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2.2 Untersuchte Tierarten

2.2.2 Spitzhörnchen

2.2.2.1 Lebensweise der Spitzhörnchen (Tupaiidae)

Durch die geringe Körpergröße und hohe Schnelligkeit der Tiere liegen nur wenige Freilandbeobachtungen vor. Die Mehrzahl der Berichte über Verhaltensbeobachtungen stammt aus Laboruntersuchungen (SPRANKEL 1961; SORENSON u. CONAWAY 1964;

KAUFMANN 1965; MARTIN 1968; RICHARZ 1976).

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Mit Ausnahme der Federschwanztupaia handelt es sich um tagaktive Tiere, die in unterschiedlichem Maß bodenbewohnend sind. Die meisten Arten sind als semi-arboral einzustufen, die sich zur Futtersuche gewöhnlich auf dem Boden aufhalten. Tupaiidae sind omnivor; die Hauptnahrung besteht aus Insekten, Würmern, vereinzelt auch kleinen Wirbeltieren, Blättern und Früchten (MARTIN 1968). Männliche und weibliche Tiere bewohnen Territorien mit einer Fläche von ca. 8000 m2, die gegen gleichgeschlechtliche Artgenossen vehement verteidigt werden (KAWAMICHI u. KAWAMICHI 1979). Die Territorien von männlichen und weiblichen Spitzhörnchen überlappen sich nahezu vollständig. Für Tupaia glis wurde die Bildung von Paaren, Harems sowie temporären Familiengruppen mit Jungtieren des letzten Wurfes beschrieben (KAWAMICHI u.

KAWAMICHI 1981, 1982). In Laborhaltung können Spitzhörnchen, selbst in großen Gehegen, langfristig nur in Paaren gehalten werden. Werden mehr als ein adultes Männchen und Weibchen in einem Käfig gehalten, treten heftige Kämpfe auf (VANDENBERGH 1963;

KAUFMANN 1965).

Die Bildung von Paaren beruht bei Spitzhörnchen auf individuellen Präferenzen. Nur in etwa 20 % der Verpaarungen kommt es zur Ausbildung einer harmonischen Paarbeziehung.

Harmonisieren zwei Tiere ist dies bereits bei der ersten Begegnung offensichtlich, weswegen von Holst auch von „Liebe auf den ersten Blick“ spricht. Die beiden Tiere beschnuppern und markieren sich immer wieder gegenseitig und zeigen ein Verhalten, das als Begrüßungslecken bezeichnet wird (VON HOLST 1987). Harmonisieren zwei Tiere und werden kontinuierlich monogam miteinander verpaart, ist mit einer konstanten, ganzjährigen Reproduktion zu rechnen. Bereits wenige Stunden nach der Geburt kommt es durch einen postpartalen Östrus zu einer erneuten Kopulation (FUCHS u. CORBACH-SÖHLE 2010). Liegt keine Sympathie vor, kommt es in etwa 20 % der Fälle zu heftigen Auseinandersetzungen der Tiere, die zur Ausbildung einer Dominanzbeziehung führen. Bei etwa 60 % bilden sich unharmonische Paare. Diese führen zwar keine aggressiven Auseinandersetzungen, ein Nachzuchterfolg bleibt jedoch aus (VON HOLST 1987). Gelegentliche Würfe können aufgrund von Kronismus oder unzureichendem Säugeverhalten der Mutter nicht aufgezogen werden (MARTIN 1968).

Nach einer Tragzeit von 41 bis 45 Tagen kommt es zur Geburt von 1-4 nackten und relativ unreifen Jungtieren (FUCHS u. CORBACH-SÖHLE 2010). Das Aufzuchtverhalten

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von Tupaia belangeri ist ungewöhnlich. Die Jungtiere werden in einem separaten Nest abgelegt, das von der Mutter nur alle 48 Stunden für ca. 10 Minuten aufgesucht wird, um die Jungen zu säugen. Während dieser Zeit nehmen die Jungtiere 5-10 ml Milch auf, die mit ca.

