auf Bewegungen während des Schlafs. Das EEG weist variable Frequenzen mit einem Schwerpunkt im Bereich von 4-7 Hz auf. In Phase 2 findet keine bewusste Wahrnehmung der Umgebung mehr statt. Das EEG ist charakterisiert durch das Auftreten von Schlafspindeln mit einer Frequenz von 12-14 Hz und K-Komplexen (eine negative Welle gefolgt von einer positiven mit einer Dauer von mindestens 0,5 Sekunden). Phase 3 und 4 werden auch als Tiefschlaf bezeichnet. In diesen Phasen ist das EEG durch Delta-Wellen mit einer Frequenz von 1-3 Hz gekennzeichnet. Im Englischen wird diese Phase auf Grund der langsamen Oszillation der Wellen auch als „Slow

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Wave Sleep“ (SWS) bezeichnet. Die Unterteilung von Phase 3 und 4 erfolgt anhand des prozentualen Anteils der Delta Wellen in der EEG-Registrierung. Liegt der Anteil zwischen 20 und 50 % handelt es sich um Phase 3, bei über 50 % Delta-Wellen liegt Phase 4 vor. Es wird angenommen, dass die Delta-Wellen synchrone Oszillationen des thalamokortikalen Systems widerspiegeln. Des Weiteren können Delta-Wellen im Neokortex generiert werden.

Während des gesamten NREM-Schlafes werden langsame Augenbewegungen registriert, schnelle Augenbewegungen treten nicht auf. Der Muskeltonus ist im Vergleich zum Wachzustand reduziert.

REM-Schlaf wird auch als paradoxer, aktiver oder desynchronisierter Schlaf oder als Traumschlaf bezeichnet. Das kortikale EEG in dieser Phase weist wie bei der Wach-Phase Wellen mit einer niedrigen Amplitude und einer hohen Frequenz auf. Subkortikale Phänomene sind hippocampale Thetawellen mit einer Frequenz von 4-10 Hz, sowie Ponto- Geniculo-Occipitale Wellen (SIEGEL 1990). Das EOG ist gekennzeichnet durch Cluster mit schnellen Augenbewegungen, daher auch die Bezeichnung Rapid-Eye-Movement Schlaf.

Diese Phase ist durch eine Atonie der Muskulatur gekennzeichnet, die durch Muskelzuckungen unterbrochen sein kann. Davon ausgenommen sind die Augen-, die Innenohr-, sowie die Atemmuskulatur (RECHTSCHAFFEN u. KALES 1968; PACE- SCHOTT u. HOBSON 2002; FULLER et al. 2006).

Während des Schlafs alternieren NREM- und REM-Phasen in Zyklen, die beim Menschen durchschnittlich 90 – 120 Minuten lang sind. Im ersten Schlafdrittel liegen hauptsächlich die NREM-Phasen 3 und 4 vor, das letzte Drittel besteht vor allem aus REM-Schlaf (ROTH 2004). Länge und Organisation der NREM-REM-Zyklen variiert in und zwischen den Spezies. Mit zunehmender Gehirngröße nimmt die Periodenlänge der Zyklen und mit zunehmender Gehirnreifung der Anteil der NREM-Phasen am Gesamtzyklus zu (PACE- SCHOTT u. HOBSON 2002).

2.1.3 Neuronale Regulation

2.1.3.1 Regulation des Wachzustandes

Regulation und Erhaltung des Wachzustandes erfolgen durch Aktivierung einer Hirnregion, der Formation reticularis, die von der Medulla oblongata bis zum Mittelhirn reicht. Diese Region, sowie die von ihr ausgehenden zwei Bahnen, welche die kortikale

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Erregung vermitteln, werden als aufsteigendes retikuläres Aktivierungssystem (ARAS) bezeichnet (Abb. 1).

Die dorsale Bahn stellt einen aufsteigenden Weg zum Thalamus dar, der die sogenannten Schalt- oder Relaisneurone des Thalamus aktiviert und entscheidend für die Weiterleitung von Informationen zum cerebralen Kortex ist. Der pedunculopontine und der laterodorsale tegmentale Nucleus (PPT/LDT) im oberen Hirnstamm sind die Hauptquelle für die Projektionen in die thalamischen Schaltneurone sowie den Nucleus reticularis thalami. Die cholinergen Neurone des PPT/LDT sind am aktivsten während des Wachzustandes und des REM-Schlafes, während des NREM-Schlafes ist ihre Aktivität deutlich reduziert. Der Signaleingang in den Nucleus reticularis thalami ist von entscheidender Bedeutung, da dieser Kern zwischen den thalamischen Schaltneuronen und dem cerebralen Kortex lokalisiert ist, und die thalamokortikale Erregungsübertragung blockieren kann, welche wichtig für den Wachzustand ist. Zusätzlich erhalten die medianen und intralaminaren thalamischen Kerne afferente Signale aus weiten Bereichen des Hirnstammes, einschließlich der Formatio reticularis, den PPT/LDT, des monoaminergen Systems (siehe unten) sowie des parabrachialen Nucleus. Es wird angenommen, dass auch diese Kerne eine Rolle bei der kortikalen Aktivierung haben.

Die ventrale Bahn des ARAS umgeht den Thalamus und aktiviert stattdessen Neurone im lateralen Hypothalamus, im basalen Vorderhirn und im cerebralen Kortex. Sie hat ihren Ursprung in monoaminergen Neuronen des oberen Hirnstammes und des caudalen Hypothalamus, einschließlich des noradrenergen Locus coeruleus (LC), den serotonergen dorsalen und medianen Raphekernen, der dopaminergen ventralen periaquäductalen grauen Substanz und des histaminergen Nucleus tuberomammillaris (TMN). Die Afferenzen zum cerebralen Kortex werden durch peptiderge Neurone des lateralen Hypothalamus, die Melanin-konzentrierendes Hormon (MCH) oder Orexin/Hypocretin enthalten, sowie Neurone des basalen Vorderhirns, die die Neurotransmitter Acetylcholin oder γ-Aminobuttersäure (GABA) enthalten, verstärkt. Die Aktivität der Neurone des monoaminergen Systems sowie der orexinergen/hypocretinergen Neurone ist während des Wachzustandes am größten, reduziert während des NREM-Schlafes und gering während der REM-Phasen. Die MCH- enthaltenden Neurone sind im Gegensatz dazu während der REM-Phasen aktiv (SIEGEL 2004; SAPER et al. 2005b; SCHWARTZ u. ROTH 2008).

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Abb. 1: Übersicht über die Hauptkomponenten des aufsteigenden retikulären Aktivierungssystems. Die dorsale Bahn ist gelb, die ventrale rot dargestellt (Abbildung aus: SAPER et al. 2005b; genehmigt durch Nature Publishing Group).

Abkürzungen: 5-HT = Serotonin; ACh = Acetylcholin; BF = basales Vorderhirn; DA = Dopamin; GABA = γ- Aminobuttersäure; His = Histamin; LC = Locus coeruleus; LDT = laterodorsaler tegmentaler Nucleus; LH = lateraler Hypothalamus; MCH = Melanin-konzentrierendes Hormon; NA = Noradrenalin; ORX = Orexin; PPT = pedunculopontiner Nucleus; Raphe = Raphekerne; TMN = Nucleus tuberomammillaris; vPAG = ventrale periaquäductale graue Substanz

2.1.3.2 NREM-Schlaf

Die Schlafinduktion erfolgt vor allem durch Aktivierung von Neuronen im ventralen präoptischen Nucleus (VLPO) des Hypothalamus (SHERIN et al. 1996; SZYMUSIAK et al.

1998). Die Neurone des VLPO weisen zahlreiche Afferenzen zu den Regionen im Hypothalamus und Hirnstamm auf, die an der Regulation des Wachzustandes beteiligt sind und supprimieren ihre Aktivität (Abb. 2). Diese Funktion wird über die inhibitorischen Neurotransmitter GABA und Galanin vermittelt (SHERIN et al. 1998). Umgekehrt bestehen auch Verbindungen zum VLPO, die in den von ihm innervierten Bereichen entspringen und

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eine Hemmung des VLPO bewirken können. Diese Wirkung wird über Noradrenalin und Serotonin aus dem LC und dem medianen Raphekern, sowie GABA und Galanin aus den Neuronen des TMN vermittelt (SZYMUSIAK u. MCGINTY 2008).

