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Oxfam aktuell Nr. 35 / Herbst 2006

Deutsche sind vor dem Hintergrund unserer Geschichte aus guten Gründen zurückhaltend, wenn es um militärische Einsätze fern unserer Grenzen geht. Seit den Gräueln des Balkan- kriegs, der vor 10 Jahren direkt vor unserer Haustür stattfand, hat sich allerdings ein bemer- kenswerter Bewusstseinswandel ereignet. Aus- landseinsätze der Bundeswehr sind keine poli- tische Grundsatzfrage mehr, und fast 10.000 deutsche Soldatinnen und Soldaten sind in- zwischen weltweit im Einsatz.

Sowohl in der Ar- beit mit Partnern vor Ort als auch in unseren Kam- pagnen zu Krisen und Konflikten haben wir uns zunehmend mit dem Ver- hältnis zwischen Militär und Entwicklung aus- e i n a n d e r z u s e t z e n . Besonders intensiv in den letzten Monaten, als es um die Unterstützung der Wahlen in der DR Kongo und um den Libanon- konflikt ging.

Grundsätzlich for- dern wir das Recht aller Menschen auf ein Leben in Sicherheit. Das heißt zunächst, dass wir uns für frühzeitige Krisen- prävention einsetzen. Wo dennoch die Krise zur kriegerischen Auseinan- dersetzung geworden ist, treten wir gegenüber allen

Konfliktparteien für den Schutz der Zivilbevöl- kerung ein. Militärische Einsätze, die zu diesen Zielen beitragen, insbesondere im Rahmen eines UN-Mandats, finden unsere Unterstützung.

Schwierig wird es, wenn das Militär Entwicklungsaufgaben übernimmt, oder wenn für die lokale Bevölkerung der Einsatz des Mi- litärs und unsere Entwicklungsarbeit nicht mehr klar voneinander unterscheidbar sind. Dann be- steht die Gefahr, dass wir nicht mehr als unpar- teiisch wahrgenommen werden. Insofern wei- gern wir uns, unsere Ar- beit sozusagen unter dem Schutz von Gewehren zu tun. Unser wichtigster Schutz ist die enge, ver- trauensvolle Zusam- menarbeit mit den Menschen vor Ort.

Eins ist jedoch si- cher: Die kürzlich vorge- schlagene Verwendung von Entwicklungshilfe- mitteln zur Finanzierung von Auslandseinsätzen der Bundeswehr lehnen wir entschieden ab.

Herzlichst, Paul Bendix

Der Jahresbericht 2005 kann über die Geschäftstelle bestellt, in Oxfam Shops mitgenommen oder unter www.oxfam.de herunter- geladen werden.

Liebe Leserin, lieber Leser,

Schlaglichter

Neuanfang: HIV/AIDS-Projekt in Simbabwe ... S. 2 Scheitern: WTO-Verhandlungen ausgesetzt ... S. 4 Second Hand: Geschichte eines Hochzeitskostüms ... S. 8

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1. Aus unserer Projektarbeit

HIV/A

IDS

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ROGRAMM IN

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IMBABWE

Oxfam Deutschland unterstützt seit 2006 ein HIV/AIDS-Programm in Simbabwe, das schon seit längerer Zeit von mehreren Mitglieds- organisationen von Oxfam International geför- dert wird. Innerhalb dieses Programms enga- gieren sich lokale Organisationen in verschie- denen Projekten zum Thema HIV/AIDS.

Eine dieser Organisationen ist GWAPA (Gweru Women AIDS Prevention Association – Verein der Frauen in Gweru zur Prävention von AIDS), mit den Arbeitsschwerpunkten HIV-Beratung und Förderung von Einkommen schaffenden Maßnahmen.

Die Arbeit von GWAPA

Silvia ist Simbabwerin, Mitte vierzig, und führt bei GWAPA HIV-Aufklärungsarbeit für Frauen durch. Gefragt nach ihrer Motivation für diese Arbeit, erzählt sie:

„Ich wuchs mit zwei Brüdern auf. Im Ge- gensatz zu ihnen war ich sehr gut in der Schu- le und wollte auf eine weiterführende Schule gehen. Doch meine Eltern sagten, dass Bildung für Mädchen nicht wichtig sei, weil sie sowieso heiraten und Kinder bekommen. Meine Brü- der durften weiter zur Schule gehen, obwohl sie gar keine Lust hatten. Und ich? Ich wurde jung verheiratet, mit einem Mann, den ich nicht mochte. Sehr schnell bekam ich zwei Kinder.

