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twa 90 Prozent der kolorektalen Karzinome (KRK) entwickeln sich aus benignen adenomatösen Poly- pen. Man spricht auch von der Ade- nom-Karzinom-Sequenz. Patienten, bei denen kolorektale Adenome abgetra- gen worden sind, haben ein deutlich er- höhtes Rezidivrisiko und sollten daher in eine Nachsorge eingebunden wer- den. Ein besonderes Vorgehen ist erfor- derlich, wenn in dem abgetragenen Adenom ein Karzinom nachgewiesen wird.Bedeutung der Endoskopie
Die Koloskopie ist das sensitivste Ver- fahren zur Detektion eines kolorekta- len Karzinoms und stellt deshalb das Standardverfahren dar. Bei einer hohen Koloskopie muss das Coecum erreicht werden. Dies sollte bei 95 Prozent der Untersuchungen möglich sein, voraus- gesetzt, es liegen keine unpassierbaren Stenosen vor. Im Vergleich zum Kolon- doppelkontrasteinlauf ist die Kolosko- pie sensitiver und ermöglicht eine histo- logische Diagnostik oder therapeuti- sche Interventionen (19). Bei aus tech- nischen Gründen unvollständiger Kolo- skopie muss eine Röntgenuntersu- chung in Doppelkontrasttechnik ange- schlossen werden.
Bei positivem fäkalem Okkultblut- test (FOBT) oder zur Abklärung eines Tumorverdachts ist eine komplette Ko- loskopie durchzuführen. Zur Tumorlo- kalisation und Ausdehnung wird die Koloskopie bevorzugt, gegebenenfalls mit Röntgendokumentation (7, 19). Die Durchleuchtung ist exakter als die en- doskopische Bestimmung nach anato- mischen Strukturen oder die Lokalisati- on mittels Diaphanoskopie. Eine Anga- be in Zentimeter der Gerätelänge ab ano sollte, wenn überhaupt, nur im Rektosigmoid erfolgen.
Bei Vorliegen eines endoskopisch nicht passierbaren stenosierenden ko- lorektalen Karzinoms sollte eine kom- plette Koloskopie intraoperativ oder innerhalb von drei Monaten postope- rativ durchgeführt werden, um neopla- stische Läsionen proximal der Tumor- stenose zu identifizieren. Eindeutige, diese These stützende Literaturanga- ben gibt es bisher nicht. Ein präoperati- ver Kontrasteinlauf mit Barium oder Gastrografin erlaubt keinen zuverlässi- gen Ausschluss einer synchronen Neo- plasie.
Sigmoidoskopie versus Koloskopie
Zur Abklärung eines positiven FOBT beziehungsweise eines Tumorver- dachts wird die Koloskopie gegenüber der Sigmoidoskopie bevorzugt, da hiermit auch die zunehmend rechtssei- tig auftretenden Adenome und Karzi- nome erkannt werden. Wird initial ei- ne Sigmoidoskopie durchgeführt, soll- te beim Nachweis neoplastischer Poly- pen eine komplette Koloskopie erfol- gen. Dieses Vorgehen gilt auch bei dem Nachweis von Adenomen unter 5 mm und ist unabhängig von der Zahl der Adenome. Bei nichtneoplastischen Polypen ist die Datenlage nicht ein- deutig. Überwiegend wird keine weite- re Diagnostik vorgeschlagen (1, 18, 20, 22, 26, 30). Chromoendoskopie und Zoomendoskopie sind besonderen zurzeit wissenschaftlichen Fragestel- lungen (zum Beispiel Flat Adenoma, kleine De-novo-Karzinome) vorbehal- ten. (8, 10–14).
Polypen
Werden bei der Endoskopie Polypen festgestellt, sollten Polypen > 5 mm durch Polypektomie, Polypen ✜5 mm generell mit der Zange komplett ent-
fernt werden. ✁
M E D I Z I N
Deutsches Ärzteblatt½½Jg. 97½½Heft 36½½8. September 2000 AA2319
Kolorektales Karzinom
Endoskopische Diagnostik und
Therapie von Polypen und Karzinomen
Wolff Schmiegel
1, Peter Frühmorgen
2, Christian Pox
1, Martin Zeitz
3Zusammenfassung
Standardverfahren zur Detektion kolorektaler Karzinome ist die Koloskopie.
