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Archiv "Die Stimmung ist schlechter als die Lage" (11.01.1988)

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AKTUELLE POLITIK

DEUTSCHES ÄRZTEBLATT

Die Konjunkturaussichten 1988: Kaum noch Wirtschaftswachstum

Die Konjunktur-Prognosen für das gerade eingeläutete Jahr 1988 ver- mitteln Unsicherheit. Mit einiger Sicherheit läßt sich wohl nur voraus- sagen, daß es weiterhin ein bescheidenes reales Wachstum und kei- ne Rezession geben wird. Das ist nach fünf Jahren eines gemäßigten Aufschwungs keine schlechte Prognose. Aber das zu erwartende Wachstum reicht nicht aus, die Strukturprobleme zu lösen: Die Ar- beitslosenzahlen werden eher wieder steigen, die Anpassungskri- sen bei Kohle, Stahl und in der Landwirtschaft verschärfen sich. In den öffentlichen Haushalten wachsen Defizite und Verschuldung.

E

ie Unsicherheit über die Konjunktur-Entwicklung und die Strukturprobleme in der Volkswirtschaft verleiten die Politiker zu hektischem Aktionismus; der trägt dazu bei, Unsicherheit und Ratlosigkeit zu verstärken. Darin aber liegt die Ge- fahr• die Stimmung ist schlechter als die tatsächliche Lage. Das könnte Verbraucher und Investoren veran- lassen, vorsichtiger als nötig zu dis- ponieren. Die Wachstumskräfte könnten dann tatsächlich erlahmen.

Dennoch spricht viel für die Progno- se des Sachverständigenrates ( „Fünf Weise"), daß es in diesem Jahr gut 1,5 Prozent reales Wachstum gibt;

das entspricht etwa der Wachstums- zahl des Jahres 1987.

Alle Prognosen hängen davon ab, mit welchem Dollarkurs man rechnet. Der Sachverständigenrat hat seiner Voraussage einen Dollarkurs von 1,70 DM zu Grunde gelegt. Das dürfte sich als zu günstig erweisen, lag der Kurs doch zum Jahreswechsel schon bei rund 1,60 DM. Ein höherer Dollarkurs dürfte zwar den Kauf- kraftparitäten entsprechen. Erfah- rungsgemäß richtet sich danach aber nur auf weitere Sicht die Kursrelation zwischen zwei Währungen. Die kür- zerfristigen Bewegungen werden vor allem von Geldpolitik, Zinsniveaus, Kapitalbewegungen und Inflations- erwartungen bestimmt.

Mehr sagt die Antwort auf die Frage nach den Zielen der amerika- nischen Politik aus. Offensichtlich geht es der amerikanischen Regie- rung vor allem darum, mit einem kräftigen Wachstumsschub über das Jahr der Präsidentenwahl (sie steht für den 8. November an) hinweg zu kommen. Das bedeutet: Auswei-

Die

Stimmung ist

schlechter als

die Lage

tung der Geldmenge, niedrige Zin- sen, keine Steuererhöhung, Druck auf den Dollar, um den Export zu erleichtern und die Einfuhr zu er- schweren.

Das aber schafft der amerikani- schen Politik Probleme: die Infla- tionserwartungen steigen, die Fi- nanzierung der hohen Defizite wird gefährdet, denn wer will schon bei Inflation- und Abwertungsgefahr sowie niedrigen Zinsen Geld und Kapital in Dollars anlegen?

Ordnungspolitischer Sündenfall

Die Amerikaner sehen ihr Di- lemma Sie versuchen, sich ihm zu entziehen, indem sie die anderen In- dustrieländer, derzeit vor allem die Bundesrepublik, drängen, ebenfalls eine Politik des billigen Geldes zu betreiben. Die Zinssenkungen bei uns geben den Amerikanern die Möglichkeit, ihre Zinsen niedrig zu

Steuerreform 1990 oder früher?

halten. Das alles hilft ihnen aber nur, so lange es keine Inflationser- wartungen gibt. Diese Gefahr ist je- doch groß: in den Vereinigten Staa- ten läuft zu viel Geld um, und die Unternehmen könnten bestrebt sein, den abnehmenden Wettbe- werbsdruck von außen für Preiser- höhungen zu nutzen. Die Märkte könnten darauf mit einer weiteren Abwertung des Dollar reagieren, zu- mal auch die Administration den Eindruck vermittelt, daß ihr der Dollarkurs weniger wichtig als das Wirtschaftswachstum ist.

