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558 Ätiologie und Pathogenese Einleitung Amyloidose Originalie

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558

Amyloidose

S. Parmentier

Einleitung

Der Krankheitsbegriff der Amyloi- dose wurde 1854 von Rudolph Vir- chow geprägt, als er ein stärkeähnli- ches Jod-Färbeverhalten (amylon alt- griechisch = Stärkemehl) in makros- kopisch pathologisch veränderten Geweben beschrieb [1].

Nach Einführung der Kongorot-Fär- bung von Bennhold im Jahre 1922, welche spezifisch Amyloid färbt, wurde die histologische Begutach- tung zielführend für die Diagnose- stellung. Die grüne Doppelbrechung von Amyloid in polarisiertem Licht wurde 1927 von zwei belgischen Forschern beschrieben. Dies ist ein physikalischer Effekt, der unter ande- rem bei kristallinen Strukturen vor- kommt, welche in der Lage sind, ein- fallendes Licht in zwei senkrecht zueinander stehende Richtungen zu reflektieren.

Der Begriff Amyloidose umfasst eine heterogene Gruppe von Erkrankun- gen, denen eine interstitielle Ablage- rung von größtenteils funktionslosen Proteinen beziehungsweise Protein- fragmenten zugrunde liegt. Die Bandbreite sogenannter Amyloidvor- läufer ist groß. Bisher sind über 25 Proteine beschrieben die in vivo Amyloid bilden können (Tab. 1), ca.

15 davon induzieren systemische Verläufe. Einteilungen erfolgen nach der Genese (erworben vs. hereditär), dem Verteilungsmuster (systemisch vs. lokal) oder dem auslösenden Protein(fragment). Je nach Typ und Ausprägung sind posthume Zufalls- befunde oder rasch letale Verläufe möglich.

Ätiologie und Pathogenese

Amyloidformationen entstehen, wenn ein Protein oder Peptid die Fähigkeit verliert (oder nicht erwirbt) sich ent- sprechend der biochemischen Vorga- ben regulär zu falten. In übergreifen- der Taxonomie gehören die Amyloi- dosen zu den „protein misfolding diseases“, wie zum Beispiel auch die Prionenkrankheiten (bei Menschen zum Beispiel Creutzfeld-Jakob). Die Fähigkeit eines Proteins Amyloid zu

bilden, hängt davon ab, ob es nach Erreichen einer kritischen Menge spontan oder unter Einfluss lokaler Enzyme zur Bildung unlöslicher Ami- nosäureketten mit Fixierung auf der Ebene einer Proteinsekundärstruktur – des sogenannten ß-Faltblattes –

kommt (Abb. 1). Hierzu kann sowohl eine gestörte lokale Beseitigung als auch ein überhöhter Anfall verant- wortlich sein [2].

Elektronenmikroskopisch finden sich in den oft makroskopisch derb ver- änderten Geweben eng zusammen- gelagerte, unverzweigte Fibrillen, typischerweise mit einer Dicke von 7,5 bis 10 nm. Bemerkenswert ist,

dass diese keine physikochemisch definierten Längenabbrüche aufwei- sen, also theoretisch meterlang sein könnten [3].

Alle Amyloidablagerungen enthalten als obligatorische Komponenten Serumamyloid P (SAP) und Glykosa- minoglykane (GAG). Letztere sind wahrscheinlich auch für die von Vir- chow beschriebenen Färbephäno- mene verantwortlich (und nicht das pathologisch angereicherte Protein selbst).

■ SAP ist zu 51 Prozent sequenzho- molog mit CRP und phylogene- tisch hochkonserviert [4]. Es ist proteolytisch unverdaulich und zeigt in vivo wie in vitro sehr hohe Affinität zu Amyloidfibril- len. Dabei „ummantelt“ es diese, was die Fibrillen sekundär vor Verstoffwechselung durch Protein- scavengingmechanismen „schützt“

[5].

■ GAG sind Polysaccharidketten, die in der Lage sind, nach Fusion mit der Zentralregion eines Prote- ins Proteoglykane zu formieren.

