DEUTSCHES ÄRZTEBLATT
NACHRICHTEN
Fortbildungskongreß
Junge Kollegen beruflich integrieren
MERAN. Die Entwicklung der Ärztezahl in der Bun- desrepublik Deutschland stand im Mittelpunkt der berufspolitischen Diskus- sion während des Früh- jahrsfortbildungskongres- ses der Bundesärztekam- mer in Meran. Dr. Günter Flatten, Geschäftsführen- der Arzt der Kassenärzt- lichen Bundesvereinigung und neuer Geschäftsführer des Zentralinstituts für die kassenärztliche Versor- gung, kündigte für die Mit- te der neunziger Jahre rund 40 000 arbeitslose Ärzte an. In den kommen- den zehn Jahren werden nach Berechnungen des Zentralinstituts 39 000 Neuapprobierte eine Wei- terbildungsstelle finden, 30 000 hingegen nicht. Dr.
Flatten forderte die Inten- sivierung der Niederlas- sungsberatung durch die Kassenärztlichen Vereini- gungen und die Schaffung von Möglichkeiten, ange-
Aus Bund und Ländern
BGA-Präsident Überla trat zurück
BERLIN/BONN. Der Präsi- dent des Bundesgesund- heitsamtes (BGA), Prof. Dr.
med. Karl Überla (50), hat zum 15. April seinen Rück- tritt erklärt. Er zog damit die Konsequenz aus öf- fentlichen Vorwürfen der Ämterhäufung und angeb-
lichen Interessenkollisio- nen. So sei er infolge gleichzeitiger Tätigkeit als Direktor des Instituts für Medizinische Informa- tionsverarbeitung, Statistik und Biomathematik an der Universität München und als Vorstand der (privaten) Gesellschaft für Informa- tionsverarbeitung und Sta- tistik in der Medizin (GIS) seinen Amtspflichten in
stellte Ärzte in den Kassen- praxen zu beschäftigen.
Dr. Jörg-Dietrich Hoppe, Vorsitzender des Marbur- ger Bundes, der die be- rufspolitische Diskussion leitete, ergänzte: Die Ärz- teschaft müsse alles zur In- tegration der jungen Ärzte tun, denn auch arbeitslose Ärzte sind Kammermitglie- der und könnten große Fraktionen bilden. Immer- hin, teilte Dr. Hoppe mit, sei es durch den Abbau von Mehrarbeit und Bereit- schaftsdiensten schon ge- lungen, eine Anzahl von neuen Stellen in den Kran- kenhäusern zu schaffen, aber dies sei zur Hälfte durch den — gesundheits- politisch durchaus er- wünschten — Bettenabbau kompensiert worden. Dis- kutiert wurde, ob eine er- weiterte Betätigung der Ärzte in der Gesundheits- beratung (Primärpräven- tion) hilfreich sein könnte.
Modellversuche, berichte- te Dr. Flatten, waren er- folgversprechend, aber auf nähere Sicht sei dadurch weder finanziell noch per- sonell eine Entlastung zu erwarten. bt
Berlin nicht in vollem Um- fang nachgekommen. Vom BGA an die GIS vergebene Forschungsaufträge sowie die frühere Arbeit Überlas als Gutachter für verschie- dene Pharmakonzerne er- gaben zudem den Ver- dacht von Interessenkolli- sionen. Diese Punkte spiel- ten offenbar eine Rolle in einer Anhörung Überlas vor dem Rechnungsprü- fungsausschuß des Deut- schen Bundestages am 28.
März. Dabei kam auch eine Israel-Reise Überlas auf Einladung der dortigen Kardiologischen Gesell- schaft im Jahr 1982 zur Sprache, die Presseberich- ten zufolge möglicherwei- se von einem Pharmakon- zern finanziert wurde.
Bundesgesundheitsmini- ster Dr. Heiner Geißler re-
spektiere den Wunsch des BGA-Präsidenten, erklärte sein Ministerium. Es wür- digte Überlas „Fachkennt- nisse und sein Enga- gement", die zu den Lei- stungen des Amtes beige- tragen hätten. Eine Prü- fung gegen ihn erhobener Vorwürfe habe fachliche
Karl Uberla Foto: Clade und haushaltsrechtliche Beanstandungen nicht er- geben. Überla war seit dem 5. Oktober 1981 Präsi- dent des BGA, das mit sei- nen sieben Instituten etwa 1500 Mitarbeiter beschäf- tigt. Er beabsichtigt, auf seinen Lehrstuhl an der Münchner Universität zu- rückzukehren. dpa/EB
Finanzhilfen für Schwangere in Not
HANNOVER. Die Bundes- stiftung „Mutter und Kind — Schutz des ungeborenen Lebens" hat in Nieder- sachsen bisher in knapp 1600 Fällen (entsprechend 93 Prozent der Anträge) notleidenden Schwange- ren finanzielle Mittel ge- währt. Im Einzelfall betrug die Hilfe, deren Art, Dauer und Höhe sich nach der in- dividuellen Notlage richtet, bis zu 5000 DM. Bundes- weit werden in diesem Jahr insgesamt 50 Millio- nen DM für zusätzliche Hil- fen bereitgestellt. jv
Bund fördert Umweltforschung
BONN. Mit rund 3,2 Milliar- den DM wird das Bundes- ministerium für Forschung und Technologie in diesem Jahr Forschungs- und Ent- wicklungsarbeiten zur Da- seins- und Zukunftsvorsor- ge fördern. Ein Schwer- punkt wird die ökologische Wirkungsforschung sein, deren Mittel um 39 Prozent auf 66 Millionen DM aufge- stockt werden.
Ferner unterstützt das Mi- nisterium im Rahmen der Gesundheitsvorsorge die Deutsche Herz-Kreislauf- Präventionsstudie sowie die Rheuma- und Krebsfor- schung. jv
Ringen um soziale Gerechtigkeit
KASSEL. Das Bundesso- zialgericht hat anläßlich seines 30jährigen Beste- hens Bilanz gezogen. Seit dem 23. März 1955, als die erste Sitzung des Bundes- sozialgerichtes stattfand, ist das Gericht nicht weni- ger als 2683mal zu Sitzun- gen zusammengetreten;
14 667 Urteile wurden er- lassen.
Zunächst war es die Kriegs- opferversorgung, die das Gericht am stärksten be- schäftigte, dann erst und zunehmend die Kranken-, Renten-, Unfall- und Ar- beitslosenversicherung.
Der Präsident des Ge- richts, Dr. Heinrich Reiter, erinnerte anläßlich des runden Datums daran, daß die Entscheidungen des
Bundessozialgerichts nicht immer in Wissen- schaft und Praxis einhellig und zustimmend beurteilt wurden. Gerade das „kon- troverse, intensive Ringen um eine sicher nie vollen- det zu erreichende Ge- rechtigkeit" habe aber die Arbeit des Gerichts inspi- riert und beflügelt. EB
1148 (20) Heft 16 vom 17. April 1985 82. Jahrgang Ausgabe A