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1611 Tox Info Suisse Vergiftungen in der Schweiz

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Schweizerische Ärztezeitung

SÄZ – BMS Bulletin des médecins suisses – Bollettino dei medici svizzeri – Gasetta dals medis svizzers

Offizielles Organ der FMH und der FMH Services www.saez.ch Organe officiel de la FMH et de FMH Services www.bullmed.ch Bollettino ufficiale della FMH e del FMH Services

Organ ufficial da la FMH e da la FMH Services

48 2 7. 1 1. 2 01 9

1600 Editorial von Yvonne Gilli

Die Ärzteschaft in der EPD-Haftungsfalle?

1601 FMH

Korrekter Umgang mit Rabatten

1642 «Zu guter Letzt»

von Bernhard Gurtner Gatterwäng

1611 Tox Info Suisse

Vergiftungen in der Schweiz

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INHALTSVERZEICHNIS 1597

Redaktion

Dr. med. vet. Matthias Scholer (Chefredaktor);

Dipl.-Biol. Tanja Kühnle (Managing Editor);

Julia Rippstein (Redaktorin Print und Online);

Dr. med. Werner Bauer, Mitglied FMH; Prof. Dr. oec. Urs Brügger;

Prof. Dr. med. Samia Hurst; Dr. med. Jean Martin, Mitglied FMH;

Dr. med. Jürg Schlup, Präsident FMH;

Charlotte Schweizer, Leitung Kommunikation der FMH;

Prof. Dr. med. Hans Stalder, Mitglied FMH;

Dr. med. Erhard Taverna, Mitglied FMH

Redaktion Ethik

Prof. Dr. theol. Christina Aus der Au;

Prof. Dr. phil., dipl. Biol. Rouven Porz Redaktion Medizingeschichte

Prof. Dr. med. et lic. phil. Iris Ritzmann; Prof. Dr. rer. soc. Eberhard Wolff Redaktion Public Health, Epidemiologie, Biostatistik

Prof. Dr. med. Milo Puhan Redaktion Recht

Dr. iur. Ursina Pally, Leiterin Rechtsdienst FMH

FMH

EDITORIAL: Yvonne Gilli

1600 Die Ärzteschaft in der EPD-Haftungsfalle? 

AKTUELL: Bruno Henggi, Charlotte Schweizer 1601 Korrekter Umgang mit Rabatten 

INTERVIEW MIT ERIK VON ELM: Stefanie Hostettler 1605 Die Cochrane Library im Fokus 

1608 Personalien

Nachrufe

1610 In memoriam Martin Vosseler (1948–2019)

Weitere Organisationen und Institutionen

TOX INFO SUISSE: Stefan Weiler, Hugo Kupferschmidt 1611 Vergiftungen in der Schweiz

SRC: Roman Burkart, Helge Regener

1615 Die erste nationale Überlebensstrategie bei Kreislaufstillstand

Briefe / Mitteilungen

1618 Briefe an die SÄZ

1618 Facharztprüfungen / Mitteilungen

FMH Services

1621 Stellen und Praxen (nicht online)

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INHALTSVERZEICHNIS 1598

ANNA

Impressum

Schweizerische Ärztezeitung Offizielles Organ der FMH und der FMH Services Redaktionsadresse: Elisa Jaun, Redaktionsassistentin SÄZ, EMH Schweizerischer Ärzteverlag AG, Farnsburgerstrasse 8, 4132 Muttenz, Tel. +41 (0)61 467 85 72,

redaktion.saez@emh.ch, www.saez.ch Verlag: EMH Schweizerischer Ärzte- verlag AG, Farnsburgerstrasse 8, 4132 Muttenz, Tel. +41 (0)61 467 85 55, www.emh.ch

Anzeigen:

Markus Süess,

Key Account Manager EMH Tel. +41 (0)61 467 85 04, markus.sueess@emh.ch

«Stellenmarkt/Immobilien/Diverses»:

Inserateannahme, Tel. +41 (0)61 467 86 08, stellenmarkt@emh.ch

«Stellenvermittlung»: FMH Consulting Services, Stellenvermittlung, Postfach 246, 6208 Oberkirch, Tel. +41 (0)41 925 00 77, Fax +41 (0)41 921 05 86, mail@fmhjob.ch, www.fmhjob.ch Abonnemente FMH-Mitglieder:

FMH Verbindung der Schweizer Ärztinnen und Ärzte, Elfenstrasse 18, 3000 Bern 15, Tel. +41 (0)31 359 11 11, Fax +41 (0)31 359 11 12, dlm@fmh.ch Andere Abonnemente: EMH Schweize- rischer Ärzteverlag AG, Abonnemente, Farnsburgerstrasse 8, 4132 Muttenz, Tel. +41 (0)61 467 85 75,

abo@emh.ch

Abonnementspreise: Jahresabonne- ment CHF 320.– zzgl. Porto.

ISSN: Printversion: 0036-7486 / elektronische Ausgabe: 1424-4004 Erscheint jeden Mittwoch

© FMH

Die Schweizerische Ärztezeitung ist aktuell eine Open-Access-Publikation.

FMH hat daher EMH bis auf Widerruf ermächtigt, allen Nutzern auf der Basis der Creative-Commons-Lizenz

«Namens nennung – Nicht kommer- ziell – Keine Bearbeitung 4.0 inter- national» das zeitlich unbeschränkte Recht zu gewähren, das Werk zu ver- vielfältigen und zu verbreiten und öffentlich zugänglich zu machen.

Der Name des Verfassers ist in jedem Fall klar und transparent auszuweisen.

Die kommer zielle Nutzung ist nur mit

ausdrück licher vorgängiger Erlaubnis von EMH und auf der Basis einer schriftlichen Vereinbarung zulässig.

Hinweis: Alle in dieser Zeitschrift pu- blizierten Angaben wurden mit der grössten Sorgfalt überprüft. Die ange- gebenen Dosierungen, Indikationen und Applikationsformen, vor allem von Neuzulassungen, sollten in jedem Fall mit den Beipackzetteln der verwende- ten Medikamente verglichen werden.

Herstellung: Die Medienmacher AG, Muttenz, www.medienmacher.com

Titelbild:

© Svetlana Dolgova | Dreamstime.com

Tribüne

GRÜEZI SCHWEIZ: Adrian Ritter 1630 Ein herzlicher Empfang

STANDPUNKT: Hansueli Albonico

1632 Zusammenwirken von Wissenschaft und Politik als Herausforderung

Horizonte

STREIFLICHT: Annatina Fiona Suter 1636 Einblick in die Inselmedizin

STREIFLICHT: André Simon 1640 Da Vinci Teaching

BUCHBESPRECHUNGEN: Jean Martin 1641 Les personnes âgées se racontent

Zu guter Letzt

Bernhard Gurtner 1642 Gatterwäng

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Die Ärzteschaft in der EPD-Haftungsfalle?

Yvonne Gilli

Dr. med., Mitglied des FMH-Zentralvorstandes, Departementsverantwortliche Digitalisierung / eHealth

Kürzlich veröffentlichte das Schweizer Radio SRF einen Beitrag zum Stand der Umsetzung des elektronischen Patientendossiers (EPD) – die Hauptaussage lässt an einer planmässigen Einführung des EPD im nächsten Frühling zweifeln: Laut dem Spital-Dachverband H+

hat erst die Hälfte der Spitäler mit der Umsetzung des  EPD begonnen. Insbesondere ist unklar, welche Informationen überhaupt in das EPD hochgeladen werden müssen, so dass die behandelnden Fachper- sonen die relevanten Informationen schnell auffinden können [1]. Der Gesetzgeber hat lediglich festgelegt, dass das EPD «behandlungsrelevante Daten» der Pa- tien ten enthält.

Diese wenig konkrete Definition wird dazu führen, dass besonders bei Patienten mit komplexen Krank- heitsbildern das EPD in der Anfangsphase mit PDF- Dokumenten überfüllt und das Auffinden von relevan- ten Informationen dadurch erheblich erschwert wird.

Daraus entstehen neue haftungsrechtliche Frage- stellungen, welche die Ärzteschaft bewegen. In einer Umfrage einer Masterarbeit, welche die FMH begleitet

hat, äussern 50% der befragten Haus- und Kinderärzte der Schweiz juristische Bedenken gegenüber einer Teil- nahme am EPD [2].