25 % einen sehr hohen Fettgehalt aufweist. Darüber hinaus findet keine Brutpflege statt, die Jungtiere werden weder gewärmt, noch gesäubert oder verteidigt. Mit etwa 33 Tagen verlassen die Jungtiere das Nest, verbleiben jedoch zunächst im Revier der Eltern. Diese temporären Familiengruppen werden aufgelöst, wenn die Jungtiere mit ca. 90 Tagen geschlechtsreif werden (MARTIN 1968). Bei männlichen Jungtieren konnte ein zeitlicher Zusammenhang zwischen dem Verlassen der Familiengruppen mit dem Östrus der Muttertiere festgestellt werden. Weibliche Jungtiere verbleiben etwas länger in den Familiengruppen und verlassen diese während der nächsten Trächtigkeit der Mutter (KAWAMICHI u. KAWAMICHI 1982).

Das Lautspektrum von Tupaia belangeri umfasst acht verschiedene Laute. Innerhalb dieses Repertoires konnten vier akustische Strukturen unterschieden werden, die mit den funktionellen Kategorien Kontakt, Aggression, Verteidigung, Aufmerksamkeit und Alarm assoziiert werden (BINZ u. ZIMMERMANN 1989).

Eine olfaktorische Kommunikation findet bei Tupaia belangeri über Sekrete der Brust-, Bauch- und Analdrüsen, Kot sowie Urin statt (VON HOLST u. LESK 1975). Besonders ausgeprägt ist bei männlichen und weniger stark auch bei weiblichen Spitzhörnchen ein Drüsenfeld in der Sternalregion (SPRANKEL 1961). Mit dem daraus abgegebenem gelb-braunen, intensiv riechenden Sekret werden die Reviergrenzen, Familienmitglieder sowie Jungtiere direkt nach der Geburt markiert, wodurch sie vor Kannibalismus durch Artgenossen geschützt werden (VON HOLST 1969; VON HOLST u. LESK 1975). Diese Sekrete enthalten Informationen über die Identität und den physiologischen Status eines Tieres und ermöglichen das Erkennen individueller Artgenossen (VON HOLST u. LESK 1975).

Die Lebensdauer liegt für Tupaia belangeri in Laborhaltung bei über 10 Jahren, für wildlebende Formen konnte sie bisher nicht ermittelt werden (FUCHS u. CORBACH-SÖHLE 2010).

28 2.2.2.2 Physiologie von Tupaia belangeri Körperkerntemperatur

Der circadiane Verlauf der Körperkerntemperatur wurde bei Tupaia belangeri mittels telemetrischer Methoden untersucht. Dabei konnte wie bei allen anderen endothermen Arten ein robuster circadianer Rhythmus festgestellt werden. Der Verlauf der Temperaturkurve unterliegt einer biphasischen Variation und weicht somit von dem für die meiste Tierarten beobachteten cosinusförmigen Verlauf ab (REFINETTI u. MENAKER 1992a). Es konnte eine Korrelation des Temperaturverlaufs mit dem ebenfalls bimodalen Aktivitätsrhythmus festgestellt werden (SORENSON u. CONAWAY 1964; MARTIN 1968).

Auch die Amplitude der Temperaturschwankungen ist mit ca. 5 °C ungewöhnlich hoch.

Während nachts die minimale Körperkerntemperatur um 35-36 °C liegen, steigt sie tagsüber auf Maximalwerte von 40-41 °C an (REFINETTI u. MENAKER 1992a).

Jungtiere sind direkt nach der Geburt in der Lage ihre Körperkerntemperatur konstant bei 37 ± 1 °C zu halten. Dazu sind sie auf eine Umgebungstemperatur von 20-27 °C sowie die Versorgung mit Milch angewiesen (MARTIN 1968).

Lokomotorische Aktivität

Tupaiidae weisen eine hohe lokomotorische Aktivität auf. Für verschiedene Vertreter der Unterfamilie Tupaiinae wurden bimodale Aktivitätsrhythmen festgestellt (SORENSON u.

