• Keine Ergebnisse gefunden

Archiv "Antiarrhythmische Therapie in der Schwangerschaft" (28.07.2006)

N/A
N/A
Protected

Academic year: 2022

Aktie "Archiv "Antiarrhythmische Therapie in der Schwangerschaft" (28.07.2006)"

Copied!
5
0
0

Wird geladen.... (Jetzt Volltext ansehen)

Volltext

(1)

H

erzrhythmusstörungen sind in der Schwangerschaft nicht ungewöhn- lich, führen aber bei Patientinnen und Angehörigen oft zu großen Sorgen und Ängsten (1). Über Art, Häufigkeit und Behandlung während einer Schwan- gerschaft liegen nur wenige Berichte vor (2). Es ist oft schwierig zu entscheiden, ob Herzrhythmusstörungen bereits vorher vorhanden waren und im Verlauf der Schwangerschaft häufiger wurden oder deren Auftreten durch metabolische, hor- monelle beziehungsweise hämodynami- sche Veränderungen begünstigt wurde (3).

Auf der einen Seite ist oft unklar, ob und wie die entsprechenden Arrhythmi- en behandelt werden sollen und auf der anderen Seite werden mögliche Risiken für Mutter und Kind durch Rhythmus- störungen und/oder eine medikamentös-

antiarrhythmische Behandlung befürch- tet (4). Zur Thematik „Rhythmusstörun- gen bei Schwangeren“ liegen relativ we- nige Untersuchungen vor. Insbesondere Beobachtungsstudien und Anwendungs- beispiele sind selten, weil sich Studien

„höherer“ Wertigkeit nach den Grundla- gen der evidenzbasierten Medizin aus ethischen Gründen verbieten.

Rhythmusstörungen bei Herzgesunden

Viele Patientinnen klagen in der Schwan- gerschaft über Palpitationen, die mei- stens auf eine Sinustachykardie zurück- zuführen sind. Die Herzfrequenz in Ru- he ist bei den meisten Schwangeren um etwa 20 Prozent erhöht, die Erstmanife- station von „klassischen“ Tachykardien (plötzlicher Beginn, plötzliches Ende des Herzrasens) mit einer Häufigkeit von et- wa vier Prozent relativ selten (5):Von 107

Patientinnen mit akzessorischen Lei- tungsbahnen, das heißt zusätzlichen Lei- tungsbahnen zwischen Vorhof und Kammer, traten bei sieben Frauen (sie- ben Prozent) erstmals während einer Schwangerschaft Tachykardien auf; bei Patientinnen mit AV-Knoten-Reentry- Tachykardien war dieses nur in 1/100 Fäl- len (ein Prozent) beobachtet worden.

Diese Rhythmusstörungen sind bei Herzgesunden fast immer benigne; eine Ausnahme bildet tachykardes Vor- hofflimmern bei schnell leitender zu- sätzlicher Leitungsbahn. Das erstmalige Auftreten von ventrikulären Arrhyth- mien im Verlauf einer Schwangerschaft ist selten, wohingegen bei Frauen mit (bekannten) rezidivierenden Tachykar- dien in 14 von 63 Fällen (22 Prozent) ei- ne Aggravierung der Symptomatik be- obachtet wurde (6). Ventrikuläre Tachy- kardien sind im Vergleich zu supraven- trikulären Rhythmusstörungen als kriti- sche Arrhythmien anzusehen.

Antiarrhythmische Therapie in der Schwangerschaft

Zusammenfassung

Supraventrikuläre Extrasystolen werden im Ver- lauf einer Schwangerschaft häufig beobachtet, supraventrikuläre Tachykardien wie atriale, AV- Knoten-Reentry- sowie „circus-movement“-Tachy- kardien dagegen seltener. Zur Akuttherapie ist bei hämodynamischer Instabilität eine elektrische Kardioversion mit 50 bis 100 Joules notwendig.

Bei stabiler Hämodynamik sollten primär vagale Maßnahmen durchgeführt werden, bei deren Versagen ist Adenosin das Medikament der er- sten Wahl. Für die Langzeittherapie kommen vor allem ββ1-selektive Betablocker wie beispiels- weise Metoprolol infrage. Ventrikuläre Extrasy- stolen sind während einer Schwangerschaft ebenfalls relativ häufig und meistens harmlos.