Diese Proteoglykane, vor allem vom Heparansulfat-Typ, scheinen sowohl die Bildung eines Amy- loid-ß-Faltblattes zu fördern, als dieses auch zu stabilisieren.

Bei den hier kursorisch beschrieben Prozessen handelt es sich um „zufäl- lig“ und – entsprechend lokaler Ge - websstöchiometrie bedingt – zwangs- läufig stattfindenden Vorgängen, die dem physiologischen Katabolismus ausweichen. In vitro-Studien konn-

ten nachweisen, dass die Fibrillenfor- mation hierbei einen Prozess durch- läuft, der entfernt an die Bildung von Kristallen erinnert. Über ein Anfangsstadium nukleär gehäufter monomerischer Proteine, die nur sehr zögerlich an Masse zunehmen (Monate bis Jahre), kommt es nach überschreiten einer kritischen Masse unter Einfluss oben genannter Kom- ponenten zu einer rasanten Bildung (Wochen) von Fibrillen [6] (siehe Abb.

1). Spätestens ab diesem Zeitpunkt ist die lokale Gegenkompensation im Gewebe überschritten und es kommt zunehmend zur Organfunktionsein- schränkung. Selbst wenn im Verlauf der Erkrankung die Nachbildung der pathogenen Proteine gestoppt wird oder spontan nachlässt, wird ein deutlich längerer Zeitraum zur „clea- rance“ benötigt, als es bei der dyna- mischen Entstehung der Fall ist.

Letztlich gelingt es oft nicht, das komplette Amyloid im Gewebe auf- zulösen und es bleiben versprenkelt kleine Ansammlungen des missgefal- teten Vorläuferproteines übrig, die im weiteren Krankheitsverlauf erneut als Kristallisationskeime dienen und somit für einen oft raschen Rückfall verantwortlich sind [30].

Warum fast alle der Vorläuferprote- ine einen gewissen Tropismus bezüg- lich der affektierten Organe haben, ist bis dato unklar. Es wird aber angenommen, dass Faktoren, wie lokale Proteinkonzentration, Interak- tion mit spezifischen Kollagenstruk- turen und GAG, dem vorherrschen- den pH sowie von ortständigen spe- zifischen proteolytischen Enzymen oder Membranrezeptoren einen Ein- fluss darauf haben [7].

Die Unterscheidung zwischen loka- len oder systemischen Amyloidosen ist schwerlich allein anhand der Manifestationsorte vorzunehmen.

Wäre ein Amyloid, dass nur in Ge - fäßwänden vorkommt, als lokalisiert zu bezeichnen, auch wenn es formal im gesamten Körper nachweisbar ist? Inzwischen ist allgemein akzep- tiert, dass das Amyloid bei systemi- schen Verläufen regelhaft an einer Lokalisation (Knochenmark, Leber) gebildet, in den Blutkreislauf abge-

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geben und entlang dessen in ver- schiedenen Geweben abgelagert wird [8]. Im Gegensatz dazu ver- bleibt bei lokalen Amyloidosen das Precursorprotein direkt am Entste- hungsort. Insofern wird nachvoll- ziehbar, dass systemische Amyloido- sen von einem Plasmaprotein her- rühren müssen, während die Prote- ine bei lokalisierten Amyloidosen von den Zellen am jeweiligen Ablage- rungsort gebildet werden. Eine Aus- nahme hiervon ist die ß2-Amyloi- dose bei Dialysepatienten, da ß2- Mikroglobulin als Teil des Haupthis- tokompatibilitätskomplexes faktisch auf allen kernhaltigen Zellen zu fin- den ist und somit keinen spezifi- schen Entstehungsort hat.

Bei den strikt monoorganisch bezo- genen Verläufen handelt es sich meist um zerebralen Befall, deutlich seltener um andere Lokalisationen wie der Haut (sogenannte Kerati- namyloidosen).

Epidemiologie

Die geschätzte Inzidenz der Amyloi- dose beträgt in Deutschland ca.

