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Archiv "Regionale Gesundheitspolitik: Mittelhessen – Modellregion der Vernetzung" (09.09.2005)

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as Gesundheitswesen in Deutsch- land ist auch international deswe- gen hoch im Kurs, weil eine nahe- zu flächendeckende Versorgung mit ambulanten und stationären medizini- schen sowie rehabilitativen und pflege- rischen Leistungen garantiert ist. Aller- dings gibt es in dünner besiedelten Re- gionen, vor allem in so genannten Flä- chenländern, teilweise noch Unterver- sorgung in einzelnen Fachgebieten und Versorgungsprobleme zumeist in der hausärztlich basierten Medizin sowie vor allem in der Notfallversorgung.

Um partielle und regionale Versor- gungsmängel abzustellen, hatten die Kassenärztlichen Vereinigungen vor nahezu 30 Jahren damit begonnen, fi- nanzielle Mittel für so genannte Sicher- stellungsfonds bereitzustellen. Zudem gab es im Rahmen regionaler Gesund- heitsförderungsprogramme Hilfen und Begünstigungen durch die Kommunen und Gebietskörperschaften, um vor al- lem die hausärztliche Versorgung in Flächenregionen sicherzustellen. Auch mit diesen Anreizen wurden Fortschrit- te erzielt und ein ärztliches Versor- gungsnetz so dicht geknüpft wie kaum in einem vergleichbaren Industrieland.

Dennoch ist nicht zu übersehen, dass in dünner besiedelten Gebieten und auf dem flachen Lande, wie etwa in Meck- lenburg-Vorpommern, in Rheinland- Pfalz und in Nieder- sowie Nordbayern, Lücken bestehen. Dies trifft auch zum Teil auf Mittelhessen zu. Anlass für en- gagierte ärztliche Mandatsträger, initia- tiv zu werden und mit vereinten Kräf- ten die Kooperation auch über die Sek- torengrenzen mit anderen Fachberufen voranzubringen. Schwerpunkt- und land- ärztliche Gemeinschaftspraxen nie-

dergelassener Ärzte wurden zu Modell- versorgungseinrichtungen entwickelt – mit Vorbildfunktion.Auch wurden über- regionale Hausärztenetze geknüpft – mit konsiliarärztlicher Kooperation mit Krankenhäusern, Tageskliniken und Spezialeinrichtungen, wie etwa geria- trischen Einrichtungen, Hospizen und semistationären Versorgungsträgern.

Auch in Nordhessen – im Raum Kas- sel bis hin zu den grenznahen Gebieten zum Freistaat Thüringen – entstanden Kooperations- und Qualitätssicherungs- gemeinschaften, in Zusammenarbeit mit Fachärzten für Allgemeinmedizin, die Lehrbeauftragte an Professuren für Allgemeinmedizin sind.

Viele Initiativen griffen nach zäher Kärrnerarbeit von Initiatoren – wenn auch mit anfänglichen Startschwierig- keiten und Reibungsverlusten – inein- ander. Freilich ist noch nicht alles per- fekt und ausgereift; häufig fehlten die notwendigen Mittel und die erforderli- che Unterstützung durch die Kostenträ- ger (vor allem die Krankenkassen).

In einem Gespräch mit dem Deut- schen Ärzteblatt umriss Martin Leim- beck (47), seit 1987 in Braunfels in ei- ner landärztlichen Gemeinschaftspraxis niedergelassen und mit zwei weiteren Hausärzten konsiliarärztlich tätig, die aktuellen Probleme und Initiativen:

Auch Mittelhessen und insbesondere die Region Lahn-Dill-Kreis droht in ei- ne Unterversorgung bei den Hausärz- ten zu geraten. In ländlichen Gebieten arbeiteten viele Hausärzte rund um die Uhr und ohne eine angemessene Vergü- tung.Viele junge Ärzte seien nicht mehr bereit, sich unter diesen Bedingungen auf dem Land niederzulassen oder sich auch mit einer Zulage „aufs Land ver-

schicken“ zu lassen. Alt eingesessene Praxisinhaber finden unter den derzei- tig sich verschlechternden finanziellen und rechtlichen Rahmenbedingungen häufig keinen Nachfolger mehr. Fast unlösbar sind die Probleme, wenn Land- arztpraxen in existenzielle Schwierig- keiten geraten und auch die benachbar- ten Krankenhäuser infolge der Auswir- kungen der jüngsten Gesundheitsreform kurz vor der Pleite stehen. Die Folge:

Viele Arztpraxen müssen Zusatzaufga- ben von den Krankenhäusern und Kli- niken übernehmen – auch wegen der Arbeitsverdichtung in den Akutkran- kenhäusern und einer finanzierungsbe- dingten Verlagerung von akutstationären Behandlungsmaßnahmen in die Praxen niedergelassener Ärzte.