Maligne ventrikuläre Arrhythmien, wie ventri- kuläre Tachykardien, Kammerflattern und Kam- merflimmern treten selten auf. Als Akutthera- pie sollte bei instabiler Hämodynamik eine elek- trische Kardioversion vorgenommen werden;

bei stabilem Kreislauf kommen Ajmalin, Pro- cainamid oder Lidocain in Betracht. Für die Lang- zeittherapie sollten primär ββ1-selektive Beta- blocker eingesetzt werden. Sind diese nicht er- folgreich bieten sich spezifische Antiarrhythmi- ka der Klassen Ic oder III an. Für Patienten mit

synkopalen ventrikulären Tachyarrhythmien oder überlebtem plötzlichen Tod ist der implan- tierbare Defibrillator eine therapeutische Alter- native. Bei Patienten mit symptomatischen Bra- dykardien kann unter Echokontrolle ein Schritt- machersystem in jedem Stadium der Schwan- gerschaft implantiert werden.

Schlüsselwörter: Herzrhythmusstörungen, Schwangerschaft, Stillzeit, plötzlicher Tod, au- tomatischer Defibrillator, Antiarrhythmika

Summary

Antiarrhythmic therapy during pregnancy Atrial premature beats are frequently diagnos- ed during pregnancy, supraventricular tachy- cardia (atrial tachycardia, AV nodal reentrant tachycardia, circus movement tachycardia) less frequently. In unstable conditions, cardiover- sion with 50–100 Joules is indicated. In stable supraventricular tachycardias, vagal strategies may be used as a first line treatment to ter- minate breakthrough tachycardias. For short- term management where vagal interventions have failed, intravenous adenosine is the first choice drug and may safely terminate the ar-

rhythmia. First line agents for long-term thera- py include ββ-blockers with ββ1 selectivity (for example metoprolol). Ventricular premature beats are also frequently present during preg- nancy and usually benign; however, malignant ventricular tachyarrhythmias (sustained ventri- cular tachycardia, ventricular flutter, ventricu- lar fibrillation) occur occasionally. Electrical car- dioversion is mandatory in patients who are hemodynamically unstable or have life-threat- ening ventricular tachyarrhythmias. In hemo- dynamically stable patients, initial therapy with ajmaline, procainamide or lidocaine is in- dicated. If secondary prevention is needed, ββ- blockers with ββ1 selectivity are considered the drug of first choice. If this therapy is ineffec- tive, class Ic agents or III can be considered. In patients with syncopal ventricular tachyar- rhythmias or survivors of cardiac arrest, an im- plantable cardioverter-defibrillator is indicat- ed. In patients with symptomatic bradycardia, a pacemaker can be implanted using echocar- diography at any stage of pregnancy.

Key words: cardiac arrhythmias, pregnancy, breastfeeding, sudden death, automatic im- plantable cardioverter defibrillator, antiar- rhythmic drugs

Hans-Joachim Trappe

Medizinische Klinik II (Schwerpunkte Kardiologie und Angiologie), (Direktor: Prof. Dr. med. Hans-Joachim Trappe), Klinikum der Ruhr-Universität Bochum

(2)

Rhythmusstörungen bei Herzkranken

Die Häufigkeit kardiovaskulärer Er- krankungen ist bei Schwangeren mit ei- ner Inzidenz von etwa einem Prozent sehr niedrig (3). Zusammenhänge zwi- schen vorliegender Herzkrankheit, Rhythmusstörungen und Schwanger- schaft sind bisher nicht systematisch un- tersucht worden. Ein repräsentativer Überblick kardiologischer Erkrankun- gen unter Schwangeren aus der Sicht ei- nes kardiologischen Zentrums wurde 1996 bei 594 Patientinnen, die in einem Zeitraum von elf Jahren (1982 bis 1993) untersucht wurden, gegeben (7). Bei al- len Frauen lagen kardiale Erkrankun- gen vor: 227 Schwangere (38 Prozent) hatten angeborene Herzfehler, davon acht (ein Prozent) mit und 219 (37 Pro- zent) ohne pulmonale Hypertonie; 63 (elf Prozent) hatten Klappenfehler und 38 (sechs Prozent) einen Mitralsegel- prolaps. Eine Myokarditis wurde bei 15 Frauen (drei Prozent) beobachtet und verschiedenste andere kardiovaskuläre Erkrankungen wurden bei 29 (fünf Pro- zent) diagnostiziert. Bei 222/594 Patien- tinnen (37 Prozent) wurden Herzrhyth- musstörungen registriert (7).