CONAWAY 1964; MARTIN 1968; RICHARZ 1976). Auch für Tupaia belangeri konnten zwei Aktivitätsmaxima ermittelt werden (KURRE u. FUCHS 1988). Diese treten üblicherweise am Morgen, zu Beginn der Lichtphase und am späten Nachmittag auf. Im mittleren Drittel der Lichtphase tritt eine Ruhephase auf, die zwischen einer und drei Stunden lang ist. Die vorherrschende Lichtintensität scheint der determinierende Faktor für die Ausbildung dieses diurnalen Rhythmus zu sein. Starke Bewölkung und eine damit verbundene Reduktion der Lichtintensität veranlasst die Tiere früher ihr Nest aufzusuchen.

Dies kann auch in Laborhaltung durch ein Ausschalten des Lichts imitiert werden (MARTIN 1968).

29 Schlafverhalten

Tupaia belangeri sind tagaktiv und verbringen die Nacht schlafend in ihren Nestern bzw.

Schlafboxen. Dadurch weisen sie, im Gegensatz zu den nachtaktiven Ratten, einen Schlafverhalten auf, das mit dem des Menschen vergleichbar ist (FUCHS u. FLÜGGE 2002).

In einer polygraphischen Studie des Schlafverhaltens von Tupaia glis konnten Berger und Walker 4 Schlafphasen anhand von EEG, EMG sowie EOG-Registrierungen unterscheiden:

Wach, leichter Slow-Wave-Schlaf, tiefer Slow-Wave-Schlaf sowie REM-Schlaf. Sie fanden heraus, dass Tupaia glis etwa zwei Drittel eines 24-Stunden-Zeitraums schlafen, davon sind etwa 17 % REM-Schlaf (BERGER u. WALKER 1972).

Aue konnte mittels telemetrischer Methoden das Schlafverhalten von Tupaia belangeri untersuchen. Anhand von EEG- und EMG-Registrierungen konnte er zwischen Wachsein ohne Aktivität, Leichtschlaf, Tiefschlaf sowie Wachsein mit Aktivität unterscheiden. Dabei schliefen die Tiere während der Nacht nicht durchgehend sondern wurden immer wieder wach. Tiefschlafphasen traten vor allem im ersten und dritten Nachtdrittel auf und die Leichtschlafphasen vor allem im zweiten Nachtdrittel (AUE 1988).

2.2.2.3 Tupaiidae in der tierexperimentellen Forschung

Tupaiidae finden vielseitige Anwendung in der medizinischen und biologischen Forschung. Als tagaktive, kleine, omnivore und relativ kostengünstig zu haltende Spezies stellen sie eine Alternative zum Einsatz von Nagetieren und nicht-humanen Primaten dar (CAO et al. 2003; FUCHS u. CORBACH-SÖHLE 2010).

Die zeitweise Klassifikation der Tupaiidae als „primitive Primaten“ machte sie zu einem beliebten Forschungsobjekt in der Neurobiologie. Viele Studien wurden am visuellen System der Tupaiidae durchgeführt, um Einblicke in die Organisation früher Entwicklungsstufen des optischen Systems von Primaten zu erhalten. Dabei stellte sich heraus, dass das visuelle System keine charakteristischen Merkmale mit dem der Primaten teilt (CAMPBELL 1980).

Tupaiidae werden jedoch weiterhin beispielsweise zur Erforschung der Myopie eingesetzt (MCBRIEN u. NORTON 1994; MCBRIEN et al. 2000; PHILLIPS et al. 2000).

