Hans Walser, [20140224]
Konvergente Fibonacci-Folgen 1 Worum geht es?
Die klassische Fibonacci-Folge 1, 1, 2, 3, 5, 8, 13, 21, ... ist divergent.
Wir untersuchen Beispiele von konvergenten Folgen mit der Rekursion:
an = pan−1+qan−2
Jedes Folgenglied ist also eine Linearkombination der beiden vorangehenden Folgen- glieder (Walser 2012, S.15).
Der Grenzwert der Folge soll aber von null verschieden sein.
2 Beispiel
2.1 Arithmetisches Mittel Wir arbeiten mit der Rekursion:
an = 12an−1+12an−2
Jedes Folgenglied ist das arithmetische Mittel der beiden vorangehenden Folgenglieder.
Die Tabelle 1 zeigt Beispiele xn und yn mit zwei verschiedenen Startwertpaaren.
n xn yn
0 1 0
1 0 1
2 0.5 0.5
3 0.25 0.75 4 0.375 0.625 5 0.3125 0.6875 6 0.34375 0.65625 7 0.32812 0.67188 8 0.33594 0.66406 9 0.33203 0.66797 10 0.33398 0.66602 Tab.1: Zwei Beispiele
2.2 Visualisierungen
Wir fassen xn und yn als Koordinaten eines Punktes An(xn,yn) auf. Wir erhalten eine Punktfolge, in welcher jeder Punkt Mittelpunkt der beiden vorangehenden Folgenpunk- te ist (Abb. 1).
Abb. 1: Punktfolge
Die Punktfolge hat einen Grenzpunkt (Häufungspunkt) G
( )
13,23 . A0 A1A2 A3
A4 A5
1 1
x y
1 2 12
1 3 23
Die Abbildung 2 zeigt eine andere Visualisierung.
Abb. 2: Visualisierung 2.3 Beweis
Die Tabelle 1 lässt vermuten:
n→∞lim xn =13, lim
n→∞yn =23
Für den Beweis für die Folge xn arbeiten wir mit Brüchen relativ zum vermuteten Grenzwert (Tab. 2).
n xn
0 1=13+23 =13+23
( )
−12 0 1 0=13−13=13+23( )
−12 1 2 12 =13+16 =13+23( )
−12 2 3 14 =13−121 =13+23( )
−12 3 4 83=13+241 =13+23( )
−12 4 5 165 = 13−481 =13+23( )
−12 5 Tab. 2: Darstellung in Brüchen Es drängt sich die Vermutung für die explizite Formel auf:xn =13+23
( )
−12 nDies kann induktiv bewiesen werden. Für die Startwerte ist die Formel ok. Einsetzen in die Rekursionsformel ergibt:
12xn−1+12xn−2 = 12⎛⎝13+23
( )
−12 n−1⎞⎠+12 13+23
( )
−12 n−2⎛⎝ ⎞
⎠
= 13+23
( )
−12 n⎛⎝12( )
−12 −1+12( )
−12 −2⎞⎠!####"1####$= 13+23
( )
−12 n =xn Aus der expliziten Formel folgt der vermutete Grenzwert limn→∞xn = 13. Für die Folge yn gilt entsprechend:
yn =23−23
( )
−12 nFür die Folge an ergibt sich für die Startwerte a0 und a1 wegen der Linearität die Folge:
an =a0xn +a1yn =a0⎛⎝13+23
( )
−12 n⎞⎠+a1⎛⎝23−23( )
−12 n⎞⎠= 13a0+23a1+23
( )
−12 n(
a0−a1)
Weiter ist dann:n→∞lim an =13a0+23a1
Das heißt aber, dass wir mit geeigneter Wahl der Startwerte a0 und a1 jeden beliebigen Grenzwert erreichen können.
Die triviale Lösung besteht darin, die beiden Startwerte gleich dem anvisierten Grenz- wert zu setzen. Wir erhalten dann eine konstante Folge.
Wir können einen der beiden Startwerte normieren. Beispiel: Für den Grenzwert π ha- ben wir die Bedingung:
13a0+23a1=!π
Mit der Normierung a0= 0 ergibt sich a1=23π. Die Tabelle 3 zeigt die numerischen Werte.