Aber ich konnte mich nicht auf meinen Mann verlassen. Er betrog mich und ließ mich oft mit den Kindern allein. Schließlich ließ ich mich von ihm scheiden. Meine Familie war

mir dabei kein Rückhalt. Sie konnte mich nicht unterstützen und wollte es auch nicht – wegen der Schande der Scheidung. Ich musste meine Kinder allein versorgen und hatte keinerlei Bildung oder Ausbildung – wie viele Mädchen und Frauen. Da blieb nur der Weg in die Pros- titution.

Eines Tages kamen die Leute von GWAPA zu uns Prostituierten und klärten uns über die HIV-Ansteckungsgefahr auf. Das war ein brisantes Thema: Wir hatten alle Angst, uns zu infizieren! Die Leute von GWAPA besorg- ten uns Kondome und kümmerten sich um uns.

Dann bekam ich die Möglichkeit, selbst als Multiplikatorin bei GWAPA mitzumachen.

Das war für mich das Ende der Prostitu- tion und der Anfang dessen, was ich immer

ZIMBABWE

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1. Projekte

Was ist Oxfams Projektarbeit?

Oxfam unterstützt lokale Partnerorgani- sationen, um Menschen die Möglichkeit zu geben, sich mit eigener Kraft aus Armut und Not zu befreien. Weltweit arbeitet Oxfam mit über 3.000 Partnerorganisationen in rund 100 Ländern. Die Schwerpunkte: Grundbildung, HIV/AIDS, Landwirtschaft, Kleingewerbe und Krisenprävention. Außerdem leistet Oxfam Nothilfe. Denn Menschen, die durch Natur- katastrophen oder kriegerische Konflikte in Not geraten, brauchen schnelle Hilfe. Seit Jahrzehnten sorgt Oxfam in Krisenregionen für Trinkwasserversorgung, Gesundheitsauf- klärung und Hygienemaßnahmen.

wollte: Lernen und einer qualifizierten, wich- tigen Arbeit nachgehen. Ich nahm an Kursen und Fortbildungen teil. Wenn ich heute zu Pro- stituierten gehe und sie berate, dann glauben sie mir, denn ich war eine von ihnen, und ich kenne ihre Ängste und Probleme. Aufgrund meiner Arbeit konnten meine Tochter und mein Sohn zur Schule gehen; beide haben heute ei- nen Universitätsabschluss.“

Schritte in ein neues Leben

Silvias Geschichte verdeutlicht, dass gesell- schaftliche und wirtschaftliche Umstände Frauen zur Prostitution zwingen können.

Witwen und verlassene Frauen stehen vor dem Nichts. Da diese Frauen von der traditio- nellen Erbfolge ausgeschlossen sind, bleibt ih- nen zur Existenzsicherung oft nur der Weg in die Prostitution. Die Wahrscheinlichkeit, dass sie entweder schon durch ihren Mann mit HIV infiziert wurden oder sich als Prostituierte an- stecken, ist sehr hoch. Deswegen ist es wich- tig, dass lokale Organisationen, die im HIV/

AIDS-Bereich arbeiten, gefördert werden.

Im Einzelnen umfasst diese Arbeit: häus- liche Pflege und medizinische Behandlung, so-

Zwei der engagierten Beraterinnen, die in Simbab- we den Kampf gegen HIV/Aids führen Foto: Oxfam

Oxfams Selbsthilfeprojekte bieten Frauen eine alter- native Einkommensmöglichkeit. Foto: Oxfam

ziale Unterstützung von AIDS-Kranken, Durchsetzung von Rechten für Frauen, Betreu- ung von AIDS-Waisenkindern und HIV- Präventionsarbeit mit Jugendlichen. Darüber

hinaus ist es Oxfam als unterstützende Orga- nisation wichtig, dass die teilnehmenden lo- kalen Organisationen auch in ihrer eigenen Entwicklung gefördert werden, z.B. durch Fortbildungen in Finanzverwaltung und Projektmanagement.