Sobald eine Ärztin am EPD teilnimmt – egal ob freiwil- lig oder verpflichtet –, besteht nach Massgabe des sie treffenden gesetzlichen Sorgfaltsgebots grundsätzlich die Verpflichtung, das EPD zweckmässig zum Einsatz zu bringen. Eine Patientin darf also davon ausgehen, dass ein Arzt mit Zugriff auf das EPD dieses auch als Informationsquelle nutzt, soweit dies im Rahmen des konkreten Behandlungsverhältnisses zweckmässig erscheint. Bei der erwarteten PDF-Datenflut entstehen dadurch natürlich grosse Herausforderungen für die Ärzteschaft: Wie sollen hunderte von Dokumenten in- nerhalb kurzer Zeit gesichtet und die nützlichen Infor- mationen bewertet und extrahiert werden?

Aufgrund des gesetzlichen Sorgfaltsgebots ist eben- falls davon auszugehen, dass die am EPD teilnehmende

Der Gesetzgeber hat festgelegt, dass das EPD

«behandlungsrelevante Daten» der Patienten enthalten soll.

Ärzteschaft die behandlungsrelevanten Daten nicht nur lesen, sondern auch erfassen muss. Mögliche Haf- tungsfälle im Zusammenhang mit dem EPD sind auf Grundlage der allgemeinen Haftungs- und Sorgfaltsre- geln zu beurteilen. Dabei ist massgebend, ob die Ärztin zum Zeitpunkt der Dokumentationserstellung davon ausgehen musste, dass eine bestimmte Massnahme oder Beobachtung für zukünftige Behandlungen von Relevanz sein werden. Eine Erfassungspflicht dürfte nur dann bestehen, wenn der Arzt durch die Patientin oder eine andere Gesundheitsfachperson konkret aufgefordert wird, bestimmte behandlungsrelevante Daten im EPD zugänglich zu machen. Eine Erfassungs- pflicht besteht wohl auch dann, wenn die Ärztin unter den konkreten Umständen annehmen muss, dass die Daten in absehbaren künftigen Behandlungen be- nötigt werden.

Eine Prognose darüber, wie die Gerichte über die anzu- wendende Sorgfalt mit Blick auf die Erfassung von Da- ten im EPD in Zukunft urteilen werden, ist schwierig.

Die FMH begrüsst daher Umsetzungshilfen, wie sie eHealth Suisse zusammen mit betroffenen Akteuren erarbeitet hat [3]. Gleichzeitig betont die FMH, dass die Behandlungsrelevanz medizinischer Informationen hoch kontextbezogen ist und weder mit einem einfa- chen Algorithmus noch mit dem bei der Einführung zur Verfügung stehenden Ordnungssystem sinnvoll abgebildet werden kann. Solange den teilnehmenden Ärztinnen und Ärzten weder die Software zur zweck- mässigen Integration der Austauschformate zur Ver- fügung steht, noch die direkte und kontextualisierte digitale Kommunikation durch das EPD unterstützt wird, dürften viele Erwartungen im Reich der Zu- kunftsvision anzusiedeln sein.

Literatur

1 Wanner C. Elektronisches Patientendossier hält nicht, was es verspricht. SRF [Internet]. 2019; https://www.srf.ch/news/schweiz/

ab-april-obligatorisch-elektronisches-patientendossier-haelt- nicht-was-es-verspricht

2 Unveröffentlichte Ergebnisse der Umfrage im Rahmen einer Masterarbeit in Zusammenarbeit mit der ZHAW.

3 Behandlungsrelevante Informationen – Umsetzungshilfe für die Stammgemeinschaften; https://www.e-health-suisse.ch/filead- min/user_upload/Dokumente/D/umsetzungshilfe-behandlungs- relevante-informationen.pdf

SCHWEIZERISCHE ÄRZTEZEITUNG – BULLETIN DES MÉDECINS SUISSES – BOLLETTINO DEI MEDICI SVIZZERI 2019;100(48):1600

FMH Editorial 1600

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Artikelserie Teil 2: Neue Vorschriften im Heilmittelgesetz

Korrekter Umgang mit Rabatten

Bruno Henggia, Charlotte Schweizerb

a Verantwortlicher Public Affairs der FMH; b Leiterin Abteilung Kommunikation der FMH

Für Ärztinnen und Ärzte bedeutet dies, dass sie sich mit den Änderungen der neuen Verordnung vertraut machen müssen, um die neuen Bestimmungen acht­

sam und sorgfältig umsetzen zu können. Weiter müs­

sen Ärztinnen und Ärzte ihre diesbezüglichen Hand­

lungen konsequent und umfassend dokumentieren.

Als Berufsverband erachtet es die FMH als ihre Pflicht, ihre Mitglieder auf die strengere Regelung aufmerk­

sam zu machen und sie kontinuierlich und regel­

mässig über die neuen gesetzlichen Bestimmungen zu informieren. Dies möchten wir in anschaulicher Form in einer Artikelserie in vier Teilen realisieren.

Im vorliegenden Beitrag gehen wir näher auf Fragen ein, welche sich im Zusammenhang mit der Ge­

währung von Rabatten stellen. Wir behandeln diese anhand von praktischen Beispielen, wie sie sich im Be­

rufsalltag von Ärztinnen und Ärzten ergeben können.

Lieferung zum Fabrikabgabepreis inklusive Transport

Frage: Eine Ärztin erhält eine Lieferung an Arzneimit­

teln zum Fabrikabgabepreis. Der Transport wird nicht in Rechnung gestellt. Ist dies zulässig?

Antwort: Eine Lieferung von Arzneimitteln zum Fabrik­

abgabepreis ohne Inrechnungstellung der Transport­

kosten bedeutet bereits einen Preisrabatt. Um sich kor­

rekt und regelkonform zu verhalten, müsste die Ärztin diese Vergünstigung (die Logistikkosten) bei Leistun­

gen nach KVG auf jede einzelne Packung umrechnen und die Vergünstigung alsdann an die Patientinnen

Am 1.1.2020 treten neue Vorschriften betreffend den Umgang mit Heilmitteln in Kraft. Die neuen Bestimmungen bringen strengere Regelungen mit sich, welche direkt für den Berufsalltag von Ärztinnen und Ärzten relevant sind. Sie sind in der Verordnung «Integrität und Transparenz im Heilmittelbereich (VITH)» festgehal­

ten. Diese hat zum Ziel, die Integrität im Umgang mit Arzneimitteln zu stärken und dessen Transparenz zu erhöhen. Daher reguliert sie Preisrabatte und Ab­

geltungen seitens Arzneimittellieferanten stark und detailliert. Weiter enthält sie Bestimmungen über Unterstützungsbeiträge im Bereich Forschung sowie Weiter­

und Fortbildung. Auch für die Annahme von Geschenken oder Einladungen zum Essen gibt es strikte Vorschriften.

und Patienten weitergeben, das heisst, entsprechend weniger verrechnen und die weitergegebene Ver­

günstigung dokumentieren. Diese Lösung ist für ein­

zelne Ärzte impraktikabel, weil sie mit einem grossen administrativen Mehraufwand verbunden ist. Die andere Möglichkeit wäre, dass die Ärztin dem Arznei­

mittellieferanten den Transport der Arzneimittel dennoch bezahlt. Für diesen Fall sollte dem Arznei­

mittellieferanten mitgeteilt werden, dass die Logis­

tikkosten auf der Rechnung ausgewiesen werden müssen.

Generelle Rabatte

Frage: Ein Arzt erhält bei der Bestellung vom Arznei­

mittellieferanten einen generellen Rabatt von 5% auf den Fabrikabgabepreis gewährt. Wie soll der Arzt da­

mit umgehen?

Antwort: Bei diesem Rabatt handelt es sich mit grosser Wahrscheinlichkeit um eine weitergabepflichtige Ver­

günstigung, da der Rabatt nicht auf einer Gegen­

leistung des Arztes beruht. Diese Vergünstigungen (Rabatte) darf er nicht zurückbehalten, d.h., er muss sie an die Krankenversicherung oder an den Patienten weitergeben. Auch in diesem Fall gilt die Antwort zur oben stehenden Frage betreffend «Lieferung zum Fabrik abgabepreis inklusive Transport». Zusätzlich muss hier bei der Verrechnung von Arzneimitteln der Spezialitätenliste aber der Rabatt in der Höhe von 5%

des Fabrikabgabepreises vom Publikumspreis in Abzug gebracht werden.

