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Archiv "Ärztliche Versorgungswerke: Tribut an die demografische Entwicklung" (22.03.2013)

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A 550 Deutsches Ärzteblatt

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Jg. 110

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Heft 12

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22. März 2013

ÄRZTLICHE VERSORGUNGSWERKE

Tribut an die demografische Entwicklung

In den letzten Jahren sind von den Selbstverwaltungsgremien der Versorgungswerke Satzungsänderungen beschlossen worden, die für die Betroffenen zumeist spürbare, oftmals zeitlich begrenzte Leistungseinschnitte bedeuten.

D

ie Versorgungswerke der

„klassischen“ verkammerten freien Berufe, auch die berufsstän- dischen Versorgungseinrichtungen der Ärzte und Zahnärzte, unterlie- gen aufgrund einer versicherungs- mathematisch fundierten Versiche- rungssystematik ständig Zugzwän- gen bei der Anpassung und Nach- justierung der satzungsgebundenen Beitrags- und Leistungsregelungen.

In jüngster Zeit wurden zum Teil merkliche Senkungen der Renten- prognosen bekanntgegeben.

Als kapitalgedecktes Finanzie- rungssystem mit zumeist „offenem Deckungsplanverfahren“ sind die Versorgungswerke gehalten, vor al- lem wegen der steigenden Lebens- erwartung und in deren Gefolge re- gelmäßig aktualisierten „Sterbeta- feln“ und in Anbetracht der Kapital- marktentwicklung von Zeit zu Zeit Korrekturen beim Leistungsregle- ment vorzunehmen. Dies ist vor al- lem dem Grundsatz einer nachhalti- gen und ausgeglichenen Finanzie- rung und dem Grundsatz der Gleichbehandlung aller Mitglieder und Anwartschaftsberechtigten der Versorgungswerke geschuldet.

In den letzten zehn Jahren sind von den Selbstverwaltungsgremien der Versorgungswerke Satzungsän- derungen beschlossen worden –

und von den Aufsichtsbehörden ge- nehmigt worden –, die für die Be- troffenen zumeist spürbare, oftmals zeitlich begrenzte Leistungsein- schnitte bedeuten. Diese erfolgen in der Regel durch eine (zeitweilige) Aussetzung der Dynamisierung der Rentenansprüche und das Ausblei- ben einer sonst jährlich erfolgenden Erhöhung der Bestandsrenten, einer Abschaffung des Kinderzuschlags zu den Renten und anderen Leistun- gen. Hinzu kommen die oftmals sat- zungsgemäß begrenzte Bewilligung von Leistungen zur medizinischen Rehabilitation und härtere Prüfkri- terien und Auflagen bei einer teil- weisen oder völligen Anerkennung einer beantragten Berufsunfähig- keitsrente und/oder einer Begren- zung bei der Inanspruchnahme der flexiblen Altersgrenze – allesamt Reglements, die nichts mit der Demografiekomponente und den Sterbetafeln zu tun haben.

Die von den Selbstverwaltungs- gremien getroffenen Maßnahmen, vor allem die Anpassung an die ak- tuelle Finanzlage, können von Ver- sorgungswerk zu Versorgungswerk abweichen. Auch Versorgungswer- ke innerhalb ein und desselben Bundeslandes, etwa die beiden Ver- sorgungswerke der Ärzteschaft in Nordrhein-Westfalen – Nordrheini-

sche Ärzteversorgung und Westfä- lisch-Lippische Ärzteversorgung – können unterschiedliche Satzungs- regelungen beschließen und anwen- den. Dabei müssen allerdings stets das vom Versorgungswerk ange- wandte Finanzierungssystem und dessen Versicherungstechnik be- achtet werden.

Die Versorgungswerke informie- ren ihre Mitglieder und Rentenbe- zieher regelmäßig per Rundschrei- ben über die Lage und die Sat- zungsänderungen.