1/100.000/Jahr (Universitätsklinikum Heidelberg) und ist somit eine sehr seltene Erkrankung. Dies deckt sich mit Studiendaten aus Großbritan- nien und Schweden, die eine ähnli- che Inzidenz aufweisen [10, 11]. Das durchschnittliche Alter bei Diagnose- stellung liegt bei 65 Jahren. In den westlichen Industrienationen sind

über 90 Prozent der systemischen Verläufe durch lediglich drei Vor- läuferproteine verursacht. Hiervon macht die Leichtkettenamyloidose (AL) ca. 2/3 der Fälle und Serumamy- loid-A assoziierte Amyloidosen (AA) sowie die Transthyretin-Amyloidosen (ATTR) jeweils ein knappes Fünftel aus [12]. In weniger weit entwickel- ten Ländern hat die AA durch die vergleichsweise hohe Prävalenz von aktiven Infektionserkrankungen, wie Lepra und TBC, einen deutlich höhe- ren Anteil.

In einer Längsschnittuntersuchung noch vor dem Jahr 2000 liegt das mittlere Überleben nach Diagnose- stellung bei sechs bis zwölf Monaten bei AL und bei drei bis vier Jahren 559

Tab. 1: Amyloidfibrillen und ihre Vorläufer im Menschen (nach Per Westermark, Amyloid 2007) LK = Leichtkette, L = lokal, s = systemisch Amyloidprotein Vorläuferprotein systemisch (S)

oder lokal (L)

betroffene Gewebe / Syndrom / Genese

AL Immunglobulin LK S, L Multiples Myelom

AH Immunglobulin SK S, L Multiples Myelom

2M ß2-Mikroglobulin S hämodialyseassoz.

ATTR Transthyretin L(?), S Gelenke, fam.

AA (Apo)serum AA S sekundär, reaktiv

AApoAI Apolipoprotein AI S, L fam.(s)/Aorta, Meniskus (l)

AApoAII Apolipoprotein AII S fam.

AApoAIV Apolipoprotein AIV S sporadisch, altersassoziiert

AGel Gelsolin S fam.(Finnisch)

Alys Lsyozyme S fam.

AFib Fibrinogen-α-Kette S fam.

ACys Cystatin C S fam.

Abri ABriPP S fam., Demenz (Britisch)

ADan ADanPP L fam., Demenz (Dänisch)

Aß Aß Protein prec. (AßPP) L Alzheimer, altersassoziiert

APrP Prion Protein L Spongiforme Enzephalitis

ACal (Pro)Calcitonin L C-Zell-Tumore

AIAPP Insel-Amyloid-Polypep. L Langerhans-Inselzellen

(Diabetes), Insulinome

AANF AtrialNatriuret.Faktor L Herzvorhöfe

APro Prolactin L Alternde Hypophyse,

Prolactinome

AIns Insulin L Iatrogen

AMed Lactadherin L alternde Aorta

AKer Kerato-Epithelin L fam., Kornea

ALac Lactoferrin L Kornea

AOaap Odontogen. ameloblast

assoziiertes Protein L odontogene Tumore

ASemI Sementogelin I L Vesikula seminalis

ATau Tau L Alzheimer, fronto-temporale

Demenz, Altern

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bei AA [13] und ca. bei fünf Jahren bei ATTR-Amyloidosen. Aktuellere Datensammlungen aus Großbritan- nien wiesen vor allem bei der AL- Amyloidose ein inzwischen deutlich längeres Überleben von drei bis vier Jahren nach.

Die ß2-Amyloidose tritt faktisch nur bei Dauerdialysepatienten auf. Die- ses ubiquitäre Protein ist zu groß, um in ausreichender Menge über die üblichen Filter eliminiert zu werden und neigt in freier Form dazu, spon- tan Filamente zu bilden und sich ent- lang des Blutkreislaufes prädilektiv im Interstitium von Gelenken und Weichteilgewebe abzulagern [14].

Auch wenn in der letzten Dekade die Verwendung von high-flux-Filtern zugenommen hat, ist die Inzidenz nach mehreren Jahren der Behand- lung insgesamt wenig rückläufig. Kli- nische Manifestationen sind das Kar- paltunnel-Syndrom und die Amyloid- arthropathie der Schultern und selte- ner der anderen großen und auch kleineren Gelenke. Wenn auch sel- ten sind vereinzelt Fälle mit extraarti- kulären Affektionen wie Herz- und Darmbeteiligung beschrieben.