FMH Ak tuell 1601

SCHWEIZERISCHE ÄRZTEZEITUNG – BULLETIN DES MÉDECINS SUISSES – BOLLETTINO DEI MEDICI SVIZZERI 2019;100(48):1601–1604

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Naturalrabatt

Frage: Angenommen, eine Fachperson erhält Natural­

rabatte. Wie soll sie damit umgehen? Sind Natural­

rabatte wie Musterpackungen zu behandeln? Ist die Gratisweitergabe zu dokumentieren?

Antwort: Unzulässig ist es, wenn ein Pharmaunterneh­

men mehr Arzneimittel liefert, als bestellt wurden.

Solche zusätzlich gelieferten Arzneimittel sollten dem Pharmaunternehmen zurückgesendet werden, denn diese können nicht als Musterpackungen gelten. Für den Erhalt von Musterpackungen wird vorausgesetzt, dass die Initiative für die Zustellung von der Fach­

person ausgeht. Da Musterpackungen nicht verkauft werden dürfen, wäre es vorteilhaft, eine Gratisweiter­

gabe zu dokumentieren.

Gesetzliche Grundlage VITH: Erläuterung

Der Zweck der neuen gesetzlichen Grundlage ist es zu vermeiden, dass die Verschreibung, Abgabe, Anwen­

dung oder der Einkauf von verschreibungspflichtigen Arzneimitteln durch Zuwendungen jedweder Art be­

einflusst wird. Anstatt ein vollständiges Verbot von Zuwendungen durchzusetzen, definiert die neue Ver­

ordnung einen Ausnahmekatalog, der abschliessend auflistet, was rechtlich weiterhin möglich sein soll.

Unter diesen Ausnahmekatalog fallen auch beim Heil­

mitteleinkauf gewährte Preisrabatte oder Rückver­

gütungen, sofern sie keinen Einfluss auf die Wahl der Behandlung haben. Das zentrale Merkmal eines Preis­

rabatts besteht darin, dass dieser voraussetzungslos, d.h. ohne Gegenleistung der Fachperson, gewährt wird. Das Krankenversicherungsrecht verwendet für den gleichen Sachverhalt den Begriff Vergünstigung.

Vergünstigungen sind Preisnachlässe, die ohne Gegen­

leistung der Fachperson gewährt werden. Somit han­

delt es sich beim krankenversicherungsrechtlichen Begriff der Vergünstigung um heilmittelrechtliche Preisrabatte. Vergünstigungen unterliegen der kran­

kenversicherungsrechtlichen Weitergabepflicht. Das heisst, dass sie mittels Preisreduktion auf dem Publi­

kumspreis an die Krankenversicherung oder an den Patienten weitergegeben werden müssen.

Bei Arzneimitteln der Spezialitätenliste existieren zwei vom BAG festgelegte Preise. Zum einen der Fabrik­

abgabepreis (ex factory­Preis) und zum anderen der Publikums preis. Der Fabrikabgabepreis ist derjenige Preis, den das Pharmaunternehmen für das Arznei­

mittel «ab Rampe» verlangen darf. Der Publikumspreis ist derjenige Preis, den eine Fachperson dem Patienten oder der Krankenversicherung höchstens in Rechnung stellen darf. Nach der Verordnung ist jeder auf dem

Fabrikabgabepreis gewährte Preisnachlass ein Preis­

rabatt. Da der Fabrikabgabepreis keine Logistikkosten enthält, stellt die Lieferung von Arzneimitteln in­

klusive Transport zum Fabrikabgabepreis oder gering­

fügig darunter ohne Inrechnungstellung des Trans­

ports ebenfalls einen Preisrabatt dar. Die Preise der  Spezialitätenliste können unter <http://www.

spezialitaetenliste.ch/> geprüft werden, weshalb schnell herausgefunden werden kann, ob ein Preis­

rabatt vorliegt oder nicht.

Anders ist es bei Arzneimitteln, die nicht auf der Spe­

zialitätenliste aufgeführt sind. Bei solchen ist immer dann ein Preisrabatt gegeben, wenn eine Differenz zwischen dem Standardpreis (üblicher Verkaufspreis) eines Produkts und dem im Rahmen des Kaufs effektiv bezahlten Preis besteht. Wenn der Lieferant keinen Ra­

batt auf dem üblichen Verkaufspreis bewirbt oder auf dem Bestellformular auszeichnet, ist es unter Um­

ständen schwierig oder unmöglich, einen Preisrabatt überhaupt zu erkennen.

Vereinbarung zu Rabatten

Das Heilmittelrecht regelt, ob eine Fachperson über­

haupt einen Vorteil von einem Pharmaunternehmen annehmen darf. Unter Vorteilen werden dabei zum Beispiel Preis rabatte und Rückvergütungen, Abgeltun­

gen für Gegenleistungen (wie beispielsweise Mengen­

rabatte) sowie Unterstützungsbeiträge für die For­

schung, Lehre, Infrastruktur oder Weiter­ und Fortbildung verstanden. Das Krankenversicherungs­

recht regelt demgegenüber, ob ein allfälliger Vorteil, also eine Vergünstigung, an die Krankenversicherung oder den Patienten weitergegeben werden muss.

Frage: Gibt es Vereinbarungen, welche ermöglichen, dass Fachpersonen generelle Rabatte ohne Gegenleis­

tung behalten können?

Antwort: Die Verordnung sieht grundsätzlich die Mög­

lichkeit vor, dass Vergünstigungen, d.h. Preisrabatte ohne Gegenleistung, teilweise von den Fachpersonen zurückbehalten werden können. Voraussetzung ist aber erstens die mehrheitliche Weitergabe der Ver­

günstigungen an die Patientinnen und Patienten oder die Krankenversicherung. Zweitens muss der nicht weitergegebene Anteil der Vergünstigung für die Verbesserung der Behandlungsqualität eingesetzt wer­

den. Die FMH ist derzeit daran, für die Mitglieder eine Rahmenvereinbarung auszuhandeln, welche die Min­

destvoraussetzungen beziehungsweise die verschiede­

nen gesetzlichen Auflagen für solche Vereinbarungen zwischen Leistungserbringern und Krankenversiche­

rern erfüllt. Es stellt sich hier aber die Frage, ab welcher

FMH Ak tuell 1602

SCHWEIZERISCHE ÄRZTEZEITUNG – BULLETIN DES MÉDECINS SUISSES – BOLLETTINO DEI MEDICI SVIZZERI 2019;100(48):1601–1604

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Grösse und ab welchem Organisationsgrad die Teil­

nahme für Arztpraxen sinnvoll sein kann.

Gesetzliche Grundlage VITH: Erläuterung

Versicherer und Leistungserbringer haben neu die Möglichkeit zu vereinbaren, dass die gewährten Ver­

günstigungen für Arzneimittel sowie Mittel und Ge­

genstände nicht vollumfänglich weitergegeben wer­

den. Schliessen Versicherung und Leistungserbringer eine entsprechende Vereinbarung ab, so müssen sie beachten, dass mehr als fünfzig Prozent der gewährten Vergünstigung tatsächlich an den Schuldner der Ver­

gütung weitergegeben werden. Die Vereinbarung muss schriftlich erfolgen. Der nicht weitergegebene Anteil der Vergünstigung muss nachweislich zur Verbesse­

rung der Qualität der Behandlung eingesetzt werden.

Die Parteien müssen in den Vereinbarungen darlegen, wie und zu welchem Zeitpunkt sie aufzeigen, inwie­

fern der Einsatz der einbehaltenen Vergünstigungen zu einer messbaren Verbesserung der Qualität der Be­

handlung geführt hat.

Transparenz

Frage: Eine medizinische Fachperson hat zulässige Preisrabatte beziehungsweise Rückvergütungen er­

halten. Muss sie diese dokumentieren und schriftlich festhalten?

Antwort: Ja, das Heilmittelgesetz sieht vor, dass auch die einkaufende Person Preisrabatte und Rückver­

gütungen in den Geschäftsbüchern, Belegen und Rechnungen ausweisen und auf Anfrage dem BAG offenlegen muss. Die Einhaltung der Transparenz­

bestimmungen ist wichtig, denn andernfalls besteht die Gefahr einer Strafandrohung.

Gesetzliche Grundlage VITH: Erläuterung

Beim Heilmitteleinkauf gewährte Preisrabatte und Rückvergütungen sollen sowohl in den Rechnungen und Geschäftsbüchern der Einkäufer – also zum Bei­

spiel der Ärztinnen und Ärzte – als auch auf Seiten der Hersteller oder Lieferanten nachvollziehbar ausgewie­

sen werden. Auf Verlangen sind sie auch gegenüber dem Bundesamt für Gesundheit offenzulegen.