Da über 90 Prozent der Karzinome aus neoplastischen Polypen (Adenomen) entstehen, kann durch eine konsequente Polypektomie die Karzinominzi- denz gesenkt werden. Adenomträger besitzen ein erhöhtes Rezidivrisiko, so- dass eine Nachsorge erforderlich ist. Wird in dem abgetragenen Adenom ein Karzinom nachgewiesen, hängt das weitere Vorgehen vom Ergebnis der hi- stologischen Aufarbeitung des Polypen ab.
Schlüsselwörter:
kolorektales Karzinom, Prävention, Polypenmanagement
Summary
Colorectal Carcinoma: Endoscopic Diagnosis and Therapy of Polyps and Carcinomas
Colonoscopy is the standard method for detecting colorectal carcinomas. Over 90 per cent of carcinomas arise from adenomas of the colon. Thus polypectomy will lead to a reduction in the incidence of colorectal cancers. People who have had an adenoma are at a higher risk of developing a second adenoma so that these patients should be followed up. If the removed polyp contains a carci- noma, further measures depend on the histo-pathological staging.
Key words: colorectal cancer, prevention, polyp-management
1Medizinische Universitätsklinik (Direktor: Prof. Dr. med.
Wolff Schmiegel), Knappschaftskrankenhaus Bochum- Langendreer, Ruhr-Universität, Bochum
2Medizinische Klinik I (Chefarzt: Prof. Dr. med. Peter Frühmorgen), Klinikum Ludwigsburg, Ludwigsburg
3Innere Medizin II (Leiter: Prof. Dr. med. Martin Zeitz), Universitätsklinikum des Saarlandes, Homburg/Saar
Diese Vorgehensweise wird weder von der Lokalisation noch von der Zahl der Polypen beeinflusst. Bei Polypen
< 5 mm sind Adenome mit invasiven Karzinomen Raritäten. Es ist anzustre- ben, dass diagnostische Koloskopien nur dann durchgeführt werden, wenn in gleicher Sitzung die Möglichkeit zur Po- lypektomie besteht (16, 25, 27, 28).
Durchführung der Polypektomie
Bei der Polypektomie müssen die Poly- pen einzeln unter Angabe der Lokalisa- tion geborgen werden. Die histologi- sche Befundung der Polypen erfolgt entsprechend der WHO-Kriterien (9).
Bei Karzinomnachweis muss der hi- stologische Befund folgende Merkmale enthalten:
❃ das Ausmaß der Tiefeninvasion (pT- Kategorie),
❃ den histologischen Differenzierungs- grad (Grading),
❃ Vorhandensein oder Fehlen von Lymphgefäß- und Veneninvasion (L- und V-Klassifikation) und
❃ die Beurteilung der Resektionsrän- der (R-Klassifikation).
In Hinblick auf therapeutische Kon- sequenzen bei komplett entfernten pT1- Tumoren, sollte eine zusammenfassen- de Klassifikation in Low-Risk- (G1, G2 und keine Lymphgefäßeinbrüche) oder High-Risk-Läsionen (G3, G4 oder Lymphgefäßinvasion) erfolgen.
Flat Adenomas sollten generell durch Schlingenektomie, eventuell nach Un- terspritzung, entfernt werden (8, 10–12).
Voraussetzung für die Polypektomie großer Polypen ist die Erfahrung des Therapeuten (2). So ist die Polypen- größe, die Wuchsform, die Lokalisation sowie der Allgemeinzustand des Pati- enten zu berücksichtigen. Das erhöhte Perforationsrisiko im proximalen Ko- lon ist ebenfalls zu berücksichtigen.
Alternative Verfahren (chirurgische Resektion, transanale Abtragung) sind im Einzelfall in Erwägung zu ziehen.
Abgetragene Polypen sollten eine Markierung der basalen Anteile (Abtra- gungsfläche) durch Anbringen einer Stecknadel oder durch „Tipp-Ex“ erhal- ten. Alternativ ist auch eine Fixierung auf einer Korkplatte möglich, wenn die un-
mittelbare Weiterbearbeitung durch den Pathologen erfolgt. Die Notwendigkeit einer Angabe über den Abstand der Ent- fernung im Gesunden ist strittig (2–6, 17).
Eine Polypenlokalisation durch Durchleuchtung ist wünschenswert.
Die Lokalisation von Polypen darf nur dann durch die Angabe der eingeführ- ten Gerätelänge beschrieben werden, wenn diese im Rektum oder unteren Sigma liegt, da die Ungenauigkeit der Angabe mit der Entfernung zur Ano- kutanlinie wächst.