Doch die Arbeit der Partner- organisationen beinhaltet noch mehr. Sie ver- geben beispielsweise Darlehen, mit denen Frauen einen Marktstand aufbauen oder Bati- ken und Erdnussbutter herstellen und verkau- fen können. In Gweru bewirtschaften ehema- lige Prostituierte inzwischen sogar eine eige- ne Farm.

Die Erfolge zeigen, dass Chancen auf Entwicklung vorhanden sind – wenn derartige Projekte Unterstützung erhalten.

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2. Oxfam weltweit

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UNEHMENDE

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EWALTIN

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ARFUR

Drei Jahre nach Beginn der Krise in Darfur ist die Situation erschütternd: 3,6 Millionen Menschen – über die Hälfte der Gesamt- bevölkerung Darfurs – sind direkt vom Konflikt betroffen und auf humanitäre Hilfe angewiesen.

Gewaltsame Übergriffe und Auseinandersetzun- gen haben während des letzten Jahres stark zu- genommen; allein im Juli flohen mehr als 25.000 Menschen vor Kämpfen und Angriffen aus ih- ren Dörfern in Nord-Darfur. Oxfam versorgt derzeit über 400.000 Menschen in Darfur und weitere 40.000 im benachbarten Tschad mit Trinkwasser und führt Hygienemaßnahmen durch.

Die Zahl der Angriffe auf internationale Hilfsorganisationen ist in diesem Sommer auf den höchsten Stand seit Beginn des Konflikts gestie- gen: Acht Mitarbeiter verloren ihr Leben, darunter auch ein Oxfam-LKW-Fahrer. Aufgrund dieser gefährlichen Situation musste Oxfam zwei Bü- ros in Nord-Darfur, in Saraf Omrah und Birka Seira, vorübergehend schließen.

Oxfam fordert alle Konfliktparteien drin- gend auf, unverzüglich den im Mai vereinbar- ten Waffenstillstand einzuhalten und ungehin- derten Zugang zur gefährdeten Zivilbevölkerung zu ermöglichen. Zudem appelliert Oxfam an die internationale Gemeinschaft, mehr Druck auf alle Beteiligten des Konflikts auszuüben, um die anhaltende Gewalt zu beenden. Aktuelle Infor- mationen: www.oxfam.de

WTO-V

ERHANDLUNGEN AUSGESETZT

WIEGEHTESWEITER

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Am 24. Juli 2006 verkündete WTO-General- direktor Lamy, dass die Verhandlungen in der Welthandelsorganisation (WTO) auf unbe- stimmte Zeit ausgesetzt sind. Vier lange Jahre wurde somit erfolglos verhandelt. Derzeit weiß niemand, ob und wie es mit den WTO-Verhand- lungen weitergehen wird. Es waren die starken nationalen Eigeninteressen, die den bis Ende Juli geplanten Abschluss der Verhandlungen verhin- derten. Das US-amerikanische „Nein“ zu einer weiteren Reduzierung ihrer handelsverzerrenden Agrarunterstützung gab den Ausschlag. Die Schuld jedoch nur bei den USA zu suchen, wäre zu kurz gegriffen.

Auch die EU war nicht bereit, ihre aggres- siven Marktöffnungsforderungen bei Industrie- gütern aufzugeben. Der EU-Vorschlag, der von der Bundesregierung im Hinblick auf die Export- interessen der deutschen Industrie massiv un- terstützt wurde, hätte bedeutet, dass die armen Länder ihre Zölle erstmals in der Welthandels- geschichte stärker hätten senken müssen als die reichen. Die Folge: Viele weiterverarbeitende Betriebe in den armen Ländern hätten schließen und ihre Beschäftigten auf die Straße setzen müssen.