n an 0 0.00000 1 4.71239 2 2.35619 3 3.53429 4 2.94524 5 3.23977 6 3.09251 7 3.16614 8 3.12932 9 3.14773 10 3.13852 11 3.14313 12 3.14083 13 3.14198 14 3.14140 15 3.14169 Tab. 3: Grenzwert π 2.4 Matrizen
Die Rekursion
an = 12an−1+12an−2 kann auch in Matrizenform geschrieben werden:
an an−1
⎡
⎣
⎢⎢
⎤
⎦
⎥⎥= 12 12 1 0
⎡
⎣
⎢⎢
⎤
⎦
⎥⎥
an−1 an−2
⎡
⎣
⎢⎢
⎤
⎦
⎥⎥
Damit wird explizit:
an an−1
⎡
⎣
⎢⎢
⎤
⎦
⎥⎥= 12 12 1 0
⎡
⎣
⎢⎢
⎤
⎦
⎥⎥
n−1 a1 a0
⎡
⎣
⎢⎢
⎤
⎦
⎥⎥
Die Tabelle 4 gibt einige Potenzen der Matrix A= 12 12 1 0
⎡
⎣
⎢⎢
⎤
⎦
⎥⎥:
n 1 2 3 4 5 6
An
12 1 2
1 0
⎡
⎣
⎢⎢
⎤
⎦
⎥⎥
43 1 4 12 1 2
⎡
⎣
⎢⎢
⎢
⎤
⎦
⎥⎥
⎥
58 3 8 34 1 4
⎡
⎣
⎢⎢
⎢
⎤
⎦
⎥⎥
⎥
1116 5 16 58 3
8
⎡
⎣
⎢⎢
⎢
⎤
⎦
⎥⎥
⎥
2132 11 32 1611 5
16
⎡
⎣
⎢⎢
⎢
⎤
⎦
⎥⎥
⎥
4364 21 64 2132 11 32
⎡
⎣
⎢⎢
⎢
⎤
⎦
⎥⎥
⎥ Tab. 4: Potenzen der Matrix
Es ist:
n→∞lim An =
23 1 3 2 3 1
3
⎡
⎣
⎢⎢
⎢
⎤
⎦
⎥⎥
⎥ Die Grenzmatrix ist singulär.
3 Allgemein
3.1 Formel von Binet
Für eine Folge mit der Rekursion an = pan−1+qan−2 und den Startwerten a0 und a1 gilt die explizite Formel (Formel von Binet):
an =γ 1
1−γ2
( (
a1−a0γ2)
γ1n+(
a0γ1−a1)
γ2n)
Dabei sind γ1,2 die Lösungen der quadratischen Gleichung (man beachte die abwei- chende Schreibweise zu der in der Schule üblichen „p-q-Formel“)
γ2−pγ −q=0 also:
γ1= p+
(
p2+4q)
122 und γ2 = p−
(
p2+4q)
122
Die Folge an ist also eine Linearkombination von zwei geometrischen Folgen mit den Quotienten γ1 und γ2 (Walser 2012, S.15, 16).
3.2 Sonderfall
Im Sonderfall p + q = 1 ist jedes Folgenglied ein gewichtetes Mittel der beiden voran- gehenden Folgenglieder.
In diesem Fall ist q = 1 – p und damit:
p2+4q
( )
12 =(
p2+4 1(
−p) )
12 =(
4−4p+ p2)
12 =( (2−p)
2)
12 =2− p
Daher wird:
γ1=1 und γ2 = p−1=−q Damit erhalten wir für die Formel von Binet:
an =1+q1
( (a1+qa0)
+(
a0−a1) ( )
−q n)
Für q <1 erhalten wir den Grenzwert:
n→∞lim an = a11+q+qa0
Somit haben wir drei freie Parameter, um einen anvisierten Grenzwert zu erhalten.
Wir kontrollieren die Grenzwertformel an unserem schon bekannten Beispiel der Folge xn. Es ist q=12 , x0 = 1, x1 = 0 und damit:
n→∞lim xn = x11+q+qx0 =1+121
2
= 13
3.3 Der Goldene Schnitt
Ein interessantes Beispiel ist folgendes. Wir arbeiten mit dem Goldenen Schnitt (Walser, 2013).
Φ=12
(
1+ 5)
≈1.6180339887499 Rekursion:an =
( )
Φ1 2an−1+Φ1 an−2Die Tabelle 5 gibt die numerischen Werte für zwei Startwertpaare.
n xn yn
0 1 0
1 0 1
2 0.61803 0.38197 3 0.23607 0.76393 4 0.47214 0.52786 5 0.32624 0.67376 6 0.41641 0.58359 7 0.36068 0.63932 8 0.39512 0.60488 9 0.37384 0.62616 10 0.38699 0.61301 Tab. 5: Goldener Schnitt Es ist:
n→∞lim xn =
( )
Φ1 2 und limn→∞yn = Φ1
Die Abbildung 3 illustriert die Lage der Punkte An(xn,yn).