Antiarrhythmika

Für die medikamentöse Therapie von Herzrhythmusstörungen stehen Anti- arrhythmika der Klassen I bis IV nach der Vaughan-Williams-Klassifikation zur Verfügung. Diese Medikamente sind seit langem bekannt. Für die meisten lie- gen ausreichende Erfahrungen über den Einsatz während einer Schwangerschaft und deren Auswirkungen auf den Feten vor. Teratogene oder fetotoxische Ef- fekte, je nach Phase der Schwanger- schaft, sind nicht bekannt.Allerdings ist Phenytoin beim Menschen teratogen, Amiodaron kann aufgrund des Jodman- gels fetotoxisch wirken und Diltiazem zeigt in Tierexperimenten teratogene Effekte (Tabelle 1).

Obgleich der Einsatz der meisten antiarrhythmisch wirksamen Medika- mente in der Regel möglich ist und die Risiken nur gering sind, sollte die In- dikation zur antiarrhythmisch-medi- kamentösen Therapie streng sein. Ist

die Indikation zur „Rhythmusbe- handlung“ aufgrund von Symptoma- tik, Hämodynamik oder prognosti- scher Relevanz gegeben, sollte die niedrigste Dosis gewählt werden, die zu einem zufriedenstellenden Thera- pieergebnis führt. Medikamente mit kurzer Halbwertzeit sind durch das geringere Risiko einer Akkumulation solchen mit längeren Halbwertszeiten vorzuziehen (8).

Differenzialtherapie bradykarder Arrhythmien

Symptomatische Bradykardien (Herz- frequenz < 60/min) sind während einer Schwangerschaft selten (2). In einigen Fällen können Sinusbradykardien oder Sinusknotenstillstände durch Uterus-

kompression der Vena cava inferior mit unzureichendem venösen Rückfluss bedingt sein. In wenigen Fällen – bei 92 000 Schwangeren in einer Häufigkeit von 0,02 Prozent – sind aber auch kom- plette AV-Blockierungen beschrieben worden (9).

Die therapeutischen Möglichkeiten liegen in der Applikation von Atropin (0,5 bis 1 mg intravenös), das für Schwan- gerschaft und Stillzeit als unbedenkliches Arzneimittel gilt. Ipratropiumbromid sollte demgegenüber während der Schwangerschaft und der Stillzeit mög- lichst nicht angewendet werden. Sollten bradykarde Rhythmusstörungen persi- stieren und symptomatisch sein, kann ei- ne temporäre oder permanente Schritt- macherimplantation notwendig werden.

Dabei sollte anstelle von röntgenologi- scher Durchleuchtung die Echokardio-

´ Tabelle 1 ´ 1

Wirkungen, Nebenwirkungen und Risiken von Antiarrhythmika oder Medikamenten mit antiarrhythmischer Wirkung

Medikament VW FDA Placenta- terato- Anwendg. NW

gängig toxisch SWS

Chinidin Ia C ja nein ++ Trombopenie, TdP

Procainamid Ia C ja nein ++ nicht bekannt

Disopyramid Ia C ja nein + Uteruskontraktion

Lidocain Ib B ja nein ++ Bradykardie, ZNS

Mexiletin Ib C ja nein + Bradykardie

Phenytoin Ib * ja ja – Retardierung, fetale

Missbildungen

Flecainid Ic C ja nein + nicht bekannt

Propafenon Ic C ja nein ++ nicht bekannt

Propranolol II C ja nein ++ Bradykardie, Wachs-

tumsverzögerung, Apnoe, Hypoglykämie

Metoprolol II C ja nein ++ BB-Effekte

Sotalol III B ja nein + BB-Effekte

Amiodaron III D ja ja – Hypothyreose, Wachs-

tumsverzögerung, vorzeitige G

Verapamil IV C ja nein + Bradykardie, AV-Block,

Hypotonie

Diltiazem IV C unklar unklar – nicht bekannt

Digoxin – C ja nein ++ niedriges G-Gewicht

Adenosin – C unklar nein ++ nicht bekannt

modifiziert nach Page (4): Anwendg., Anwendung; BB, Betablocker; FDA, FDA-

Klassifikation; G, Geburt; NW, Nebenwirkungen; SWS, Schwangerschaft; TdP, Torsade-de-pointes- Tachykardien; VW, Vaughan-Williams-Klassifikation; ZNS, zentrales Nervensystem; +, akzeptabel;

++, empfohlen; –, nicht empfohlen; *, Kontraindikation; B, kein erkennbares Risiko; C, Risiko unklar (keine Studien); D, bestehendes Risiko

(3)

graphie als bildgebendes Verfahren ein- gesetzt werden.