Systemische Amyloidosen Diagnostik

Im folgenden Abschnitt beschränkt sich der Autor auf die häufigeren systemischen Amyloidosen, denen eine höhere klinische Relevanz zu - steht.

Grundsätzlich ist der anspruchs- vollste Teil der Diagnostik allein die klinische Wahrnehmung verdächtiger Symptome, die für eine zugrundelie- gende Amyloidose sprechen. Auf die klinischen Details soll in Bezug auf das jeweilige verursachende Precur- sorprotein dezidiert eingegangen werden (Tab. 1).

Amyloidosen werden in der Regel erst spät im Verlauf klinisch apparent, somit ist zur Diagnosefindung eine gezielte Krankenanamnese von Be - deutung. Da potenziell jedes Organ- (system) befallen sein kann, ist die klinische Präsentation entsprechend divers und auf den ersten Blick unspezifisch. Inkohärente Befunde wie zum Beispiel spontane Häma- tome ohne bekannte Gerinnungs- hemmung/Blutungsneigung, eine

periphere Polyneuropathie und/oder Albuminurie ohne zugrundeliegen- dem Diabetes, eine klinisch relevante, deutliche Herzvergrößerung ohne zugrundeliegende Hypertonie/Koro- naratherosklerose oder eine spon- tane Makroglossie und periorbitale Einblutungen sollten Anlass sein, eine zugrundeliegende Amyloidose abzuklären. Sobald ein entsprechen- der Verdacht besteht, sollte als nächster Schritt die histologische Sicherung vorgenommen werden.

Bei lokalisierten Amyloidosen ent- sprechend am auffälligen, sowie bei Verdacht auf systemische Amyloido- sen an einem arbiträr bestimmten Organ (in aller Regel das primär symp tomatische). Oft ist es bei syste- mischer Amyloidose klinisch riskant bei zum Beispiel gestörter Gerinnung und verdächtigter Gefäßbeteiligung Herz oder Nieren zu punktieren, so dass bei relativen Kontraindikationen gegen eine Nieren- oder Myokardbi- opsie sowie bei hinreichendem Ver- dacht eine „screening Biopsie“ an einem Referenzgewebe sinnvoller – da sicherer – ist. In 60 bis 80 Prozent ist im subkutanen Fettgewebe, der Rektalschleimhaut oder in Speichel- drüsen Amyloid nachweisbar [15].

Serumamyloid A (AA) Amyloidose

Serumamyloid A ist ein phylogene- tisch hochkonserviertes akut-Phase- Protein der Leber. Im Rahmen chro- nisch inflammatorischer Erkrankun- gen wie Autoimmunerkrankungen (zum Beispiel Rheumatoidarthritiden, Sarkoidose, Vaskulitiden, Kollageno- sen, chronisch entzündliche Darm- erkrankungen etc.), erblicher Fieber- syndrome (wie das Mittelmeerfieber oder seltene TNF-Rezeptor assozi- ierte Syndrom) oder chronischen Infektionen (wie Ulcera cruris, chro- nische Osteomyelitis, subakute Endo- karditis und auch seltene chronische Infektionen wie M. Whipple) kann es zur vermehrten Ablagerung von SAA kommen. In nicht wenigen Fällen ist die auslösende Erkrankung zum Diagnosezeitpunkt der Amyloidose noch unerkannt!

Klinisch und paraklinisch ist in über 97 Prozent eine proteinurische Nie- renfunktionseinschränkung der Vor- stellungsgrund. Weit über die Hälfte 560

Abb. 1: Schematische Darstellung Fibrillenformation.

Wird die Proteinstruktur durch eine intakte alpha-Helix gestützt, kommt es nicht zu einer Filamentbildung (physiologische Struktur). Fehlt diese oder ist diese malformiert, kann sich eine pathologische Filamentierung ausbilden. Hierbei ist die ß-Faltblattstruktur weder eine Sequenzfolge, die der Helix folgt, noch ist diese per se pathognomonisch für Amyloid. Aminosäureketten, die in der Proteinsekundärstruktur des ß-Faltblattes verbleiben und keine dreidimensionale Struktur annehmen, bilden allerdings eher Amyloidfibrillen.