Abb. 2: Projektionen des ventrolateralen präoptischen Nucleus zu den Hauptkomponenten des aufsteigenden retikulären Aktivierungssystems (Abbildung aus: SAPER et al. 2005b; genehmigt durch Nature Publishing Group).

Abkürzungen: 5-HT = Serotonin; ACh = Acetylcholin; DA = Dopamin; GABA = γ-Aminobuttersäure; Gal = Galanin; His = Histamin; LC = Locus coeruleus; LDT = laterodorsaler tegmentaler Nucleus; NA = Noradrenalin;

ORX = Orexin; PeF = perifornicale Neurone; PPT = pedunculopontiner Nucleus; Raphe = Raphekerne; TMN = Nucleus tuberomammillaris; VLPO = ventrolateraler präoptischer Nucleus; vPAG = ventrale periaquäductale graue Substanz

Es wird angenommen, dass diese reziproke Wechselwirkung zwischen den Gruppen des ARAS und dem VLPO als Rückkopplungsmechanismus wirkt. Während des Wachzustandes hemmen die monoaminergen Neurone den VLPO und während des Schlafes hemmen die sich schnell entladenden Neurone des VLPO die monoaminergen Zellen. Dadurch entsteht ein

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sogenannter bistabiler Zustand mit scharfen Übergängen zwischen Wach- und Schlafphasen (SAPER et al. 2001).

Schlafaktive Neurone des präoptischen Hypothalamus finden sich auch im medianen präoptischen Nucleus mit Projektionen zum dorsalen Raphekern, LC und den hypocretinergen Neuronen im lateralen Hypothalamus. Diese GABAergen Neurone weisen die höchste Aktivität zu Beginn einer NREM-Phase auf. Es wird angenommen, dass diese Neurone vor allem eine Rolle bei der Einleitung der Phasenwechsel von NREM zu Wach haben, während die VLPO Neurone vor allem für die Erhaltung der NREM-Phase zuständig sind (SZYMUSIAK u. MCGINTY 2008).

Weitere GABAerge Neurone mit einer NREM induzierenden Funktion wurden im basalen Vorderhirn identifiziert. Sie vermitteln ihre Funktion über eine Hemmung der histaminergen Neurone des ARAS (MODIRROUSTA et al. 2004; SIEGEL 2004).

2.1.3.3 REM-Schlaf

Transsektionsstudien von Jouvet und Kollegen zeigten, dass die Mechanismen zur Induktion von REM-Phasen im Hirnstamm lokalisiert sind (JOUVET u. MICHEL 1960;

JOUVET u. MOUNIER 1960). Die genauen Mechanismen der Regulation des REM- Zustandes sind noch nicht geklärt. Gegenwärtig wird davon ausgegangen, dass die cholinergen Neurone der peribrachialen Nuclei (PPT/LDT) als REM-on-Zellen fungieren. Sie innervieren alle Bereiche der Formatio reticularis pontis, die die charakteristischen Merkmale der REM-Phase hervorrufen (DATTA u. MACLEAN 2007). Diese sind nachfolgend kurz dargestellt.

Während des REM-Schlafes weist das EEG einen wachähnlichen Zustand auf. Die kortikale Erregung in dieser Phase wird durch mehrere Strukturen gesteuert, die auch an der Regulation des Wachzustandes beteiligt sind. Neben den peribrachialen Nuclei, sowie benachbarten Regionen der Pons, wird die kortikale Erregung auch über die ventrale Bahn des ARAS, also über den Hypothalamus und andere limbische Strukturen, gefördert. Nur das aminerge System ist, im Gegensatz zum Wachzustand, in dieser Phase nicht aktiv (SIEGEL 2004; MARKS 2006).

Die während des REM-Schlafes vorherrschende Muskelatonie scheint durch eine Gruppe von Neuronen in der caudalen Formatio reticularis der Pons bedingt zu sein. Sie aktivieren Neurone in der medialen Formatio reticularis der Medulla, die dann inhibitorisch auf die

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Motorneurone wirken (PACE-SCHOTT u. HOBSON 2002; MARKS 2006). Cluster von schnellen Augenbewegungen werden durch Neurone der pontomedullären Formatio reticularis erzeugt. Diese stimulieren die occulomotorischen Neurone, welche die Augenmuskeln aktivieren. Die Generation der REMs wird möglicherweise durch vestibuläre Kerne moduliert (DATTA u. MACLEAN 2007; MCCARLEY 2007). Das Auftreten von PGO-Wellen ist zeitlich eng mit den REMs gekoppelt. PGO-Wellen werden von Neuronen der pontinen Formatio reticularis erzeugt und über den lateralen thalamischen Nucleus geniculatus zum occipitalen Kortex weitergeleitet (MCCARLEY 2007).

Die Beendigung der REM-Phasen und der Übergang in NREM-Schlaf erfolgt durch eine erhöhte Aktivität von Zellen des Locus coeruleus und des dorsalen Raphekerns, die auch als REM-off-Zellen bezeichnet werden. Über die aminergen Neurotransmitter Serotonin und Noradrenalin wirken sie inhibitorisch auf die peribrachialen cholinergen Neurone. Die Aktivität von REM-on- und REM-off-Zellen wird über pontine negative Rückkopplungsmechanismen gesteuert, die reziproke Aktivitätsmuster bewirken. Einen zusätzlichen, modulierenden Einfluss haben Interneurone über die Neurotransmitter GABA und Glutamat (SIEGEL 2004).

2.1.4 Homöostase

Schlaf ist ein homöostatischer Prozess, der es dem Körper ermöglicht nach einer Störung wieder in einen Gleichgewichtszustand zurückzukehren. So folgt auf eine Phase der Schlafrestriktion eine anschließende kompensatorische Zunahme des Schlafs, um den Verlust auszugleichen. Der genaue Mechanismus dieser homöostatischen Komponente ist noch nicht geklärt. Prinzipiell wird angenommen, dass während des Wachzustandes eine

„schlaffördernde Substanz“ akkumuliert. Diese Substanz wird dann während der Schlafphase abgebaut (MCCARLEY 2007; SCHWARTZ u. ROTH 2008).

Der zugrundeliegende Mechanismus ist noch nicht vollständig geklärt, es gibt jedoch zunehmend Hinweise, dass Adenosin ein Hauptmediator dieses Prozesses ist (MCCARLEY 2007). Adenosin ist ein Nebenprodukt des Metabolismus im Gehirn. Es reichert sich als Folge von starker Gehirnaktivität oder auch verlängerten Wachphasen im basalen Vorderhirn an (PORKKA-HEISKANEN et al. 1997). Über A1-Rezeptoren wirkt Adenosin hemmend auf die Aktivierungszentren, vor allem auf die cholinergen Neurone des basalen Vorderhirns sowie

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die hypocretinergen Neurone. Des Weiteren gibt es Hinweise, dass die schlaffördernde Wirkung von Adenosin auch über eine Aktivierung des VLPO vermittelt wird (CHAMBERLIN et al. 2003; SAPER et al. 2005a; MCCARLEY 2007).

2.1.5 Circadiane Rhythmik

Neben der homöostatischen Regulation unterliegt der Schlaf-Wach-Rhythmus auch einer circadianen Rhythmik, die tierartspezifisch ausgeprägt ist. Bei Säugetieren einschließlich Mensch wurde der Nucleus suprachiasmaticus (SCN) als zentraler Schrittmacher der circadianen Rhythmik identifiziert (DIJK u. CZEISLER 1995; MISTLBERGER 2005). Er wird auch als „innere Uhr“ oder im Englischen als „master clock“ bezeichnet. Die Neurone des SCN weisen einen charakteristischen Aktivitätszyklus mit einer Periodenlänge von annähernd 24 Stunden auf, der über positive und negative Rückkopplungsmechanismen auf molekularer Ebene gesteuert wird. Eine tägliche Synchronisation mit dem Tag-Nacht- Rhythmus wird über Lichtsignale gesteuert, die als externe Zeitgeber dienen. Der Lichteinfall wird von Photorezeptoren in der Retina registriert und über den retinohypothalamischen Trakt an den SCN weitergeleitet (TUREK 1998; SAPER et al. 2005a; SAPER et al. 2005b).