Ab dem 60. Tag einer Schwanger- schaft scheinen auch röntgenologische Techniken nur ein sehr geringes Risiko für das Kind zu bedeuten, besonders mit den heutigen modernen Röntgen- geräten. Die vorliegenden (wenigen) Fallberichte beschrieben problemlose und erfolgreiche Schrittmacherimplan- tationen, die für den Verlauf der Schwangerschaft keine nachteiligen Folgen hatten (9).

Differenzialtherapie supraventrikulärer Arrhythmien

Supraventrikuläre Extrasystolie

Supraventrikuläre Extrasystolen gehö- ren sicher mit zu den häufigsten Rhyth- musstörungen während einer Schwan- gerschaft (2). Sie sind in der Regel harmlos und ohne prognostische Be- deutung. Patientinnen mit atrialer Ex- trasystolie sollten daher per se nicht be- handelt werden, sondern über die Harmlosigkeit der Rhythmusstörung informiert und aufgeklärt werden.

Bleibt trotz entsprechender Maß- nahmen eine klinisch unakzeptable Symptomatik bestehen, sind Beta- blocker Medikamente der ersten Wahl.

Selektive β1-Rezeptorenblocker, zum Beispiel Metoprolol, sind besonders ge- eignet, weil sie β2-typische Effekte wie uterine Relaxation oder periphere Va- sodilatation vermeiden (Tabelle 2). Zu- dem haben sie möglicherweise geringe- re Nebenwirkungen, beispielsweise in- trauterine Wachstumsverzögerung, fe- tale Bradykardie, Hypoglykämie, als nicht selektive Betablocker und sollten diesen daher vorgezogen werden (10).

Obgleich es viele β1-selektive Beta- blocker gibt, zum Beispiel Atenolol, Bi- soprolol, Celiprolol, die prinzipiell für die Behandlung supraventrikulärer Ex- trasystolen geeignet erscheinen, liegen für die meisten von ihnen keine ausrei- chenden Erfahrungen in Schwanger- schaft und Stillzeit vor. Auch wenn kein nennenswertes teratogenes Risiko zu er- warten ist, können auch bei β1-selekti- ven Betablockern neben klassenspezifi-

schen auch substanzspezifische, potenzi- ell gefährliche Nebenwirkungen nicht grundsätzlich ausgeschlossen werden.

Supraventrikuläre Tachykardien

Therapeutische Maßnahmen der ersten Wahl sind bei supraventrikulären Tachykardien, wie atrialen Tachykardi- en, AV-Knoten-Reentry-Tachykardien und Tachykardien bei akzessorischen Leitungsbahnen, vagale Manöver. Beim Versagen vagaler Maßnahmen wie Ka- rotis-Sinus-Massage, Trendelenburg- Lagerung, „Dive“-Reflex (Gesicht in kaltes Wasser tauchen), Pressen gegen die geschlossene Glottis und die Rei- zung parasympathischer Fasern durch Einbringen eines Fingers in den Ra- chenraum ist Adenosin aufgrund seiner extrem kurzen Halbwertszeit von weni- gen Sekunden das Medikament der er-

sten Wahl (11). Adenosintriphosphat wird als Bolus verabreicht und sollte in- itial in Dosen von 9 mg oder 12 mg in- travenös verabreicht werden. Die Er- folgsrate liegt bei etwa 90 Prozent. Feto- toxische Effekte sind von Adenosin nicht bekannt (Tabelle 2).

Eine andere Alternative ist, beson- ders bei AV-Knoten-Reentry-Tachy- kardien, die Applikation von Verapamil (10 mg intravenös über drei Minuten, Reduktion der Dosis auf 5 mg bei vor- bestehender Betablockerbehandlung oder arterieller Hypotonie [RR syst

< 100 mm Hg]). Besonders bei Vera- pamil-Gabe ist jedoch auf eine mütter- liche Hypotension zu achten, die zu einer fetalen Hypoperfusion führen kann und unbedingt vermieden wer- den muss.

