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Analysis 1

Kapitel 2 Stetigkeit

Vorlesungsausarbeitung zum WS 2000/01 von Prof. Dr. Klaus Fritzsche

Inhaltsverzeichnis

§1 Metrische R¨ aume . . . . 43

§2 Stetige Abbildungen. . . . 53

§3 Unendliche Reihen . . . . 61

§4 Folgen und Reihen von Funktionen . . . . 73

§5 Potenzreihen . . . . 77

§6 Elementare Funktionen . . . . 84

§7 Der Fundamentalsatz der Algebra . . . . 91

Diese Ausarbeitung darf nur f¨ ur den privaten Gebrauch kopiert oder gedruckt wer-

den. Jede unauthorisierte kommerzielle Nutzung wird strafrechtlich verfolgt!

(2)

§ 1 Metrische R¨ aume

Definition. Es sei X eine beliebige nicht-leere Menge.

Unter einer Metrik (oder Abstandsfunktion ) auf X versteht man eine Funktion d : X × X → R mit folgenden Eigenschaften:

1. d(x, y) ≥ 0 f¨ ur alle x, y ∈ X.

2. d(x, y) = 0 ⇐⇒ x = y.

3. d(x, y) = d(y, x) f¨ ur alle x, y ∈ X (Symmetrie).

4. d(x, y) ≤ d(x, z) + d(z, y) f¨ ur x, y, z ∈ X (Dreiecks-Ungleichung).

Ein metrischer Raum ist eine Menge X, zusammen mit einer Metrik d auf X.

Beispiele.

1. Klassisches Beispiel ist die Menge X = R mit der Abstandsfunktion d(x, y) :=

|x − y|. Die ersten drei Eigenschaften sind offensichtlich erf¨ ullt. Die Dreiecks- ungleichung zeigt man mit dem ¨ ublichen Trick:

d(x, y) = |x − y|

= |(x − z) + (z − y)|

≤ |x − z| + |z − y|

= d(z, x) + d(y, z).

2. Sei (X, d X ) ein metrischer Raum und Y ⊂ X. Dann ist auch (Y, d X | Y ) ein metrischer Raum.

Insbesondere kann man jede Teilmenge von R als einen metrischen Raum auffassen.

3. Sei X die Menge der Einwohner von Hamburg und d : X × X → R definiert durch

d(x, y) :=

0 falls x = y, 1 sonst.

Auch dies ergibt einen metrischen Raum.

4. Sei X = R 2 := {x = (x 1 , x 2 ) : x i ∈ R f¨ ur i = 1, 2}. Das ist das mathemati- sche Modell der Anschauungsebene. Wir setzen

d(x, y) := max(|x 1 − y 1 |, |x 2 − y 2 |).

Die Eigenschaften einer Metrik sind erf¨ ullt, wie man leicht nachrechnet. Aber

es handelt sich nat¨ urlich nicht um den anschaulichen Abstandsbegriff. Den

behandeln wir im folgenden Beispiel.

(3)

5. Als Menge legen wir den Raum

R n = {(x 1 , . . . , x n ) : x i ∈ R f¨ ur i = 1, . . . , n}

der geordneten n-Tupel reeller Zahlen zugrunde. In der Linearen Algebra lernt man, daß R n ein reeller Vektorraum ist, d.h. man kann die Elemente von R n addieren und mit reellen Zahlen multiplizieren:

(x 1 , . . . , x n ) + (y 1 , . . . , y n ) := (x 1 + y 1 , . . . , x n + y n ) und r · (x 1 , . . . , x n ) := (rx 1 , . . . , rx n ).

Bez¨ uglich der Addition ist R n eine kommutative Gruppe, mit dem Nullele- ment 0 = (0, . . . , 0) und dem Negativen −(x 1 , . . . , x n ) = (−x 1 , . . . , −x n ).

Außerdem gilt:

(r + s) · x = r · x + s · x f¨ ur r, s ∈ R , x ∈ R n , r · (x + y) = r · x + r · y f¨ ur r ∈ R , x, y ∈ R n ,

r · (s · x) = (rs) · x f¨ ur r, s ∈ R , x ∈ R n und 1 · x = x f¨ ur x ∈ R n .