Die ausgesprochene Territorialität, vor allem der männlichen Tiere, tritt auch unter Laborbedingungen auf und führt dazu, dass ein als Territorium besetzter Käfig gegenüber eindringenden Männchen aggressiv verteidigt wird (KAUFMANN 1965; RAAB 1971; VON HOLST 1972). Dies führt zu Kämpfen, die zur Ausbildung einer stabilen Rangordnung

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zwischen 2 adulten Männchen führt. Unter normalen Bedingungen zieht sich das unterlegene Tier aus dem Territorium zurück (KAWAMICHI u. KAWAMICHI 1979). Ist dies nicht möglich, zeigt es erhebliche Veränderungen des Verhaltens sowie der physiologischen und neuroendokrinen Parameter (AUE 1988). Dabei ist schon die visuelle und olfaktorische Anwesenheit des dominanten Tieres ausreichend um die stress-induzierten Veränderungen hervorzurufen. Im Gegensatz dazu zeigt das dominante Tier keinerlei Veränderungen. Bei chronischer Einwirkung von psychosozialem Stress weisen die subdominanten Tiere depressionsähnliche Symptome auf, die sich durch die Gabe von antidepressiv wirksamen Substanzen behandeln lassen (FUCHS 2005). Aus diesem Grund stellt die Erzeugung von chronischem, psychosozialem Stress ein Tiermodell zur Erforschung von neurobiologischen, endokrinologischen und ethologischen Konsequenzen psychosozialer Belastungen und daraus entstehender pathologischer Zustände sowie ihrer Pharmakotherapie dar (FUCHS u.

FLÜGGE 2002).

Des Weiteren bestehen Homologien zwischen zahlreichen Rezeptorproteinen für Neuromodulatoren (FUCHS u. FLÜGGE 2002) sowie für Vorstufen des Amyloid-β-Proteins (PAWLIK et al. 1999) zwischen Tupaia belangeri und Primaten. In Verbindung mit der vierfach längeren Lebensspanne ermöglicht dies Studien über altersabhängige Veränderungen des Gehirns (KEUKER et al. 2004).

Außerdem werden Tupaiidae auch als Tiermodell in der virologischen Forschung vor allem für Untersuchungen von Herpesviren sowie von humanen Hepatitisvirusinfektionen eingesetzt (FUCHS u. CORBACH-SÖHLE 2010). Ein großes Problem bei der Erforschung von humanen Hepatitisvirusinfektionen, die auch in Verbindung mit der Entstehung des hepatozellulären Karzinoms stehen, war lange Zeit ein Mangel an geeigneten Tiermodellen.

Da Hepatitisviren ein sehr enges Wirtsspektrum besitzen, konnte die Infektion bislang nur bei Menschen und Schimpansen beobachtet werden. Es konnte jedoch gezeigt werden, dass auch Tupaiidae empfänglich für experimentelle Infektionen mit humanen Hepatitis-B- und Hepatitis-C-Viren sind, so dass sie diesbezüglich als Tiermodell dienen können (CAO et al.

2003; AMAKO et al. 2010).

Weiterhin sind verschiedene Aspekte des Verhaltens, der Entwicklung, der Kommunikation sowie der sozialen Strukturen der Tupaiidae Gegenstand der Forschung (MARTIN 1968).

31 2.2.3 Weißbüschelaffen (Callithrix jacchus)

Weißbüschelaffen sind Neuweltaffen (Platyrrhini) und werden der Familie der Krallenaffen (Callithrichidae) zugeordnet (GEISSMANN 2003b). Die Familie der Krallenaffen umfasst 4 Gattungen, die Büschel- und Seidenäffchen (Callithrix, Cebulla, Mico) zu denen auch Callithrix jacchus zählt, die Tamarine (Saguinus), die Löwenäffchen (Leontopithecus) und den Springtamarin (Callimico) (GROVES 2001; GEISSMANN 2003a).

In der Literatur existieren keine einheitlichen Angaben über die Systematik der Callithrichiden, da sich die Taxonomie aufgrund von Neuentdeckungen sowie geänderten Kriterien fortwährend ändert.

