Grundsätzlich kann jede Frau trotz vorbestehenden Derma- tosen, wie zum Beispiel Psoriasis vulgaris, atopischem Ekzem, Urtikaria oder selbst Angioödemen, schwanger werden. Das Management der Dermatosen gestaltet sich allerdings oft schwieriger, da sehr wenige Medikamente in der Schwanger- schaft zugelassen sind. Der Arzt muss also den individuellen Nutzen gegenüber der Sicherheit/dem Risiko abwägen (Tabellen 1–3). Durch eine interdisziplinäre Versorgung mit Gynäkologen sowie Spezialzentren für spezielle Hauterkran- kungen kann die Patientinnenversorgung optimiert werden.
Physiologische Veränderungen in der Schwangerschaft
Bedingt durch die hormonelle Umstellung, aber auch durch die rasche Gewichtszunahme sind folgende Hautveränderun- gen häufig, in der Regel nach der Schwangerschaft, spontan regredient und ohne pathologischen Befund:
▲Melasma (Hyperpigmentierungen durch hormonelle Um- stellung, oft nach Schwangerschaft gebessert, manchmal andauernd)
▲Striae distensae («Schwangerschaftsstreifen») (Abbildung 1)
▲Linea nigra
▲Hyperpigmentierungen der Mamillen und des Genitals (rückläufig nach Schwangerschaft)
▲Ödeme, Angioödeme («Schwellungen»)
▲Acne gravidarum
▲Hypertrichose (verminderter Haarausfall)
▲postpartales Effluvium (postpartaler, vermehrter Haaraus- fall, meist 3 Monate nach Entbindung)
▲Onycholyse (selten: distale Nagelveränderungen, vorüber- gehend)
▲kutane Candidosen – Auftreten von Hautveränderungen durch Komorbidität in der Schwangerschaft, wie zum Bei- spiel Schwangerschaftsdiabetes (vorwiegend im Bereich der ausgeprägten Hautfalten).
Typische Schwangerschaftsdermatosen
Nahezu alle Schwangerschaftsdermatosen haben als Sym - ptom Pruritus (Juckreiz), der oft auch der Hauptgrund ist, der die Patientinnen zum Arzt führt. Bei der intrahepatischen Schwangerschaftscholestase ist dieser Pruritus wegweisend, und erst sekundär entwickeln sich (nicht immer) Hautefflo- reszenzen.
Die häufigsten Schwangerschaftsdermatosen wie PUPP (pru- ritic urticarial papules and plaques of pregnancy) oder atopi- sche Schwangerschaftsdermatose sind meist selbstlimitierend und nicht gefährlich für Kind und Mutter.
Intrahepatische Schwangerschaftscholestase
Hier handelt es sich um eine schwerwiegende und für den Fetus gefährliche Schwangerschaftsdermatose (Synonym:
Pruritus gravidarum, Prurigo gravidarum). Es ist eine typische reversible Erkrankung der Spätschwangerschaft. 10 Prozent der Schwangeren entwickeln einen extrahepatischen Ikterus.
Zudem besteht ein erhöhtes Risiko für einen Vitamin-K- Mangel mit potenziellen Blutungskomplikationen. Häufig beobachtet wird ein Gestationsdiabetes. Klinisch klagen die Patientinnen zunächst ausschliesslich über massiven Juckreiz
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Hautveränderungen in der Schwangerschaft
Früh erkennen, richtig behandeln
Alle Hauterkrankungen sind auch in der Schwangerschaft möglich. Bei Hautveränderungen gilt es, die Erstmanifestation von Dermatosen und speziellen Schwangerschaftsdermatosen zu unterscheiden. Zu beachten ist, dass sich die Krankheitslast bereits vorbestehender Dermatosen während der Schwan- gerschaft verändern, das heisst stärker, aber auch milder werden kann.
Petra Staubach-Renz
Dermatosen in der Schwangerschaft sind häufig, werden aber selten zur Gefahr für den Fetus.
Entscheidend ist es, die Subentität schnell zu diagnostizieren und eine suffiziente Therapie einzuleiten.
Meist reicht neben einer Basistherapie eine Lokaltherapie aus, selten benötigt man Systemtherapeutika. Wo erforder- lich, müssen diese angewandt werden. Hilfreich sind dabei Datenbanken wie z.B. www.embryotox.org.
Bereits bestehende Therapien bei bekannten Dermatosen sollten bei Bekanntwerden einer Schwangerschaft reeva- luiert werden.
Hautärzte oder Hautkliniken mit Spezialsprechstunden kön- nen gemeinsam mit den Allgemeinärzten und Gynäkologen das interdisziplinäre Patientinnenmanagement erweitern.