Während zunächst davon ausgegangen wurde, dass ausschließlich die Zapfen und Stäbchen der Netzhaut diese Funktion vermittelten, konnten Foster und Kollegen zeigen, dass auch in Abwesenheit dieser Sinneszellen die Synchronisation mit dem Tag-Nacht-Rhythmus nicht beeinträchtig ist (FOSTER et al. 1991; FREEDMAN et al. 1999). Dies führte zu der Identifikation eines weiteren Photorezeptorsystems der Retina, das ebenfalls Informationen über den Lichtzyklus an den SCN weiterleitet und von spezifischen retinalen Ganglionzellen, die das Photopigment Melanopsin enthalten, gebildet wird (PANDA et al. 2002;

PROVENCIO et al. 2002). Neuere Untersuchungen konnten zeigen, dass beide Systeme an der Synchronisation den endogenen Aktivitätszyklus mit dem Lichtzyklus mitwirken und den Ausfall des anderen Systems jeweils vollständig kompensieren können (HATTAR et al. 2003;

LUPI et al. 2008).

Der SCN weist eine geringe Anzahl von Projektionen zum VLPO und zu den orexinergen/hypocretinergen Neuronen des Hypothalamus auf (Abb. 3). Der Großteil der Afferenzen führt zur angrenzenden subparaventriculären Zone (SPZ), sowie zum dorsomedialen Nucleus des Hypothalamus (DMH). Läsionen des ventralen Bereichs der SPZ

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führen zu Unterbrechungen der circadianen Rhythmik des Schlaf-Wach-Zyklus, sowie der lokomotorischen Aktivität; Läsionen im dorsalen Bereich beeinflussen den circadianen Rhythmus der Körpertemperatur (LU et al. 2001). Auch die Neurone der SPZ weisen nur eine geringe Anzahl von Afferenzen zu Systemen auf, die an der Schlaf-Wach-Regulation beteiligt sind, ein Großteil der Projektionen geht zum DMH. Läsionen des DMH führen zum Ausbleiben der circadianen Rhythmik des Schlaf-Wach-Zyklus, sowie der motorischen Aktivität, der Corticosteroidsekretion und der Nahrungsaufnahme (CHOU et al. 2003).

Neurone des DMH weisen zahlreiche Verbindungen zum VLPO und den orexinergen/hypocretinergen Neuronen des Hypothalamus auf und stellen eine wesentliche Schaltstelle für die Weiterleitung der SCN-Signale dar. Die Afferenzen zum VLPO sind vor allem GABAerg, wirken also inhibitorisch auf den VLPO und fördern somit den Wachzustand. Die Projektionen zu den Neuronen des lateralen Hypothalamus wirken exzitatorisch über die Neurotransmitter Glutamat und Thyreoliberin (TRH) und fördern ebenfalls den Wachzustand.

Sowohl bei tagaktiven als auch bei nachtaktiven Tieren weisen die Neurone des SCN die höchste Aktivität während der Hellphase und die Neurone des VLPO während der Schlafphase auf. Damit diese unterschiedlichen Verhaltensmuster entstehen können, wird der oben beschriebene, mehrsynaptische Regulationsmechanismus benötigt. In der SPZ und im DMH findet eine Interaktion der lichtgesteuerten Aktivität des SCN mit lichtunabhängigen Signalen, wie zum Beispiel Informationen über die Futterverfügbarkeit, statt und ermöglicht so eine optimale Anpassung des Schlaf-Wach-Rhythmus.

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Abb. 3: Übersicht über den mehrsynaptischen Integrationsmechanismus der circadianen Rhythmik (Abbildung aus: SAPER et al. 2005b; genehmigt durch Nature Publishing Group).

Abkürzungen: ARC = Nucleus arcuatus; DMH = dorsomedialer Nucleus des Hypothalamus; dSPZ = dorsale subparaventriculäre Zone; LHA = laterale hypothalamische Neurone; MPO = mediale präoptische Region; PVH

= Nucleus paraventricularis; SCN = Nucleus suprachiasmaticus; VLPO = ventrolateraler präoptischer Nucleus;

VMH = ventromedialer Nucleus des Hypothalamus; vSPZ = ventrale subparaventriculäre Zone

2.1.6 Schlaf und Thermoregulation

Die Rhythmen von Schlaf und Körperkerntemperatur sind eng miteinander verknüpft (GILBERT et al. 2004; VAN SOMEREN 2006; KRÄUCHI 2007). Bei endothermen Arten beschreibt die Körperkerntemperatur im Allgemeinen eine sinusförmige Kurve mit einer Periodendauer von ca. 24 Stunden. Die Amplitude, sowie der Zeitpunkt der höchsten (Akrophase) und niedrigsten Temperatur (Nadir) sind tierartspezifisch (REFINETTI u.

MENAKER 1992b). Unabhängig von der circadianen Nische einer Tierart tritt Schlaf üblicherweise auf, wenn die Körperkerntemperatur niedrig ist. Wenn der Nadir der

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Körperkerntemperatur überschritten wurde und die Temperatur wieder ansteigt, führt dies zu einer Beendigung der Schlaf-Phase (KRÄUCHI 2007).

Die Körperkerntemperatur unterliegt homöostatischen und circadianen Regulationsmechanismen. Es wird angenommen, dass die homöostatische Regulation über hierarchisch organisierte neuronale Mechanismen erfolgt, an deren Spitze Neurone der präoptischen Region des anterioren Hypothalamus stehen (POAH). Zentraler Schrittmacher der circadianen Modulation der Körperkerntemperatur ist der SCN. Er weist rostrale Projektionen zur POAH auf und verursacht die circadiane Rhythmik über eine Veränderung des Temperatur-Sollwertes. Die Anpassung der Körperkerntemperatur erfolgt über Änderungen der Wärmeproduktion und der Wärmeabgabe (KRÄUCHI 2007).

Über thermosensitive Neurone des POAH erfolgt eine direkte Beeinflussung des Schlaf- Wach-Zyklus durch thermoregulatorische Mechanismen. Wärmesensitive Neurone werden durch eine Temperaturerhöhung aktiviert und initiieren autonome Prozesse, die zu einer erhöhten Temperaturabgabe und somit zu einer Verringerung der Körperkerntemperatur führen (MCGINTY et al. 2008). Der Großteil dieser Neurone weist eine erhöhte Aktivität während des NREM-Schlafes auf. Ihre Aktivierung durch eine lokale Erwärmung der POAH fördert den Schlafeintritt und erhöht die Slow-Wave-Aktivität während des Schlafes. Dieser Mechanismus wird über Afferenzen zu Regionen vermittelt, die an der Regulation des Schlaf- Wach-Zustandes beteiligt sind. Hierzu zählen der posteriore Hypothalamus, das basale Vorderhirn sowie die dorsalen Raphekerne (GILBERT et al. 2004). Dies führt zu dem Schluss, dass wärmesensitive Neurone des POAH eine funktionelle Rolle bei der Regulation des Schlaf-Eintritts und der Schlaftiefe haben (SZYMUSIAK u. MCGINTY 2008). Auch eine Temperaturerhöhung in der Peripherie vermittelt eine Schlaf-fördernde Wirkung über die Aktivierung der wärmesensitiven Neurone des POAH (KRÄUCHI 2007). Des Weiteren enthält die POAH kältesensitive Neurone, die durch eine lokale Abkühlung aktiviert werden und die höchste Aktivität während des Wachzustandes aufweisen (MCGINTY et al. 2008).

Über welche Mechanismen Schlaf die Thermoregulation beeinflusst, ist noch nicht geklärt. Es gibt Hinweise darauf, dass mit zunehmender Schlaftiefe die thermoregulatorische Kapazität abnimmt. Die Körperkerntemperatur wird während des NREM-Schlafes auf einen niedrigeren Sollwert reguliert (GILBERT et al. 2004; ROSENTHAL 2006). Während des REM-Schlafes findet keine Thermoregulation statt, so dass sich die Körperkerntemperatur in

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dieser Phase der Umgebungstemperatur anpasst (ROSENTHAL 2006; KRÄUCHI 2007). Im Gegensatz hierzu konnte in anderen Studien keine Veränderung der Körperkerntemperatur durch den Schlafeintritt an sich nachgewiesen werden. Es wird stattdessen angenommen, dass die Veränderungen der Körperkerntemperatur durch Verhalten hervorgerufen werden, welche den Schlaf vorbereiten. Hierzu gehören zum Beispiel das Einnehmen einer schlaftypischen Körperhaltung sowie eine allgemeine Muskelrelaxation. Diese Verhaltensweisen führen zu einer verstärkten Durchblutung der Peripherie und somit zu einer Verstärkung der Wärmeabgabe und einer Verringerung der Körperkerntemperatur (KRÄUCHI 2007).