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der Fälle verläuft nephrotisch und jeder Zehnte ist bei Erstvorstellung schon terminal niereninsuffizient.

Die Milz ist ebenfalls regelhaft befal- len, die Nebennieren zu einem Drit- tel. Deutlich seltener finden sich Ablagerungen in der Leber, dem Gastrointestinaltrakt oder dem Her- zen [16].

Leichtketten (AL)-Amyloidose

Der AL Amyloidose liegt in aller Regel eine Erhöhung einer λ oder κ Leichtkettenfraktion (FLC) zugrunde, die von einem Plasmazellklon produ- ziert wird. In den meisten Fällen fin- den sich nur diskrete Mengen an FLC bei unauffälligem Blutbild und Kno- chenmark. Hier spricht man von einer Plasmazelldyskrasie. Das Voll- bild eines multiplen Myeloms ist somit keine Grundvoraussetzung zur Entstehung einer AL-Amyloidose.

Andere hämatologische Neoplasein, wie zum Beispiel Lymphomerkran- kungen, können ebenfalls paraprote- inämisch verlaufen.

Die klinische Präsentation der AL- Amyloidose ist äußerst variabel, da neben generell unspezifischen Symp- tomen wie Abgeschlagenheit und Gewichtsverlust eine Herz-, Nieren- und Darmbeteiligung sowie Affek- tion des autonomen und peripheren Nervensystems gleichermaßen vor- kommen. Tatsächlich sind aber die Makroglossie als auch periorbitale Ekchymosen pathognomonisch für die AL-Amyloidose und bieten bei Vorfinden dieser Symptome somit zielführende Indizien. Da die Organ- beteiligungen wie erwähnt nur einem geringen Tropismus unterliegen, sind bei Erstdiagnose oft mehrere Organ- systeme gleichzeitig be troffen.

Transthyretin- (TTR) Amyloidose

Transthyretin ist ein Serumprotein und gehört zur Klasse der akut- Phase-Proteine. Man unterscheidet zwei Formen der ATTR: eine erbliche und eine, die spontan im hohen Lebensalter auftritt. Der hereditären Form liegt eine Mutation des TTR- Gens zu Grunde, die autosomal dominant vererbt wird (bisher sind über 80 Mutationen beschrieben).

Die deutlich seltenere, im Senium auftretende Verlaufsform weist zwar

den funktionalen ‚wild-Typ‘ des TTR auf, neigt aber bei Akkumulation ebenfalls zur unlöslichen Aggrega- tion [9]. Klinisch zeigt sich vor allem eine Herzbeteiligung. Bei der erbli- chen Form geht dieser oft eine peri- phere und autonome Polyneuropa- thie voraus. Der Verlauf ist oft inner- halb von fünf bis 15 Jahren nach Diagnosestellung fatal.

Allgemeine Labordiagnostik

Bei auffälliger Anamnese und Klinik müssen entsprechende serochemi- sche und apparative Untersuchun- gen zur Sicherung und Eingrenzung vorgenommen werden. Hierzu gehö- ren CRP, SAA, Bestimmung freier Leichtketten im Serum, ß2-Mikroglo- bulin sowie die alkalische Phospha- tase zur taxonomischen Einordnung.

Troponin-T und proBNP sind gut vali- dierte Marker nicht nur zur Diagnos- tik, sondern auch zur Verlaufsbeur- teilung einer kardialen Beteiligung.

Apparative Diagnostik

CT- und MRT- sowie die Sonografie können Hinweise für ungewöhnliche Organvergrößerung geben. Herzecho und Kardio-MRT sind sowohl für die Primärdiagnostik als auch zur Beur- teilung des Verlaufes von Bedeutung.

Der Ultraschall ist hierbei die Metho- de der Wahl, das Kontrastmittel-MR ist bei unklaren Befunden oder schwieriger Anatomie der screening- Diagnostik mittels Ultraschall deut- lich überlegen. EKG-Befunde sind eher unspezifisch und sind schlecht mit dem Verlauf korreliert, so dass diese einfache Untersuchung ledig- lich Verdachtsmomente erheben kann.

