DEUTSCHES ÄRZTEBLATT
Maligne Tumoren und Systemerkrankungen
Krebskongresses im Jahre 1906.
Als zweite aussichtsreiche Be- handlungsmöglichkeit bot sich damals die neue Röntgentherapie (seit 1896) wegen ihrer lokalen Angriffsweise an, die in taktischer Hinsicht dem Skalpell recht ähn- lich war. Das Karzinom der Zunge, der Haut oder der Zervix sind nur einige Hinweise für den potentiell kurativen Effekt auch bei alleini- ger Anwendung der Bestrahlung.
Als dritte Behandlungsmodalität kam nach Ende des 2. Weltkrieges die Chemotherapie hinzu. Die Bombardierung eines mit Kampf- stoff beladenen Munitionstrans- porters (Bari-Katastrophe) führte zum genaueren Studium der aus- gedehnten Vergiftungserschei- nungen durch Stickstofflost und zur Aufdeckung zytostatischer Wirkungen. In Deutschland griffen Bauer, Druckrey und Schmähl, Bock und Gross den zytostati- schen Effekt zur Behandlung von Krebspatienten auf. Dabei haben de Vita u. a. die chemotherapeuti- sche Sensibilität aller Neoplasien in 4 Gruppen eingeteilt, die inzwi- schen mehrfach dem Stand der chemotherapeutischen Entwick- lung angepaßt wurde, aber im Prinzip für die Therapiewahl auch heute noch gilt.
Die genannten drei Wege der Krebsbehandlung können natür- lich auch monotherapeutische Er- folge aufweisen, wie ärztliche Er- fahrungen mit langen Überle- benszeiten in vielen Jahrzehnten der Vergangenheit belegen. Die Kooperation verschiedener thera- peutischer Modalitäten läßt je- doch eine Summation verschiede- ner Optima — wenigstens bei ein- zelnen Krebsformen — erhoffen.
Als eklatantes Beispiel sei hier nur der Wilms-Tumor bei Kindern ge- nannt. Während seine Fünfjahres- Überlebensrate bei annähernd gleichbleibender Operationstech- nik bei etwa 10 Prozent lag, hat die zusätzliche Chemotherapie und Radiotherapie die Ergebnisse auf 80 Prozent angehoben. Eine weitere Vertiefung unseres Wis- sens um Klassifikation, Prognose
EDITORIAL
Kurzberichte zur klinischen Onkologie
D
er Krebs steht innerhalb der Bundesrepublik (sie- he zum Beispiel „Statisti- sches Jahrbuch 1982") mit über 20 Prozent der Todes- fälle an zweiter Stelle in der Häufigkeit der Todesursa- chen. Die erste Stelle neh- men die Erkrankungen des Herzens und der Gefäße ein, wenn man sie zusammen- faßt. Bei den Männern haben die bösartigen Erkrankungen von 1952 bis 1980 zu-, bei den Frauen dagegen leicht abgenommen. In der Alters- gruppe zwischen 40 und 60 Jahren hat der Krebs (minde- stens nach einigen uns vor- liegenden amerikanischen Statistiken) einen besonders hohen Anteil erreicht. Dazu kommt, daß gerade Krebslei- den mehr als andere Erkran- kungen an die Existenzangst rühren und wesentliche psy- chische sowie soziale Impli- kationen für die Betroffenen nach sich ziehen. Das DEUT- SCHE ÄRZTEBLATT ist be- müht, vor allem den prak- tisch tätigen Kollegen die wichtigsten, weil häufigsten Erkrankungen mit einer ge- wissen Systematik, das heißt in Beitrags-Serien, nahezu- bringen, und beginnt daher noch während der Arterio- sklerose-Serie und der Dia- betes-Serie, die ausläuft, mit kurzen Beiträgen aus der all- gemeinen Onkologie und über spezielle Tumor-Erkran- kungen. Die Krebs-Serie be- ruht auf Beschlüssen der Mitgliederversammlungen der Deutschen Krebsgesell-schaft und der Arbeitsge- meinschaft deutscher Tumor- zentren (ADT). Den von den genannten führenden Fach- gesellschaften mit der Ein- bringung und Sichtung der Beiträge beauftragten Kolle- gen, Professor Dr. med.
Dr. h. c. mult. F. Linder, Hei- delberg, — einem Schüler des unvergessenen K. H. Bauer — sowie Professor Dr. med.
H. Sack, Köln, danken wir besonders für ihre Mühe und für ihr organisatorisches Ge- schick. Auch sei von seiten der Redaktion des DEUT- SCHEN ÄRZTEBLATTES selbst nochmals eindringlich wiederholt, was der einlei- tende Beitrag von Linder und Sack am Schluß aufführt: Um das Riesengebiet — allein in der angelsächsischen Litera- tur Gegenstand von fast 50 zum Teil umfangreichen Bü- chern der beiden letzten Jahrzehnte — in absehbarer Zeit aufzubereiten, sind alle Beiträge relativ kurz gehal- ten. Sie zeigen damit sozusa- gen nur die Minimalia der Tumordiagnostik und Tumor- therapie auf. Der interessier- te Kollege wird aber in den einschlägigen Aufsätzen wei- terführende Literatur finden.
Wie überall in der Medizin, ist gerade in der klinischen Onkologie das Individualisie- ren nach dem vorgegebenen Tumorleiden, seiner Art und Ausdehnung, seiner Dauer und nicht minder nach der körperlichen und seelischen Verfassung des Kranken er- forderlich. Außerhalb dieser schematisierten Serie wer- den wir — je nach Aktualität — auch ausführlichere Einzel- beiträge zu den Krebserkran- kungen bringen, die F. Lin- der im Anschluß an K. H.
Bauer als eine „Seuche der Gegenwart" bezeichnet hat.
Rudolf Gross, Köln
102 (54) Heft 3 vom 20. Januar 1984 81. Jahrgang Ausgabe A