Falls alle genannten Maßnahmen nicht erfolgreich sind, sollte eine elek-

´ Tabelle 2 ´ 1

Therapiestrategien bei supraventrikulären Arrhythmien in der Schwangerschaft und Stillzeit

Art der Arrhythmie Vorgehen

SVA, instabil Elektrokardioversion (50–100 J)*

SVA, stabil:

SVES Metoprolol

AT, AVNRT, CMT Adenosin

Verapamil

VH-Flimmer-Terminierung Elektrokardioversion (50–100 J)*

Frequenzverlangsamung Digoxin, Metoprolol Verapamil

VH-Flattern Elektrokardioversion (50–100 J)*

AT, atriale Tachykardie; AVNRT, AV-Knoten-Reentry-Tachykardie; CMT, „circus movement“ Tachykardie bei akzessorischer Leitungsbahn; J, Joules; SVA, supraventrikuläre Arrhythmie; SVES, supraventrikuläre Extrasystolie; VH, Vorhof; *, Energie- mengen während Stillzeit 200–360 Joules

´ Tabelle 3 ´ 1

Therapiestrategien bei ventrikulären Arrhythmien in der Schwangerschaft und Stillzeit

Art der Arrhythmie Vorgehen

VA, instabil Elektrokardioversion (50–100 J)*

VA, stabil:

VES Metoprolol

Flecainid, Propafenon Mexiletine (Stillzeit)

VT Ajmalin (nicht Stillzeit), Lidocain

K-Flimmer-Terminierung Elektrokardioversion (50–100 J)*

J, Joules; K, Kammer; VA, ventrikuläre Arrhythmien; VES, ventrikuläre Extrasystolen; VT, ventrikuläre Tachykardien;

*, Energiemengen während Stillzeit 200–360 Joules

(4)

trische Kardioversion R-Zacken-ge- triggert in Kurznarkose vorgenommen werden; geringe Energiemengen mit 10 bis 50 Joules sind vielfach zur erfolgrei- chen Tachykardie-Terminierung ausrei- chend (4). Elektrokardioversionen sind unproblematisch, weil die Reizschwelle beim fetalen Herzen relativ hoch ist und der Fetus außerdem nicht im direk- ten Spannungsfeld beziehungsweise Stromfluss liegt.

Zur Rezidivprophylaxe sind vor al- lem β1-selektive Betablocker zu bevor- zugen. Antiarrhythmika der Klassen I, wie beispielsweise Flecainid, Propafe- non,oder der Klasse III,wie etwa Sotalol, sind weitere therapeutische Optionen, die aber nur bei entsprechender klini- scher Symptomatik und mit großer Zurückhaltung eingesetzt werden soll- ten. In Ausnahmefällen wurden wäh- rend einer Schwangerschaft bei nicht anderweitig zu beeinflussenden Tachy- kardien erfolgreich Katheterablationen durchgeführt (13).

Vorhofflimmern und Vorhofflattern Bei instabiler Hämodynamik ist unver- züglich eine elektrische Kardioversion mit 50 bis 100 Joules in Kurznarkose durchzuführen (14). Bei stabiler Hämo- dynamik ist eine medikamentöse Kon- version möglich, wobei Klasse-Ia-, Klas- se-Ic- und Klasse-III-Antiarrhythmika (Sotalol) zur Kardioversion prinzipiell geeignet sind. Zur Frequenzkontrolle bei persistierendem Vorhofflimmern kommen Digoxin, und β1-selektive Be- tablocker (beispielsweise Metoprolol) infrage. Ist unter diesen Medikamenten allein oder in Kombination keine zu- friedenstellende Frequenzkontrolle zu erreichen, sollte Verapamil hinzugefügt werden (Tabelle 2).

Differenzialtherapie ventrikulärer Arrhythmien

Ventrikuläre Extrasystolie

Ventrikuläre Extrasystolen sind während einer Schwangerschaft nicht ungewöhnlich. Sie sind in der Regel harmlos, ohne prognostische Relevanz und nicht therapiebedürftig. Sollte auf-

grund der klinischen Symptomatik, trotz Aufklärung über die Harmlosig- keit der Extrasystolen, eine Indikation zur Behandlung gegeben sein, kommen vor allem β1-selektive Betablocker in Betracht (Tabelle 3, 4). Spezifische An- tiarrhythmika der Klasse I oder der Klasse III (Sotalol) sollten nicht oder nur mit größter Zurückhaltung einge- setzt werden (8, 12).

Ventrikuläre Tachykardien

Bei ventrikulären Tachykardien und hämodynamischer Instabilität ist die so- fortige elektrische Kardioversion mit 50 bis 100 Joules vorzunehmen. Auch die Anwendung höherer Energiemengen (100 bis 360 Joules) ist zur Terminierung der Tachykardien möglich und nach vorliegenden Berichten für Mutter und Kind ohne Risiko (Tabelle 3, 4).

