S
trippen, verwendet im Zusammenhang mit An- leihen, ist ein Kunst- wort, gebildet aus den Initia- len von „Separate Trading of Registered Interest and Prin- cipals of Securities“. Die As- soziation mit „Striptease“ ist durchaus beabsichtigt: Das Anleihestripping, in den USA seit den 80er Jahren möglich, erhielt dadurch ei- nen Aufmerksamkeitswert, der sicher erheblich zu seiner Popularisierung beigetragen hat. Hinzu kam der besonde- re Appeal, den die neuen An- lagemedien hatten. Denn mit gestrippten Anleihen lassen sich Steuern sparen – nun auch in Deutschland.Die normale Anleihe be- steht aus Mantel und Bogen.
Der Mantel ist die eigentli- che Schuldurkunde (auch als Stammrecht bezeichnet), die dem Eigentümer das Recht be- stätigt, daß er am Ende der Laufzeit einen bestimmten Be- trag vom Schuldner zurücker- hält. Der Bogen enthält die Zinsscheine, die zum Bezug der Zinsen berechtigen. Bei ei- ner zehnjährigen Anleihe mit einem jährlichen Zinstermin sind es zehn Stück, bei 30jähri- gen Anleihen 30 Stück.
Steuern erst in der Zukunft
Auf diese Zinsscheine kommt es beim Anleihe- Stripping besonders an. Denn mit dem gezielten Erwerb von Zinsscheinen, die in spä- teren Jahren fällig werden, kann der Privatanleger die Besteuerung auf einen Zeit- punkt verlagern, zu dem er keine oder nur wenig Steuern zu zahlen hat. Es entsteht ei- ne durchgehende Laufzeitpa- lette von ein bis 30 Jahren, aus denen ein Anleger die für ihn beste auswählen kann.
Die von vornherein als Zero- bonds emittierten Titel bie- ten diesen Vorteil nicht.
Eine Anleihe mit zehn Jahren Laufzeit und jährli- cher Zinszahlung kann nun in zwölf eigenständige Wertpa- piere aufgesplittet werden, die jeweils eine eigene Wert-
papier-Kennummer erhalten.
Neben der eigentlichen An- leihe, die in ihrer ursprüngli- chen Form bestehenbleibt, entstehen der bloße Mantel ohne Zinskupons und die 10 Zinsscheine. Alle 12 Be- standteile sind künftig selb- ständig handelbar und wer-
den an den Börsen notiert.
Aus der jüngsten 30jährigen Anleihe des Bundes, die seit 4. Juli zu strippen ist, können also 32 selbständig handelba- re Papiere werden. Davon sind 30 Zinsstrips.
Ein Anleger, der heute 50 Jahre alt ist und mit 65 in Rente gehen will, wird sich für Zinsscheine entscheiden, die 2012 fällig werden. Ein heute 40jähriger wird die Scheine wählen, die 2022 zurückgezahlt werden. Aus den Zinsscheinen werden im Wege des Strippings Zero- bonds, die keine laufende
Zinsausschüttung haben, sondern deren Zinsen mit dem Laufzeitende erst ausge- zahlt werden. Und die Zinsen sind auch erst zu versteuern, wenn sie dem Anleger zuge- flossen sind (Zuflußprinzip).
Falls es doch noch zu einer Senkung des Spitzensteuer- satzes käme, könnte auch ei- ne kurzfristige Verlagerung von Zinsein- künften in die nahe Zukunft interessant sein.
Für das Strip- pen von Anlei- hen wie für die Erfindung von Zerobonds wa- ren steuerliche Gründe aus- schlaggebend.
Der Zerobond wurde in den 70er Jahren in den USA erfunden. Die Emittenten bo- ten den Anle- gern damit die Möglichkeit, ihre Zinseinkünfte auf Le- bensphasen mit niedriger Be- steuerung zu verlagern. Die Nachfrage nach diesen Titeln wurde mit der Zeit so stark, daß die von vornherein als Zerobonds emittierten Titel nicht mehr ausreichten.
Einige amerikanische In- vestmentbanken entschlos- sen sich deshalb, Treasuries, also Bundesanleihen, zu strippen und auf diese Weise aus Kupon-Anleihen Null- Kupon-Anleihen zu machen.
Um den Markt aber unter ei- gene Kontrolle zu bekom-
men, schuf das US-Finanzmi- nisterium das Strips-Pro- gramm (Programm über den getrennten Handel von regi- strierten Zinsscheinen und Mänteln von Wertpapieren).
Zerobonds haben be- kanntlich aber einen erheb- lichen Nachteil: sie unterlie- gen starken Kursschwankun- gen, wenn der Marktzins sich ändert. Vor allem bei einem Erwerb in der jetzigen Nied- rigzinssphase bergen Zero- bonds also ein großes Kurs- risiko. Das braucht einen An- leger nicht zu interessieren, der bis zum Laufzeitende die Nullkupon-Anleihe behält.
Aber wenn er zum vorzeiti- gen Verkauf gezwungen sein sollte, müssen je nach Zins- situation erhebliche Kursver- luste hingenommen werden.
Umgekehrt profitieren Zero- bonds tendenziell stärker von einem Zinsrückgang.
Sichere Kalkulation
Auf der anderen Seite trägt der Inhaber von Zero- bonds kein Wiederanlagerisi- ko. Zins und Zinseszins lie- gen bis zum Ende der Lauf- zeit fest, und daran ist dem ty- pischen Zerobonds-Anleger und Steuersparer gelegen.
Wer also weiß, daß er bis zu einem bestimmten Tag die Zerobonds behalten will, hat eine sichere Kalkulationsba- sis.
Bundesanleihen strippen darf jeder. Bedingung ist, daß ein Anleger mindestens 100 000 DM der Anleihe hält.
Gestrippte Anleihen zusam- menführen dürfen dagegen nur Kreditinstitute. Nur so kann gewährleistet werden, daß ein Vermögenszuwachs beim privaten Anleger ver- steuert wird. Der private In- vestor muß die gestrippten Anleihen an die Bank ver- kaufen, die sie zusammen- fügt. Beim Verkauf muß er die Differenz zwischen Kauf- und Verkaufspreis versteu- ern. Denn darin stecken die Zinsen, die nicht jährlich aus- gezahlt, sondern angesam- melt wurden. Armin Löwe A-2343 Deutsches Ärzteblatt 94,Heft 37, 12. September 1997 (59)
V A R I A WIRTSCHAFT
Kapitalmarkt
Anleihe-Stripping für Steuersparer
Seit dem 1. Juli darf in Deutschland gestrippt werden. Bond Strip- ping, das Trennen von Stammrecht und Kupon bei Anleihen, wurde Anfang der achtziger Jahre in den USA eingeführt. Nun kann diese Möglichkeit zum Steuersparen auch hierzulande genutzt werden.
Systematisch vorgehende Anleger setzen nicht nur auf verschiedene Kapitalanlageformen. Sie haben auch ein Auge auf für sie optimale Laufzeiten. Abbildung: Tinus Otto