2.1.7 Methoden der Registrierung

Dieser Abschnitt gibt einen Überblick über wichtige Methoden, die im Rahmen der Schlafforschung angewendet werden. Hierbei handelt es sich um ein multidisziplinäres Forschungsgebiet, in dem vielfältige Methoden zum Einsatz kommen. Die nachfolgenden Abschnitte beschränken sich auf Techniken, die mit dieser Arbeit in Verbindung stehen – Messungen der Aktivität, des EEGs sowie der Temperatur. Weitere Methoden wie zum Beispiel bildgebende Verfahren oder Mikrodialysetechniken werden, obwohl sie häufig im Rahmen der Schlafforschung zum Einsatz kommen, an dieser Stelle nicht vorgestellt, weil sie keine Relevanz für die vorliegende Arbeit haben.

2.1.7.1 Aufzeichnung des Ruhe-Aktivitäts-Zyklus

Die Aufzeichnung von Ruhe-Aktivitäts-Zyklen stellt eine nicht-invasive Technik dar, die beim Menschen und bei verschiedenen Tierarten angewendet wird.

Eine häufig verwendete Methode zur Aufzeichnung des Ruhe-Aktivitäts-Zyklus ist die Actigraphie. Actigraphen sind miniaturisierte Aktivitätsmesser, die beim Menschen in der Regel am Handgelenk angebracht werden. Sie enthalten ungerichtete Bewegungssensoren (zum Beispiel Accelerometer), die die Aktivität pro Zeiteinheit aufzeichnen. Die gewonnenen Daten werden auf dem Actigraph gespeichert und können zwischen den Versuchen ausgelesen und ausgewertet werden. Aufgrund ihrer Größe können die meisten Actigraphen nicht bei kleinen Versuchstieren angewendet werden (ANCOLI-ISRAEL et al. 2003;

DEBOER 2007). Eine Ausnahme stellt die Actiwatch® Mini dar, die für Aktivitätsmessungen

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bei Weißbüschelaffen entwickelt wurde (MANN et al. 2005) und auch in der Abteilung Klinische Neurobiologie des DPZ eingesetzt wird.

Die Messung der Aktivität bei Labornagern erfolgt üblicherweise über die Registrierung von Laufrad-Umdrehungen. Diese Aufzeichnungen werden durch zahlreiche Umgebungsfaktoren beeinflusst. So konnte gezeigt werden, dass nicht nur die Verfügbarkeit eines Laufrads, sondern auch Größe und Typ einen Einfluss auf die registrierten Aktivitätsrhythmen haben.

Eine weitere Möglichkeit Ruhe-Aktivitäts-Zyklen bei Labornagern zu erfassen stellt die Verwendung von Infrarotdetektoren dar, welche z.B. an der Oberseite des Käfigs angebracht werden. Sie erfassen die Änderung der Wärmeverteilung im Käfig die durch Positionsänderungen der Tiere hervorgerufen werden (BÜTTNER 1988; DEBOER 2007).

2.1.7.2 Elektroenzephalographie

Eines der wichtigsten Werkzeuge zur Erfassung von Schlaf-Wach-Zyklen stellt die Elektroenzephalographie dar. Bei dieser Methode wird die elektrische Aktivität des Gehirns gemessen. Hierbei wird der zeitliche Verlauf von Potentialdifferenzen zwischen Referenz- und Ableitelektroden registriert, die beim Menschen in der Regel auf der Hautoberfläche angebracht werden (FITZGERALD et al. 2003; DEBOER 2007). Der erste Elektroenzephalograph wurde durch Hans Berger entwickelt. Er veröffentlichte bereits 1929, dass sich EEG-Registrierungen zwischen Schlaf- und Wachphasen unterscheiden (BERGER 1929). Vierundzwanzig Jahre später zeigten Aserinsky und Kleitman das Schlaf in 2 Phasen unterteilt werden kann: NREM und REM (ASERINSKY u. KLEITMAN 1953). Heute ermöglicht die EEG-Registrierung mit bis zu 256 Kanälen eine Lokalisierung von regionalen Veränderungen der Hirnaktivität (HUBER et al. 2004).

Zusätzlich zu oberflächlichen Registrierungen ist bei Labortieren auch die Ableitung aus tieferliegenden Hirnregionen möglich. Die Implantation von Elektroden erfolgt mit Hilfe von stereotaktischen Rahmen, in denen der Kopf des Tieres in einer standardisierten Orientierung im Bezug zu der zu implantierenden Elektrode fixiert wird. Die Elektrode kann in anterioposteriorer, mediolateraler sowie in vertikaler Richtung bewegt werden und mit Hilfe eines 3D-Atlas des Gehirns in der Zielstruktur angebracht werden (DEBOER 2007).

Die Elektroenzephalographie wird häufig in Kombination mit der Messung der Muskelaktivität (Elektromyographie) sowie einer Registrierung der Augenbewegungen

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(Elektrookulographie) eingesetzt. Die kombinierte Registrierung dieser Parameter zur Differenzierung der Phasen des Schlaf-Wach-Zyklus wird als Polysomnographie bezeichnet (DEBOER 2007).

Zur Erfassung des EEGs bei Versuchstieren gibt es mehrere Systeme. Bei kabelgebundenen Systemen werden die implantierten Elektroden mit einer Steckverbindung versehen, die auf dem Kopf des Tieres angebracht wird. Für die Aufnahme wird das Tier über ein Kabel mit einem Elektroenzephalographen verbunden (BJORVATN et al. 1998; DATTA u. HOBSON 2000; PAPALE et al. 2005). Die telemetrische EEG-Registrierung ermöglicht ebenfalls eine kontinuierliche Datenerfassung. Bei dieser Technik sind die EEG-Elektroden mit einem telemetrischen Sender verbunden, der dem Tier zum Beispiel in die Bauchhöhle implantiert wird. Die von diesem Sender übermittelten Daten werden von einem Empfänger registriert, der in der Regel außerhalb des Käfigs angebracht wird (TANG u. SANFORD 2002; FITZGERALD et al. 2003; KRAMER u. KINTER 2003; TANG et al. 2007c). Eine weitere Möglichkeit der kabellosen EEG-Registrierung stellt die Verwendung von miniaturisierten EEG-Loggern dar. Die gemessenen Daten werden hierbei auf einem Speicher im Logger registriert. Diese Technik zeichnet sich vor allem durch ihre geringe Größe und niedriges Gewicht aus. Eingesetzt wurde sie bereits erfolgreich bei Tauben (VYSSOTSKI et al. 2006), Faultieren (RATTENBORG et al. 2008) und Mäusen (PLANO et al. 2008; PLATT et al. 2009) und bilden die Grundlage für die EEG und EMG-Registrierungen dieser Arbeit.

2.1.7.3 Temperatur

Die Rhythmen von Schlaf und Körpertemperatur sind eng miteinander verknüpft (siehe Kapitel 2.1.6). Aus diesem Grund ist die Körpertemperatur ein Parameter, der standardmäßig im Rahmen der Polysomnographie erfasst wird (DEBOER 2007). Über eine zusätzliche, simultane Temperaturmessung an verschiedenen Stellen der Körperperipherie kann die Wärmeabgabe im Verlauf des Schlaf-Wach-Zyklus untersucht werden. Dies wird vorrangig durchgeführt, um die Zusammenhänge zwischen Schlaf und Thermoregulation zu untersuchen (KRÄUCHI et al. 1999).