Bei stabiler Hämodynamik sollte ei- ne Terminierung der Tachykardien initi- al mit β1-Blockern, Flecainid oder Aj- malin versucht werden. Eine Präferenz, welches Medikament initial verabreicht

werden sollte, gibt es nicht, wenngleich β1-Blocker aufgrund der fehlenden te- ratogenen Wirkungen den spezifischen Antiarrhythmika überlegen erscheinen.

Vereinzelt liegen auch Fallberichte über erfolgreiche Behandlungen mit Magne- sium vor, das allerdings auch zu mütter- licher Hypothermie und fetaler Brady- kardie führen kann (15).

In seltenen Fällen hat auch Verapa- mil bei ventrikulären Tachykardien seine Berechtigung. Es handelt sich um „Verapamil-sensitive Ausflussbahn- Tachykardien“, die meistens bei Patien- ten ohne strukturelle Herzerkrankung im rechten Ventrikel lokalisiert und durch Linksschenkelblock-Konfigura- tion bei Indifferenz- oder Steiltyp während der ventrikulären Tachykar- die charakterisiert sind (16). Für die Langzeittherapie kommen als Rezidi- vprophylaxe bei idiopathischen links- ventrikulären oder rechtsventrikulären Ausflussbahntachykardien vor allem β1-selektive Betablocker in Betracht.

Amiodaron ist aufgrund möglicher feto- toxischer Wirkung nicht zu empfehlen.

´ Tabelle 4´ 1

Übliche Dosierungen einer antiarrhythmischen Therapie bei supraventrikulären oder ventrikulären Arrhythmien

Medikament VW Dosis/Tag (per os) Dosis (iv) App-Dauer (iv)

Chinidin Ia 800–1 200 mg * *

Procainamid Ia * 10–15 mg/kg KG 50 mg/min

Disopyramid Ia 400–800 mg 1–2 mg/kg KG 5–15 min

Ajmalin Ia * 50–100 mg 5 min

Lidocain Ib * 1–1,5 mg/kg KG 1–2 min

Mexiletin Ib 400–1 200 mg 0,5 mg/kg KG pro Stunde

Phenytoin Ib 100–300 mg 100–250 mg 50 mg/min

Flecainid Ic 100–200 mg 2 mg/kg KG 5 min

Propafenon Ic 300–900 mg 1–2 mg/kg KG 3–5 min

Propranolol II 160–320 mg 1–3 mg 1–3 min

Metoprolol II 100–200 mg 5–15 mg 2–3 min

Sotalol III 160–320 mg 20 mg 5 min

Amiodaron III 200–400 mg 5 mg/kg KG 5–10 min

Verapamil IV 120–360 mg 10 mg 3 min

Diltiazem IV 120–360 mg 12,5–25 mg 2–3 min

Digoxin – 0,25–1,0 mg 0,4 mg 2–10 min

Adenosin – – 6–12 mg Bolus

Magnesium – – 2 g Bolus

VW, Vaughan-Williams-Klassifikation; *, nicht gebräuchlich/nicht verfügbar

(5)

Kammerflattern und Kammerflimmern

Kammerflattern, Kammerflimmern oder Torsade-de-pointes-Tachykardien können auch in einer Schwangerschaft auftreten und zu einem Herz-Kreislauf- Stillstand führen. Nach erfolgreicher Reanimation wegen tachykarder ven- trikulärer Arrhythmien ist auch für Schwangere die Implantation eines au- tomatischen Defibrillators als die thera- peutische Option anzusehen.

1997 wurden die Befunde einer mul- tizentrischen Studie von 44 schwange- ren Patientinnen vorgestellt, bei denen wegen Kammerflimmern und/oder Kammertachykardien ein automati- scher Defibrillator implantiert wurde (17). Implantation und Verlauf waren bei 36 Patientinnen (82 Prozent) pro- blemlos, wohingegen bei acht (18 Pro- zent) Komplikationen beobachtet wur- den. Während des Schwangerschafts- verlaufs wurden in elf Fällen (25 Pro- zent) Entladungen des ICD-Systems registriert (1 bis 11 Schocks; im Mittel 0,66 + 1,9 Schocks), demgegenüber wur- den bei 33 (75 Prozent) keine Arrhyth- mien mit ICD-Intervention vermerkt.