Hospiz- und Palliativmedizin

Besondere Initiativen wurden – auch mit Unterstützung der Landesärzte- kammer – im Raum Wetzlar auf dem Gebiet der Hospiz- und Palliativmedi- zin unternommen: So verfügt beispiels- weise Wetzlar über das erste mittelhes- sische Hospiz mit acht Betten und Übernachtungsmöglichkeiten für An- gehörige. Getragen wird das Hospiz vom Hospizverein Lahn-Dill, einem Zusammenschluss von Diakonie, Cari- tas, Arbeiterwohlfahrt und Hospizver- ein Herborn. Kooperationspartner sind außerdem der Hospizverein Gießen, ein gemeinnütziger Förderverein, und die Universität Gießen. Förderer ist die Stiftung „Alte Menschen in Not“ des Lions Clubs. Das Haus benötigt eine Belegungsquote von 80 Prozent; ein großer Teil der Kosten wird durch den Kassenanteil gedeckt. Die aufzubrin- genden Eigenmittel der Gäste können über Stiftungen und Zuwendungen ge- fördert werden.

Die einbezogenen Hausärzte und ei- ne interdisziplinäre Gruppe von Ärzten betreuen die Gäste; mit den Lahn-Dill- Kliniken wurde ein Kooperationsvertrag über den Einsatz und die Schulung zu- sätzlicher Pflegekräfte abgeschlossen.

Die ehrenamtliche ambulante Hos- pizarbeit einschließlich der Trauerbeglei- tung ist weltanschaulich und spirituell unabhängig und erfolgt nach vorange- gangener Schulung. Zwei Hospizverei- T H E M E N D E R Z E I T

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A2376 Deutsches ÄrzteblattJg. 102Heft 369. September 2005

Regionale Gesundheitspolitik

Mittelhessen – Modellregion der Vernetzung

Mittelhessen – im Lahn-Dill-Kreis – ist als typische ländliche

Region im Begriff, zu einer vorbildlichen Versorgungsregion

zu werden. Modellinitiativen setzen sich durch.

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ne werden vom Stephanus-Werk der Diakonie unterstützt. Dort ist aller- dings nur eine hauptamtliche Kraft für Schulung und Koordination zuständig.

Ebenfalls ist für die ehrenamtlichen Mitarbeiter allenfalls eine Fahrtkosten- erstattung möglich.Allerdings konnte das Problem einer Haftpflicht- und Unfall- versicherung landesweit gelöst werden.

Martin Leimbeck, seit 2004 Vizeprä- sident der Landesärztekammer Hessen, Frankfurt/Main, beklagt, dass das Inter- esse an Palliativmedizin und Hospizbe- wegung noch viel zu gering in das Be- wusstsein aller Bürger gedrungen sei.

„So hat der Lahn-Dill-Kreis Schwierig- keiten, Informations-Flyer, Bürger- und Ärzteinformationen zu finanzieren und zu organisieren, zumal es sich bei fast allem Engagement um ehrenamtliche Nebentätigkeiten handelt.“

Die Landesärztekammer Hessen ist dabei, durch das jetzt installierte Wei- terbildungscurriculum „Palliativmedi- zin“ und durch ein spezielles Fortbil- dungsangebot für Arzthelferinnen mit modular aufgebauten Kursen und Hos- pitationen dieses Mangelproblem anzu- gehen und sachgerechte Lösungen ein- zuleiten. Das seit einem Jahr bestehen- de stationäre Hospizangebot scheint auch nach Beurteilung von Fachleuten vor Ort, gemessen an der Belegungs- quote, noch ausreichend zu sein. Offen- bar wirkt sich hier, ebenso wie in den Senioren- und Pflegeheimen, die öko- nomisch unschlagbare Konkurrenz der meist aus Polen und den baltischen Staaten stammenden Frauen aus, die Pflegebedürftige und Sterbende zu Hause begleiten.

Auffällig ist, dass in Mittelhessen der Hospizgedanke ganz auf der „Nicht- Professionalität“ basiert. Ehrenamtli- che Mitarbeiter gehen nicht als profes- sionell im Gesundheitswesen Tätige zu den Sterbenden und deren Angehöri- gen, sondern als „Menschen“. Die Schulung der Interessierten wird als ei- ne „Bereicherung“, als ein „ungeheurer Gewinn“ und als „wohltuend“ empfun- den. Eine Supervision findet unter Ein- schaltung von Experten statt. Ziel ist es, die Tabuisierung von Sterben und Trau- er aufzubrechen. Besondere Aufmerk- samkeit und Spezialinitiativen in Mit- telhessen gelten auch der Notfallversor- gung und dem ärztlichen Notfalldienst

ebenso wie der Qualitätssicherung auf diesem Gebiet. Vielfach entwickeln die Initiatoren hoch gesteckte idealistische Ziele mit fast perfektionistischem Durch- setzungsdrang. Allerdings klafft noch häufig eine Lücke zwischen Anspruch und Wirklichkeit.