Die Einheitsvektoren e 1 = (1, 0, . . . , 0), . . . , e n = (0, . . . , 0, 1) bilden eine Basis des R n , d.h. jeder

” Vektor“ x ∈ R n besitzt eine eindeutige Darstellung als Linearkombination der e i :

x = (x 1 , . . . , x n ) = x 1 · e 1 + · · · + x n · e n . Das Skalarprodukt zweier Vektoren x, y ∈ R n wird definiert als

x • y :=

n

X

i=1

x i y i . Es gilt:

(a) x • y = y • x. (klar!) (b) (x + y) • z = x • z + y • z.

Beweis:

(x + y) • z =

n

X

i=1

(x i + y i )z i =

n

X

i=1

x i z i +

n

X

i=1

y i z i = x • z + y • z.

(c) (r · x) • y = r(x • y).

(d) x • x =

n

X

i=1

x 2 i ≥ 0 f¨ ur alle x ∈ R n .

Und offensichtlich ist x • x = 0 genau dann, wenn x = 0 ist.

(4)

Auf die anschauliche Bedeutung des Skalarproduktes k¨ onnen wir an dieser Stelle nicht eingehen, wir betrachten es einfach als eine Rechengr¨ oße.

Die Zahl kxk := √

x • x = q

x 2 1 + · · · + x 2 n nennt man die Norm von x. Im Falle n = 1 ist kxk = |x|, im Falle n = 2 oder n = 3 kommt die euklidische L¨ ange des Vektors x heraus, gem¨ aß Pythagoras. Die Norm erf¨ ullt folgende Eigenschaften:

(a) Es ist immer kxk ≥ 0, und es ist kxk = 0 genau dann, wenn x = 0 ist.

(b) Ist r ∈ R , so ist kr · xk = |r| · kxk.

(c) Es gilt die

” Schwarzsche Ungleichung“:

(x • y) 2 ≤ kxk 2 · kyk 2 .

Gleichheit tritt genau dann auf, wenn x und y linear abh¨ angig sind, d.h.

wenn x ein Vielfaches von y oder y ein Vielfaches von x ist.

Die Schwarzsche Ungleichung m¨ ussen wir beweisen:

Ist y = 0, so ergibt sich auf beiden Seiten die Null. Daher k¨ onnen wir voraus- setzen, daß y 6= 0 ist. Wir benutzen eine beliebige reelle Zahl t und erhalten:

0 ≤ kx + t · yk 2 = (x + t · y) • (x + t · y)

= x • x + t 2 · y • y + 2t · x • y Setzen wir t := − x • y

kyk 2 ein, so ergibt sich:

0 ≤ x • x + (x • y) 2

kyk 2 − 2 · (x • y) 2

kyk 2 = kxk 2 − (x • y) 2 kyk 2 .

Multiplikation mit kyk 2 liefert die Schwarzsche Ungleichung. Offensichtlich gilt die Gleichheit genau dann, wenn x + t · y = 0 ist, also x = −t · y.

Behauptung: kx + yk ≤ kxk + kyk (Dreiecksungleichung).

Beweis: Es ist

kx + yk 2 = (x + y) • (x + y)

= x • x + 2 · x • y + y • y

≤ kxk 2 + 2 · |x • y| + kyk 2

≤ kxk 2 + 2 · kxk · kyk + kyk 2

= (kxk + kyk) 2 .

Jetzt k¨ onnen wir endlich den euklidischen Abstandsbegriff einf¨ uhren:

(5)

dist(x, y) := ky − xk.

Offensichtlich erf¨ ullt dist die ersten drei Eigenschaften einer Metrik. Außer- dem ist

dist(x, y) = ky − xk = k(y − z) + (z − x)k

≤ ky − zk + kz − xk

= dist(z, y) + dist(x, z).

Ausf¨ uhrlich geschrieben haben wir dist(x, y) = p

(y 1 − x 1 ) 2 + · · · + (y n − x n ) 2 . Das ist eine n-dimensionale Version des Pythagoras.

6. Ein Spezialfall ist die komplexe Ebene C ∼ = R 2 . Ist z eine komplexe Zahl, so nennt man |z| := √

zz den Betrag der komplexen Zahl. Er entspricht der Norm des Vektors z. Durch d(z, w) := |w − z| wird eine Metrik auf C definiert. Sie stimmt mit der euklidischen Metrik des R 2 uberein. ¨

Es sei nun (X, d) irgend ein metrischer Raum.

Definition. Sei x 0 ein Punkt aus X und ε > 0 eine reelle Zahl. Dann heißt U ε (x 0 ) := {x ∈ X : d(x, x 0 ) < ε}

die ε-Umgebung von x 0 .