Verordnung über die Integrität und Transparenz im Heilmittelbereich (VITH)

Art. 8 Rabatte

1 Ein Preisrabatt entspricht der Differenz zwischen dem Standardpreis eines Produkts und dem im

Rahmen einer Transaktion effektiv bezahlten Preis.

Für Arzneimittel der Spezialitätenliste liegt ein Preisrabatt insbesondere vor, wenn der effektiv be­

zahlte Preis unter dem Fabrikabgabepreis liegt.

2 Die Lieferung einer grösseren Menge, als bestellt und in Rechnung gestellt wird, ist unzulässig.

3. Abschnitt: Transparenz Art. 10

1 Sämtliche Preisrabatte und Rückvergütungen, die beim Heilmitteleinkauf Personen oder Organisatio­

nen gewährt werden, die Heilmittel verschreiben, abgeben, anwenden oder zu diesem Zweck ein­

kaufen, sind dem Bundesamt für Gesundheit auf Verlangen offenzulegen.

2 Die Transparenzpflicht nach Artikel 56 HMG gilt nicht für den Einkauf von frei­verkäuflichen Arzneimitteln (Abgabekategorie E) und klassischen Medizinprodukten der Klasse I gemäss An­

hang  IX  der Richtlinie 93/42/EWG4 über Medizin­

produkte.

2. Verordnung vom 27. Juni 1995 über die  Krankenversicherung Art. 76a Weitergabe der Vergünstigung

1 Die Vergünstigung nach Artikel 56 Absatz 3 des Ge­

setzes ist durch den Leistungserbringer in der Rech­

nung nach Artikel 42 des Gesetzes aufzuführen und dem Schuldner der Vergütung weiterzugeben.

2 Fliessen die Vergünstigungen über niedrigere Kos­

ten bereits in die Berechnung der Tarife und Preise der entsprechenden Leistung ein, so müssen diese nicht mehr im Rahmen der Rechnungsstellung separat ausgewiesen werden.

Art. 76b Vereinbarung über die nicht vollumfäng- liche Weitergabe von Vergünstigungen

1 Vereinbarungen nach Artikel 56 Absatz 3bis des Gesetzes werden in erster Linie zwischen den Ver­

bänden der Leistungserbringer und der Versicherer abgeschlossen.

2 Die Vereinbarungen über die nicht vollumfängliche Weitergabe der Vergünstigung nach Artikel  56 Absatz 3bis des Gesetzes müssen schriftlich abge­

schlossen werden und namentlich folgende Anga­

ben enthalten:

a. Art und Umfang der Vergünstigung sowie Moda­

litäten zur transparenten Dokumentation in den Belegen und Rechnungen;

b. Verwendungszweck der nicht weitergegebenen Vergünstigung, einschliesslich des Ziels zur Ver­

besserung der Behandlungsqualität;

FMH Ak tuell 1603

SCHWEIZERISCHE ÄRZTEZEITUNG – BULLETIN DES MÉDECINS SUISSES – BOLLETTINO DEI MEDICI SVIZZERI 2019;100(48):1601–1604

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c. Modalitäten des Nachweises der Verbesserung der Behandlungsqualität.

3 Die nicht weitergegebenen Mittel werden in erster Linie zugunsten national ausgerichteter Pro­

gramme zur Verbesserung der Behandlungsqualität eingesetzt.

4 Die Versicherer und Leistungserbringer müssen das BAG über abgeschlossene Vereinbarungen unver­

züglich informieren.

Art. 76c Berichterstattung an das BAG

1 Die Versicherer erstatten dem BAG Bericht über die Einhaltung der Vereinbarung nach Artikel 76b. Sie reichen den Bericht unverzüglich nach Beendigung der Vereinbarung dem BAG ein. Bei mehrjährigen Projekten reichen sie jährlich Zwischenberichte ein.

2 Jeder Bericht sowie jeder Zwischenbericht enthält mindestens folgende Angaben:

a. Nachweis des Einsatzes der nicht weitergegebe­

nen Vergünstigungen zur Verbesserung der Be­

handlungsqualität;

kommunikation[at]fmh.ch

Wir empfehlen Ärztinnen und Ärzten Vorsichtsmassnahmen zu treffen. Namentlich empfiehlt es sich:

Zu klären, ob bei Arzneimittellieferungen die Transportkosten als Preisrabatt erlassen wurden. Wenn dies der Fall ist, ist dafür zu sorgen, dass der Lieferant der Fachperson die Transportkosten in Rechnung stellt.

Zu prüfen, ob im Fall eines Rabatts beziehungsweise einer Ver- günstigung eine Gegenleistung vorliegt. Wenn dies nicht der Fall ist, besteht bei Leistungen nach KVG eine Weitergabepflicht.

Sicherzustellen, dass zusätzlich gelieferte Arzneimittel an den Lieferanten zurückgeschickt werden.

Zu gewährleisten, dass Preisrabatte und Rückvergütungen in den Geschäftsbüchern ausgewiesen werden.

b. Evaluation der durch die Vereinbarung erreich­

ten Verbesserungen gegenüber der ursprüng­

lichen Behandlungsqualität.

3 Die Evaluation muss durch eine unabhängige Orga­

nisation unter Anwendung von wissenschaftlichen Methoden nach anerkannten Standards oder Leit­

linien durchgeführt werden.

Jetzt Projekt einreichen – bis 09.12.2019

Zukunftsweisende Qualitätsarbeit im Gesund­

heitswesen gehört aufs Podest: Gewinnen Sie die Innovation Qualité, den Preis für Qualität in der Medizin! Melden Sie Ihr Projekt an auf www.innovationqualite.ch.

FMH Ak tuell 1604

SCHWEIZERISCHE ÄRZTEZEITUNG – BULLETIN DES MÉDECINS SUISSES – BOLLETTINO DEI MEDICI SVIZZERI 2019;100(48):1601–1604

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Zur Person

Dr. med. Erik von Elm

MSc, FMH Prävention und Ge- sundheitswesen

Erik von Elm ist Mitbegründer und Direktor von Cochrane Schweiz.

Nach dem Medizinstudium und der Promotion in Deutschland und Frankreich hat er an der London School of Hygiene and Tropical Medicine den Master-Abschluss in Epidemiologie und in der Schweiz den Facharzt in Prävention und Gesundheitswesen erworben.

Er ist Mitinitiator und Autor von Initiativen zur Verbesserung der Qualität von wissenschaftlichen Artikeln, wie z.B. dem STROBE- Statement für Berichte von Beobachtungsstudien, und Gutachter für medizinische Journale. Als wissenschaftlicher Oberarzt ist er in Forschung und Lehre am Centre universitaire de médecine générale et santé publique (Unisanté) in Lausanne tätig und lehrt u.a. zu Fragen der Methodik, der Forschung in klinischer Medizin und Public Health. Er vertritt als gewähltes Mitglied die natio- nalen Zentren im Cochrane Council.

Ein Interview mit Dr. med. Erik von Elm, Direktor von Cochrane Schweiz

Die Cochrane Library im Fokus

Interview: Dr. sc. Stefanie Hostettler

Dr. von Elm, Sie sind Direktor von Cochrane Schweiz.

Welchen Stellenwert hat Cochrane in der Forschung, und was ist der Anreiz, bei Cochrane mitzuarbeiten?

Cochrane setzt sich seit über 25 Jahren dafür ein, dass die Ergebnisse der Forschung systematisch gesucht, bewertet und zusammengefasst werden. Unsere Arbeit ermöglicht es, dass die Evidenz dahin kommt, wo sie am dringendsten gebraucht wird: bei den Gesund- heitsentscheidungen auf allen Ebenen. Das motiviert mich genauso wie einige tausend andere Cochrane- Mitglieder weltweit, zur Arbeit dieses Netzwerks beizu- tragen.

Was hat sich seit der Einführung der Cochrane Library verändert?

Von Anfang an waren der Ausbau und die Verbesserung der Cochrane Library mit ihrer Sammlung systemati- scher Reviews Kernstück der Arbeit. Cochrane selbst hat sich seit den Anfängen in den 1990er Jahren von eine m losen Netzwerk gleichgesinnter Akademiker zu einer in- ternationalen Organisation gewandelt, in der aus ser For- schern auch Personen mit anderen Blickwinkeln wie z.B.