Weißbüschelaffen weisen ein agoutifarbenes Fell mit grau/braun/rötlichen Farbschattierungen auf, der Schwanz ist schwarz-grau gestreift und am Kopf finden sich typische Gesichtszeichnungen sowie die charakteristischen weißen Haarbüschel um die Ohren (STEVENSON u. RYLANDS 1988; NOWAK 1999). Mit einem Körpergewicht von 300-450 g und einer Körperlänge von durchschnittlich 25 cm weisen adulte Weißbüschelaffen eine geringe Körpergröße auf. Der Schwanz ist mit 28 cm etwas länger als der Körper (STEVENSON u. RYLANDS 1988). Während die Großzehe den für Primaten üblichen Plattnagel trägt, sind an allen übrigen Fingern und Zehen krallenförmig verlängerte Nägel ausgebildet (WOLTERS u. IMMELMANN 1988) .

Das Gebiss der Tiere zeichnet sich durch das Fehlen der dritten Molaren im Ober- und Unterkiefer sowie durch die Dreihöckerigkeit der oberen ersten Molaren aus. Es wird angenommen, dass die Reduktion des Gebisses auf 32 Zähne eine Anpassung an die Reduktion der Körpergröße darstellt (FORD 1980). Die Schneidezähne des Unterkiefers sind annähernd gleich lang wie die benachbarten Eckzähne. Dieser Zustand wird auch als „short-tusked“ bezeichnet (COIMBRA-FILHO u. MITTERMEIER 1975; NOWAK 1999).

Der natürliche Lebensraum der Weißbüschelaffen liegt im Nordosten Brasiliens, wo sie sowohl in den trockeneren Buschwäldern, den atlantischen Regenwäldern sowie in den Sekundärwäldern zu finden sind (RYLANDS et al. 1993; ROWE 1996).

2.2.3.1 Lebensweise von Weißbüschelaffen

Weißbüschelaffen sind tagaktiv und weisen eine arborale Lebensweise auf. Dabei halten sie sich vorwiegend in Höhen unter 12 m auf (STEVENSON u. RYLANDS 1988). Die

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Fortbewegung erfolgt typischerweise vierbeinig gehend, rennend oder springend (GEISSMANN 2003a). Des Weiteren ermöglichen die krallenförmig verlängerten Nägel das Klettern an dicken, vertikalen Stämmen sowie das Einnehmen von Kopfüber-Positionen am Stamm (KINZEY et al. 1975; GEISSMANN 2003a).

Weißbüschelaffen sind exsudativor-insektivor. Einen Teil der Nahrung bilden Baumsäfte, die reich an Kohlenhydraten und Mineralstoffen sind. Um an die Exsudate zu gelangen, nagen Weißbüschelaffen Löcher in die Borke verschiedener Bäume. Die „short tusked“ Bedingung des Gebisses stellt eine Anpassung an diese spezielle Ernährungsweise dar, die die Tiere weitgehend unabhängig von saisonalen Angeboten an Früchten macht (COIMBRA-FILHO u.

MITTERMEIER 1975, 1976; STEVENSON u. RYLANDS 1988). Darüber hinaus umfasst das Nahrungsspektrum der Weißbüschelaffen tierische Beute zur Deckung des Eiweißbedarfs, insbesondere Insekten, aber auch Spinnen, kleine Wirbeltiere oder Vogeleier. Hinzu kommen Früchte, Blüten und Nektar (STEVENSON u. RYLANDS 1988; PRESTON-MAFHAM u.

PRESTON-MAFHAM 1999). Die Größe der Streifgebiete ist abhängig von der Anzahl der Exsudat-produzierenden Bäume und schwankt zwischen 0,5 und 6,5 ha (ROWE 1996).

Weißbüschelaffen leben in relativ stabilen Gruppen die eine Größe von 3-15 Mitgliedern aufweisen und oftmals erweiterte Familienverbände darstellen. Die Sozialstruktur innerhalb der Gruppen ist sehr variabel. Neben Gruppen, die aus einem monogam lebenden Elternpaar und dessen Nachkommen bestehen, wurden auch polygyne, polyandrische sowie polygynandrische Zusammensetzungen beschrieben (FERRARI u. LOPES FERRARI 1989;