In R ist U ε (x 0 ) = (x 0 − ε, x 0 + ε) ein offenes Intervall. In R 2 (oder C ) ist U ε (x 0 ) eine Kreisscheibe, wir schreiben dann auch D ε (x 0 ) (

” D“ f¨ ur das englische Wort

” disk“).

In R 3 ist U ε (x 0 ) eine Kugel, wir schreiben auch B ε (x 0 ) (

” B“ f¨ ur

” ball“). Der Rand geh¨ ort jeweils nicht zu der Menge.

Eine beliebige Teilmenge M ⊂ X heißt eine Umgebung von x 0 , falls es ein ε > 0 mit U ε (x 0 ) ⊂ M gibt. Der Punkt x 0 hat dann einen

” Sicherheitsabstand“ zum Rand der Umgebung. M seinerseits kann eine beliebige Gestalt haben.

Jede ε-Umgebung von x 0 ist auch eine allgemeine Umgebung von x 0 . Der Durch- schnitt von zwei Umgebungen eines Punktes ist wieder eine Umgebung dieses Punk- tes.

1.1 Hausdorffscher Trennungssatz. Sind x, y ∈ X zwei Punkte mit x 6= y, so gibt es Umgebungen U von x und V von y, so daß U ∩ V = ∅ ist.

Beweis: Wegen x 6= y ist r := d(x, y) > 0. Nun sei 0 < ε < r/2, U = U ε (x) und V = U ε (y).

W¨ are z ein Punkt in U ∩ V , so w¨ are

d(x, y) ≤ d(x, z) + d(z, y) < 2ε < r.

(6)

Das ist ein Widerspruch.

Definition. Eine Menge M ⊂ X heißt offen, falls es zu jedem x ∈ M ein ε > 0 gibt, so daß U ε (x) ⊂ M ist.

Eine Menge M ist also genau dann offen, wenn sie f¨ ur jeden ihrer Punkte eine Umgebung darstellt.

1.2 Satz. Jede ε-Umgebung ist eine offene Menge.

Beweis: Sei y ∈ U ε (x 0 ). Wir suchen eine δ-Umgebung von y, die noch ganz in U ε (x 0 ) enthalten ist. Dazu sei r := d(y, x 0 ). Dann ist 0 ≤ r < ε. Man kann eine positive reelle Zahl δ < ε − r finden. Ist x ∈ U δ (y), also d(x, y) < δ, so ist d(x, x 0 ) ≤ d(x, y) + d(y, x 0 ) < δ +r < (ε − r) + r = ε. Das zeigt, daß U δ (y) ⊂ U ε (x 0 ) ist.

1.3 Satz. Die offenen Mengen in einem metrischen Raum besitzen folgende Ei- genschaften:

1. X und die leere Menge sind offen.

2. Der Durchschnitt endlich vieler offener Mengen ist wieder offen.

3. Die Vereinigung beliebig vieler offener Mengen ist wieder offen.

Beweis: 1) F¨ ur X und ∅ ist der Beweis trivial.

2) Seien M 1 , . . . , M n offen und M := M 1 ∩ . . . ∩ M n . Ist x ∈ M , so gibt es Zahlen ε i > 0 mit U ε

i

(x) ⊂ M i f¨ ur i = 1, . . . , n. Setzt man ε := min(ε 1 , . . . , ε n ), so liegt U ε (x) in M.

3) Es sei M = {M ι : ι ∈ I} eine Familie von offenen Mengen, M = [

ι∈I

M ι deren Vereinigung, x ein Element von M . Dann gibt es ein ι mit x ∈ M ι . Also gibt es auch ein ε > 0, so daß U ε (x) ⊂ M ι ist. Aber dann ist erst recht U ε (x) ⊂ M .

Definition. Eine Menge M ⊂ X heißt abgeschlossen, falls X \ M offen ist.

1.4 Satz. Die abgeschlossenen Mengen in einem metrischen Raum besitzen fol- gende Eigenschaften:

1. X und die leere Menge sind abgeschlossen.

2. Die Vereinigung endlich vieler abgeschlossener Mengen ist wieder abgeschlos-

sen.

(7)

3. Der Durchschnitt beliebig vieler abgeschlossener Mengen ist wieder abge- schlossen.

Der Beweis ergibt sich unmittelbar aus den Regeln der Komplement-Bildung.

Definition. Sei M ⊂ X eine beliebige Teilmenge. Ein Punkt x 0 ∈ X heißt ein H¨ aufungspunkt der Menge M , falls in jeder Umgebung von x 0 unendlich viele (verschiedene) Punkte von M liegen.