39 Frauen (89 Prozent) gebaren gesun- de Kinder, ein Kind wurde totgeboren, zwei Kinder (vier Prozent) waren zu klein, bei einem Kind kam es zu einer Hypoglykämie und bei einer Patientin wurde die Schwangerschaft (nicht durch ICD bedingt) abgebrochen. Die Kinder der Patientinnen mit ICD-Ent- ladungen während der Schwanger- schaft zeigten keinerlei Auffälligkeiten, sodass sowohl die ventrikulären Tachyarrhythmien als auch die ICD- Schocks offensichtlich keine nennens- werten Effekte auf das fetale Gedeihen haben (18). Die Problematik von kar- dialer Grunderkrankung und chroni- scher Herzinsuffizienz für das Auftre- ten maligner Arrhythmien ist an ande- rer Stelle beschrieben (19, 20).

Fazit

Supraventrikuläre und/oder ventrikulä- re Herzrhythmusstörungen sind im Ver- lauf einer Schwangerschaft häufig. Sie erfordern eine genaue Abklärung der vorliegenden Arrhythmieformen und

besonders eine Beurteilung der kardia- len Funktion.

Wenngleich die meisten Rhythmus- störungen harmlos und für den Verlauf der Schwangerschaft unbedeutend sind, können Herzrhythmusstörungen auch schwerwiegend sein und zum Tod von Mutter und Fetus führen. Vor der Entscheidung einer antiarrhythmisch medikamentösen Behandlung oder einer nicht pharmakologischen the- rapeutischen Intervention muss da- her eine enge Kooperation zwischen Gynäkologen, Kardiologen, Geburts- hilfe und Perinatalmedizin stattfinden, um geeignete Maßnahmen zu disku- tieren, die mit einem möglichst gerin- gen Risiko für Schwangere und Fetus einhergehen.

Die vorliegenden Studienergebnisse und bisher publizierten Resultate der Be- handlung Schwangerer mit Rhythmus- störungen zeigen, dass trotz notwendi- ger Besonderheiten im therapeutischen Verhalten alle bekannten supraventri- kulären und/oder ventrikulären Arrhyth- mien adäquat behandelt werden kön- nen. Bei sorgfältiger Beachtung von be- kannten Risiken, Nebenwirkungen und Komplikationen der zur Verfügung ste- henden therapeutischen Maßnahmen können auch komplizierte Schwanger- schaften erfolgreich zu Ende geführt werden. Das setzt allerdings voraus, dass sowohl bei medikamentösen als auch bei interventionellen therapeuti- schen Maßnahmen die Überwachung nicht nur der Mutter, sondern auch des Feten erfolgt. Regelmäßig begleitende Wachstums- und Dopplerkontrollen sind obligat.

Manuskript eingereicht: 28. 10. 2005, revidierte Fassung angenommen: 6. 2. 2006

Der Autor erklärt, dass kein Interessenkonflikt im Sinne der Richtlinien des International Committee of Medical Journal Editors besteht.

Zitierweise dieses Beitrags:

Dtsch Arztebl 2006; 103(30): A 2036–40.

Literatur

1. Tawam M, Levine J, Mendelson M, Goldberger J, Dyer A, Kadish A: Effect of pregnancy on paroxysmal su- praventricular tachycardia. Am J Cardiol 1993; 72:

838–40.

2. Shotan A, Ostrzega E, Mehra A, Johnson JV, Elkayam U: Incidence of arrhythmias in normal pregnancy and relation to palpitations, dizziness, and syncope. Am J Cardiol 1997; 79: 1061–4.

3. Ferrero S, Colombo BM, Ragni N: Maternal arrhyth- mias during pregnancy. Arch Gynecol Obstet 2004;

269: 244–53.

4. Page RL: Treatment of arrhythmias during pregnancy.

Am Heart J 1995; 130: 871–76.

5. Lee SH, Chen SA, Wu TJ, Chiang CE, Cheng CC, Tai CT, Chiou CW, Ueng KC, Chang MS: Effects of pregnancy on first onset and symptoms of paroxysmal supraven- tricular tachycardia. Am J Cardiol 1995; 76: 675–8.

6. Bravermann AC, Bromley BS, Rutherford JD: New on- set ventricular tachycardia during pregnancy. Int J Cardiol 1991; 33: 409–12.

7. Wada H, Chiba Y, Murakami M, Kawaguchi H, Ko- bayashi H, Kanzaki T: Analysis of maternal and fetal risk in 594 pregnancies with heart disease. Nippon Sanka Fujinka Gakkai Zasshi 1996; 48: 255–62.