KOENIG 1995; FERRARI u. DIGBY 1996). In den meisten Gruppen gibt es nur ein Zuchtpaar, welches von dem ranghöchsten Weibchen und dem ranghöchsten Männchen gebildet wird. Die Fortpflanzung der rangniederen Weibchen wird vom dominanten Weibchen mit Hilfe von Pheromonen und einschüchternden Verhaltensweisen unterdrückt (EPPLE 1967). Dabei wird die Sekretion des Gonadotropin-Releasing-Hormons aus dem Hypothalamus und damit die Plasmakonzentrationen von Follikel-stimulierendem und luteinisierendem Hormon verringert, wodurch die Ovulation gehemmt wird (ABBOTT 1984;

ABBOTT et al. 1993). In einigen Gruppen konnte beobachtet werden, dass ein weiteres Weibchen Nachwuchs austrägt. Dabei handelt es sich meist um die älteste Tochter des Zuchtweibchens (DIGBY u. FERRARI 1994). Die Jungtieraufzucht erfolgt kooperativ, alle

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Mitglieder einer Gruppe beteiligen sich am Tragen der verhältnismäßig schweren Jungtiere (TARDIF et al. 1986; FAULKES et al. 2003).

Männliche Tiere sind mit 9-13 Monaten und weibliche mit 20-24 Monaten Geschlechtsreif (EISENBERG 1975). Der ovarielle Zyklus dauert 28 Tage und wird ohne äußerlich sichtbare Anzeichen durchlaufen. Nach einer Tragzeit von 141-146 Tagen kommt es zur Geburt von 1-3 Jungtieren. Obwohl die Weibchen einen Uterus simplex besitzen, sind dizygote Zwillinge am häufigsten (HEARN 1983; HAIG 1999). Bei Mehrlingsträchtigkeiten bilden sich als Folge einer fusionierten Chorionmembran plazentäre Gefäßanastomosen aus.

Durch den so entstehenden gemeinsamen Plazentarkreislauf kommt es zum gegenseitigen Zellaustausch, die Jungtiere werden als Blut- und Stammzellchimären geboren und weisen identische genetische Fingerabdrücke auf (GEISSMANN 2003a). Eine Zwickenbildung kann hierbei nicht beobachtet werden, männliche Geschlechtshormone haben keinen negativen Einfluss auf die weiblichen Feten (HEARN 1983; HAIG 1999).

Weißbüschelaffen verfügen über einen gut entwickelten Geruchssinn und über ein vielschichtiges System der olfaktorischen Kommunikation. Die Duftmarken von Weißbüschelaffen stellen eine Mischung von Geruchsstoffen verschiedener Quellen dar. Dazu zählen Sekrete der Zirkumanaldrüsen, Urin, Kot und Sekrete des Genitaltraktes. Die produzierten Sekrete enthalten Informationen über die Identität, den Rang sowie den Reproduktionsstatus eines Tieres und spielen eine Rolle bei der Unterdrückung der Fruchtbarkeit von rangniederen Tieren (SMITH 2006; BUCHANAN-SMITH 2010).

Duftmarken werden häufig an genagten Löchern in der Borke exsudatproduzierender Bäume angebracht. Sie spielen möglicherweise eine Rolle bei der Markierung von Territorien. Auch Funktionen der gruppeninternen Kommunikation werden diskutiert (STEVENSON u. RYLANDS 1988; SMITH 2006).

Die Lautäußerungen der Weißbüschelaffen können 4 verschiedenen Rufsystemen zugeordnet werden (STEVENSON u. RYLANDS 1988). Ein Teil der Lautäußerungen können spezifischen Situationen zugeordnet werden, wie Alarmrufe oder sogenannte

„Mobbing-calls“, die mit bedrohlichen Situationen assoziiert werden. Im Gegensatz dazu können „Phee“ und „Trill“- Rufe nicht mit einer spezifischen Situation in Verbindung gebracht werden. Sie sind individuell unterschiedlich und dienen der Kommunikation zwischen Artgenossen über unterschiedliche Entfernungen (JONES 1997).

