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Archiv "Ärztliche Versorgungswerke II: Es geht um den Erhalt des Systems" (14.09.2012)

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Deutsches Ärzteblatt

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Jg. 109

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Heft 37

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14. September 2012 A 1813

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as Fundament der berufs- ständischen Versorgungswer- ke sind die Landesärztekammern.

In der Geschichte der sozialen Si- cherung Deutschlands sind die Versorgungswerke ein einzigartiges Phänomen. Der Staat – in der Er - scheinungsform der Länder – leiht dem Berufsstand sein öffentliches Recht zur Errichtung und dem Be- trieb der Versorgungswerke, aber anders als bei der in Bundeszustän- digkeit stehenden Sozialversiche- rung tritt er nicht selbst als Organi- sator auf. Stattdessen überlässt er dem Berufsstand die Initiative. Dies hat weitreichende Folgen, etwa die, dass die Länder, anders als der Bund, nicht in die finanzielle Ver- antwortung eintreten müssen.

Die Versorgungswerke sind meist teilrechtsfähige Einrichtungen der in Kammern verfassten Berufsstän- de, dies ist ihr Ursprung, ihre Na- tur – und ihr Schutz vor Begehrlich- keiten vonseiten der Bundesebene.

Dies bedeutet in der Praxis, dass Fragen der Mitgliedschaft „lokal“

zu regeln sind. Nichts entspricht der Natur des Systems der berufsständi- schen Versorgung daher mehr als das Lokalitätsprinzip.

Demokratische Teilhabe Das vormalige System der Überlei- tung beziehungsweise Befreiung zugunsten einer freiwilligen Mit- gliedschaft im alten Versorgungs- werk war insofern eine partielle Ab- kehr von der Norm. Jedoch hatte sie dazu geführt, dass es in manchen Versorgungswerken bis zu 30 Pro- zent freiwillige Mitglieder gab.

Diese waren jedoch re gelmäßig von der demokratischen Teilhabe an der Entscheidungsfindung des Versor- gungswerks ausgeschlossen. Dies führte zu demokratischen Legitima- tionsproblemen für die betroffenen

Versorgungswerke. Höchstes Organ der meisten ärzt lichen Versorgungs- werke ist die Kammerversammlung.

Da in ihr aber nur Kammermitglie- der vertreten sein können, waren die steigenden Anteile freiwilliger Mit- glieder von der demokratischen Mit - bestimmung des Versorgungswerks ausgeschlossen. Dies war ein rechts- staatlich nicht mehr hinzunehmen- der Zustand.

Die berufsständischen Versor- gungswerke haben insofern das Re- gel-Ausnahme-Verhältnis vom Kopf wieder auf die Füße gestellt. Aller- dings sind sie dabei bemüht, im Interesse ihrer Mitglieder die Ab- grenzung der Pflichtmitgliedschaft nicht zu scharfkantig zu gestalten.

Daher werden die Volumina der überleitungsfähigen Kurzmitglied- schaften von 60 auf 96 Monate er- höht. Klar sein muss aber: Wahl- freiheiten sind mit einem Pflicht- versicherungssystem unvereinbar!

Im Jahre 2004 hat das Bundesver- fassungsgericht daher sinngemäß entschieden, dass es keinen Ver - fassungsgrundsatz gebe, eine für jemanden günstigere Versorgungs- möglichkeit lebenslang beizube- halten.

Berufsständische Versorgungs- werke ersetzen für die Angehöri- gen der verkammerten freien Be - rufe wie Ärztinnen und Ärzte die gesetzliche Rentenversicherung. Die gesetzliche Rentenversicherung ist nach einem Wort des bekannten Sozialrechtlers Prof. Dr. Franz Ru- land staatlich verordnete Eigen- vorsorge. Der Staat verpflichtet

den Einzelnen, seine ohnehin not- wendige Eigenvorsorge im Rah- men einer von ihm geschaffenen Solidargemeinschaft zu betreiben.

Nur weil die berufsständischen Versorgungswerke dieses Prinzip auf Länderebene für ihre Mitglie- der nachbilden, kann der Staat an- gestellte Ärzte aus der Rentenver- sicherungspflicht entlassen.

Solidargemeinschaft erhalten Solidargemeinschaften müssen Rech- te und Pflichten regeln. Daher muss klar sein, wer berechtigt/ver- pflichtet wird – und wer nicht. Jede Solidargemeinschaft muss daher vor allem eines sein: eindeutig ab- grenzbar. In der Rechtsprechung

wird die aktuelle Regelung daher durchweg bestätigt mit der Be - gründung, dass berufsständische Ver- sorgungswerke bei der Gestaltung ihrer Pflichtversicherung das Recht haben müssen, auf die Entstehung und den Erhalt einer leistungsfähi- gen Solidargemeinschaft zu achten.