Die Bonner Politik hat reichlich hektisch auf die neuen Herausforde- rungen reagiert. Plötzlich war von Konjunkturprogrammen und einem neuen Maßnahmen-Paket die Rede.

Im Eilverfahren wurde beschlossen, für die nächsten zehn Jahre den Kommunen und den kleinen und mittleren Unternehmen jeweils 250 Millionen DM zur Verbilligung von Investitionskrediten über die Kredit- anstalt für Wiederaufbau anzubie- ten. Damit ließen sich Investitionen bis zu 21 Milliarden DM mobilisie- ren. Es bleibt abzuwarten, ob die Begünstigten das Angebot auch nut- zen. Zinssubventionen haben den Nachteil, daß sie das Zinsgefüge und damit den Wettbewerb verzerren.

Das Programm ist ein ordnungspoli- tischer Sündenfall, der wenig Ge- winn verspricht.

An Ausgabenprogramme denkt im Bonner Regierungslager derzeit niemand Dafür wird um so mehr über die Steuerpolitik und die Zins- politik der Bundesbank geredet. Es mehren sich die Stimmen, die ent- weder dafür eintreten, daß die für 1990 geplante Steuerreform mit ei- nem Entlastungsvolumen von etwa 20 Milliarden DM auf 1989 vorgezo- gen wird, oder daß die Lohn- und Einkommensteuer nach den Regeln des Stabilitätsgesetzes befristet ge- kürzt wird, oder daß mit gezielten Steuersenkungen die Unternehmen zu Investitionen veranlaßt werden.

Für solche Überlegungen gibt es al- lenfalls eine Chance, wenn sichtbar würde, daß dem Aufschwung ein Abschwung folgen sollte. Aus heuti- ger Sicht gibt es keine Veranlassung, Dt. Ärztebl. 85, Heft 1/2, 11. Januar 1988 (13) A-13

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über so weitreichende Notmaßnah- men nachzudenken. Schädlich ist al- lerdings schon die Diskussion dar- über: Die Instrumente des Stabili- tätsgesetzes setzt man ein, aber man redet nicht lange darüber!

In der Diskussion über die Kon- junktur wird eine Reihe von Fakten übersehen, die stimulierend wirken.

Zum Jahreswechsel werden die Steuern um annähernd 14 Milliarden DM gesenkt. Das ist keine Kleinig- keit. Das stützt die Nachfrage und entlastet auch die kleineren und mittleren Unternehmen. Die Politik hat weitgehend Klarheit über die Steuerreform geschaffen, die 1990 folgen soll. Der vorgesehene und in der Koalition nicht umstrittene line- arprogressive Tarif wird dauerhaft die mittleren Einkommen entlasten.

Die Reformbeschlüsse haben bis- lang nicht stimulierend gewirkt, weil viele Steuerzahler und auch Unter- nehmen durch die lange und kontro- verse Diskussion verunsichert wor- den sind. Hier ist noch viel Aufklä- rungsarbeit nachzuholen. Von den wachsenden und kreditfinanzierten Defiziten gehen kräftige expansive Impulse aus, jedenfalls so lange, wie nicht die Sorge wächst, daß der wie- der schnell anwachsenden Verschul- dung früher oder später Steuer- und Preiserhöhungen folgen werden.

Für die Glaubwürdigkeit der Politik bleibt es entscheidend, daß die Ausgaben streng begrenzt blei- ben. Die Koalition hat darauf zu achten, daß es Kompromisse zu La- sten des Finanzministers nicht mehr geben darf. Es hat in den letzten zwei Jahren schon zu viele davon ge- geben. Das rächt sich jetzt. Die Neuverschuldung ist 1987 um rund 7 Milliarden DM auf über 29 Milliar- den DM gestiegen. Damit gerät die Koalition allmählich wieder in die Nähe jener Schuldenzahlen, die maßgeblich zum Sturz der Regie- rung Schmidt beigetragen haben.

Der Haushalt des Bundes weist für 1988 eine Neuverschuldung von 29,5 Milliarden DM aus.