MERKSÄTZE
in der Spätschwangerschaft, erst sekundär entwickeln sich zum Beispiel Prurigoknoten. Prädilektionsstellen sind die Nabelumgebung, Brust, Hände und Füsse. Laborchemisch sind die Gallensäuren im Nüchternserum erhöht (> 10 µmol/l, ggf. erhöhte Transaminasen), was eine Gefahr für den Fetus bedeutet. Hier muss eine sofortige Zusammenarbeit mit den Gynäkologen und Hepatologen oder/und eine Klinikeinwei- sung erfolgen. Die Therapie ist einfach und sollte nach Dia - gnosestellung unverzüglich eingeleitet werden: Ursodeso xy - cholsäure (13–15 mg/kg Körpergewicht [KG]/Tag). Die Symptome klingen spätestens 2 bis 6 Wochen nach der Ent- bindung ab, Rezidive sind vorwiegend bei Einnahme oraler Kontrazeptiva und bei Folgeschwangerschaften beschrieben.
Impetigo herpetiformis
Die seltene Impetigo herpetiformis ist eine im dritten Trime- non auftretende Dermatose. Typisch sind streuende erythe- matöse Maculae und Plaques mit Pusteln, manchmal krustig belegt. Die Klinik erinnert an eine pustulöse Psoriasis. Die Patientinnen fühlen sich krank, häufig mit Fieber. Laborche- misch sind Hypokalzämie und/oder Neutrophilie auffällig.
Totgeburten und fetale Missbildungen sind häufig. Eine Probebiopsie ist wegweisend. Erforderlich ist eine zeitnahe Therapie mit systemischen Kortikosteroiden.
Polymorphe Schwangerschaftsdermatose
Die PUPP beginnt meist im dritten, selten bereits im zweiten Trimenon und kommt vorwiegend bei Erstgebärenden vor.
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ARS MEDICI 6 | 2019 Tabelle 1:Klassifikationen der Schwangerschaftsdermatosen
Name Synonyme Besonderheiten Intrahepatische Pruritus gravidarum 3. Trimenon, späte Schwangerschafts- Prurigo gravidarum Schwangerschaft, oft cholestase nur Juckreiz, periumbi- likal betroffen, Gefahr für Fetus
Impetigo Psoriasis pustulosa 3. Trimenon, ähnlich herpetiformis der Schwangerschaft einer Psoriasis pustu- losa, oft intertriginös, Probebiopsie hilfreich, Gefahr für Fetus Polymorphe PUPP (pruritic urtica- Meist 3. Trimenon, Schwangerschafts- rial papules and periumbilikal frei dermatose plaques of pregnancy)
Pemphigoid Herpes gestationis 2.–3. Trimenon, peri- gestationis umbilikal betroffen, Probebiopsie hilfreich Atopische Prurigo der 2. Trimenon, atopische Schwangerschafts- Schwangerschaft, Diathese positiv, aber dermatose Prurigo gestationis bislang keine Ekzeme
Abbildung 1: Striae distensae © Staubach
Abbildung 2: Polymorphe Schwangerschaftsdermatose
© Staubach
Tabelle 2:
Lokaltherapien bei Dermatosen der Schwangerschaft
Klassifikation Mögliche Lokaltherapien/Beispiele Antimykotika Nystatin, Clotrimazol, Miconazol
topische Unbedenklich (Cave! Keine Klasse-IV-Glukokorti- Glukokortikoide koide), TIX2-Kortikosteroide bevorzugen
Calcineurin- Keine ausreichenden Daten – nur wenn keine Alter- inhibitoren nativen bestehen
Antiinfektiosa Chlorhexidin, Octenidin – kleinflächig – (Cave! Keine Spülungen), Permethrin, Benzylbenzoat, Schwefel antivirale Topika Herpes: melisse- und/oder zinkhaltige Externa,
Aciclovir; Condylomata: Trichloressigsäure
Sie zeichnet sich durch ihr vielfältiges klinisches Bild aus: Pru- ritus, Urtikaria, Papeln, Plaques, zu Beginn häufig striär im Bereich der Striae distensae angeordnet (Abbildung 2). Prädi- lektionsstelle ist der Bauch, wobei die Periumbilikalregion ausgespart bleibt. Streuherde sind häufig. Die Erkrankung ist selbstlimitierend. Lokaltherapien mit Glukokortikoiden sind ausreichend. Additiv können Antihistaminika der zweiten Generation (inkl. «updosing», Cave: Aufklärung) und bei nicht ausreichendem Ansprechen kurzzeitig orale Kortiko - steroide angewandt werden.
Pemphigoid gestationis (Herpes gestationis)
Neben dem Juckreiz treten ab dem zweiten Trimenon bei dieser Autoimmunerkrankung urtikarielle juckende Papeln sowie Blasen auf, wobei die Schleimhäute frei bleiben. Im Ge- gensatz zur PUPP ist zu Beginn meist die Periumbilikalregion betroffen, später kann es zu Streuphänomenen kommen. Die Erkrankung ist selbstlimitierend nach der Niederkunft. Früh- geburten und niedrige Geburtsgewichte in Kombination mit einer Plazentainsuffizienz sind häufig. Bei unklarem klini- schem Befund sollte immer eine Probebiopsie mit direkter Immunfluoreszenz durchgeführt werden, um die Diagnose zu sichern. Wichtig ist eine engmaschigere Kontrolle der Schwan- geren. Sollte die Therapie mit lokalen Kortikosteroiden und additiv Antihistaminika der zweiten Generation nicht ausrei- chen, können systemische Steroide angewendet werden.