Nun rücken bilaterale und regionale Freihandelsabkommen stärker in den Mittel- punkt der europäischen Handelspolitik. Die Erschließung neuer Absatzmärkte in Asien steht ganz oben auf der Agenda. Zu wenig öffentli- che Beachtung finden die Verhandlungen der EU für Freihandelsabkommen mit 74 armen Ländern aus Afrika, der Karibik und dem Pazi- fischen Raum (AKP), die jetzt in eine entschei- dende Phase gehen. Gemäß den Freihandelsvor- schlägen der EU-Kommission sollen einige der ärmsten Länder der Welt in direkten Wettbewerb mit den reichsten Industriestaaten treten.

Oxfam setzt sich dafür ein, dass bei der anstehenden Überprüfung der bestehenden Freihandelsabkommen ernsthaft Alternativen geprüft werden, die eine Förderung der Entwick- lung in den AKP-Ländern ermöglichen. Die ar- men Länder dürfen nicht gezwungen werden, ihre Chancen auf eine Zukunft ohne Armut auf- zugeben.

In Kebkabiya wird Trinkwasser mühsam mit dem Esel herangeschafft. Foto: E. Jansson/Oxfam

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3. Aus unserer Kampagnenarbeit

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RSTE

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RFOLGE FÜRMEHR

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RANSPARENZ

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UNDESREGIERUNGLENKTEIN

Am 18. September 2006 einigten sich die Bundesministerien endlich darauf, die Empfän- ger von Subventionen ohne jegliche Einschrän- kungen offenzulegen. Somit unterstützt die Bundesregierung nun den Kurs der EU-Kom- mission, die Transparenz bezüglich der Verwen- dung von EU-Fördermitteln zu verbessern. Trotz erheblicher politischer Widerstände konnte der öffentliche Druck, der von der „Initiative für Transparenz bei EU-Agrarsubventionen“ – dem Bündnis von 36 Organisationen aus Entwick- lung, Umwelt-, Verbraucher- und Tierschutz sowie bäuerlicher Landwirtschaft – erzeugt wur- de, einen Positionswechsel bewirken. Intensive Presse- und Lobbyarbeit einerseits und öffent- liche Mobilisierung über eine E-Card Aktion andererseits haben dies ermöglicht.

Trotz dieses ersten beachtlichen Erfolgs gilt es, weiter am Ball zu bleiben. Denn nach dem Willen Berlins soll die EU-Kommission die Veröffentlichung übernehmen und nicht – wie von der Kommission vorgesehen – die Mit- gliedsstaaten. Die Bundesregierung spielt damit auf Zeit. Es könnte Jahre dauern, bis die EU- Kommission formal die Zustimmung aller Staa- ten eingeholt hat. Die Initiative setzt sich zudem für weiter gehende Veröffentlichungen von In- formationen – Zahl der Arbeitskräfte, Art der

Bewirtschaftung, Betriebsgröße – ein, die eine Bewertung der Subventionen nach sozialen und ökologischen Kriterien ermöglichen würden.

Unterstützung gibt es dafür vom Bundes- datenschutzbeauftragten: „Eine sinnvolle Beur- teilung der Mittelvergabe durch die Informationsempfänger [kann] nur erfolgen, wenn sich aus den offen gelegten Daten nähere Angaben, beispielsweise zur Betriebsgröße so- wie zum jeweils einschlägigen Gewerbe, erge- ben.“

Außerdem sollen „Ross und Reiter“ der Subventionsvergabe nicht erst für die Förderperiode 2007-2013, sondern auch schon für die jetzige Förderperiode genannt werden.

Denn Jahr für Jahr zahlen wir alle pro Person durchschnittlich 250 Euro an Steuern in die Kasse der Europäischen Union, 100 Euro allein in den Agrar-Haushalt. Die meisten Subven- tionen füllen derzeit die Taschen der industriel- len Landwirtschaft und großer Lebensmittel- konzerne. Sie begünstigen Umweltverschmut- zung und zerstören die Lebensgrundlage von Kleinbauern im Norden und im Süden. Deshalb muss mit dieser Subventionspolitik Schluss sein.

Es bedarf dringend einer grundlegenden Reform der EU-Agrarpolitik. Doch um eine informierte Debatte führen zu können, wird Transparenz be- nötigt: Wir müssen wissen, wie die jährlich 40 Milliarden Euro an Subventionen ausgegeben werden, und zwar heute!