Die Durchleuchtung ist exakter als
die endoskopische Bestimmung nach anatomischen Strukturen oder die Lo- kalisation mittels Diaphanoskopie. Ei- ne endoskopische Markierung ist nur in besonderen Fällen präoperativ notwen- dig, die bessere Alternative ist die intra- operative Koloskopie zur Lokalisation des Polypen beziehungsweise dessen Abtragungsstelle (7).
Endoskopische Kontrolle nach kompletter Ektomie
Nach Abtragung nichtneoplastischer Polypen ist keine spezielle endosko- pische Nachsorge erforderlich. Nach kompletter Abtragung neoplastischer Polypen (Adenome), ist unabhängig vom Dysplasiegrad eine Kontrollendo- skopie nach drei Jahren erforderlich.
Bei unauffälliger erster Kontrollunter- suchung erfolgen die weiteren Kontrol- len alle fünf Jahre.
Es besteht derzeit nach Polypekto- mie keine zwingende Indikation für ei-
ne Sicherheitskoloskopie (so genannte Tandemuntersuchung) zum Nachweis übersehener Polypen.
Nach Abtragung von Adenomen mit Karzinom (pT1) erfolgt die Nachsorge in Abhängigkeit von der Risikoklassifi- kation (Low Risk/High Risk):
Bei Low Risk (pT1, G1, G2, L0) soll- te eine Kontrollendoskopie nach 6, 24 und 60 Monaten erfolgen, während bei High Risk (pT1, G3, G4 und/oder L1) eine radikale chirurgische Therapie und anschließend Kontrollendoskopie nach 24 und 60 Monaten indiziert ist.
Die Aussagen zur Nachsorge nach Polypektomie gelten bei vollständiger Abtragung unabhängig von der Anzahl der Polypen. Bei multiplen Polypen be- stimmt der ungünstigste histologische Befund das weitere Vorgehen. Entspre- chendes gilt für Adenome < 5 mm nach Zangenentfernung. Nach Abtragung nichtneoplastischer Polypen gelten die allgemeinen Regeln zur KRK-Präventi- on (5, 6, 15, 17, 21, 23–25, 29, 31).
Kontrollendoskopie nach unvollständiger Ektomie
Bei unvollständig entfernten neoplasti- schen Läsionen sollte die endoskopi- sche oder chirurgische Sanierung des Lokalbefundes möglichst schnell erfol- gen. Adenome, die makroskopisch-en- doskopisch und/oder aufgrund des hi- stologischen Befundes in toto entfernt worden sind, bedürfen keiner kurzfri- stigen Nachsorge.
Eine medikamentöse Sekundärpro- phylaxe nach Polypektomie kann der- zeit noch nicht empfohlen werden.
Der Beitrag wurde in Zusammenarbeit mit den im Artikel
„Kolorektales Karzinom: Prävention und Früherkennung – Vorsorge bei Risikogruppen“ genannten Gruppen erarbeitet.
❚Zitierweise dieses Beitrags:
Dt Ärztebl 2000; 97: A 2319–2320 [Heft 36]
Die Zahlen in Klammern beziehen sich auf das Literatur- verzeichnis, das über den Sonderdruck beim Verfasser und über das Internet (www.aerzteblatt.de) erhältlich ist.
Anschrift für die Verfasser:
Prof. Dr. med. Wolff Schmiegel Ruhr-Universität Bochum Medizinische Universitätsklinik Knappschaftskrankenhaus In der Schornau 23–25 44892 Bochum
E-Mail: Wolff.Schmiegel@ruhr-uni-bochum.de M E D I Z I N
A
A2320 Deutsches Ärzteblatt½½Jg. 97½½Heft 36½½8. September 2000
Polypektomie und endoskopische Kontrollen
❃Polypektomie bei Polypen > 5 mm, Zangenab- tragung bei Polypen ✜5 mm
❃Nach Abtragung von Adenomen Kontrollendo- skopie nach drei Jahren
❃Bei unauffälliger erster Kontrolluntersuchung weitere Kontrollen alle fünf Jahre
❃Vorgehen unabhängig von Adenomanzahl und Dysplasiegrad
❃Nach Abtragung von Adenomen mit Karzinom (pT1) Nachsorge abhängig von Risikoklassifika- tion (Low Risk/High Risk)
❃Keine spezielle Nachsorge nach Abtragung nichtneoplastischer Polypen
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