Patienten mitwirken. Die Cochrane Library hat dazu beige tragen, dass die wissenschaftliche Evidenz einen wesentlichen Einfluss auf die ärztliche Tätigkeit hat.

Für welche Zielgruppe ist die Cochrane Library gemacht? Wie erreicht ihr die Zielgruppen?

Die wichtigste Zielgruppe sind Fachpersonen im Ge- sundheitswesen. Mittlerweile stehen auch für Laien etliche tausend Zusammenfassungen nicht nur auf

Cochrane erstellt systematische Übersichtsarbeiten zu medizinischen Forschungsfragen und schafft damit eine zu- verlässige Grundlage für die evidenzbasierte Medizin. Seit 2016 haben alle in der Schweiz wohnhaften Personen kostenlosen Zugang zur Cochrane Library. Im Rahmen einer vierteiligen Artikelserie stellen wir die Cochrane Libra ry vor. In diesem vierten Artikel befasst sich Dr. med. Erik von Elm, Direktor von Cochrane Schweiz, mit den Chancen und Herausforderungen bei der Nutzung der Cochrane Library.

Dr. med. Christoph Bosshard, Vizepräsident der FMH, Departementsverantwortlicher Daten, Demographie und Qualität

Englisch, sondern auch in vereinfachter Sprache auf Deutsch, Französisch und in zahlreichen anderen Sprachen zur Verfügung. Damit wird die gesammelte Evidenz auch medizinischen Laien zugänglich ge- macht. Zwischen Ärztin und Patient kann so eine Diskussion stattfinden, in der nicht nur eine Seite die Informationen hat.

Was hat die Finanzierung der Nationallizenz 2016 durch die SAMW, das BAG und die Universitäts­

bibliotheken gebracht?

Das war ein wichtiger Schritt, um den uns die Cochrane-Kolleginnen und -Kollegen in einigen Län-

Cochrane setzt sich seit über 25 Jahren dafür ein, dass die Ergebnisse der Forschung systematisch gesucht, bewertet und zusammengefasst werden.

FMH Ak tuell 1605

SCHWEIZERISCHE ÄRZTEZEITUNG – BULLETIN DES MÉDECINS SUISSES – BOLLETTINO DEI MEDICI SVIZZERI 2019;100(48):1605–1607

Published under the copyright license “Attribution – Non-Commercial – NoDerivatives 4.0”. No commercial reuse without permission. See: http://emh.ch/en/services/permissions.html

(10)

dern beneiden! Die Zugangszahlen haben sich vom ersten Tag an verdoppelt und sind konstant hoch ge blieben. Wir hoffen, dass in Zukunft noch mehr Menschen mit Gesundheitsfragen dieses Angebot nut- zen werden.

Welchen Mehrwert erfahren Ärztinnen, Ärzte und Gesundheitsfachpersonen durch die Nutzung der Cochrane Library?

Der grösste Mehrwert ist wohl die Zeitersparnis, da man sich nicht durch einzelne, zum Teil widersprüch- liche Fachartikel kämpfen muss, sondern deren Ergeb- nisse in einer Übersichtsarbeit geliefert bekommt.

Dabei hilft auch das Format «Clinical Answers» – quasi als Schnellzugang zur Evidenz.

Hausarzt Dr. med. Bruno Kissling zeigt in seinem Artikel auf, dass hausarztspezifische Fragestellungen oft komplex sind und es meist mehrere medizinische Probleme zu behandeln gibt. Wie kann die Cochrane Library die Ärzteschaft bei diesen hausarztspezi­

fischen Gegebenheiten unterstützen?

Für die Analyse der Situation eines Patienten braucht es nach wie vor die Erfahrung der Fachperson, die Ge- sundheitsprobleme einordnen und gewichten kann.

Die Komplexität z.B. durch die Multimorbidität wird bisher in keiner medizinischen Informationsquelle zufriedenstellend abgebildet. Auch der Einsatz von Technologien wie der künstlichen Intelligenz steht da immer noch ganz am Anfang. Wenn aber eine Reihe von konkreten Fragen auf dem Tisch liegt, kann mit Hilfe der Cochrane Library geschaut werden, ob es z.B. für eine Medikation überhaupt einen ausrei- chenden Nachweis der Wirksamkeit gibt. Wenn das nicht der Fall ist, können unnötige oder sogar riskante Therapien vielleicht sogar weggelassen werden.

Dr. med. Bruno Kissling und Professor Dr. med.

Fabian Krause berichten in den Ausgaben Nr. 46 und 47 der «Schweizerischen Ärztezeitung», dass die Suche in der Cochrane Library teilweise keine oder nicht aktuelle Ergebnisse zeigt, was dazu führen kann, dass die Cochrane Library nicht genutzt wird. Was raten Sie, und sind Massnahmen zur Optimierung des Ange­

bots geplant?

Ein einzelnes Stichwort als Suchbegriff führt selten di- rekt zum gewünschten Ergebnis. Mit standardisierten Begriffen wie den MeSH (Medical Subject Heading

Terms), die auch in der Datenbank PubMed verwendet werden, geht das schon besser. Das Aktualisieren der vorhandenen Cochrane Reviews ist sehr aufwendig, denn laufend kommen neue Studienergebnisse dazu.

Cochrane versucht hier, Prioritäten zu setzen und den Autorengruppen Unterstützung anzubieten, so dass Reviews von hoher Relevanz schneller verfasst oder aktualisiert werden. Mittlerweile gibt es die ersten sogenannten «Living Systematic Reviews», in welche neue Studien fortlaufend eingeschlossen werden. Das bietet bisher keine andere Datenbank.

Was sind Ihres Erachtens die Vorteile der Cochrane Reviews gegenüber den Guidelines?

Im besten Fall sind ein oder mehrere Cochrane Re- views Grundlage für eine evidenzbasierte Guideline.

Das ist bei vielen WHO-Guidelines heute so. Wer sich als Arzt oder Ärztin in seiner oder ihrer Tätigkeit auf solche Guidelines abstützt, liegt sicher nicht falsch. Es sollte aber kein «Entweder-oder» sein. Mit einer Reihe von Einzelempfehlungen in einer Guideline wird ein anderes Informationsbedürfnis gedeckt als mit einem systematischen Review, der – möglichst transparent – darlegt, welche wissenschaftliche Evidenz wir aktuell haben.

Wie unterscheiden sich Cochrane Reviews von  HTA­Berichten?

In einem klassischen Cochrane Review zu einer Be- handlungsform wird die international vorhandene Evidenz zum klinischen Nutzen und Schaden systema- tisch aufbereitet. Das Gleiche gilt für diagnostische oder präventive Massnahmen. Diese Evidenz wird in HTA-Berichten ergänzt durch eine gesundheitsökono- mische, ethische und rechtliche Analyse. Dazu kommt

die Einordnung der Fakten durch ein unabhängiges Gremium. Die Schlussfolgerungen von HTA-Berichten sind nur begrenzt auf andere Länder übertragbar, während dies bei Cochrane Reviews viel besser mög- lich ist.

Cochrane Reviews basieren häufig auf einem selek­

tierten Patientenkollektiv. Inwiefern sind die Ergeb­

nisse gültig für Patienten, die in der untersuchten Gruppe untervertreten sind wie z.B. Multimorbide, Frauen oder ältere Menschen?

Ein Cochrane Review basiert auf den Daten der einge- schlossenen Studien. Wenn diese nur eine selektierte

Der grösste Mehrwert ist wohl die Zeiterspar- nis, da man die Ergebnisse in einer Übersichts- arbeit geliefert bekommt.

Die Schlussfolgerungen von HTA-Berichten sind nur begrenzt auf andere Länder übertragbar, bei Cochrane Reviews ist das viel besser möglich.

FMH Ak tuell 1606

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Untergruppe widerspiegeln, schränkt das auch die Aussagekraft des Reviews ein. Oft unterscheiden sich aber die Studien bezüglich der Einschlusskriterien.

Man spricht dann von Heterogenität. Einerseits ist das für das Kombinieren von Studiendaten in einer Meta- analyse problematisch. Anderseits erlaubt es aber oft eine Aussage darüber, ob ein Ergebnis (z.B. die Über-

legenheit einer Therapie) verallgemeinert werden kann, also nicht nur für eine ausgewählte Gruppe von

«Idealpatienten» gilt.