Die Standardmethode für eine Langzeitregistrierung der Körperkerntemperatur bei Versuchstieren ist die Telemetrie. Die Temperaturtransmitter werden in der Regel intraperitoneal implantiert und senden kontinuierlich die registrierten Temperaturen an einen Empfänger, der außerhalb des Käfigs angebracht ist. Im Gegensatz zu konventionellen

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Messmethoden ist bei der telemetrischen Temperaturregistrierung keine Fixierung der Tiere zur Datengewinnung erforderlich. Ein messbedingter Temperaturanstieg findet somit nicht statt (KRAMER et al. 2001). Eine neuere Entwicklung sind kleine Datenlogger, die die Messwerte auf einem internen Datenspeicher aufzeichnen. Diese werden nach Ende des Experiments ausgelesen und ausgewertet (DAVIDSON et al. 2003).

Die Regulation der Körperkerntemperatur erfolgt im Hypothalamus. Daher ist neben der Körperkerntemperatur auch die Temperatur des Gehirns von großem wissenschaftlichen Interesse. Während beim Menschen erst einmal eine 24-stündige Registrierung der Temperatur des Gehirns durchgeführt wurde, wird diese Methode bei Versuchstieren regelmäßig angewendet (DEBOER 2007).

2.2 Untersuchte Tierarten

2.2.1 Ratten (Rattus norvegicus)

Die Stämme der Laborratten stellen domestizierte Formen der Wanderratte (Rattus norvegicus) dar. Die Wanderratte ist der Ordnung der Nagetiere (Rodentia) und der Familie der Altweltmäuse (Muridae) zugeordnet.

Bezüglich der Klassifikation der Nagetiere bestehen in der Literatur keine einheitlichen Angaben. Dies liegt vor allem an der großen Artenzahl mit oftmals nur gering ausgeprägten Unterschieden zwischen den Arten sowie des Vorkommens von Konvergenzen und Parallelentwicklungen als Anpassung an ähnliche ökologische Nischen. Dies führt zu erheblichen Schwierigkeiten bei der systematischen Gliederung (STARCK 1995a; HURST 1999).

Der Körperbau der Wanderratten ist wenig spezialisiert. Sie haben ein Gewicht von 200 bis 500 g und eine Kopf-Rumpf-Länge von 22 bis 28 cm. Der mit Schuppenringen versehene, nackt wirkende Schwanz ist stets kürzer. Im Vergleich zu anderen Rattenarten haben sie eine stumpfe Schnauze sowie kleine Ohren. Das Fell weist im dorsalen Bereich in der Regel eine graubraune bis dunkelbraune Färbung auf, die ventralen Körperpartien sind grau gefärbt (STARCK 1995a). Die albinotische Färbung der meisten Laborstämme ist ein künstlich selektiertes Merkmal und kommt bei den wildlebenden Formen selten vor (HURST 1999;

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KOOLHAAS 1999). Der generalisierte Körperbau mit relativ kurzen, gleich langen Gliedmaßen ermöglicht eine erhebliche Vielseitigkeit der Lokomotion. Eine Zunahme der Geschwindigkeit beim Laufen erfolgt dabei über eine Erhöhung der Schrittfrequenz (STARCK 1995a). Darüber hinaus können Ratten auch hervorragend klettern, springen und graben (HURST 1999). Des Weiteren sind Wanderratten gute Schwimmer (DIETERLEN 1988).

Die Wanderratte stellt einen Vertreter des generalisierten Muridentyps dar, der außerordentlich anpassungsfähig ist. Ausgehend von ihrer Urheimat, den Steppengebieten in Asien, besonders der Mandschurei, der Mongolei und des gemäßigten Sibiriens, hat sie sich als Kulturfolger des Menschen weltweit ausgebreitet (DIETERLEN 1988; MUSSER u.

CARLETON 2005).

Gegenwärtig sind mehr als 400 Inzucht- sowie ca. 50 Auszuchtstämme beschrieben, welche im Rahmen der tierexperimentellen Forschung als Versuchstiere eingesetzt werden (KOOLHAAS 1999). Darüber hinaus führen Fortschritte in der Genomforschung und Reproduktionstechnologie zu einer zunehmenden Anzahl an genetisch modifizierten, transgenen Rattenstämmen (AGCA u. CRITSER 2006).

2.2.1.1 Lebensweise von Ratten

Wanderratten sind nachtaktiv und weisen im Allgemeinen drei Aktivitätsperioden auf, die zu Beginn, in der Mitte sowie am Ende der Nacht auftreten. Die Nahrungsaufnahme findet in drei bis fünf Portionen während der Aktivitätsperioden statt (KOOLHAAS 1999). Als omnivore Spezies schwankt die Nahrungsauswahl je nach Lebensraum und Jahreszeit in weiten Grenzen. Sie ernähren sich vorwiegend vegetarisch und haben eine Präferenz für Körnerfutter, können sich jedoch auch rein carnivor ernähren und ein raubtierartiges Verhalten zeigen (DIETERLEN 1988; STARCK 1995a).

Die Wanderratte ist vorwiegend ein Bodenbewohner. In ihrem natürlichen Habitat bewohnt sie meist unterirdische Gang- und Höhlensysteme, die bevorzugt in der Nähe von Wasser angelegt werden und sich fern von menschlichen Siedlungen befinden. Aufgrund ihrer großen Anpassungsfähigkeit hat sie sich jedoch in viele Lebensräume eingefügt. So ist sie in der Nähe des Menschen zum Beispiel in Kellerräumen, Abwasserkanälen oder Ställen zu finden (DIETERLEN 1988).

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Wanderratten bilden Rudel mit einer Besatzstärke von ca. 60 Individuen, indem ein dominantes männliches Tier mit mehreren weiblichen Tieren sowie Jungtieren ein Revier besetzt. Rattenrudel stellen hochsoziale Gemeinschaften dar, die ihr bewohntes Territorium gegen fremde Artgenossen verteidigen (STARCK 1995a). Die Gruppengröße ist variabel und hängt von äußeren Faktoren wie der Futterverfügbarkeit ab. In größeren Kolonien entstehen oftmals kleinere Untergruppen die im Normalfall aus Familienmitgliedern bestehen (KOOLHAAS 1999).

Ratten zeichnen sich durch eine hohe Reproduktionsrate aus. Die Geschlechtsreife wird durchschnittlich mit 2-3 Monaten erreicht. Rattenweibchen sind ganzjährig polyöstrisch mit einer Zykluslänge von 4-5 Tagen. Während der etwa sechs Stunden dauernden Brunst wird das Weibchen vom dominanten Männchen sowie von anderen männlichen Rudelmitgliedern verfolgt und begattet. Das Ende der Paarungsbereitschaft wird durch Flucht und aggressives Verhalten des Weibchens angezeigt (KOOLHAAS 1999).

Nach einer Tragzeit von 22 – 24 Tagen kommen meist zwischen sechs und zwölf, im Mittel acht Junge zur Welt, in Ausnahmefällen bis zu 20 (DIETERLEN 1988). Rattenjunge werden relativ unreif als typische Nesthocker geboren. Sie sind haarlos, blind und taub und sind in den ersten Tagen vollständig von der Fürsorge der Mutter abhängig. Diese hält die Jungtiere zusammen in einem Nest, welches sie zwischen den etwa einstündigen Säugeperioden verlässt, um zu fressen und zu ruhen (KOOLHAAS 1999). Wanderratten ziehen oftmals zeitgleich mehrere Würfe in einem Nest auf. Brutpflege durch Ersatzmütter kommt vor und sichert das Überleben bei Ausfall des Muttertieres (STARCK 1995a).

Als nachtaktive Spezies verfügen Ratten über einen hochentwickelten Geruchs-, Hör- und Tastsinn. Das Verhalten wird stark über olfaktorische Reize gesteuert. So können Männchen anhand des Geruchs den sozialen Status anderer Männchen, den Zyklusstand der Weibchen sowie Verwandtschaftsbeziehungen ermitteln (GHEUSI et al. 1997). Diese Geruchssignale werden von spezialisierten Duftdrüsen produziert und sind zusätzlich im Urin, Kot sowie in der Atemluft der Tiere enthalten. Jungtiere werden früh in ihrer Entwicklung konditioniert familiäre Gerüche zu bevorzugen und unbekannte zu meiden. Adulte Ratten markieren mit Geruchsmarken ihr Revier sowie ihre Laufwege und hinterlassen auf diese Weise Informationen über ihr Alter, Geschlecht und ihren sozialen Status (SLOTNICK et al. 2005).