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Die durchschnittliche Lebenserwartung wildlebender Weißbüschelaffen liegt bei 10 Jahren, in Laborhaltung können sie nach Literaturangaben bis zu 16 Jahre alt werden (NOWAK 1999). Nach eigenen Beobachtungen können Einzeltiere jedoch auch ein Alter von über 20 Jahren erreichen (Zuchtkolonie des DPZ, nicht veröffentlicht).

2.2.3.2 Physiologie von Weißbüschelaffen Körperkerntemperatur

Die Körperkerntemperatur von Weißbüschelaffen weist eine ausgeprägte circadiane Rhythmik mit einer Schwankungsbreite von bis zu 3,5 °C auf. Tagsüber variiert die Körperkerntemperatur in Abhängigkeit zur motorischen Aktivität zwischen 37,5 und 39,3 °C.

Die Maximalwerte um 39 °C werden in der zweiten Hälfte der Lichtphase erreicht. Nachts sinkt die Körperkerntemperatur ab und erreicht Minimalwerte um 36 °C in der zweiten Hälfte der Dunkelphase (HETHERINGTON 1978; PETRY u. MAIER 1990; ERKERT 1997).

Petry und Maier konnten zeigen, dass die Umgebungstemperatur einen starken Einfluss auf die Körperkerntemperaturrhythmen von Weißbüschelaffen hat. Während eine Erhöhung der Umgebungstemperatur von 28 auf 30 °C zu einem Anstieg der Körperkerntemperatur führt, der gleichmäßig auf den 24stündigen Temperaturverlauf verteilt ist, führt eine Absenkung der Umgebungstemperatur auf 24 °C zu einem Abfall der Körperkerntemperatur, der auf die Ruhephase begrenzt ist und durch Hungern zusätzlich verstärkt werden kann.

Diese Ergebnisse führen sie zu dem Schluss, dass Weißbüschelaffen eine geringe thermoregulatorische Toleranz aufweisen (PETRY u. MAIER 1990).

Lokomotorische Aktivität

Weißbüschelaffen sind tagaktiv; sowohl unter Laborbedingungen als auch in ihrem natürlichen Habitat ist ihre Aktivität vollständig auf die Lichtphase begrenzt. Im Zeitraum kurz vor bis 30 Minuten nach Sonnenaufgang verlassen die Tiere ihre Schlafplätze, zu denen sie 1 bis 2 Stunden vor Sonnenuntergang zurückkehren. Die tägliche Aktivitätsphase ist somit 11-12 Stunden lang. Sie weist im Allgemeinen 2 Aktivitätsmaxima auf, die mittags durch eine Ruhepause von 1-2 Stunden unterbrochen werden (ERKERT et al. 1986; STEVENSON u.

RYLANDS 1988; ERKERT 1989, 1997). Unter Laborbedingungen sind die Aktivitätsmuster der Tiere variabel, neben bimodalen Mustern treten auch unimodale und multimodale Formen

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auf. Bei Tieren mit sozialem Kontakt zu Artgenossen dominieren jedoch die bimodalen Muster (ERKERT 1989).

Schlafverhalten

Eine umfangreiche Studie zum Schlafverhalten von adulten Weißbüschelaffen wurde von Crofts und Kollegen veröffentlicht (CROFTS et al. 2001). Durch die Verwendung von telemetrischen Registrierungen des Elektrokortikogramms (ECoG) in Kombination mit Videoaufzeichnungen fand keine Einschränkung der Bewegung der Tiere statt. Anhand der ECoG-Registrierungen konnte zwischen Wachphasen, wahrscheinlich REM, Leichtschlaf (NREM 1 und 2) sowie Slow-Wave-Schlaf (NREM 3 und 4) unterschieden werden. Da die Unterscheidung zwischen Wach und REM anhand des ECoGs schwierig war, wurden diese Phasen durch Videoregistrierungen abgesichert. Typischerweise suchen Weißbüschelaffen zu Beginn der Dunkelphase ihre Schlafbox auf, einige Tiere schlafen jedoch schon zuvor.