In Großbritannien ist die SAP-Szinti- grafie sowohl zur Primärdiagnostik als auch zur Verlaufsbeurteilung von Organ- (aus technischen Gründen ist das Herz ausgenommen) und Kno- chenmarkbeteiligung verbreitet und auch gut validiert [17]. Hierzu wird ein Pentraxin (eine Gruppe von hochkonservierten akut-Phase-Prote- inen) aus humanen Blutproben iso- liert und an Jod123 gekoppelt. Wegen des nachvollziehbaren Aufwandes zur Vorbereitung und Durchführung dieser Untersuchung schließt sich

eine breite Verfügbarkeit bisher aus.

Dies mag auch der Grund sein, warum dieses Verfahren in Deutsch- land bisher nicht angewandt wird.

Therapie

Der allgemeine Behandlungsansatz systemischer Amyloidosen sollte möglichst interdisziplinär diskutiert werden. Auch wenn in der Regel die meisten Organschäden bei Erstdiag- nose zu weit fortgeschritten sind, um im Idealfall zur restitutio ad inte- grum zu erreichen, sollte in allen therapierbaren Fällen ein Behand- lungsversuch unternommen werden, da oft zumindest eine Stabilisierung der Organfunktion mit einem für den Patienten akzeptablen Ergebnis zu erreichen ist [18].

Sowohl die Bildung als auch die akzelerierte Beseitigung der verursa- chenden Proteine sind wünschens- werte Ansätze. Da Letztgenannte, welche auf die Auflösung von Amy- loid in Geweben unabhängig von dem entsprechenden Precursorpro- tein beschleunigen könnten, noch fern der Zulassungsreife sind, ver- bleibt somit vorerst als Behandlungs- ziel die Bildung und Ablagerung zu vermindern sowie die Auswirkungen von Organschäden (vor allem Herz- und Niere) zu reduzieren.

Bei Herz- und Niereninsuffizienz wurden über die kausale Therapie hinaus konservative Ansätze verfolgt.

Bei Herzbeteiligung scheitert der Versuch einer medikamentösen Herz- insuffizienztherapie regelhaft, da die ohnehin kompromittierten Kreislauf- parameter sich im Verlauf meist nicht bessern. Die Daten zur Verwendung von ß-Blockern als auch RAS (Renin- Angiotensin-System)-Blockern sind widersprüchlich. Letztlich bleibt die symptomatische Diuretikagabe als einzig gesicherte medikamentöse Behandlungsoption. Herztransplan- tationen wurden nur in Einzelfällen bei jungen und sonst fitten Patienten vorgenommen. Auf Grund des appa- renten Organmangels in Deutsch- land sollte dies zumindest bei unkon- trollierter Amyloidose weiterhin nur streng geprüften Einzelfällen vorbe- halten bleiben.

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Nierenbeteiligungen sind generell häufig und verlaufen regelhaft neph- rotisch, so dass eine nephrologische Mitbetreuung zwingend erforderlich ist. Zur symptomatischen Behand- lung sind die Etablierung einer sequentiellen Nephronblockade, eine Kochsalz- und Volumenrestriktion sowie die maximale Ausdosierung eines RAS-Blockers notwendig. Oft lassen sich so die schweren Ödeme in der Regel für mehrere Monate konservativ behandeln. Schreitet die Niereninsuffizienz fort und erreicht ein dialysepflichtiges Stadium, ver- schlechtert sich die Prognose deut- lich. Das Überleben unter Dialysebe- dingungen ist abhängig vom auslö- senden Amyloidosetyp. So ist die Prognose an Dialyse von AA Erkrank- ten zwar besser als die von AL Erkrankten, dennoch weisen alle Amyloidosebetroffenen ein grund- sätzlich schlechteres Überleben als zum Beispiel vergleichbare nicht dia- betische Dialysepatienten auf. Die Daten zu Verläufen nach Nieren- transplantation sind erwartungsge- mäß aus sehr kleinen Kohorten erho- ben und sind demnach in ihrer Aus- sagekraft etwas eingeschränkt. In den meisten Publikationen weisen AA Erkrankte vergleichbare Ergeb- nisse wie Patienten mit anderen Sys- temerkrankungen auf. Auch unter AL Amyloidose sind die Transplanta- tionsdaten vielversprechend, aller- dings bei stark selektioniertem Pati- entengut.

