DEUTSCHES ÄRZTEBLATT
FÜR SIE GELESEN Lyme-Krankheit
ne antiphlogistische (symptomati- sche) als auch antibiotische (kau- sale) Therapie könnte gerechtfer- tigt sein.
6. Kommentar
Durch die Beschreibung der Lyme-Krankheit als nosologische Entität wurden bereits bekannte dermatologische und neurologi- sche Krankheitsbilder Teil eines klinischen Spektrums, das nun auch in der Pädiatrie, Inneren Me- dizin, Orthopädie und Allgemein- medizin Berücksichtigung finden muß. Die frühe Therapie des Ery- thema chronicum migrans mag die Bedeutung anderer als der- matologischer Aspekte zurück- drängen, andererseits lassen sich auf Grund der bisher vorliegen- den Therapieerfahrungen nicht al- le Spätmanifestationen verhin- dern. Da auch 'das Leitsymptom der Erkrankung, das Erythema chronicum migrans, nicht obligat ist, muß mit der Möglichkeit des primären Auftretens später Krank- heitsmanifestationen gerechnet werden.
Während die Diagnose einer klas- sischen Lyme-Krankheit klinisch gestellt werden kann, müßten sol- che Verlaufsformen der Erkran- kung mit Hilfe serologischer Me- thoden gesichert werden. Über die Häufigkeit dieser ohne voraus- gehendes Erythema chronicum migrans auftretenden Krankheits- formen kann noch keine Aussage gemacht werden. Aufmerksam- keit sollte z. B. häufig vorkom- menden ungeklärten Arthritiden geschenkt werden, wobei mit Be- rücksichtigung eines intermittie- renden Verlaufes vor allem an die oft unbefriedigenden Diagnosen
„Hydrops intermittens" und „pa- lindromer Rheumatismus" ge- dacht werden muß. Ebenso wie die genetische Prädisposition des Empfängers die Schwere des Krankheitsverlaufes determinie- ren mag (23), wäre zu diskutieren, ob unterschiedliche Spirochäten verschiedene Krankheitsausprä- gungen bedingen.
Die ätiologische Abklärung der Lyme-Krankheit wird sicher die Suche nach einer Infekt-Ätiologie anderer immunvermittelter Er- krankungen stimulieren. Die Übertragung von Erregern durch ubiquitär vorkommende Vektoren wäre denkbar. In diesem Zusam- menhang ist das Auftreten einer
„essentiellen Kryoglobulinämie"
mit Purpura, Arthritis, Perikarditis und Pleuritis in zeitlichem Zusam- menhang mit einem Insektenstich (eigene Beobachtung) erwäh- nenswert.
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Md. 99 (1983) 22-26
Das vollständige Literaturver- zeichnis befindet sich im Sonder- druck, zu beziehen über die Ver- fasser.
Anschrift der Verfasser:
Dr. med. Peter Herzer Professor Dr. med.
Nepomuk Zöllner Medizinische Poliklinik der Universität
Pettenkoferstraße 8a 8000 München 2
Myokardinfarkt bei normalen Koronargefäßen
Die eigentlichen Ursachen von Myokardinfarkten bei Patienten mit koronarangiographisch unauf- fälligen Gefäßen sind bislang nicht völlig geklärt.
In einer retrospektiven Untersu- chung wurden 20 Patienten nach durchgemachtem transmuralen Infarkt ohne Koronarveränderun- gen über einen Zeitraum von 5 Jahren beobachtet. Diese Patien- tengruppe wurde verglichen mit einem Kollektiv von 20 Infarktpa- tienten, die angiographisch gesi- cherte Koronarstenosen aufwie- sen. Es zeigte sich, daß sich in der Gruppe der Infarktpatienten ohne Koronarsklerose mehr Frauen be- fanden (Verhältnis 12:2). Risiko- charakter scheinen für die Infarkt- entstehung ohne Koronarsklerose auch Vorhofarrhythmien (z. B.
Vorhofflimmern) zu haben.
Insgesamt tritt bei diesen Patien- ten vor dem Infarkt seltener Angi- na pectoris auf. Beide Gruppen unterschieden sich hinsichtlich der heute allgemein anerkannten Risikofaktoren Hypertonie-Hyper- lipoproteinämie und Zigaretten- rauchen nicht. Auch Mitralklap- penprolaps-Syndrome waren in beiden beobachteten Patienten- gruppen gleich häufig.
Auffallend war jedoch, daß bei den Infarktpatienten ohne Koro- narsklerose viel häufiger eine Migräne und ein Raynaud-Phäno- men auftraten. Dies bestätigt frü- here Befunde, die zeigen, daß die Migräne, das Raynaud-Phänomen und die vasospastische Angina pectoris pathophysiologisch Ge- meinsamkeiten haben. dem
Ciraulo, D. A.: Breshnahan, G. F.: Franke!, P. S.
et al.: Transmural myocardial infarction with normal coronary angiograms and with single vessel coronary obstruction, Chest 83 (1983) 192-202, Daniel Freeman Medical Center, In- glewood, Canada
1866 (62) Heft 23 vom 8. Juni 1984 81. Jahrgang Ausgabe A