Was ist Oxfams Kampagnenarbeit?

Ungerechte weltwirtschaftliche Rahmen- bedingungen halten Menschen in armen Ländern oft auswegslos in Not und Armut gefangen. Das will Oxfam ändern! In unseren Kampagnen informieren wir über die Ursachen von Armut, benennen Lösungen, und drän- gen Entscheidungsträger zum Handeln. Wir fordern: faire Welthandelsregeln, wirksame Waffenkontrollen, Schulbildung für Kinder und effektive Maßnahmen zur Armutsbekämpfung.

Wer profitiert? Initiative für Transparenz bei EU-Agrarsubventionen Mehr Informationen: www.wer-profitiert.de

Von EU-Agrarsubventionen profitieren vor allem große Lebensmittelkonzerne.Foto: Toby Adamson/Oxfam

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3. Kampagnen

A b - sei ts!

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NTERESSE DER

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LLGEMEINHEIT

Klassenzimmer mit Lehrerinnen und Lehrern, Kliniken mit Krankenschwestern und -pflegern, Wasser aus der Leitung und funktionierende Toiletten: Für uns selbstverständlich, doch welt- weit erliegen Tag für Tag 4.000 Kinder den Fol- gen von vermeidbaren Durchfallerkrankungen, 400 Frauen sterben während der Schwanger- schaft oder der Geburt. 100 Millionen Kinder im schulfähigen Alter – die Mehrheit davon Mädchen – können nicht zur Schule gehen.

Grundlegende öffentliche Dienstleistungen sind entscheidende Ansatzpunkte, um die welt- weite Armut zu verringern. Wie und warum, das beschreiben Oxfam International und die Orga- nisation Water Aid in dem Bericht „Im Interes- se der Allgemeinheit: Gesundheitsfürsorge, Bil- dung, Wasserversorgung und Hygienemaß- nahmen für alle“, der am 1. September veröf- fentlicht wurde (www.oxfam.de).

Grunddienstleistungen für alle

Einige Regierungen von Entwicklungsländern haben – trotz schwacher staatlicher Strukturen – durch den Aufbau leistungsfähiger öffentlicher Dienste bemerkenswerte Erfolge erzielt: Sri Lanka, Botsuana, Malaysia und der indische Bundesstaat Kerala haben innerhalb einer Ge- neration Fortschritte im Bildungs- und Gesundheitssektor erreicht, für die Industrie- staaten mehr als ein Jahrhundert benötigten.

Sri Lanka beispielsweise – ein armes Land, in dem ein Drittel der Bevölkerung von weniger als zwei Dollar am Tag leben muss – ermöglicht seinen Bürgern kostenfreie Gesundheitsfürsorge und Grundbildung. Die dortige Mütter- sterblichkeit ist eine der niedrigsten der Welt.

Veränderung der politischen Prioritäten Angesichts dieser Erfolge appelliert Oxfam an die Regierungen der Entwicklungsländer, einen grö- ßeren Anteil ihrer Staatshaushalte für den Auf- bau dieser lebenswichtigen öffentlichen Dienst- leistungen für ihre Bevölkerung einzusetzen.

Zugleich fordert Oxfam die Regierungen der reichen Länder auf, diesbezügliche Refor- men der Entwicklungsländer mit mehr und lang- fristig zugesagter Entwicklungshilfe zu unter- stützen. Die bislang von den reichen Ländern und der Weltbank forcierte Privatisierung der Wasserversorgung und Gesundheitsfürsorge be- hindert arme Länder jedoch darin, grundlegen- de soziale Dienstleistungen für Millionen in Ar- mut lebende Menschen bereitzustellen.

Oxfam ruft vor allem die Bundesregierung dazu auf, die Themen Gesundheitsfürsorge, Bil- dung und Wasserversorgung auf die Agenda des G8-Gipfels zu setzen, der 2007 in Deutschland stattfindet. Starke staatliche Einrichtungen in diesen Bereichen sind für die Armuts- bekämpfung unverzichtbar. Vor allem hierfür sollte die auf dem G8-Gipfel 2005 in Gleneagles versprochene zusätzliche Entwicklungshilfe ein- gesetzt werden.