AA Amyloidose

Das Primärziel in der Behandlung der AA-Amyloidose ist die Elimination des auslösenden Prozesses, der bei

Diagnosestellung der Amyloidose nicht selten noch unerkannt ist.

Chronische Infektionen wie Osteo- myelitisherde sind, wenn initiale anti- mikrobielle Langezeittherapien kei- nen ausreichenden Effekt hatten, in der Regel chirurgisch zu sanieren.

Zugrundeliegende Autoimmunerkran- kungen vor allem des rheumatologi- schen Formenkreises sind bei Entste- hung einer AA oft nicht ausreichend behandelt und bedingen oft eine Eskalation der Therapie auf Biologi- cals. Die seltenen erblichen Fieber- syndrome sprechen häufig auf IL-1 und/oder Il-6 modulierende Antikör- pertherapien an [19, 20].

Der serologisch entscheidende Mar- ker für den Verlauf ist das SAA, das unter Therapie auf Werte <3 mg/l fallen sollte. Wird dies erreicht und bleibt der Wert unter 10 mg/l, steigt das mediane Zehn-Jahresüberleben auf >90 Prozent an. Bleiben die Werte darüber halbiert sich die Über- lebenszeit [18].

AL-Amyloidose

Die Behandlung der Leichtkettena- myloidose fokussiert sich auf die Absenkung der FLC-Last, auch wenn diese oft nur diskret (wenige mg/l) oberhalb der Norm liegt. Da die Plas- mazellklone nur in den seltensten Fällen dauerhaft zurückzudrängen oder gar zu eradizieren sind, muss die Therapie mit Bedacht ob der potentiellen Wirkung gegen die Nebenwirkungen abgewogen wer- den [21].

Die derzeit verwendeten Chemothe- rapieschemata orientieren sich an denen zur Behandlung des multiplen Myeloms. Das Ziel ist eine nach

hämatologischen Kriterien definierte Komplettremission. Hierunter gibt es weitere Abstufungen, die ein ent- sprechend schlechteres Langzeit- überleben aufweisen [22] (Tab. 2).

Die derzeit angewandten Schemata nutzen Kombinationen von Cyclo- phosphamid/Bortezomib/Dexame- thason oder Cyclophosphamid/Thali- domid/Dexamethason oder seltener Melphalan/Dexamethason. Dosisan- passungen entsprechend des Alters und der Komorbiditäten sind eher die Regel als die Ausnahme. Bei jün- geren Erkrankten (<60 Jahren) ist die autologe Stammzelltransplantation nach vorhergehender Hochdosis- Melphalanbehandlung mit sehr guten Langzeitergebnissen verbun- den [23]. Allerdings ist eine höher- gradige Herz- und/oder Beteiligung des autonomen Nervensystems eine relevante Kontraindikation, da in die- sen Fällen mit einer vergleichsweise hohen Morbidität und Mortalität zu rechnen ist [24].

Transthyretin- (TTR) Amyloidose

Lange Zeit war die Lebertransplanta- tion die einzige Therapieoption für die erbliche Form der ATTR, mit der die Hauptquelle des pathologischen Precursors eliminiert werden kann.

Erfolgt die Transplantation früh genug im Verlauf der Erkrankung, beträgt das mittlere Überleben >20 Jahre (das Zehn-Jahresüberleben be - trägt 85 Prozent) [25]. Aber auch hier gilt, dass sich die Prognose auch nach erfolgreicher Transplantation bei relevanter Herzbeteiligung deut- lich verschlechtert, weswegen bei solchen Patienten eine strenge Indi- kationsstellung erfolgen muss.