Eine Reihe kostspieliger Risi- ken ist im Etat aber noch nicht be- rücksichtigt. Bei einer Konjunktur- abschwächung bleiben die Steuer- einnahmen hinter den Schätzungen zurück, die noch auf einer Wachs-

tumsprognose von 2,25 Prozent be- ruhen; mit sinkendem Dollarkurs schrumpft der Bundesbankgewinn schnell zusammen; die zusätzlichen Kosten der EG-Politik sind noch nicht veranschlagt; der Bund wird der Bundesanstalt für Arbeit gegen Ende 1988 mit einem Zuschuß hel- fen müssen. Das alles summiert sich auf 8 bis 10 Milliarden DM.

Diese Daten zeigen, daß der Bundesfinanzminister nur dann auf die Forderung nach zusätzlichen Steuererleichterungen eingehen kann, wenn tatsächlich eine Rezes- sion drohen sollte. Im übrigen be- darf jede Steuersenkung der Zustim- mung des Bundesrates. Dessen CDU/CSU-Mehrheit ist aber nur mit Mühe die Zusage abgerungen worden, die Steuerreform 1990 nicht zu blockieren. Wer diese lose Ver- einbarung in Frage stellt, gefährdet das Steuerpaket insgesamt. wst

irr isms

„Eckdaten"

zur Konjunktur

(in Prozent gegenüber Vorjahr) 1987 1988 Bruttosozialprodukt, real 1,5 1,5 - Privater Verbrauch 2,5 2,5

- Staatsverbrauch 2 1,5

- Ausrüstungsinvestitionen 4 2 - Bauinvestitionen -0,5 1

- Ausfuhr') 0 2,5

- Einfuhr') 3,5 4

Bruttolohn- und

-gehaltssumme 2) 4 4

Unternehmer-

einkommen')3) 3,5 2

Verbraucher-Preise 1 1,5

Arbeitslose (in Mill.)4) 2,23 2,3 1)Waren und Dienstleistungen

2)Nominal

3) Bruttoeinkommen aus Unternehmertätigkeit und Vermögen

4)Jahresdurchschnitt Quelle. Sachverständigenrat

Radiologen fühlen sich im Stich gelassen

Das „Deutsche Informationszen- trum für Radiologie e. V. - Vereini- gung der Radiologen und Nuklearme- diziner in freier Praxis" (DIR) hat ge- fordert, die Streitfragen über die Ab- rechnung von Radionuklidkosten ins- besondere in den Bereichen der Kas- senärztlichen Vereinigungen Nord- rhein und Westfalen-Lippe (Heft 50/1987, Aktuelle Politik) durch die Sozialgerichte klären zu lassen.

Das DIR wendet sich dagegen, daß Radiologen und Nuklearmediziner rückwirkend „überhöht abgerechnete"

Kosten für die Beschaffung und Aufar- beitung von Radionukliden zurücker- statten sollen, obwohl die Abrechnun- gen jahrelang nicht nur nicht beanstan- det worden waren, sondern sogar auf von den KVen empfohlenen Richtwer- ten beruhten. Dies sei um so unver- ständlicher, als einige Universitätsklini- ken und sogar krankenkasseneigene In- stitute zum Teil weit höhere Richtwerte in Rechnung stellten.

Das Hamburger Landgericht hatte in einem Urteil gegen einen Laborarzt vom Mai 1987 einen Satz von zehn Pro- zent der Beschaffungskosten als Aufbe- reitungskosten zugestanden. Das DIR wendet sich dagegen, diesen Satz pau- schal auf alle Praxen anzuwenden. Bei einem durchschnittlichen Praxisumsatz sei schon wegen der Personalkosten ein weit höherer Prozentsatz für die Aufar- beitung erforderlich. Bezeichnender- weise ließen auch die Punktzahlen im neuen EBM (in denen die Beschaf- fungs- und Aufbereitungskosten pau- schaliert sind) erkennen, daß hier zum Teil höhere Prozentsätze angenommen wurden (dennoch hält das DIR die neu- en Bewertungen für zu niedrig).

Die KVen werden beschuldigt, vor den Forderungen der Krankenkassen in die Knie gegangen zu sein und die Radiologen und Nuklearmediziner im Regen stehen gelassen zu haben. Man müsse die Frage stellen, ob es den KV- Gremien und Prüfgremien an Sachver- stand fehle und/oder ob sie zu Ungun- sten der Gebietsärzte „durch Prakti- sche Ärzte majorisiert" würden. gb A-14 (14) Dt. Ärztebl. 85, Heft 1/2, 11. Januar 1988

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