Lehrerin Idah Muchinzi aus Sambia wartet seit drei Jahren auf eine bezahlte Anstellung. Foto: J. Hull/Oxfam

Hoffnungslos überbelegt: Kinderstation im Kamuzu Krankenhaus, Lilongwe, Malawi Foto: E. Jansson/Oxfam

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3. Kampagnen

UN-K

ONFERENZ GESCHEITERT

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AMPAGNE GEHTWEITER

Zunächst die gute Nachricht: Am 26. Juni über- gab der Kenianer Julius Arile im Namen der Kampagne „Waffen unter Kontrolle!“ die Foto- Petition „Eine Million Gesichter“ an UN- Generalsekretär Kofi Annan. Julius ist der millionste Teilnehmer der Petition. Anlass für diese Aktion war die Eröffnung der seit Jahren wichtigsten Konferenz zur Kleinwaffen- kontrolle bei den Vereinten Nationen in New York. Kofi Annan appellierte dort an die Re- gierungen, endlich wirksame Kontrollen des verheerenden weltweiten Waffenhandels zu be- schließen und so Leben zu retten. Eine solche UN-Initiative ist eine Hauptforderung unserer Kampagne, zu der sich Oxfam, amnesty inter- national und andere Nichtregierungs- organisationen vor rund drei Jahren zusammen- geschlossen haben.

Ein kleiner Schritt zurück und ein großer nach vorne?

Die Hoffnungen von New York erfüllten sich leider nicht. Über 160 Regierungsvertreter/innen gingen nach zweiwöchigen Verhandlungen ohne Ergebnis auseinander. Die Verantwortlichen konnten sich noch nicht einmal darüber einigen, Exporte von Rüstungsgütern nur dann zu gestat- ten, wenn sie vom Empfänger nicht zu Menschenrechtsverletzungen oder zu Angriffs- kriegen eingesetzt würden.

Und doch war das Engagement von über einer Million Menschen weltweit, die unsere Foto- Petition unterstützt hatten, nicht vergebens:

Zahlreiche Regierungen kündigten am Rande der UN-Konferenz an, konkrete Schritte zu verbind- lichen Waffenkontrollen einzuleiten. Die nächste wichtige Gelegenheit dafür bietet sich bereits im Oktober beim Abrüstungsausschuss der UN- Generalversammlung. Dort soll eine Resoluti- on für ein internationales Waffenhandels- Kontrollabkommen angenommen werden.

Erfolg in Westafrika

Schon jetzt gibt es Fortschritte in einzelnen Regionen der Welt bezüglich der Einschränkung des Waffenhandels. So beschloss die west- afrikanische Staatengemeinschaft ECOWAS kürzlich ein verbindliches Abkommen zur Kon- trolle des Kleinwaffenhandels. 15 Staaten unter- zeichneten es bereits – darunter die Elfenbein- küste, Ghana, Nigeria, Liberia, Senegal und Sierra Leone. Experten von amnesty, IANSA und Oxfam berieten dabei die Regierungen in fach- lichen Fragen.

Julius Arile vor einer Skulptur, die an die Millionen Opfer von Waffengewalt erinnert Fotos: Oxfam

Übergabe der Petition - v. li.: Irene Khan (amnesty international), Rebecca Peters (IANSA), Kofi Annan, Julius Arile und Jeremy Hobbs (Oxfam International)

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4. Aus den Oxfam Shops

Was sind Oxfam Shops?

Das Prinzip der Oxfam Shops: Ehrenamtliche Mitarbeiter/innen verkaufen gespendete, gut erhaltene Kleidung, Bücher, CDs, Spielzeug und Haushaltswaren; der Ertrag fließt in unsere Kampagnen und Projekte in aller Welt.

Bundesweit gibt es 23 Shops, davon drei Buchshops, in denen über 1.300 Menschen ehrenamtlich arbeiten. Das Motto dieser außergewöhnlichen Second-Hand-Shops:

„Wir machen Überflüssiges flüssig!“.

Shopadressen auf unserer Website.