Neben der Elemination des „Auslö- sers“ mittels Lebertransplantation befinden sich seit wenigen Jahren kleine Moleküle im Einsatz, die zirku- lierendes Transthyretin stabilisieren und so eine Filamentbildung verhin- dern können (Tafamidis®). In einer klinischen Studie mit Patienten die an einer Val30Met-Variante erkrankt waren, konnte der Einsatz des Medi- kamentes den Progress etwas ver- langsamen. Eine Restitutio ist hiermit aber nicht einmal ansatzweise mög- lich [26]. Kürzlich wurde die Zulas- 562

Tab. 2: Kriterien für ein hämatologisches Ansprechen der AL-Amyloidose auf Chemotherapie (FLC = freie Leichtketten)

Komplettes Ansprechen (CR) · Normalisierung der FLC und des κ / λ-Verhältnisses

· Negative Immunfixation in Urin und Serum Sehr gutes Teilansprechen (VGPR) · Abfall der FLC <40 mg/l

Teilansprechen (PR) · Abfall der FLC um >50 Prozent Therapieversagen (NR) · Abfall der FLC um <50 Prozent

Progression · nach CR: jedes messbare M Protein

· nach PR: >50 Prozent Anstieg des M-Proteins oder auf >5 g/l oder

Urin-M-Protein >200 mg/Tag oder

>50 Prozent FLC auf >100 mg/l

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sung für familiäre ATTR mit °I Polyn- europathie erteilt, weitere messbare Effekte ergeben sich eventuell aus Phase IV-Studiendaten, um den klini- schen Nutzen besser zu beurteilen.

Ausblick und Zusammenfassung

Mit zunehmendem Verständnis der Pathogenese der Amyloidose erge- ben sich rezent Behandlungsoptio- nen, die zur Entwicklung von neuen Substanzen führt. Diese neuen The- rapien zielen zum einen auf die Bil- dung des Precursorproteins ab, zum anderen sollen sie die Fibrillenaggre- gation wirksam bremsen. Über eine kleine Auswahl soll hier berichtet werden:

Geninterferenz mittels siRNAs ist der vielleicht vielversprechendste Ansatz, der sich bisher bei ATTR und auch AL als effektiv erwies [27, 28]. Hierbei inhibieren entsprechend ‚designte‘

siRNA die Translation des Precursor- moleküls (Transthyretin, respektive Leichtketten/Immunglobulinbildung).

Ein weiterer sehr interessanter Ansatz ist die Entfernung von SAP aus dem Blutkreislauf (siehe Ab - schnitt Pathophysiologie). So konn- ten palindromische small molecule- Sequenzen synthetisiert werden (namentlich: CPHPC), die in der Lage sind, zirkulierendes SAP zu eliminie- ren. Im weiteren Schritt kann darü- ber das verbleibende, in Amyloid gebundene SAP, über Komplement- aktivierung markiert und über Mak- rophagen phagozytiert werden [29].

In einer kleinen Studie an 16 voran- gig lebererkrankten Patienten wurde dieses Verfahren als sicher bewertet.

Zudem konnte in den meisten Fällen ein signifikanter Rückgang des Amy- loids in der Leber dokumentiert wer- den [31].

Grüner Tee-Extrakt, der hohe Kon- zentrationen von EGCG (Epigalloca- techin-3-gallat) enthält, hat in meh- reren kleineren Publikationen schein- bar positive Effekte auf einige Surro- gatparameter wie zum Beispiel Pro-

teinurie bei Nierenbeteiligung. Aller- dings ist der Wirkmechanismus nicht gänzlich verstanden. Es werden direkte Interaktion mit der Fibrillen- bildung als auch oxidativen Stress reduzierende Effekte diskutiert. Klini- sche Studien laufen derzeit noch, eine abschließende Bewertung aller genannten Therapieoptionen ist noch nicht möglich.

Somit bleibt als Grundlage eine frü- hestmögliche Erkennung der Erkran- kung. Therapien sollten unbedingt in spezialisierten Zentren vorgenom- men werden, da entstehende Kom- plikationen für den Unerfahrenen oft nur schwer vorherzusehen sind.

Literatur beim Autor Interessenkonflikte: keine Dr. med. Simon Parmentier Universitätsklinikum Carl Gustav Carus an der Technischen Universität Dresden Abteilung Nephrologie Medizinische Klinik III Fetscherstraße 74, 01307 Dresden E-Mail: Simon.Parmentier@uniklinikum-

dresden.de

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