Die patientenzentrierte Medizin gewinnt an Bedeutung; inwiefern werden die Bedürfnisse und Sichtweisen der Patienten und Patientinnen bei Cochrane berücksichtigt?

Das geschieht auf mehreren Ebenen: Bei der Auswahl von Zielkriterien (sog. Outcomes oder Endpunkten), an denen die Wirksamkeit einer Therapie gemessen wird, stehen in Cochrane Reviews die für die Patienten rele- vanten an erster Stelle. Das heisst, dass Kriterien wie Funktionsfähigkeit, Schmerz oder Lebensqualität im Vordergrund stehen, selbst wenn in den einge- schlossenen Studien die Gruppen für eine Vielzahl von Laborparametern verglichen wurden.

Eine weitere Ebene ist der Einbezug von Patienten und Patientinnen in die Arbeit von Cochrane. Da- für gibt es ein eigenes «Cochrane Consumer Network», das die Patientenperspektive zum Beispiel dann ein- bringt, wenn es darum geht, in der Arbeit der Review- Gruppen thematische Prioritäten zu setzen.

Wo sehen Sie die Rolle der Politik im Zusammenhang mit Cochrane? Und welche Aufgabe können die Stakeholder im Gesundheitswesen im Zusammen­

hang mit der Förderung der Cochrane Library übernehmen?

Es wäre wünschenswert, wenn in den politischen Pro- zessen die verfügbare wissenschaftliche Evidenz als Argument höher gewichtet würde. Beim Thema Klima- wandel gehen mittlerweile Schüler auf die Strassen, um uns Erwachsene zur Evidenzbasierung zu mahnen:

dass wir den Aussagen der Wissenschaftler endlich Ta- ten folgen lassen müssen. Das hätte ich mir vor 20 Jah- ren nicht träumen lassen!

Ob bei gesundheitspolitischen Fragen die Evidenz nun von Cochrane kommt oder aus anderen vertrau- enswürdigen Quellen, ist zweitrangig. Wichtig ist, dass sie bei einer Entscheidung ausreichend berück- sichtig wird. Das heisst nicht, dass andere Argumente wie die Präferenzen der Betroffenen ausgeblendet werden sollen. Auf die hohe Qualität in unserem Ge- sundheitssystem können wir zu Recht stolz sein, aber nicht, wenn wir es uns weiterhin leisten, Massnah- men ohne ausreichenden Wirkungsnachweis zu fi- nanzieren, und das ganze System irgendwann unbe- zahlbar wird. Mit der Cochrane Library steht in der

Schweiz jedem eine unabhängige evidenzbasierte In- formationsquelle frei zur Verfügung. Ich hoffe, dass diese in Zukunft finanziell sogar noch breiter abge- stützt werden kann.

Über Cochrane

Cochrane ist ein globales, unabhängiges Netzwerk von Wissen- schaftlerinnen und Wissenschaftlern, Gesundheitsfachleuten, Patientin nen und Patienten und anderen Personen mit gesund- heitsbezogenen Interessen. Zur Arbeit von Cochrane tragen ca.

11 000 Mitglieder und über 68 000 Unterstützer aus über 130 Län- dern bei. Auf wissenschaftliche Methoden gestützt, stellen sie Gesundheitsinformationen bereit, die zuverlässig und frei von kommerziellen Sponsorengeldern sind. Jeder Cochrane Review widmet sich einer klar formulierten Fragestellung. Zu deren Be- antwortung sucht ein Autorenteam alle vorhandenen Original- studien, welche die zuvor definierten Einschlusskriterien erfüllen.

Anschliessend werden die eingeschlossenen Studien bewertet, um zu bestimmen, ob es zuverlässige Evidenz zu einer bestimm- ten Behandlung, Diagnostik oder vorbeugenden Massnahmen gibt. Wenn möglich, werden die Einzelergebnisse in einer Meta- analyse kombiniert. Cochrane Reviews werden vor der Veröffent- lichung im Peer-Review-Verfahren von Fachexperten begutachtet.

Über 8000 Reviews sind bisher auf www.cochranelibrary.com zu- gänglich. Neben dem oft sehr ausführlichen Volltext stehen ver- schiedene Kurzformate zur Verfügung. Für die klinische Praxis be- sonders relevante Reviews werden unter «Clinical Answers» in einem Frage-Antwort-Format dargestellt.

FMH/SAQM Elfenstrasse 18 CH-3000 Bern 15 Tel. 031 359 11 11 ddq[at]fmh.ch

Ein Cochrane Review basiert auf den Daten der eingeschlossenen Studien.

Mit der Cochrane Library steht in der Schweiz jedem eine unabhängige evidenzbasierte Informationsquelle frei zur Verfügung.

FMH Ak tuell 1607

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Todesfälle / Décès / Decessi Bruno Vogt (1927), † 31.10.2019,

Facharzt für  Chirurgie und Facharzt für Herz- und thorakale Gefässchirurgie, 6045 Meggen

André Haynal (1930), † 7.11.2019, Spécialiste en neurologie et spécialiste en psychiatrie et psychothérapie, 1224 Chêne-Bougeries

Praxiseröffnungen /

Nouveaux  cabinets médicaux / Nuovi studi medici

ZH

Habib Jakupi, Facharzt für Radiologie, Mühlebachstrasse 7, 8008 Zürich

Ärztegesellschaft des Kantons Bern Ärztlicher Bezirksverein Bern Regio Zur Aufnahme als ordentliche Mitglieder in leitender Tätigkeit haben sich angemeldet:

Selma Aybek, Fachärztin für Neurologie, FMH, Leiterin Neuropsychosomatik, Lory-Haus, Inselspital, 3010 Bern

Mariam Semmo, Fachärztin für Allgemeine Innere Medizin und Fachärztin für Nephrolo- gie, Praxis hoch drei, Spitalgasse 38, 3011 Bern Einsprachen gegen diese Vorhaben müssen innerhalb 14 Tagen seit der Veröffentli- chung schriftlich und begründet bei den Co-Präsidenten des Ärztlichen Bezirksvereins Bern Regio eingereicht werden. Nach Ablauf der Frist entscheidet der Vorstand über die Aufnahme der Gesuche und über die allfälligen Einsprachen.

Ärztegesellschaft des Kantons Luzern Zur Aufnahme in unsere Gesellschaft Sektion Stadt hat sich gemeldet:

Petra Blümel, Fachärztin für Gynäkologie und Geburtshilfe, ab 1.2.2020 Gynäkologie Meggen, Schönwil 4, 6045 Meggen

Zur Aufnahme in unsere Gesellschaft Sektion Gäu hat sich gemeldet:

Jakob Evers, Facharzt für Gynäkologie und Geburtshilfe, LUKS Sursee, Abteilung Gynä- kologie und Geburtshilfe, Spitalstrasse 16A, 6210 Sursee

Einsprachen sind innert 20 Tagen nach der Publikation schriftlich und begründet zu richten an: Ärztegesellschaft des Kantons Luzern, Schwanenplatz 7, 6004 Luzern

Ärztegesellschaft des Kantons Schwyz Zur Aufnahme in die Ärztegesellschaft des Kantons Schwyz hat sich angemeldet:

Christina Stadlin, Fachärztin für Kinder- und Jugendmedizin, FMH, ab 1.3.2020 Kinderarztpraxis Schwyz AG Einsprachen gegen diese Aufnahme richten Sie schriftlich innert 20 Tagen an Dr. med. Uta Kliesch, Maria-Hilf-Strasse 9, 6430 Schwyz, oder per E-Mail an

uta.kliesch[at]hin.ch

Ärztegesellschaft Thurgau

Zum Eintritt in die Ärztegesellschaft Thurgau haben sich gemeldet:

Anna Kulpik-Decker, Fachärztin für Psychia- trie und Psychotherapie, Wallgutstrasse 19, D-78462 Konstanz

Eric Schneider, Facharzt für Allgemeine Innere Medizin, FMH, Weingartenstrasse 20, 8708 Männedorf

Aysin Weber, Fachärztin für Chirurgie, FMH, Lavendelweg 11, 9320 Arbon

FMH Personalien 1608

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Personalien

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In memoriam Martin Vosseler (1948–2019)

Meine erste Begegnung mit Dr.