Modisch und elegant bin ich: ein helles hochwertiges Hochzeitskostüm Größe 38, das

vor fünf Monaten mit einem eleganten Anzug auf dem Standesamt war, um den Bund fürs Leben zu schließen. Und dann ?!?

Ein zorniger und aufgeregter Mann hat mich hergebracht. Jetzt hänge ich hier im Sortierraum des Oxfam Shops und warte, was mit mir geschieht. Was da so alles in meiner Nähe aufbewahrt wird – unglaublich. Zaghaft frage ich meine Nachbarn, wieso sie wohl hier sind.

Die schwarze Hose antwortet: „Ich war meiner Besitzerin viel zu groß.“ Ein guter Grund (besser als umgekehrt!) denke ich. Das gefällt mir. Der rosa Pullover ist traurig: „Sie hat mich weggegeben, weil ihr Mann meine Farbe nicht mehr sehen woll- te.“ Auch das ist zu akzep- tieren. Ein dunkelblauer Anzug wurde nicht mehr benötigt, weil sein Herr nun im Ruhestand ist und nur noch sportliche Kleidung trägt. Wunderbar, eine gute Sache. Eine karierte Bluse voller Flecken schämt sich: „ Ich gehöre eigentlich nicht hierher – mich kann doch niemand mehr gebrauchen.“

Und du, schöner Jil-Sander-Mantel, warum du?

„Meine Besitzerin meinte, sie wolle etwas Gutes tun, und deshalb hat sie mich in diesem guten Zustand abgegeben.“ Toll für Oxfam!

Jetzt aber soll ich verraten, warum ich denn vor ein paar Tagen hier gelandet bin. „Ich weiß es nicht – alles geschah so plötzlich. Raus aus dem Kleiderschrank, ab ins Auto und rein zu Oxfam – fertig! Keine Worte des Bedauerns oder von Christa Wolpert

Oxfam Shop Wiesbaden

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IESO BIN ICH BEI

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XFAM GELANDET

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Abschieds!“ Alle hatten gespannt gelauscht und waren nun enttäuscht; gab es da wirklich keine Begründung, bei Oxfam zu sein?

Die Zeit vergeht. Weil ich so schön bin, werde ich bei der festlichen Kleidung aufbe- wahrt. So kann ich zumindest etwas stolz auf mich sein.

Dann – an einem Morgen, gleich nach der Öffnung des Shops… diese Stimme, die kenne ich doch! Es ist der Mann, der von der Hoch- zeit, mit dem eleganten Anzug. Er sucht MICH!

Er will mich unbedingt zurück; koste es, was es wolle.

Bei den Neuzugängen – NICHTS! Bei den Kostümen – NICHTS! Erst als er verriet, war- um ich hier bin, hat man mich gefunden. Stellt euch das vor: Nach einem heftigen Streit in der jungen Ehe und der „Trennung für immer“ hat ER mich zur Strafe zu Oxfam gebracht. Gestern Abend haben sich die beiden dann wieder ver- söhnt. HAPPY END!?! Oh nein, noch nicht, denn SIE durfte doch auf keinen Fall bemerken, dass ich fort bin. Glücklicherweise hing ich noch inmitten anderer festlicher Kleidung im Laden.

Wie einen kostbaren Schatz empfängt mich der elegante Anzug.

Ich – Hochzeits- kostüm – kehre wieder zurück!

B e s t i m m t war das ein sehr ungewöhnlicher Weg, den Oxfam Shop wieder zu verlassen. Aber die Idee, als

Spende zu Oxfam zu kommen, gefällt mir. Da ist man doch noch für etwas gut! Ganz bestimmt!

Foto: Howard Davies/Oxfam

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4. Shops

Impressum: Oxfam Deutschland e.V., Greifswalder Str. 33a, 10405 Berlin, Tel.: 030 - 4285 0621, Fax: - 22, E-Mail: info@oxfam.de V.i.S.d.P.: Jörn Kalinski - Redaktionsschluss: 28.09.2006 – Spendenkonto: 8090500, Bank für Sozialwirtschaft, BLZ 37020500

Es ist Sonnabend im April, ein ganz normaler Tag im Oxfam Shop Hamburg- Hoheluft. Der Laden

brummt und das Lager ist gut gefüllt – eine wunderbare Voraussetzung für eine entspannte Sonnabend-Schicht.

