Deutsches Ärzteblatt
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Jg. 109|
Heft 38|
21. September 2012 A 1855 AUFSCHUB IM HONORARSTREITKBV verhandelt, Basis bleibt protestbereit
Am 4. Oktober werden die Honorarverhandlungen fortgesetzt. Dieser neue Termin hat härtere Proteste zunächst verhindert. Doch die Ärzte könnten demonstrieren, dass sich das schnell wieder ändern kann, wenn sich beim Honorar nichts bewegt.
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ie Honorarverhandlungen bleiben spannend. Ein für den 15. September angesetzter Ver- handlungstermin im Bewertungs- ausschuss wurde nach Gesprächen zwischen den Vorständen der Kas- senärztlichen Bundesvereinigung (KBV) und des GKV-Spitzenver- bands Bund auf den 4. Oktober ver- schoben. Diese hätten gezeigt,„dass beide Seiten an einer Lösung interessiert sind“, hieß es.
Damit fehlt die Basis für um- fangreichere Ärzteproteste, wie sie die KBV, die Kassenärztlichen Ver- einigungen (KVen) und eine Allianz von mehr als 30 ärztlichen Berufs- verbänden angekündigt hatten (DÄ, Heft 37/2012). Dr. med. Dirk Hein- rich, Sprecher der Allianz, erklärte jedoch: „Die Vorbereitung der Pro- testaktionen wird im Hintergrund fortgesetzt. Die niedergelassenen Ärzte halten sich weiterhin bereit, notfalls ihre Praxen zu schließen.“
Zudem werden wohl nicht alle geplanten Aktionen auf Eis gelegt.
Möglicherweise bleibt es beim Mitt- woch als Aktionstag, an dem die Arzthelferinnen abgezogen werden und der Arzt allein den Praxisbetrieb aufrechterhält. Auch Einschränkun- gen bei der Beantwortung von Kas- senanfragen könnte es weiter geben.
Über Einzelheiten wollten sich die KV-Vorstände am 18. September, nach Redaktionsschluss, in Berlin
verständigen. Die Basis scheint durchaus protestbereit zu sein.
Das ergab zumindest eine Urab- stimmung über mögliche Aktionen, die vor dem 15. September stattge- funden hatte. Danach sprachen sich 75 Prozent der Ärztinnen und Ärzte, die sich beteiligt hatten, dafür aus, notfalls auch ihre Praxen zu schlie- ßen. Der Ergebnis bedeute „bis hier- her und nicht weiter“, urteilte der KBV-Vorstandsvorsitzende, Dr. med.
Andreas Köhler. Zur Stimmabgabe aufgerufen hatte die Allianz der Ver- bände. Nach deren Angaben betei- ligte sich knapp die Hälfte ihrer Mitglieder, etwa 50 000. Die Rück- laufquoten waren bei den Fachver- bänden präziser zu bestimmen als bei den bundesweit agierenden Be- rufsverbänden wie NAV-Virchow- Bund oder Medi Deutschland.
Mehr Honorar scheint sicher Allianz-Sprecher Heinrich lobte dennoch: „An der enormen Beteili- gung innerhalb so kurzer Zeit zeigt sich das hohe Protestpotenzial der Ärzteschaft.“ Man sei nun kampf- bereit, ergänzte er. Für Aktionen bis hin zu Praxisschließungen habe man nun nicht nur den Rückhalt, sondern auch das Mandat.
Auslöser der bisherigen Aktio- nen und der Protestbereitschaft war der Beschluss des Erweiterten Be- wertungsausschusses, den Orientie-
rungswert als Preiskomponente des ärztlichen Honorars für das Jahr 2013 nur um 0,9 Prozent zu erhö- hen (+270 Millionen Euro). Die KBV hatte 3,5 Milliarden Euro gefordert. Diese Summe hatte sie allerdings nicht nur für Preisanpas- sungen (Inflationsgleich und not- wendige Praxisinvestitionen) ver- langt, sondern auch für Anpassun- gen bei der Leistungsmenge. Nach den gesetzlichen Vorgaben müssen die Krankenkassen das Gesamtho- norar für Ärzte und Psychologische Psychotherapeuten erhöhen, sofern sich Veränderungen beim Alter und Geschlecht oder bei der Morbidität der Versicherten ergeben. Um diese Komponenten geht es nun in den neuen Verhandlungen.
Dass es 2013 mehr Honorar als 270 Millionen Euro geben wird, scheint sicher. Zuletzt war von ei- nem Gesamtpaket in Höhe von ei- ner knappen Milliarde Euro die Rede. Doch ein solches Paket ist nicht einfach zu verhandeln, nicht nur wegen der gegensätzlichen In- teressen von Kassen und KBV. In- nerhalb des KV-Systems herrscht zwar Einigkeit darüber, dass es mehr Honorar geben muss, als bislang festgelegt, aber darüber, welche Re- gionen und welche Arztgruppen ge- rechterweise profitieren sollten, gehen die Auffassungen auseinander.
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Sabine Rieser
Keine Drohungen ins Blaue hinein:
Allianz-Sprecher Dirk Heinrich (rechts) und KBV-Vorstand Andreas Köhler machten klar, dass zahlreiche Ärzte auch vor Praxis- schließungen nicht zurückschrecken würden.
Foto:nav-virchow-bund/lopata