Werden sie als Paar gehalten, nehmen sie eine aufgerollte Schlafposition ein, wobei ein Tier üblicherweise an dem anderen lehnt und durch Bewegungen des Partners geweckt werden kann. Weißbüschelaffen weisen ein monophasisches Schlafmuster auf. Etwa 9-10 Stunden der Dunkelphase werden schlafend verbracht. Dabei entfallen etwa 61,3 % auf Leichtschlafphasen, 21,8 % auf Slow-Wave-Schlaf und 16,9 % auf REM-Phasen. Die restlichen 1,5-2 Stunden sind die Tiere wach. Während Slow-Wave-Schlaf vorwiegend in der ersten Hälfte der Schlafperiode vorkommt, nimmt der Anteil der REM-Phasen zum Ende der Nacht zu. Der Schlaf von Weißbüschelaffen ist durch zyklische Alterationen zwischen NREM und REM-Phasen gekennzeichnet. Während der Nacht werden zwischen 10 und 17 Zyklen mit einer Dauer von 40-50 Minuten durchlaufen, die somit etwa halb so lang sind wie die Schlafzyklen des Menschen.

Diese Ergebnisse weisen darauf hin, dass Weißbüschelaffen ein geeignetes Tiermodell für die Erforschung von humanem Schlaf darstellen, da ihre Schlafmuster deutlich mehr Gemeinsamkeiten zu denen des Menschen aufweisen als die der häufig verwendeten Rodentia (CROFTS et al. 2001).

2.2.3.3 Weißbüschelaffen in der tierexperimentellen Forschung

Weißbüschelaffen weisen eine gute Anpassungsfähigkeit an die Bedingungen der Laborhaltung auf. Ihre geringe Körpergröße ermöglicht die Haltung in Gruppen, die in Größe

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und Zusammensetzung mit wildlebenden Gruppen vergleichbar ist, wodurch die Haltung im Gegensatz zu anderen Primaten vergleichsweise günstig ist. In Verbindung mit ihrer hohen Reproduktionsrate und der schnellen Entwicklung bis zur Geschlechtsreife macht sie dies zu einer nicht-humanen Primatenart, die vielfältigen Einsatz in der biologischen und biomedizinischen Forschung findet (MANSFIELD 2003).

Weißbüschelaffen werden in vielen Bereichen der neurowissenschaftlichen Forschung eingesetzt. Neben Aspekten der neurophysiologischen Grundlagenforschung dienen sie auch als Tiermodell zur Erforschung humaner Erkrankungen. Dazu zählen cerebrale Gefäßerkrankungen, die tardive Dyskinesie, multiple Sklerose sowie neurodegenerative Erkrankungen wie Morbus Parkinson und Morbus Huntington (MANSFIELD 2003). Darüber hinaus wurden im Gehirn alter Tiere β-Amyloid-Ablagerungen gefunden, die darauf schließen lassen, dass Weißbüschelaffen möglicherweise ein neues Tiermodell zur Erforschung der Alzheimer´schen Erkrankung darstellen (MACLEAN et al. 2000).

Weißbüschelaffen zeichnen sich durch eine einzigartige Empfänglichkeit für eine Reihe wichtiger Infektionskrankheiten des Menschen aus. Ihre Empfänglichkeit für Infektionen mit zahlreichen Herpesviren, einschließlich Gamma-Herpesviren wie zum Beispiel das Epstein-Barr-Virus oder das Herpesvirus saimiri, die mit der Entstehung von lymphoproliferativen Erkrankungen assoziiert werden, begründen ihren Einsatz in der Erforschung der viralen

Weißbüschelaffen zeichnen sich durch eine einzigartige Empfänglichkeit für eine Reihe wichtiger Infektionskrankheiten des Menschen aus. Ihre Empfänglichkeit für Infektionen mit zahlreichen Herpesviren, einschließlich Gamma-Herpesviren wie zum Beispiel das Epstein-Barr-Virus oder das Herpesvirus saimiri, die mit der Entstehung von lymphoproliferativen Erkrankungen assoziiert werden, begründen ihren Einsatz in der Erforschung der viralen