Darüber hinaus reagieren Ratten sehr sensitiv auf olfaktorische Signale ihrer natürlichen

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Feinde, wie zum Beispiel Katzen, sowie auf Alarmpheromone von Artgenossen (KOOLHAAS 1999; DIELENBERG u. MCGREGOR 2001).

Das Lautspektrum der Ratte umfasst für das menschliche Ohr hörbare Frequenzen sowie Frequenzen im Bereich von 22 – 80 kHz, die auch als Ultraschallvokalisationen bezeichnet werden. Ultraschalllaute werden von adulten Tieren im Rahmen des Sexualverhaltens und bei aggressiven Auseinandersetzungen erzeugt sowie von Rattensäuglingen, wenn sie vom Muttertier getrennt sind (KOOLHAAS 1999).

Die maximale Lebensdauer beträgt bei wild lebenden Ratten ca. 600 Tage für Männchen sowie 700 Tage für Weibchen. Bei Laborstämmen hängt die Lebensdauer vom Stamm sowie vom Futter ab. Sie beträgt bei männlichen Wistar-Ratten etwa 1200 und bei weiblichen etwa 1400 Tage (KOOLHAAS 1999).

2.2.1.2 Physiologie von Laborratten Körperkerntemperatur

Der circadiane Verlauf der Körperkerntemperatur wurde bei Ratten mittels telemetrischer Methoden untersucht. Dabei konnte ein für endotherme Arten typischer, circadianer Temperaturrhythmus beobachtet werden (REFINETTI u. MENAKER 1992b). Die Variation der Körperkerntemperatur verläuft cosinusförmig und kann in 4 Phasen unterteilt werden (SCALES u. KLUGER 1987; GORDON 1990):

1. eine stabile Tagphase mit einer Durchschnittstemperatur von 37,3 °C

2. eine Phase des Temperaturanstiegs, die ca. 2 Stunden vor Beginn der Dunkelphase beginnt und ihren stärksten Anstieg in der Zeit 30 Minuten vor bis 60 Minuten nach Beginn der Dunkelphase hat

3. eine Plateauphase mit einer erhöhten Durchschnittstemperatur von 38,1 °C, die ca.

eine Stunde vor Ende der Dunkelphase beendet ist

4. eine Phase, in der die Temperatur steil abfällt und kurzfristig unter die Temperatur der Tagesphase fällt.

Dieser rhythmische Verlauf ist nicht von Geburt an ausgeprägt, sondern entwickelt sich schrittweise in den ersten Lebenswochen. Zunächst bildet sich die thermoregulatorische Kapazität aus, so dass die Körperkerntemperatur in einem stabilen Tagesbereich reguliert werden kann. Dieser Schritt ist mit einem Alter von 25 Lebenstagen abgeschlossen. Erst

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danach beginnt sich die typische Wellenform zu entwickeln, die im Alter von 50 Tagen in adulter Form ausgeprägt ist (KITTRELL u. SATINOFF 1986).

Bei alten Ratten konnte eine Annäherung der Durchschnittstemperaturen zwischen der Tag- und der Nachtphase beobachtet werden. Dadurch kommt es zu einer Verringerung der Amplitude des circadianen Rhythmus der Körperkerntemperatur (REFINETTI et al. 1990).

Lokomotorische Aktivität

Ratten sind vorwiegend nachtaktiv. Der Hauptanteil der Aktivität fällt in die Dunkelphase, die durch eine verschiedene Anzahl von Aktivitätsmaxima charakterisiert ist, welche von unterschiedlich langen Ruhepausen unterbrochen werden. Zahl und Ausprägung der Aktivitätsmuster sind stammesspezifische, genetisch determinierte Muster (BÜTTNER u.

WOLLNIK 1984; WOLLNIK et al. 1987). Während einige Stämme vor allem zu Beginn der Nacht aktiv sind, weisen andere Stämme am Ende der Nacht die höchste Aktivität auf. Auch bi- und trimodale Aktivitätsmuster sind beschrieben (BÜTTNER u. WOLLNIK 1984;

WOLLNIK et al. 1987; ANTLE u. MISTLBERGER 2005). Wildlebende Wanderratten haben im Allgemeinen drei Aktivitätsperioden, welche zu Beginn, in der Mitte sowie am Ende der Nacht auftreten (KOOLHAAS 1999).

Schlafverhalten

Ratten weisen, wie viele Säugetiere, einen polyphasischen Schlafzyklus auf. Der Hauptanteil der Schlafphasen der nachtaktiven Tiere tritt am Tag auf und wird durch länger dauernde Phasen des Wachseins fragmentiert. Auch nachts treten immer wieder kurze Schlafperioden auf, die die Aktivitätsphasen unterteilen. Ratten verbringen ca. 80 % der Hellphase sowie 20 – 30 % der Dunkelphase mit Schlafen (TOBLER 1995; ANTLE u.

MISTLBERGER 2005).

Der Schlaf von Ratten besteht aus NREM- und REM-Phasen, die in ultradianen Zyklen alternieren. Die Dauer eines NREM-REM-Zyklus ist sehr variabel und mit durchschnittlich 10-12 Minuten im Vergleich zum Menschen (90 Minuten) deutlich kürzer (TOBLER 1995).

Der Anteil des REM-Schlafes ist positiv mit der Schlafepisodenlänge korreliert und beträgt durchschnittlich zwischen 10 und 20 % der Gesamtschlafzeit (VAN TWYVER 1969;

DATTA u. HOBSON 2000).

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23 2.2.1.3 Ratten in der tierexperimentellen Forschung

Ratten sind nach Mäusen die am häufigsten verwendeten Versuchstiere (HAVENAAR et al. 2002; TIERSCHUTZBERICHT DER BUNDESREGIERUNG 2007). Gegenwärtig sind etwa 400 Inzucht- sowie 50 Auszuchtstämme beschrieben, welche in verschiedenen Bereichen der biologischen und biomedizinischen Forschung eingesetzt werden (KOOLHAAS 1999). Dazu kommt eine zunehmende Anzahl an genetisch modifizierten, transgenen Rattenstämmen (AGCA u. CRITSER 2006). Im Rahmen der biomedizinischen Forschung werden Ratten als Tiermodelle für zahlreiche Erkrankungen verwendet. Dazu zählen unter Anderem metabolische Erkrankungen wie Übergewicht, Diabetes und Bluthochdruck, neurologische Erkrankungen wie Alzheimer, Epilepsie, Multiple Sklerose, Morbus Parkinson und periphere Neuropathien, Krebserkrankungen, Erkrankungen der Niere, kardiovaskuläre Erkrankungen oder Modelle der rheumatoiden Arthritis (OWENS 2006).

Die Ratte ist eins der wichtigsten Tiermodelle in der Toxikologie. Sie wird zum einen zur Bewertung der akuten Toxizität, aber auch zur Erfassung chronischer Wirkung in Form von Kanzerogenität, Mutagenität, Reproduktions-, Entwicklungs- sowie Neurotoxizität eingesetzt.

Im Rahmen der präklinischen Medikamentenentwicklung stellt die Ratte die am häufigsten verwendete Nagetierspezies dar (HAMM et al. 2006).

Weitere Forschungsgebiete, in denen Ratten eingesetzt werden, sind die Gerontologie (NADON 2006), die kardiovaskuläre Forschung (ANDERSON et al. 2006), die Embryologie und Teratologie (ERB 2006), die Immunologie (JENNINGS u. DILLEHAY 2006), die Transplantationsmedizin sowie die Onkologie (GILL et al. 1989).

Schließlich sind Ratten häufig verwendete Versuchstiere in der Verhaltens- und der neurowissenschaftlichen Forschung (WHISHAW u. KOLB 2005).

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24 2.2.2 Spitzhörnchen

Spitzhörnchen werden der Familie der Tupaiidae zugeordnet. Über ihre stammesgeschichtliche Einordnung herrschte lange Zeit Uneinigkeit.

Der erste Bericht über Tupaiidae stammt von William Ellis aus dem Jahr 1780. Er begleitete Cook auf seiner dritten Pazifikreise mit dem britischen Forschungsschiff Discovery und beobachtete dabei Tiere, die er als Baumhörnchen bezeichnete (LYON 1913). Etwa 40 Jahre später gab ihnen Raffles in Anlehnung an die malaiische Bezeichnung für Hörnchen den wissenschaftlichen Gattungsnamen Tupaia und stufte sie als Insektivoren ein (RAFFLES 1822).