„Höchstmögliche Vorsicht und Weitsicht“

Inzwischen liegen richtungweisen- de Verwaltungsgerichtsurteile über Rechtsstreite zu Satzungsänderun- gen der Versorgungswerke vor. Ein aktuelles Urteil betrifft einen Rechtsstreit beim Versorgungswerk der Zahnärztekammer Berlin. Der 12. Senat des Oberverwaltungsge- richts (OVG) Berlin-Brandenburg hatte mit Urteil vom 7. August 2012 (Az.: OVG 12 B 15.11) entschie- den, die Satzungsänderung zur Ab- senkung der durch Pflichtbeiträge erworbenen monatlichen Anwart- schaften auf Altersrente (um 16 Prozent) sei nicht zu beanstanden.

Die Satzungsänderungen werden gegenüber den Betroffenen oft da-

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22. März 2013 mit gerechtfertigt, dass bei allen das

Beitrags- und Leistungsrecht be- treffenden Regelungen der „Grund- satz der höchstmöglichen Vorsicht und Weitsicht bei der Planung und Durchführung der Entscheidungen beachtet werden“ müsse. Dies sei nicht immer populär und in Einzel- fällen mit gravierenden Einschnit- ten in die Zukunfts- und Versor- gungsplanung der Betroffenen ver- bunden. Die Nordrheinische Ärzte- versorgung hat die zwischen 2007 bis 2011 unterbliebenen Erhöhun- gen der laufenden Bestandsrenten gegenüber ihren Mitgliedern wie folgt begründet:

Einschnitte in die Zukunfts- und Versorgungsplanung

Die Ärzteversorgung müsse ihre Leistungsverpflichtungen dauerhaft ausschließlich aus Beiträgen ihrer Mitglieder erfüllen können. Im Ge- gensatz zur gesetzlichen Rentenver- sicherung (GRV) erhalte das Ver- sorgungswerk keine staatlichen Zu- schüsse. Als kapitalgedecktes Fi- nanzierungssystem arbeite das Nordrheinische Versorgungswerk nach dem „offenen Deckungsplan- verfahren“. Dieses erfordere, dass die tatsächlichen Belastungen stets sofort berücksichtigt und nicht in die Zukunft zulasten der nächsten Generation verschoben werden, wie dies in der umlagefinanzierten und aus Steuermitteln bezuschussten GRV oft der Fall war.

Nach Angaben des Versorgungs- werks der Ärztekammer Nordrhein ist der wichtigste Aspekt bei der Beurteilung der Beitrags- und Leis- tungsordnung eine sorgfältige Überprüfung der Finanzierungsla- ge. Um den Haushalt und die Fi- nanzierung nachhaltig zu konsoli- dieren und um eventuelle De- ckungslücken zu schließen, müsse das Leistungs- und Finanzierungs- verfahren so ausgerichtet werden, dass den „Rentnern und Rentenan- wärtern gleichermaßen eine auf Dauer sichere und kalkulierbare Rentenplanung“ ermöglicht wird.

Inzwischen ist es der Nordrheini- schen Ärzteversorgung laut Mit- gliederrundschreiben von Ende 2012 gelungen, „einen langjährigen Konsolidierungsprozess abzuschlie-

ßen und vor allem die der jüngeren Generation durch zwei Satzungsän- derungen – 2004 und 2008 – aufer- legten linearen Kürzung von Ren- ten und Anwartschaften zu kom- pensieren“. Die Ärzteversorgung in Düsseldorf hat infolgedessen alle Renten und Anwartschaften zum 1. Januar 2013 um 0,7 Prozent er- höht. Bei den zurückliegenden Ent- scheidungen seien die eher konser- vativen versicherungsmathemati- schen „Sterbetafeln“ mit einer in Zukunft zu erwartenden erhöhten Sterbewahrscheinlichkeit zugrunde gelegt worden (Berufsständische Richttafeln/ABV). Die den jünge- ren Beitragszahlern auferlegten Anwartschaftskürzungen seien in- zwischen unter Beibehaltung des bisherigen Leistungsniveaus bei den Bestandsrentnern aufgeholt und ausfinanziert worden. Nach Er- reichen dieses Ziels sei es künftig möglich, alle Anwartschaften und laufenden Leistungen des Werks wieder zu erhöhen (zu dynamisie- ren), so die Geschäftsführung der Ärzteversorgung.