med. Martin Vosseler liegt bald vierzig Jahre zurück. Er war eben aus einem Postdoc-Aufenthalt in den USA zurückgekehrt und hat uns Medizinstudenten in einem Hörsaal des Universitätsspitals über die atomare Bedrohung und die Folgen eines Atomschlags für die Menschen erzählt. Sein Tutor in den USA, Prof. Dr. med. B. Lown, hatte ihn für die Ärztinnen und Ärzte zur Verhütung des Atom- kriegs (IPPNW) gewonnen, und er hat dieses «Feuer» in die Schweiz gebracht. Seine Über- zeugungskraft, sein inneres Leuchten hat uns mit- gerissen. Zusammen mit vielen Kolleginnen und Kollegen hat er die Schweizer Sektion der IPPNW 1982 gegründet. Auf Friedenskongressen in Montreal, im Hotel Rossija in Moskau haben sich mit ihm mitten im Kalten Krieg tausende Ärztinnen und Ärzte für die Ab- schaffung der Atomwaffen eingesetzt und 1985 dafür den Friedensnobelpreis erhalten. Wir konnten gemein- sam mit dem Schiff im kalten Winter nach Oslo reisen und für die Schweizer Sektion den Nobelpreis vom norwegischen König empfangen. Bei einer Nobel- vorlesung der IPPNW-Co- Präsidenten Evgeny Chasow und Bernard Lown an der Universität Oslo war die Stimmung angespannt. Plötzlich erlitt ein russischer TV-Journalist einen Herzstillstand, und die beiden Kardiologen Chasow und Lown konnten ihn erfolg- reich reanimieren. Weltweit wurde dieses Ereignis als Zeichen für die Annäherung von Russland und den USA und die atomare Abrüstung wahrgenommen.

Dann kamen Tschernobyl, die Bedrohung durch die zivile Nutzung der Atomenergie, das Waldsterben, die Chemiekatastrophe in Schweizerhalle. In der Folge hat Martin Vosseler seine psychosomatische Arztpraxis aufgegeben und sich mit seiner ganzen Energie für den Umwelt- und Naturschutz eingesetzt. Er hat die Ärztin- nen und Ärzte für den Umweltschutz mitgegründet, später die Stiftung SonneSchweiz und Sun21. 1988 hat er gemeinsam mit vier Ärztinnen und Ärzten den Sprung in den Grossen Rat des Kantons Basel-Stadt und in die Mühlen der Politik gewagt. Die Langsamkeit

und Beschwerlichkeit der Politik hat er nicht ausgehal- ten, dafür war sein Feuer für die Umwelt zu intensiv, und er ist nach sechs Monaten wieder aus dem Grossen Rat ausgestiegen.

Mit Märschen quer durch ganz Amerika, von Basel nach Jerusalem und von Basel nach St. Petersburg hat er auf die Dringlichkeit der Abkehr von den fossilen und ato- maren Energieträgern hin zu den erneuerbaren Energien aufmerksam gemacht. Kürzlich sagte er mir, dass er bald die ganze Welt zu Fuss umrundet hätte. Er hat für den Schutz der Wälder in Indonesien und gegen den Import von Tropenholz mit Bruno Manser auf dem Bundesplatz in Bern gefastet und gestrickt. Bundesrätin Ruth Drei- fuss hat sie dort besucht. Für den Schutz der Landschaft in den Langen Erlen und gegen den Bau der Zollfrei- strasse hat er von 2004 bis 2006 beharrlich gekämpft.

Ich erinnere mich an gemeinsame verschneite Winter- nächte im Zelt. Auch ein Hungerstreik konnte nicht verhindern, dass sie gebaut wurde. Das Bundesgericht hat alle Einsprachen abgewiesen. Danach ist er 2007 mit dem Solarboot von Basel nach New York gefahren, immer um für die erneuerbaren Energien zu werben.

Martin Vosseler war ein Pionier, ein Vorkämpfer, ein Vorbild. Er hat eine grosse Zahl von Menschen bewegt, sich für den Frieden, die Gerechtigkeit und den Erhalt der Umwelt einzusetzen. Politiker wie Nationalrat Christoph Eymann, der als Gewerbedirektor die Sun21 unterstützt hat, und Wirtschaftsleute haben seine Anliegen aufgenommen. Zuletzt haben ihn die klima- streikenden Jugendlichen immer wieder zu ihren Streiks und Demonstrationen eingeladen. Sein Feuer, seine sanfte Beharrlichkeit, seine Kompromisslosig- keit, sein vorbildlicher Lebenswandel haben die Menschen bewegt, angespornt, motiviert, aber auch herausgefordert. Es war nicht immer einfach.

Martin Vosseler hat seine Berufung zum Arzt ganz- heitlich und umfassend gelebt. Der hippokratische Auftrag bestand für ihn darin, sich nicht nur für die Heilung der Kranken, sondern auch für den Schutz und die Bewahrung der Umwelt und der Natur einzu- setzen. Am 23.10.2019 ist er bei einem tragischen Fahr- radunfall gestorben.

Dr. med. Guy Morin, Hausarzt, ehem. Regierungspräsident Basel-Stadt Martin Vosseler

Bildnachweis Lioba Schneemann

Dr. med. Guy Morin Facharzt für Allgemeine Innere Medizin Praxengemeinschaft Warteckhof Grenzacherstrasse 62 CH-4058 Basel Tel. 061 690 91 11 morin[at]warteckhof.ch

NACHRUFE 1610

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Zur Beratungstätigkeit 2017 von Tox Info Suisse

Vergiftungen in der Schweiz

Stefan Weilera, Hugo Kupferschmidtb

a PD Dr. med., Leiter wissenschaftlicher Dienst, Tox Info Suisse; b Dr. med., eMBA-HSG, Direktor Tox Info Suisse

Tox Info Suisse führte 2017 insgesamt 40 310 Beratungen durch, gut 37 200 Bera­

tungen zu Giftexpositionen und knapp 3100 prophylaktischer Natur.

54,5% der Expositionen betrafen Kinder, mehrheitlich im Vorschulalter. Bei der Geschlechtsverteilung war bei  den Kindern ein leichtes Überwiegen der Knaben (50,6% vs. 48,1% Mädchen) und bei den Erwachsenen der Frauen (58,1% vs. 41,2% Männer) zu sehen. 90% der über 27 000 unbeabsichtigten (akzidentellen) Vergif­

tungen ereigneten sich im häuslichen Milieu, bei den gut 4800 beabsichtigten Intoxikationen trat die grösste Anzahl (66%) im Rahmen von Suizidversuchen auf.

Schwere und tödliche Vergiftungen in der Schweiz 2017

Bei den 246 schweren und tödlichen Vergiftungen überwiegt der Frauenanteil mit 57%. Unterdurch­

schnittlich wenig Kinder sind betroffen (5%). Die Pa­

tienten mit schweren Vergiftungen sind im Schnitt 40 Jahre alt, die mit tödlichem Ausgang 65 Jahre. Typi­

scherweise ereignen sich die schweren und tödlichen Vergiftungen vorwiegend im Rahmen von beabsichtig­

ten Handlungen (64% suizidal, 13% Abusus). In über 85% handelt es sich um eine orale Exposition.

Medikamente

Von 159 schweren [1] Vergiftungen mit Medikamenten (davon 6 Kinder) ereigneten sich 132 (83%) mit Mitteln

für das Nervensystem, im Wesentlichen Analgetika (v.a. Opioide, Paracetamol), Antiepileptika (am häu­

figsten Lamotrigin, Carpabamezin, Clonazepam und Phenobarbital) und Psychopharmaka (Benzodiazepine n = 35, Antidepressiva n = 27, Antipsychotika n = 32, davon Quetiapin n = 16, Zolpidem n = 3). Bei den übri­

gen schweren Medikamentenintoxikationen waren Prä parate für den Gastrointestinaltrakt (Insulin n = 4, Metformin bzw. Sitagliptin/Metformin je n = 1), für den  Kreislauf (Digoxin n = 2), für den Atmungstrakt (Diphenhydramin n = 2, Theophyllin n = 1) und für den Bewegungsapparat (Mefenaminsäure n = 2, Baclofen n  = 2, Tizanidin n = 1, Tolperison n = 1), meist in Kombination mit weiteren Medikamenten, beteiligt.

Die rest lichen schweren Vergiftungen wurden durch  Hämatologika (Dabigatran n = 1, Chloroquin n = 1, Eisen n = 1) und Onkologika (Methotrexat n = 2) ver­

ursacht.