Anfang des 20. Jahrhunderts wurden in mehreren Studien morphologische Ähnlichkeiten zwischen Tupaiidae und lemuriformen Primaten aufgezeigt (s. LUCKETT 1980b). Le Gros Clark schloss sich der Auffassung einer engeren phylogenetischen Verwandtschaft mit den Lemuriformes an und ordnete die Tupaiidae aufgrund seiner anatomischen Studien als frühe Seitenlinie der Primaten ein (LE GROS CLARCK 1926). Auch Simpson vertrat diese Meinung und ordnete die Tupaiiformes in seinem Werk über die Systematik der Säugetiere als Seitenzweig (Subprimates) in die Teilordnung der Lemuriformes der Ordnung Primaten ein (SIMPSON 1945).

Aufgrund von Beobachtungen der Lebensweise der Tupaiidae äußerte Robert D. Martin Ende der 60er Jahre Zweifel an dieser Einordnung. Sowohl das Fortpflanzungsverhalten mit einer kurzen Tragzeit und der Geburt von relativ unreifen Jungtieren als auch das Aufzuchtverhalten weisen große Unterschiede zu den Primaten auf. Die anatomischen Ähnlichkeiten sind seiner Meinung nach durch Anpassungen an ähnliche Lebensweisen als baumbewohnende, tagaktive Tiere entstanden (MARTIN 1968). Dem schloss sich auch Luckett nach einer umfassenden Gegenüberstellung der beiden Arten an (LUCKETT 1980a), woraufhin den Tupaiidae eine eigene Ordnung zugewiesen wurde, die als Scandentia bezeichnet wird.

Nach gegenwärtigem Kenntnisstand bildet die Ordnung Scandentia zusammen mit den Primaten und den Riesengleitern den Stamm der Euarchonta (JANECKA et al. 2007;

KRIEGS et al. 2007).

Eine umfassende Übersicht über die Familie der Tupaiidae, mit einer Klassifikation die auch heute noch in groben Zügen anerkannt ist, wurde 1913 von Lyon veröffentlicht (LYON

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1913). Die Familie der Tupaiidae wird unterteilt in die tagaktiven Buschschwanz- Spitzhörnchen mit 5 Gattungen (Tupaia, Anathana, Dendrogale, Lynogale (=Tana) und Urogale) und zahlreichen Arten sowie die nachtaktiven Federschwanz-Spitzhörnchen (Ptilocercinae) mit der Gattung Ptilocercus (STARCK 1995b; FUCHS u. CORBACH- SÖHLE 2010). Teilweise werden die Gattungen Lynogale und Tupaia auch als eine Gattung (Tupaia) gewertet (HELGEN 2005).

Die einzelnen Arten der Familie Tupaiidae verfügen über ein olivgrünes bis rostrotes Fell, welches am Schwanz unterschiedlich stark buschig ausgeprägt ist. Die Ohren sind primatenähnlich geformt. Ihr Gebiss ist ähnlich wie das eines Insektenfressers aufgebaut, wodurch eine eindeutige Abgrenzung zu den echten Hörnchen möglich ist. Die oberen Schneidezähne sind verlängert und stehen auseinander, wodurch sie leicht mit den nur kleinen Eckzähnen verwechselt werden können (THENIUS u. VON HOLST 1988).

Das Körpergewicht der Tupaiidae ist artabhängig und liegt zwischen 50 und 350 g, wobei Männchen in der Regel etwas schwerer sind als Weibchen. Die Kopf-Rumpf-Länge beträgt 12 bis 22 cm, wobei der Schwanz bei Tupaia belangeri etwa körperlang ist. Arten mit hauptsächlich arboraler Lebensweise sind im Allgemeinen kleiner, haben kürzere Schnauzen und längere Schwänze. Die Augen sind weniger seitlich gestellt als bei bodenbewohnenden Arten und die Krallen an den langen, biegsamen Fingern weniger stark ausgeprägt (FUCHS u.

CORBACH-SÖHLE 2010).

Der ursprüngliche Lebensraum liegt in Süd-Ost-Asien. Er erstreckt sich von Indien im Westen bis zu den Philippinen im Osten, sowie von Südchina im Norden bis nach Sumatra im Süden. Während sich das Vorkommen der Gattung Anathana auf Indien und der Gattung der Urogale auf die philippinische Insel Mindanao beschränkt, sind die anderen Gattungen im Malaiischen Archipel weit verbreitet, die größte Artenvielfalt herrscht auf Borneo. In diesen Regionen besiedeln sie tropische Regen- und Bergwälder genauso wie Plantagen und Parkanlagen (THENIUS u. VON HOLST 1988).

2.2.2.1 Lebensweise der Spitzhörnchen (Tupaiidae)

Durch die geringe Körpergröße und hohe Schnelligkeit der Tiere liegen nur wenige Freilandbeobachtungen vor. Die Mehrzahl der Berichte über Verhaltensbeobachtungen stammt aus Laboruntersuchungen (SPRANKEL 1961; SORENSON u. CONAWAY 1964;

KAUFMANN 1965; MARTIN 1968; RICHARZ 1976).

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26

Mit Ausnahme der Federschwanztupaia handelt es sich um tagaktive Tiere, die in unterschiedlichem Maß bodenbewohnend sind. Die meisten Arten sind als semi-arboral einzustufen, die sich zur Futtersuche gewöhnlich auf dem Boden aufhalten. Tupaiidae sind omnivor; die Hauptnahrung besteht aus Insekten, Würmern, vereinzelt auch kleinen Wirbeltieren, Blättern und Früchten (MARTIN 1968). Männliche und weibliche Tiere bewohnen Territorien mit einer Fläche von ca. 8000 m2, die gegen gleichgeschlechtliche Artgenossen vehement verteidigt werden (KAWAMICHI u. KAWAMICHI 1979). Die Territorien von männlichen und weiblichen Spitzhörnchen überlappen sich nahezu vollständig. Für Tupaia glis wurde die Bildung von Paaren, Harems sowie temporären Familiengruppen mit Jungtieren des letzten Wurfes beschrieben (KAWAMICHI u.

KAWAMICHI 1981, 1982). In Laborhaltung können Spitzhörnchen, selbst in großen Gehegen, langfristig nur in Paaren gehalten werden. Werden mehr als ein adultes Männchen und Weibchen in einem Käfig gehalten, treten heftige Kämpfe auf (VANDENBERGH 1963;

KAUFMANN 1965).

Die Bildung von Paaren beruht bei Spitzhörnchen auf individuellen Präferenzen. Nur in etwa 20 % der Verpaarungen kommt es zur Ausbildung einer harmonischen Paarbeziehung.

Harmonisieren zwei Tiere ist dies bereits bei der ersten Begegnung offensichtlich, weswegen von Holst auch von „Liebe auf den ersten Blick“ spricht. Die beiden Tiere beschnuppern und markieren sich immer wieder gegenseitig und zeigen ein Verhalten, das als Begrüßungslecken bezeichnet wird (VON HOLST 1987). Harmonisieren zwei Tiere und werden kontinuierlich monogam miteinander verpaart, ist mit einer konstanten, ganzjährigen Reproduktion zu rechnen. Bereits wenige Stunden nach der Geburt kommt es durch einen postpartalen Östrus zu einer erneuten Kopulation (FUCHS u. CORBACH-SÖHLE 2010). Liegt keine Sympathie vor, kommt es in etwa 20 % der Fälle zu heftigen Auseinandersetzungen der Tiere, die zur Ausbildung einer Dominanzbeziehung führen. Bei etwa 60 % bilden sich unharmonische Paare. Diese führen zwar keine aggressiven Auseinandersetzungen, ein Nachzuchterfolg bleibt jedoch aus (VON HOLST 1987). Gelegentliche Würfe können aufgrund von Kronismus oder unzureichendem Säugeverhalten der Mutter nicht aufgezogen werden (MARTIN 1968).