Eine fast analoge Lage wie in Nordrhein führte bei der Berliner Zahnärzteversorgung zu der rechtli- chen Klarstellung durch das zustän- dige OVG. Im Falle eines Rechts- streites eines Berliner Zahnarztes mit dem Zahnärzteversorgungs- werk in Berlin wegen der Absen- kung der Rentenanwartschaften um 16 Prozent entschied das Oberver- waltungsgericht Berlin-Branden- burg, dies sei kein Verstoß gegen die Eigentumsgarantie und den Gleichbehandlungsgrundsatz und damit nicht verfassungswidrig.

Absenkung der Rentenanwartschaften

Das Gericht hielt die beschlossene Satzungsänderung zur Anwart- schaftskürzung für rechtlich zuläs- sig, weil unter Berücksichtigung ei- ner angemessenen Übergangsrege- lung für rentennahe Jahrgänge eine praktikable Option gewählt worden sei, um nicht nur die akute De- ckungslücke zu schließen, sondern auch um angesichts der erheblichen Schwankungen am Kapitalmarkt künftig eine notwendige Deckungs- reserve aufzubauen. Auch habe das

Versorgungswerk mit der Einfüh- rung eines reduzierten Bemes- sungsfaktors für die Anwartschafts- berechnung nicht den zulässigen Gestaltungsspielraum überschrit- ten. Es sei verfassungsrechtlich nicht zu beanstanden, so das OVG, wenn die Versorgungseinrichtungen unter Verwendung aktueller Sterbe- tafeln und angemessener Leistungs- einschränkungen Deckungsrück- stellungen bilden und damit De- ckungslücken aufgrund der weiter verbesserten Lebenserwartung und ausbleibender Kapitalerträge (Zins- verfall, allgemeine Kapitalmarkt- krise, spezifische Anlagepolitik des Versorgungswerks) korrigieren.

Kein Eingriff in die Eigentumsgarantie

Mit der Einführung eines gekürzten Bemessungsfaktors würden in der Vergangenheit gewährte Leistungs- verbesserungen kompensiert und zurückgeführt, die ohne ausreichen- de Berücksichtigung der gestiege- nen Lebenserwartung zulasten von Rückstellungen beschlossen wor- den seien. Davon hätten wegen der Höhe der bereits erworbenen An- wartschaften besonders diejenigen Mitglieder des Versorgungswerks profitiert, die bereits längere Bei- tragszeiten zurückgelegt haben.

Im Falle der Zahnärzteversor- gung Berlin attestierte das OVG, dass die Eingriffe in rentenrecht - liche Anwartschaften sowohl dem Gemeinwohlzweck dienten als auch dem Grundsatz der Verhältnis- mäßigkeit entsprächen. Deshalb sei die Einführung eines reduzierten Bemessungsfaktors in Höhe 0,84 (statt 1,00) bei der Ermittlung der erworbenen Rentenanwartschaften gerechtfertigt. Nur so hätten die Funktions- und Leistungsfähigkeit des Versorgungswerks gesichert werden können. Der Gleichheits- grundsatz und der Eigentumsschutz seien bei der Satzungsänderung be- rücksichtigt worden. Eine sachwid- rige Ungleichbehandlung des mit Abschlägen belasteten Beziehers einer vorgezogenen Altersrente ge- genüber anderen Mitgliedern des Versorgungswerkes habe nicht vor-

gelegen.

Dr. rer. pol. Harald Clade

T H E M E N D E R Z E I T

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