Martin Leimbeck erläuterte der Re- daktion: Bundesweit einzigartig ist der Verein A.N.R. Lahn-Dill e.V., in dem sich in der zweiten Hälfte der Neunzi- gerjahre niedergelassene Ärzte, aber auch Krankenhausärzte zusammenge- funden haben. Um die Probleme der Patienten von Anfang an auf adäquater Versorgungsebene zu lösen, wurde eine integrierte Zentrale Rettungsleitstelle des Lahn-Dill-Kreises gegründet, in der Rettungsdienste und Notarztdienste (Telefon-Nummern 1 12 und 1 92 22)

mit dem vertragsärztlichen Notfall- dienst kooperieren (nur eine kreisweite Notrufnummer 1 92 92).

Da Ärztinnen und Ärzte gleichbe- rechtigt neben den Disponenten für Feuerwehr, Rettungsdienst, Techni- schem Hilfswerk, Notdiensten und Hausnotruf an demselben Einsatzleit- rechner in einem Raum sitzen, kann die Kooperation schnellstmöglich erfolgen.

In der Regel führt ein erfahrener und geschulter Arzt bei jedem Hilfe-Ersu- chen die Erstabfrage durch; ein Evalua- tionsverfahren sichert die Qualität.

Außerdem bieten die Landesärztekam- mer und die regionale Ärzteschaft Fort- bildungsmaßnahmen an, die berufsbe- gleitend möglich sind.

Problematisch bezeichnet die Ärzte- kammer die Finanzierung des Projekts,

deren Fortführung auf der Basis von Verträgen zwischen der KV Hessen, den Krankenkassen und Krankenkas- senverbänden, dem Landkreis und dem A.N.R. ein ständiges Vabanque-Spiel mit unsicherem Ausgang ist, in dem die Ärzte als ehrenamtlich Tätige die deut- lich schlechteren Karten haben. Leim- beck betonte: „Hier muss eine Profes- sionalisierung der eingeschalteten Ärz- te einsetzen, die durch die geänderten Rahmenbedingungen der ärztlichen Berufsausübung jetzt auch möglich ist.“

Sektorenübergreifende Kooperation

In Mittelhessen wurden auch Modell- projekte einer gezielten sektorenüber- greifenden interdisziplinären Koopera- tion realisiert. Im Raum Wetzlar und im Lahn-Dill-Kreis wurde eine „Len- kungsgruppe“ gebildet, in der ambulan- te Pflege, Pflegeheim, Krankenhaus- pflege, Klinikärzte, Klinik-Controller, Apotheken, niedergelassene Ärzte und Ärzte im öffentlichen Gesundheits- dienst vertreten sind, um gemeinsame Schnittstellen, wie zum Beispiel Entlas- sungen/Aufnahmen, Infektionen mit re- sistenten Erregern, das Beschwerdema- nagement, Kommunikationsbrüche so- wie Vernetzungsmängel gezielt zu ver- bessern.

Auch mit den jetzt zur Kooperation und ab 2006 zur Privatisierung ver- pflichteten mittelhessischen Universi- tätskliniken verfolgt die Ärzteschaft unterschiedliche Strategien: in Marburg unter anderem ein Projekt zur Entwick- lung von „Clinical Pathways“, in Gie- ßen unter anderem ein Projekt zur Ver- netzung mit den benachbarten Kran- kenhäusern und Arztpraxen.

Daneben gibt es zahlreiche Initiati- ven, die Telemedizin zu verbessern. Al- lerdings müssten die Projekte sorgfältig vorbereitet, evaluiert und lokal sowie regional variiert werden, ehe sie in den Routine-Einsatz starten. Keinesfalls will die mittelhessische Ärzteschaft sich von der Politik oder den Krankenkassen un- ter Druck setzen lassen, denn man wolle sich nicht vorschnell in ein Massenexpe- riment bei der bundesweiten Einfüh- rung einer elektronischen Gesundheits- karte begeben. Dr. rer. pol. Harald Clade T H E M E N D E R Z E I T

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A2378 Deutsches ÄrzteblattJg. 102Heft 369. September 2005

Martin Leimbeck: „Ich bin froh, dass sich die hessische Kammer mit einem Weiterbildungs- Curriculum Palliativmedizin und einem Fort- bildungsangebot für Arzthelferinnen diesem Stiefkind des Gesundheitssystems widmet.“

Foto:Bernhard Eifrig

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