Nach einer Tragzeit von 41 bis 45 Tagen kommt es zur Geburt von 1-4 nackten und relativ unreifen Jungtieren (FUCHS u. CORBACH-SÖHLE 2010). Das Aufzuchtverhalten

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27

von Tupaia belangeri ist ungewöhnlich. Die Jungtiere werden in einem separaten Nest abgelegt, das von der Mutter nur alle 48 Stunden für ca. 10 Minuten aufgesucht wird, um die Jungen zu säugen. Während dieser Zeit nehmen die Jungtiere 5-10 ml Milch auf, die mit ca.

25 % einen sehr hohen Fettgehalt aufweist. Darüber hinaus findet keine Brutpflege statt, die Jungtiere werden weder gewärmt, noch gesäubert oder verteidigt. Mit etwa 33 Tagen verlassen die Jungtiere das Nest, verbleiben jedoch zunächst im Revier der Eltern. Diese temporären Familiengruppen werden aufgelöst, wenn die Jungtiere mit ca. 90 Tagen geschlechtsreif werden (MARTIN 1968). Bei männlichen Jungtieren konnte ein zeitlicher Zusammenhang zwischen dem Verlassen der Familiengruppen mit dem Östrus der Muttertiere festgestellt werden. Weibliche Jungtiere verbleiben etwas länger in den Familiengruppen und verlassen diese während der nächsten Trächtigkeit der Mutter (KAWAMICHI u. KAWAMICHI 1982).

Das Lautspektrum von Tupaia belangeri umfasst acht verschiedene Laute. Innerhalb dieses Repertoires konnten vier akustische Strukturen unterschieden werden, die mit den funktionellen Kategorien Kontakt, Aggression, Verteidigung, Aufmerksamkeit und Alarm assoziiert werden (BINZ u. ZIMMERMANN 1989).

Eine olfaktorische Kommunikation findet bei Tupaia belangeri über Sekrete der Brust-, Bauch- und Analdrüsen, Kot sowie Urin statt (VON HOLST u. LESK 1975). Besonders ausgeprägt ist bei männlichen und weniger stark auch bei weiblichen Spitzhörnchen ein Drüsenfeld in der Sternalregion (SPRANKEL 1961). Mit dem daraus abgegebenem gelb- braunen, intensiv riechenden Sekret werden die Reviergrenzen, Familienmitglieder sowie Jungtiere direkt nach der Geburt markiert, wodurch sie vor Kannibalismus durch Artgenossen geschützt werden (VON HOLST 1969; VON HOLST u. LESK 1975). Diese Sekrete enthalten Informationen über die Identität und den physiologischen Status eines Tieres und ermöglichen das Erkennen individueller Artgenossen (VON HOLST u. LESK 1975).

Die Lebensdauer liegt für Tupaia belangeri in Laborhaltung bei über 10 Jahren, für wildlebende Formen konnte sie bisher nicht ermittelt werden (FUCHS u. CORBACH- SÖHLE 2010).

(34)

28 2.2.2.2 Physiologie von Tupaia belangeri Körperkerntemperatur

Der circadiane Verlauf der Körperkerntemperatur wurde bei Tupaia belangeri mittels telemetrischer Methoden untersucht. Dabei konnte wie bei allen anderen endothermen Arten ein robuster circadianer Rhythmus festgestellt werden. Der Verlauf der Temperaturkurve unterliegt einer biphasischen Variation und weicht somit von dem für die meiste Tierarten beobachteten cosinusförmigen Verlauf ab (REFINETTI u. MENAKER 1992a). Es konnte eine Korrelation des Temperaturverlaufs mit dem ebenfalls bimodalen Aktivitätsrhythmus festgestellt werden (SORENSON u. CONAWAY 1964; MARTIN 1968).

Auch die Amplitude der Temperaturschwankungen ist mit ca. 5 °C ungewöhnlich hoch.

Während nachts die minimale Körperkerntemperatur um 35-36 °C liegen, steigt sie tagsüber auf Maximalwerte von 40-41 °C an (REFINETTI u. MENAKER 1992a).

Jungtiere sind direkt nach der Geburt in der Lage ihre Körperkerntemperatur konstant bei 37 ± 1 °C zu halten. Dazu sind sie auf eine Umgebungstemperatur von 20-27 °C sowie die Versorgung mit Milch angewiesen (MARTIN 1968).

Lokomotorische Aktivität

Tupaiidae weisen eine hohe lokomotorische Aktivität auf. Für verschiedene Vertreter der Unterfamilie Tupaiinae wurden bimodale Aktivitätsrhythmen festgestellt (SORENSON u.

CONAWAY 1964; MARTIN 1968; RICHARZ 1976). Auch für Tupaia belangeri konnten zwei Aktivitätsmaxima ermittelt werden (KURRE u. FUCHS 1988). Diese treten üblicherweise am Morgen, zu Beginn der Lichtphase und am späten Nachmittag auf. Im mittleren Drittel der Lichtphase tritt eine Ruhephase auf, die zwischen einer und drei Stunden lang ist. Die vorherrschende Lichtintensität scheint der determinierende Faktor für die Ausbildung dieses diurnalen Rhythmus zu sein. Starke Bewölkung und eine damit verbundene Reduktion der Lichtintensität veranlasst die Tiere früher ihr Nest aufzusuchen.

Dies kann auch in Laborhaltung durch ein Ausschalten des Lichts imitiert werden (MARTIN 1968).

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29 Schlafverhalten

Tupaia belangeri sind tagaktiv und verbringen die Nacht schlafend in ihren Nestern bzw.

Schlafboxen. Dadurch weisen sie, im Gegensatz zu den nachtaktiven Ratten, einen Schlafverhalten auf, das mit dem des Menschen vergleichbar ist (FUCHS u. FLÜGGE 2002).

In einer polygraphischen Studie des Schlafverhaltens von Tupaia glis konnten Berger und Walker 4 Schlafphasen anhand von EEG, EMG sowie EOG-Registrierungen unterscheiden:

Wach, leichter Slow-Wave-Schlaf, tiefer Slow-Wave-Schlaf sowie REM-Schlaf. Sie fanden heraus, dass Tupaia glis etwa zwei Drittel eines 24-Stunden-Zeitraums schlafen, davon sind etwa 17 % REM-Schlaf (BERGER u. WALKER 1972).

Aue konnte mittels telemetrischer Methoden das Schlafverhalten von Tupaia belangeri untersuchen. Anhand von EEG- und EMG-Registrierungen konnte er zwischen Wachsein ohne Aktivität, Leichtschlaf, Tiefschlaf sowie Wachsein mit Aktivität unterscheiden. Dabei schliefen die Tiere während der Nacht nicht durchgehend sondern wurden immer wieder wach. Tiefschlafphasen traten vor allem im ersten und dritten Nachtdrittel auf und die Leichtschlafphasen vor allem im zweiten Nachtdrittel (AUE 1988).

2.2.2.3 Tupaiidae in der tierexperimentellen Forschung

Tupaiidae finden vielseitige Anwendung in der medizinischen und biologischen Forschung. Als tagaktive, kleine, omnivore und relativ kostengünstig zu haltende Spezies stellen sie eine Alternative zum Einsatz von Nagetieren und nicht-humanen Primaten dar (CAO et al. 2003; FUCHS u. CORBACH-SÖHLE 2010).

Die zeitweise Klassifikation der Tupaiidae als „primitive Primaten“ machte sie zu einem beliebten Forschungsobjekt in der Neurobiologie. Viele Studien wurden am visuellen System der Tupaiidae durchgeführt, um Einblicke in die Organisation früher Entwicklungsstufen des optischen Systems von Primaten zu erhalten. Dabei stellte sich heraus, dass das visuelle System keine charakteristischen Merkmale mit dem der Primaten teilt (CAMPBELL 1980).

Tupaiidae werden jedoch weiterhin beispielsweise zur Erforschung der Myopie eingesetzt (MCBRIEN u. NORTON 1994; MCBRIEN et al. 2000; PHILLIPS et al. 2000).

Die ausgesprochene Territorialität, vor allem der männlichen Tiere, tritt auch unter Laborbedingungen auf und führt dazu, dass ein als Territorium besetzter Käfig gegenüber eindringenden Männchen aggressiv verteidigt wird (KAUFMANN 1965; RAAB 1971; VON HOLST 1972). Dies führt zu Kämpfen, die zur Ausbildung einer stabilen Rangordnung

Referenzen

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