Bei den vier Todesfällen durch Medikamente waren alle in suizidaler Absicht mit Amlodipin, Propranolol, Escitalopram, Miratazapin, Azathiprin, Opiaten, Pheno­

barbital, Sertralin in unterschiedlicher Kombination eingenommen worden. Ein weiterer Todesfall trat in Zusammenhang mit Ketamin und Cocain auf, einmal im Rahmen einer suizidalen Handlung mit Schwein­

furter Grün, und in einem Fall wurde hochkonzen­

trierte Essigsäure eingenommen.

Das Wichtigste in Kürze

• Im Jahr 2017 führte Tox Info Suisse 40 310 Beratungen durch, rund 37 200 zu Giftexpositionen und ca. 3100 waren prophylak- tischer Natur.

• Über 18 000 Giftexpositionen betrafen Kinder (vs. über 14 000 bei Erwachsenen), 81% davon jünger als 5 Jahre.

• Knapp drei Viertel (69%) aller Vergiftungen geschahen mit Medikamenten, Haushaltsprodukten oder Pflanzen (Tab. 1).

• Vier (57%) der sieben Todesfälle gingen auf das Konto der Medi- kamentenvergiftungen und je einer auf dasjenige von techni- schen/gewerblichen Produkten, Drogen sowie Nahrungsmittel/

Getränke (Tab. 2).

• Von den schweren Fällen waren 67% durch Medikamente, 15%

durch Genussmittel und Drogen und 6% durch Haushaltspro- dukte verursacht.

L’essentiel en bref

• En 2017, Tox Info Suisse a répondu à 40 310 demandes de rens- eignements, dont environ 37 200 avec exposition et 3100 de nature préventive.

• Plus de 18 000 expositions à une substance toxique concer- naient des enfants (contre plus de 14 000 touchant des adul- tes), 81% d’entre eux ayant moins de 5 ans.

• Près des trois quarts (69%) des intoxications étaient dues aux médicaments, aux produits ménagers ou aux plantes (tab. 1).

• Quatre (57%) des sept décès enregistrés étaient dus à des into- xications médicamenteuses, les trois autres étant respective- ment liés à des produits techniques/professionnels, des drogues et des aliments/boissons (tab. 2).

• Parmi les cas graves, 67% étaient liés à des médicaments, 15%

à des aliments/boissons et à des drogues et 6% à des produits ménagers.

WEITERE ORGANISATIONEN UND INSTITUTIONEN Tox Info Suisse 1611

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Genussmittel, Drogen und Alkohol

Genussmittel, Drogen und Alkohol führten zu einer tödlichen und 37 schweren Vergiftungen. Beim Todes­

fall kam es in Zusammenhang mit Ketamin und Cocain zu Asystolie mit metabolischer Azidose, mehrmaligen, generalisierten Krampfanfällen und schliesslich Exi­

tus letalis. 12 Fälle betrafen Alkoholvergiftungen, eine Cannabinoide, drei Opioide, neun Halluzinogene und Stimulantien (inkl. Ecstasy) und vier Cocain. Sechs wa­

ren die Folge von Gammahydroxybutyrat (GHB), Gam­

mabutyrolacton (GBL) auch in Kombination mit Alko­

hol oder anderen Drogen. Bei den Alkoholvergiftungen wurden in zwei Drittel der Fälle auch noch Medika­

mente oder andere Drogen konsumiert. Insgesamt wa­

ren über zwei Drittel (n = 25) der Patienten männlich.

Bei den drei schweren Opiatintoxikationen, zwei davon mit Heroin, stand das typische klinische Bild mit Koma und Atemdepression im Vordergrund, obschon in mindestens zwei Fällen weitere Drogen oder Alkohol mitkonsumiert worden waren.

Bei den neun Patienten, die Halluzinogene (LSD [2]) und Stimulantien (z.B. Amphetamin, Methampheta­

min), teilweise zusammen mit weiteren Drogen, Medi­

kamenten und/oder Alkohol, konsumiert hatten, tra­

ten Agitation/Psychosen, epileptische Anfälle, aber auch Koma auf, dazu Rhabdomyolyse, metabolische Azidose sowie Asystolie.

Von den vier Patienten nach Cocainintoxikation ent­

wickelten drei eine Rhabdomyolyse mit stark erhöhter Creatinkinase. In einem Fall kam es zu stenokardi­

schen Beschwerden mit Myokardinfarkt bzw. Trans­

aminasenerhöhung. Es handelte sich jeweils um Män­

ner jünger 36 Jahre. Cocain wurde dabei inhalativ zugeführt.

Von den sechs Patienten nach GHB­Konsum, alle männlich, verloren fünf das Bewusstsein, waren tief komatös und mussten z.T. schutzintubiert werden.

Häufig war ein Beikonsum mit anderen Drogen und Alkohol vorhanden. Alle wachten nach wenigen Stun­

den rasch wieder auf, wie dies nach GHB typischer­

weise beobachtet wird. Ein Patient entwickelte nach Einnahme von Poppers, die flüchtige Nitrite enthalten, eine schwere Methämoglobinämie mit Werten >60%.

Pflanzen

Expositionen mit Pflanzen führten 2017 zu vier schwe­

ren Vergiftungen – alle bei Erwachsenen. Ein Mann entwickelte nach Verwechslung von Herbstzeitlosen mit Bärlauch gastrointestinale Symptome mit wäss­

riger Diarrhoe, Hepatopathie und Knochenmarks­

depression. Erhöhte Colchizinspiegel bewiesen die Vergiftung mit Colchicum autumnale. Bei schwerer Neutropenie mit Pneumonie musste er intubiert wer­

den und benötigte Vasopressoren. Ein junge Patientin entwickelte einen AV­Block III° nach Einnahme von Digitalis purpurea (Roter Fingerhut). Nach repetitiver Kohlegabe traten keine weiteren Komplikationen auf, und es waren dadurch keine Digi­fab­Antikörper not­

wendig. Eine Patientin mittleren Alters entwickelte nach subkutaner Selbstinjektion von geriebenen Rizi­

nusbohnen vermischt mit Wasser eine lokale Gewebs­

schädigung mit nekrotisierender Faszitis. Ricin führt durch Inhibition der Proteinsynthese zu Apoptose mit Nekrose. Eine operative Sanierung war notwendig. Bei einem Patienten mittleren Alters kam es nach Verzehr von Khat (Catha edulis) zu einer schweren Psychose, Halluzinationen und Desorientierung.

Haushaltsprodukte

Bei den Haushaltsprodukten traten 15 schwere In­

toxikationen auf, darunter zwei bei Kleinkindern (<3 Jahren). Bei den beiden Kleinkindern kam es nach oraler Einnahme von Backofen­ und Grillreiniger zu Epiglottis ödem, schweren Verätzungen und Ulzeratio­

nen im Ösophagus mit Hospitalisationen länger als eine Woche. Zwei Patienten zeigten nach oraler Auf­

nahme von javelhaltigen Produkten, welche Natrium­

hypochlorit enthalten, Verätzungen der Schleimhäute des Gastro intestinaltrakts, entwickelten aber auch eine Aspira tionspneumonie. Bei einer erwachsenen Pa­

tientin mittleren Alters kam es nach Mischen von Ja­

velwasser mit Essigsäure zu Chlorgasbildung mit Reiz­

wirkung der Atemwege und starkem Sättigungsabfall.

Tabelle 1: Häufigkeit der Vergiftungen beim Menschen nach Noxengruppen (Tox Info Suisse 2017).

Noxengruppen/

Altersgruppen Erwachsene Kinder

Alter

undefiniert Total

Medikamente 5 861 5 461 18 11 340 34,7%

Haushaltsprodukte 2 735 5 847 24 8 606 26,3%

Pflanzen 611 2 149 3 2 763 8,4%

Körperpflegemittel und Kosmetika

355 2 008 2 2 365 7,2%

Technische und gewerbliche

Produkte 1 691 417 12 2 120 6,5%

Nahrungsmittel und Getränke 826 693 9 1 528 4,7%

Genussmittel, Drogen und

Alkohol 578 487 2 1 067 3,3%

Produkte in Landwirtschaft

und Gartenbau 368 355 0 723 2,2%

Pilze 346 243 4 593 1,8%

(Gift-)Tiere 290 120 2 412 1,3%

Tierarzneimittel 72 55 0 127 0,4%

Andere oder unbekannte Noxen 679 382 14 1 075 3,3%

Total 14 412 18 217 90 32 719 100%

WEITERE ORGANISATIONEN UND INSTITUTIONEN Tox Info Suisse 1612

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