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Archiv "Der kranio-zervikale Übergang als Ort vielfältiger neurologischer Störungen" (05.02.1986)

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DEUTSCHES ÄRZTEBLATT

KONGRESSBERICHT

D

er kranio-zervikale Über- gang gewinnt seine Son- derstellung aus der spezifi- schen topographischen Situation, welche vom Skelett her durch die Hinterhauptsbasis mit dem Fora- men okzipitale magnum und den beiden oberen Halswirbeln mit ih- ren gelenkigen Verbindungen ge- geben ist. Diese Skeletteile um- schließen Strukturen des Pons und der Medulla oblongata, das obere Halsmark mit seinen Spi- nalnerven, die A. vertebralis und die Hirnnerven XI und XII.

Hier kann es zu einer Vielfalt neu- rologischer Störungen kommen, deren Analyse oft erhebliche Schwierigkeiten bereitet und eine gute Koordination der beteiligten Fachgebiete — Neurologie, Chirur- gie, Orthopädie, Rheumatologie — erforderlich macht.

Die Mehrzahl der Prozesse ent- wickelt sich chronisch-progressiv, häufig unter allgemeinen, untypi- schen, nicht selten irreführenden klinischen Zeichen wie Kopf- schmerz, Nackenschmerz, Bewe- gungsschmerz, Schiefhals, Erbre- chen, Kribbelparästhesien, wel- che zunächst nicht auf eine neu- rologische Störung hinweisen.

Diese wird erst deutlich, wenn Gangstörungen, Lähmungen, Spastik, Ataxie, Amnesien, Drop attacks oder passagere Amaurose auftreten.

*) erscheint in Buchform bei W. de Gruyter, Berlin

1. Diagnostik

Für die Diagnostik ist die Kenntnis der anatomischen Verhältnisse der Kraniovertebralregion und der hier vorkommenden Varianten wichtige Voraussetzung. Unter den diagnostischen Verfahren spielen Röntgenbild und Tomo- gramm eine führende Rolle. Sie lassen Fehlbildungen, Fehlstel- lungen, Abweichungen der Kopf- gelenkachsen, Dilatation des Spi- nalkanals, Knochendestruktion usw. erkennen. Die Bedeutung der Röntgenaufnahme besteht nicht zuletzt darin, daß sie aller- orts angefertigt werden kann.

Das Computertomogramm (CT) liefert im Bereich des kranio-zer- vikalen Überganges Abbildungen des Foramen okzipitale magnum, des Atlas und des Epistropheus sowie der übrigen Halswirbel in der Horizontalebene. Es läßt auch die Weichteilstrukturen im Spinal- kanal erkennen. Während das CT für die Darstellung von Deformie- rungen und Destruktionen der knöchernen Strukturen unent- behrlich ist, bleibt seine Aussa- gekraft über die Gebilde im Spi- nalkanal begrenzt.

Hier hat die MR-Technik (Kern- spintomographie) entscheidende Fortschritte gebracht. Sie ermög- licht die präzise Lokalisation ex- tra- und intramedullärer Prozesse und deren Ausdehnung und läßt mit der weiteren technischen Ent- wicklung große Fortschritte er- warten. Besonders geeignet ist

die MR-Technik für die Abbildung von Tumoren und flüssigkeitsge- füllten Hohlräumen, zum Beispiel bei der Syringomyelie.

Die Szintigraphie gibt Hinweise auf neoplastische, metastatische und entzündliche Herde in den skelettären Anteilen der Kranio- Zervikalregion.

Schließlich kann die Messung hirnelektrischer Potentiale nach dem SEP-Verfahren (somato-evo- zierte Potentiale) Myelopathien des Halsmarks nachweisen, wel- che die Folge verschiedener Pro- zesse im Gebiet des kranio-zervi- kalen Überganges sind.

11. Traumafolgen

Knöcherne Verletzungen des kra- nio-zervikalen Überganges betref- fen in erster Linie Atlas und Epi- stropheus. Es handelt sich um Bo- genfrakturen, Berstungsbrüche, Torsionsfrakturen. Eine besonde- re Problematik haben die Brüche des Dens axis (Epistrophei), die häufig bei Schleuderverletzungen der Halswirbelsäule auftreten.

Überwiegend kommt es zur atlan- to-axialen Luxation nach vorn.

Bei der konservativen Behand- lung im Diademgips ist das Risiko der Pseudarthrosenbildung mit bleibender Instabilität hoch. Um dieser Komplikation vorzubeu- gen, hat sich mehr und mehr die operative Stabilisierung durchge- setzt. Sie kann von dorsal und von ventral her erfolgen. Für die ven- trale Osteosynthese wird die Ver- schraubung des Dens schräg durch den Wirbelkörper in den Zahnfortsatz hinein empfohlen.

Traumatische Schäden der A. ver- tebralis können zu Aneurysmen oder zu arterio-venösen Fisteln führen. Ihr Nachweis geschieht durch Vertebralisangiographie.

Die Exstirpation erfordert die Frei- legung des Gefäßes in gesamter Länge unter Wegnahme der knö- chernen Vorderwand des Canalis intertransversarius.