Abb. 3: Goldener Schnitt
Der Punkt A2 unterteilt die Strecke A0A1im Verhältnis Minor-Mayor, der Grenzpunkt unterteilt dieselbe Strecke im umgekehrten Verhältnis. Wer Lust hat, kann ein Penta- gramm einpassen (Abb. 4).
A0 A1
A2 A3
A4 A5
A6
1 1
x y
1 1
12
1
2
Abb. 4: Pentagramm
A0 A1
A2 A3
A4 A5
A6
1 1
x y
1 1
12
12
Die Abbildung 5 zeigt das Analogon zur Abbildung 2.
Abb. 5: Die Goldene Fresse 3.4 Die Matrix
Die Rekursion kann wie folgt beschrieben werden:
an an−1
⎡
⎣
⎢⎢
⎤
⎦
⎥⎥= p q 1 0
⎡
⎣⎢
⎢
⎤
⎦⎥
⎥
an−1 an−2
⎡
⎣
⎢⎢
⎤
⎦
⎥⎥
Die Rekursionsmatrix hat die oben beschriebenen Eigenwerte:
γ1= p+
(
p2+4q)
122 und γ2 = p−
(
p2+4q)
122
Im Sonderfall p + q = 1 sind die beiden Zeilensummen 1. Bei nicht negativen Einträgen p und q handelt es sich um eine so genannte Übergangsmatrix (auch stochastische Mat- rix oder Prozessmatrix genannt).
4 Alternierende Rekursion 4.1 Die Rekursion
Wir verwenden zwei Zahlen p und q mit p + q = 1 und verfahren wie folgt.
n gerade: an = pan−1+qan−2 n ungerade: an =qan−1+pan−2
4.2 Beispiel
Für p=13 erhalten wir:
n xn yn
0 1 0
1 0 1
2 0.66666667 0.33333333 3 0.44444444 0.55555556 4 0.59259259 0.40740741 5 0.54320988 0.45679012 6 0.57613169 0.42386831 7 0.56515775 0.43484225 8 0.57247371 0.42752629 9 0.57003506 0.42996494 10 0.57166082 0.42833918 11 0.5711189 0.4288811 12 0.57148018 0.42851982 13 0.57135976 0.42864024 14 0.57144004 0.42855996 15 0.57141328 0.42858672 16 0.57143112 0.42856888 17 0.57142517 0.42857483 18 0.57142914 0.42857086 19 0.57142782 0.42857218 20 0.5714287 0.4285713
Tab. 6: Beispiel Wir vermuten:
n→∞lim xn = 47 und lim
n→∞yn = 37
Die Abbildung 6 illustriert den Sachverhalt.
Abb. 6: Grenzpunkt
Für beliebige Startwerte a0 und a1 erhalten wir den Grenzwert:
n→∞lim an = 47a0+73a1
4.3 Allgemein
Für ein beliebiges p und damit q = 1 – p erhalten wir für die Startwerte n xn yn an
0 1 0 a0 1 0 1 a1 die Grenzwerte:
n→∞lim xn = q2
p2+q und lim
n→∞yn = p
p2+q
sowie:
n→∞lim an = q2
p2+qa0+ p
p2+qa1 Beweis?
4.4 Nochmals der Goldene Schnitt
Wir wählen wiederum p=
( )
Φ1 2. Damit erhalten wir die Tabelle 7.n xn yn
0 1 0
1 0 1
2 0.61803399 0.38196601 3 0.38196601 0.61803399 4 0.52786404 0.47213596 5 0.47213595 0.52786405 6 0.50657781 0.49342219 7 0.49342219 0.50657781 8 0.50155281 0.49844719 9 0.49844719 0.50155281 10 0.50036657 0.49963343
Tab. 7: Goldener Schnitt
Interessant ist die jeweilige Vertauschung bei aufeinanderfolgenden Paaren.
Es ist
nlim→∞xn = lim
n→∞yn =12
Wir haben einen Drang zur Mitte (Abb. 7).
Abb. 7: Goldener Schnitt und Symmetrie
Die Abbildung 8 zeigt die zugenhörige Flächendarstellung.
Abb. 8: Symmetrischer Goldener Schnitt
Literatur
Walser, Hans (2012): Fibonacci. Zahlen und Figuren. Leipzig, EAGLE, Edition am Gutenbergplatz 2012. ISBN 978-3-937219-60-8.
Walser, Hans (6. Auflage). (2013). Der Goldene Schnitt. Mit einem Beitrag von Hans Wußing über populärwissenschaftliche Mathematikliteratur aus Leipzig.
Leipzig: Edition am Gutenbergplatz. ISBN 978-3-937219-85-1.