Oft wird angeführt, das Lokalitäts- prinzip sei Ausfluss der Erfassung der berufsständischen Versorgungs- werke durch die Koordinierung der Sozialversicherungsansprüche in Eu - ropa nach der Verordnung 883/04 seit dem Jahr 2005. Dies ist le - diglich mittelbar der Fall. Zu- nächst einmal hätte der Verzicht auf das Lokalitätsprinzip bei inner- deutscher Migration dazu geführt, dass künftig grenzüberschreitend migrierende Ärzte in Ver sorgungs - werken anders behandelt worden wären als innerhalb der Grenzen ÄRZTLICHE VERSORGUNGSWERKE II

Es geht um den Erhalt des Systems

Das Lokalitätsprinzip könne nicht zur Disposition stehen, weil nur so die Anforderungen an eine Befreiung von der gesetzlichen Rentenversicherungspflicht erfüllt seien, betont die Arbeitsgemeinschaft berufsständischer Versorgungseinrichtungen.

Nichts entspricht der Natur des Systems der berufsständischen Versorgung daher mehr als das Lokalitätsprinzip.

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14. September 2012 Deutschlands migrierende. Zudem

hätten die berufsständischen Ver- sorgungswerke bei Ärzten für sachlich identische Vorgänge zwei unterschiedliche Verwaltungsver- fahren anwenden müssen, was die Verwaltungskosten in die Höhe getrieben hätte.

Vor allem aber gab es massive Bedenken im Hinblick auf das eu- ropäische Wettbewerbsrecht. Grund- sätzlich sind berufsständische Ver- sorgungswerke nämlich Unterneh- men im Sinne des europäischen Wettbewerbsrechts. Allerdings kön- nen Pflichtversicherungen wie So- zialversicherungsträger oder auch Versorgungswerke von den euro- päischen Wettbewerbsregeln aus- genommen werden – dann näm- lich, wenn die Monopolstellung übergeordneten Zwecken wie der Schaffung einer Solidargemein- schaft dient. Wären nun die Ver- sorgungswerke der Ärzte in zuneh- mendem Maß durch freiwillige Mitgliedschaften geprägt, die zur Konstituierung einer Solidarge- meinschaft notwendige Pflichtmit- gliedschaft also ausgehöhlt wor- den, hätte dies im Hinblick auf die Ausnahme der Versorgungswerke vom Wettbewerbsrecht Probleme aufgeworfen. Wenn nämlich ein Drittel oder mehr der Mitglieder dem System lediglich freiwillig angehören, ist die Frage nicht un- berechtigt, ob das Institut der Pflichtmitgliedschaft für die übri- gen zwei Drittel nicht die Rechte von Wettbewerbsunternehmen wie etwa privaten Versicherungen be- schneidet. Dies hätte die System- frage gestellt und die Versorgungs- werke insgesamt gefährdet.

Notwendiges Strukturprinzip Das Lokalitätsprinzip ist damit das systemadäquate Strukturprinzip der berufsständischen Versorgung: Es folgt aus der Verankerung in regio- nalen Ärztekammern, sichert die Versorgungswerke europarechtlich ab und erfüllt die Anforderungen an eine Befreiung von der gesetzlichen Rentenversicherung. Es kann daher nicht zur Disposition stehen.

Stefan Strunk, Geschäftsführer der Arbeitsgemeinschaft berufs- ständischer Versorgungseinrichtungen e.V.

LANGZEITERGEBNISSE

Stete Verbesserung der Behandlungsqualität

Aufwand und Vorteile einer Datenbank mit

systematischer Erfassung der Langzeitergebnisse:

20-jährige Erfahrung einer operativ tätigen Klinik Lars Budäus, Hartwig Huland, Markus Graefen

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ie Erfassung und Messung von Behandlungsergebnissen im Gesundheitswesen gewinnt immer mehr an Bedeutung (1). In einer aktuellen Analyse zum deut- schen Gesundheitswesen diagnosti- ziert Michael E. Porter, Wirtschafts- wissenschaftler an der Harvard-Uni- versität, Cambridge, USA, dass trotz hoher Kosten eine „allenfalls mittel- mäßige Behandlungsqualität“ be- steht. Er führt dies im Wesentlichen auf die fehlende systematische Er- fassung von Behandlungsergebnis- sen zurück. Seine Analysen ergeben, dass „überall dort, wo . . . Behand- lungsergebnisse gemessen werden, sich die Qualität dramatisch verbes- sert und die konsequente Ergebnis- messung in Deutschland leider im- mer noch die Ausnahme darstellt“.

Schließlich ergänzt Porter: „Ich hielt es jedenfalls für unethisch, Qualität nicht zu messen.“ (2)

In der urologischen Abteilung des Universitätsklinikums Ham- burg-Eppendorf (UKE) und der Martiniklinik, einer auf die Be- handlung von Prostatakrebspatien- ten spezialisierten Klinik, werden seit 20 Jahren alle prä-, intra- und postoperativen Verlaufsdaten von operativ therapierten Prostatakarzi- nompatienten in einer Datenbank erfasst. In jährlichen Abständen werden hierzu validierte Fragebo- gen an die Patienten verschickt und umfangreich ausgewertet.*

Martiniklinik, Prostata- karzinomzentrum am

Universitätsklinikum Hamburg-Eppendorf:

Dr. med. Budäus, Prof. Dr. med. Graefen, Prof. Dr. med. Huland

*Seit Beginn der Datenerfassung geschieht dies durch Kirsten Hase und Katja Gedai mit einer Datenbank, die entscheidend von Dirk Pehrke konzipiert wurde und gepflegt wird.

Foto: picture alliance

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Referenzen

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