8. Chow T, Galvin J, McGowern B: Antiarrhythmic drug therapy in pregnancy and lactation. Am J Cardiol 1998; 82: 58I–62I.

9. Huang H, Lin Q, Zhang L: Clinical observation of car- diac pacemaker in pregnant women. Chuang Hua Fu Chan Ko Tsa Chih 1997; 32: 345–6.

10. Wolbrette D: Treatment of arrhythmias during preg- nancy. Curr Womens Health Rep 2003; 3: 135–9.

11. Trappe HJ: Akuttherapie supraventrikulärer Tachykar- dien: Adenosin oder Ajmalin? Intensivmed 1997; 34:

452–61.

12. Schaefer C, Spielmann H: Arzneiverordnung in Schwangerschaft und Stillzeit. München, Jena:

Urban & Fischer; 2001: 2–26.

13. Pagdad SV, Barmade AB, Toal SC, Vora AM, Lokhand- wala YY: „Rescue“ radiofrequency ablation for atrial tachycardia presenting as cardiomyopathy in preg- nancy. Indian Heart J 2004: 56: 245–7.

14. Finlay AY, Edmunds V: DC cardioversion in pregnancy.

Br J Clin Pract 1979; 33: 88–94.

15. Cardosi RJ, Chez RA: Magnesium sulfate, maternal hy- pothermia, and fetal bradycardia with loss of heart rate variability. Obstet Gynecol 1998; 92: 691–3.

16. Cleary-Goldmann J, Salva CR, Infeld JI, Robinson JN:

Verapamil-sensitive idiopathic left ventricular tachy- cardia in pregnancy. J Matern Fetal Neonatal Med 2003; 14: 132–5.

17. Natale A, Davidson T, Geiger MJ, Newby K: Implanta- ble cardioverter-defibrillators and pregnancy. A safe combination? Circulation 1997; 96: 2808–12.

18. Piper JM, Berkus M, Ridgway LE: Pregnancy complicat- ed by chronic cardiomyopathy and an automatic implantable cardioverter defibrillator. Am J Obstet Gynecol 1992; 167: 506–7.

19. Task Force Members, Oakley C, Child A, Iung B et al.:

Expert consensus document on management of car- diovascular diseases during pregnancy. Eur Heart J 2003; 24: 761–81.

20. Hoppe UC, Böhm M, Dietz R, Hanrath P, Kroemer HK, Osterspey A, Schmaltz AA, Erdmann E: Leitlinie zur Therapie der chronischen Herzinsuffizienz. Z Kardiol 2005; 94: 488–509.

Anschrift des Verfassers:

Prof. Dr. med. Hans-Joachim Trappe Medizinische Klinik II

(Schwerpunkte Kardiologie und Angiologie) Marienhospital Herne

Klinikum der Ruhr-Universität Bochum Hölkeskampring 40

44625 Herne

E-Mail: Hans-Joachim.Trappe@ruhr-uni-bochum.de

Referenzen

ÄHNLICHE DOKUMENTE

Wird mein Kind diese Person lieber haben als mich.. Ich sorge mich

Mein Kind lernt: Ich kann auch andere Menschen gerne haben.. Mein Kind lernt

© Nationales Zentrum Frühe Hilfen (NZFH) und Stiftung Pro Kind Kind und ElternKinderbetreuung / 10810.. Kinder-Betreuung für

Um das Rechnen mit Prozent zu lernen, darfst du nun zwei Wochen lang jeden Tag einige Aufgaben rechnen. Die Schwierigkeit nimmt dabei zu. Wenn du in der Schule die schwierigen

Eine Hand voll alleinerziehender Männer verliert sich zwischen den mehr als hundert Frauen;.. sie wären in einer gesonderten Vater-Kind-Kur besser

Das Buch ist wertvoll für alle selbst Betroffenen, be- sonders für die „späte Schwangere&#34;, aber auch für andere die sich mit dem The- ma „Kinderkriegen&#34; beschäf-

Verwandte (Name, Anschrift, Verwandtschaftsverhältnis), die von mir unterhalten oder in folgender Weise unterstützt werden (Nachweise bitte beifügen):. Durch

Ich saß also auf einem viel zu großen Loch, das in Holzbretter geschnitten war und über einem noch größeren Loch schwebte, dessen Tiefe für mich nicht einsehbar war. Nach