Der kranio-zervikale Übergang als Ort vielfältiger

neurologischer Störungen

Zusammenfassender Ergebnisbericht von der 6. Mainzer Herbsttagung für Neurochirurgie 1985*)

320 (50) Heft 6 vom 5. Februar 1986 83. Jahrgang Ausgabe A

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DEUTSCHES ÄRZTEBLATT

Kranio-zervikaler Übergang

III. Mißbildungen, Systemerkrankungen, funktionelle Störungen

Die wichtigsten klinisch relevan- ten Fehlbildungen des kranio-zer- vikalen Übergangs sind

1. dysraphische Störungen, regelmäßig mit Zelenbildung verbunden,

2. Platybasie,

3. Arnold-Chiari-Mißbildung, 4. Basiläre Impression, 5. Os odontoideum, 6. Klippel-Feil-Syndrom, 7. Atlasassimilation

Die klinische Symptomatologie ist atypisch und unspezifisch, beson- ders in den Anfangsstadien. Die Platybasie verursacht wegen der Abflachung der hinteren Schädel- grube eine Raumbeengung des Kleinhirns. Häufig ist sie mit einer basilären Impression kombiniert, einer Einstülpung des Foramen magnum in die hintere Schädel- grube hinein. Röntgenologisch wird sie am Hochstand des Dens axis, welcher die Bimastoidlinie und die McGregor-Linie nach kra- nial überschreitet, erkannt. Die basiläre Impression verursacht Kleinhirnsymptome, Pyramiden- zeichen, Rückenmarkskompres- sion und Hirnnervenstörungen (XII) in unterschiedlicher Form und Ausprägung. Charakteristi- scherweise treten diese oft inter- mittierend mit Remissionen auf.

Neue Gesichtspunkte ergeben sich für die Syringomyelie. Raum- beengungen der kranio-vertebra- len Region verschiedener Genese können Liquorzirkulationsstörun- gen verursachen und durch die Li- quorpulswelle die Höhlenbildung im Halsmark induzieren oder ver- stärken. Es werden kommunizie- rende und nicht kommunizieren- de Hohlräume im Halsmark unter- schieden.

Die Behandlung besteht in der Drainage des Hohlraums in den Subarachnoidalraum. Das NMR- Tomogramm gestattet heute die präzise Lokalisation der Syringo-

myelie. Dadurch wird der Eingriff kleiner. Die Druckminderung führt zur Besserung der Symptome.

Die Problematik des Os odonto- ideum, des isolierten Dens epi- strophei durch unterbliebene Ver- schmelzung der Zahnfortsatzanla- ge mit dem Epistropheuskörper, liegt in der Instabilität mit Nei- gung zur permanenten atlanto- axialen Dislokation. Bei Flexion des Kopfes luxiert der Atlas nach vorn, bei Deflexion nach hinten.

Auffällig ist im Röntgenbild die Hyperplasie des vorderen Atlas- bogens. Differentialdiagnostisch muß eine Densfraktur und eine at- lanto-axiale Dislokation durch ent- zündlich-rheumatische Destruk- tion ausgeschlossen werden. The- rapeutisch kommt bei starker In- stabilität die dorsale Spondylode- se in Betracht.

IV. Entzündliche Prozesse Entzündliche, nichtinfektiöse und infektiöse Prozesse spielen sich an den Kopfgelenken, dem Zahn- gelenk und an den Bändern (Lig.

transversum, Lig. alare, Lig. apicis dentis) als aggressive Synovialitis mit Knorpelknochendestruktion ab. Die Ankylose der Kopfgelenke mit Verknöcherung des vorderen Längsbandes ist typisch für die Spondylitis ankylosans Bechte- rew. Auch hier gibt es, wahr- scheinlich funktionell bedingt, ei- ne atlanto-axiale Dislokation. Neu- rologische Symptome sind selten.

Die progressiv chronische Poly- arthritis zeigt an der HWS eine spezielle juvenile Verlaufsform.

Schwerwiegende Folge ist die at- lantoaxiale Dislokation infolge Lockerung des Lig. transversum atlantis, wobei der Abstand zwi- schen Dens und vorderem Atlas- bogen vergrößert ist. Ferner kann es zur Osteolyse der Zahnfortsatz- spitze und zur sekundären basilä- ren Impression kommen, beson- ders, wenn eine Langzeittherapie mit Steroiden vorangegangen ist.

Die operative Stabilisierung durch

dorsale Spondylodese ist nicht unproblematisch, auch hinsicht- lich der Intubation zur Anästhesie.

Es ist zu berücksichtigen, daß es sich bei solchen Fällen nicht um einen auf den kranio-zervikalen Übergang beschränkten Prozeß, sondern um einen allgemeinen Gelenkbefall mit Schäden des Ge- samtorganismus bei insgesamt hinfälligen Kranken handelt. Die Indikation zur Spondylodese wird gestellt bei anhaltend schweren Nackenschmerzen, bei Zeichen der Myelopathie und bei rascher Prog redienz. Chiropraktische Maßnahmen sind streng kontrain- diziert!

V. Tumoren

Raumfordernde Prozesse (Tumo- ren, Granulome, Zysten) können eine Kompression der Medulla oblongata und des Halsmarkes, Liquorabflußstörungen, Durchblu- tungsstörungen der A. vertebralis oder Wurzelkompression bewir- ken. Die klinischen Symptome sind vielfältig und häufig unspezi- fisch. Der prädiagnostische Ver- lauf ist oft lang, bis zu 3 Jahren.

Progrediente neurologische Sym- ptome müssen den Verdacht auf einen zentralnervösen Prozeß len- ken und zu gezielter Diagnostik Anlaß geben: Sorgfältige klini- sche Untersuchung, Röntgen, Myelogramm, Angiogramm, Com- putertomographie und NMR.

Die verzögerte Diagnose ver- schlechtert die Prognose der ope- rativen Therapie, auch bei gutarti- gen Geschwülsten, wegen der ir- reparablen Myelopathie durch den lang anhaltenden mechani- schen Druck. Häufigste Fehldia- gnose bei Tumoren der kranio- zervikalen Region ist die multiple Sklerose.

Anschrift des Verfassers:

Professor Dr. med.

Gerhard Exner

Wilhelm-Roser-Straße 35 a 3550 Marburg

322 (52) Heft 6 vom 5. Februar 1986 83. Jahrgang Ausgabe A

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