Meine Kollegin an der Kasse kündigt eine Spende an: Schuhe sollen gebracht werden! Die Spenderin hat jedoch eine ganze Menge ange- kündigt und will daher mit ihrem Auto vorfah- ren und vor unserem Laden parken.

Oje, hoffentlich sind die Schuhe es wert!

Und dann passiert es: Sie kommen, die Schuhe!

130 Paar! Und jedes eingepackt in einem wei- ßen oder schwarzen Schuhkarton. Alle neu, un- gebraucht, aus Leder, Stoff, aus Kunstfasern, in sehr exklusiven Farben und Formen. Und selt- sam, seltsam: Jedes Paar in Größe 38!

Ich nehme die vorausschauend mit Bind- fäden zu Türmen gebundenen Kar- tons entgegen und wundere mich. So kommt es, dass ich die Spenderin über den üblichen Kontakt hinaus anspreche: „Wie kommt das? So viele Schuhe und alle in einer Größe?“ Sie berichtet: „Ich ziehe um, nach Mün- chen, und ich brauche die vielen Schuhe nicht.“

Gut, denke ich, und frage mich im glei- chen Augenblick, wie die Spenderin denn überhaupt an so viele Schuhe gekommen ist.

Da fährt sie schon fort: „Diese Designerin, die die Schuhe entwirft, finde ich so klasse! Ich habe ins Internet geschaut, bei Ebay ihren Na- men eingegeben, und schon hatte ich die Mög- lichkeit, die Schuhmodelle zu ersteigern – und das habe ich gemacht. Ich musste alle nehmen,

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von Ilse Kluge

Oxfam Shop Hamburg- Hoheluft

und so ersteigerte ich 160 Paar für 320 Euro.

Ungefähr 30 Paar habe ich behalten, weil ich die so toll fand, und die anderen brauche ich nicht. Deswegen will ich sie spenden.“

Ich bedanke mich bei der Spenderin, noch völlig ratlos, wie und wo wir diesen riesigen Stapel Schuhkartons eigentlich lagern wollen, geschweige denn, verkaufen…

Unmittelbar nachdem die großzügige Spenderin den Laden verlassen hat, rufe ich beim Team des Oxfam Shops in Hamburg-Wandsbek an, ob sie Schuhe gebrauchen könnten? „Ja klar“, war die Antwort, „warum denn nicht…?“

Vor einiger Zeit betraten zwei Frauen mit einem großen Kof- fer unseren Arbeitsraum, um eine Spende abzugeben. Die ältere der beiden Damen war in Tränen aufgelöst und berich-

tete uns schluchzend, dass sie sich nun endlich entschlossen habe, die im Koffer befindlichen Sachen ihres vor mehreren Jahren verstorbenen Vaters zu spenden. Diese Sätze wurden jedoch ständig von regelrechten Weinkrämpfen unter- brochen, die wir mit gutem Zureden und einem Glas Wasser zu stoppen versuchten.

Schließlich schlug die jüngere Frau vor, den Koffer nicht im Beisein ihrer verzweifelten Freundin auszupacken. Gesagt, getan: Die immer noch schluchzende Frau verließ den Raum und wir öffneten den Koffer. Die jüngere Frau erbleichte: oh je… der Inhalt bestand aus einem uralten dicken schwarzen Herren- Wintermantel, der mit diversen Mottenlöchern

„verziert“ war und dem zur Krönung auch noch ein Ärmel fehlte. Im ersten Moment wussten wir nicht, wie wir reagieren sollten.

Wir waren uns nicht sicher: War es echte Verzweiflung oder wollte man uns auf dem Arm nehmen? Letztlich entschieden wir uns für eine diplomatische Lösung. Wir baten die Frau, den Koffer samt Inhalt wieder mitzunehmen und ihn im Gedenken an ihren Vater in Ehren zu halten.

V

ÖLLIGUNVERKÄUFLICH von Bonni Lehmann

Oxfam Shop Köln

Referenzen

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