Atopische Schwangerschaftsdermatose
Dies ist die häufigste Schwangerschaftsdermatose. Sie be- ginnt bereits im ersten oder zweiten Trimenon bei vorbe - stehender atopischer Diathese. Die Patientinnen berichten häufig über das erstmalige Auftreten von ekzematösen, zum Teil papulösen Hautveränderungen, begleitet von massivem Juck reiz bei insgesamt trockenem Integument. Auch Mini- malkriterien des atopischen Ekzems wie Cheilitis, Perlèche, Pulpitis treten auf. Die Prognose ist gut. Lokale Kortiko - steroide sowie orale Antihistaminika der zweiten Generation können eingesetzt werden. Calcineurininhibitoren sollte man nur nach Rücksprache mit den Gynäkologen anwenden und wenn andere Therapie optionen nicht ansprechen.
Präexistierende Hauterkrankungen
Patientinnen mit bekannten Dermatosen, wie zum Beispiel Psoriasis vulgaris, atopischem Ekzem und/oder chronischer Urtikaria, sollten darüber informiert sein, dass sich die Krankheitslast während der Schwangerschaft ändern kann.
Prädiktoren, inwieweit sich die Erkrankung verbessern oder verschlechtern wird, gibt es bislang nicht. Bisherige Thera- pien sollten bei Bekanntwerden der Schwangerschaft über- dacht und gegebenenfalls ab- oder umgesetzt werden. Hier empfiehlt sich die schnelle Überweisung an einen Dermatolo- gen oder an ein für die Erkrankung bekanntes Zentrum, um keine wertvolle Zeit zu verlieren.
Management der Schwangerschaftsdermatosen
Treten dermatologische Beschwerden auf, sind der Zeitpunkt und mögliche Vor- beziehungsweise Begleiterkrankungen neben der aktuell geschilderten Symptomatik von immenser Wichtigkeit. So ist bei der am häufigsten vorkommenden ato- pischen Schwangerschaftsdermatose eine atopische Diathese bekannt, also das Vorhandensein von Allergien, allergischer Rhinokonjunktivitis oder Asthma ohne Auftreten von Ekze- men vor der Schwangerschaft.
Xerosis mit Juckreiz
Das häufigste Symptom während der Schwangerschaft ist der Pruritus. Meist führt eine sehr trockene Haut zu Juckreiz, so- dass die Basistherapie der trockenen Haut eine wichtige erste Massnahme ist, vorwiegend dann, wenn die Haut keine sons- tigen Effloreszenzen aufweist.
Basistherapie für alle Schwangeren!
Basistherapien sollten immer eine rückfettende Grundlage mit hydratisierenden Inhaltsstoffen wie Glyzerin oder Urea enthalten. Eine reine Fettgrundlage, wie sie häufig zur Vermeidung von Schwangerschaftsstreifen angewandt wird, ist nicht empfehlenswert. Lipolotionen oder Hydrolotionen sind leicht auftragbar und angenehm in der Anwendung.
Parallel dazu ist das frühzeitige Erkennen neu auftretender Hauteffloreszenzen wichtig. Prädilektionsstellen sind weg- weisend, die Ermittlung sonstiger Symptome wie Fieber oder anderer Komorbiditäten ist hilfreich, Probebiopsien sind manchmal angezeigt. Eine Therapie mit Externa ist meist ausreichend, Systemtherapeutika sind manchmal erforder- lich (Tabellen 2, 3). Eine schnelle Überweisung an einen Hautfacharzt oder an eine dermatologische Klinik hilft bei Unsicherheit, da bei einigen wenigen Subentitäten Eile gefor- dert ist, um den Fetus zu schützen. ▲ Prof. Dr. Petra Staubach-Renz
Hautklinik und Poliklinik Universitätsmedizin Mainz D-55131 Mainz
Interessenlage: Die Autorin hat keine Interessenkonflikte deklariert.
Literatur unter www.arsmedici.ch
Diese Arbeit erschien zuerst in «Der Allgemeinarzt» 18/2018. Die Über- nahme erfolgt mit freundlicher Genehmigung von Verlag und Autorin.
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ARS MEDICI 6 | 2019 Tabelle 3:Systemische Therapien bei Dermatosen in der Schwangerschaft
Kontraindikationen, Cave! Einsatz in Schwangerschaft möglich Retinoide (teratogen) Antihistaminika (Loratadin, Cetirizin) Mycofenolat-Mofetil Glukokortikoide, Prednisolon unter 10 mg/Tag (8.–11. Schwangerschafts- woche: Cave!)
Methothrexat Cyclosporin – Erfahrungen organtrans- plantierter Mütter
Apremilast Biologika (nach Rücksprache, Daten bei einzelnen Biologika sind vorhanden) Antiinfektiosa Antiinfektiosa
Fluconazol, Itraconazol, Aciclovir,
Ketoconazol, Griseofulvin Terbinafin, Amphotericin B
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