Eine endliche Menge besitzt keine H¨ aufungspunkte. Auch Z hat keinen H¨ aufungs- punkt in R . Aber jede reelle Zahl ist ein H¨ aufungspunkt von Q .

Beispiel.

Sei M ⊂ R eine nach oben beschr¨ ankte Menge, x 0 := sup(M ). Nun gibt es zwei M¨ oglichkeiten:

Entweder existiert ein ε > 0, so daß M ∩ U ε (x 0 ) = {x 0 } ist, oder f¨ ur jedes ν ∈ N kann man ein Element x ν ∈ M mit x 01 ν ≤ x ν < x 0 finden (denn sonst w¨ are x 0 nicht die kleinste obere Schranke von M ). Im ersten Fall muß x 0 zu M geh¨ oren, und man nennt x 0 einen isolierten Punkt von M . Zugleich ist dann x 0 = max(M ). Im zweiten Fall wollen wir zeigen, daß x 0 ein H¨ aufungspunkt von M ist.

Sei ε > 0 vorgegeben. Wenn es nur endlich viele x ν in M ∩ U ε (x 0 ) g¨ abe, so k¨ onnten wir darunter ein gr¨ oßtes Element finden, etwa x n

0

. Aber da x 0 −x n

0

>

0 ist, gibt es ein n 1 ∈ N mit 1/n 1 < x 0 − x n

0

. Und dann gibt es ein x n

1

∈ M mit x n

0

< x 0 − 1/n 1 ≤ x n

1

< x 0 . Das ist ein Widerspruch.

Analoges gilt f¨ ur das Infimum einer nach unten beschr¨ ankten Menge.

1.5 Satz. Eine Teilmenge M eines metrischen Raumes X ist genau dann abge- schlossen, wenn sie alle ihre H¨ aufungspunkte enth¨ alt.

Beweis: 1) Sei M abgeschlossen und x 0 ein H¨ aufungspunkt von M . Wenn x 0

nicht zu M geh¨ ort, dann liegt x 0 in der offenen Menge X \ M . Also existiert ein ε > 0, so daß auch noch U := U ε (x 0 ) zu X \ M geh¨ ort. Das ist ein Widerspruch.

2) Es sei M eine Menge, die alle ihre H¨ aufungspunkte enth¨ alt. Wir betrachten einen beliebigen Punkt x 0 ∈ X \ M . Da x 0 kein H¨ aufungspunkt von M ist, gibt es eine Umgebung V = V (x 0 ) ⊂ X, die h¨ ochstens endlich viele Punkte y 1 , . . . , y m ∈ M enth¨ alt. Wegen der Hausdorffschen Trennungs-Eigenschaft gibt es Umgebungen U i = U i (y i ) und V i = V i (x 0 ) mit U i ∩ V i = ∅ , f¨ ur i = 1, . . . , m. Dann ist W :=

V ∩ V 1 ∩ . . . ∩ V m eine Umgebung von x 0 , die keinen Punkt von M enth¨ alt.

Weil so etwas mit jedem Punkt x 0 ∈ X \ M geht, ist X \ M offen und M selbst

abgeschlossen.

(8)

Definition. Ist M ⊂ X eine beliebige Teilmenge und H(M ) die Menge aller H¨ aufungspunkte von M , so nennt man M := M ∪ H(M) die abgeschlossene H¨ ulle oder den Abschluß von M .

1.6 Satz. Sei M eine beliebige Teilmenge eines metrischen Raumes X. Dann gilt:

1. M ist abgeschlossen.

2. M ist genau dann abgeschlossen, wenn M = M ist.

Beweis: 1) Ein Punkt x 0 ∈ X liegt genau dann in M , wenn M ∩ U ε (x 0 ) 6= ∅ f¨ ur jedes ε > 0 gilt. Man nennt einen solchen Punkt auch einen Ber¨ uhrungspunkt von M .

x 0 ist genau dann kein Ber¨ uhrungspunkt von M , wenn es ein ε > 0 gibt, so daß M ∩ U ε (x 0 ) = ∅ ist. Ist y ∈ U ε (x 0 ), so gibt es ein δ > 0, so daß U δ (y) ⊂ U ε (x 0 ) ⊂ X \ M ist. Aber dann kann y kein H¨ aufungspunkt von M sein. Das bedeutet, daß X \ M offen ist, also M abgeschlossen.

2) Es ist M ⊂ M . Ist M abgeschlossen, so ist H(M ) ⊂ M, also sogar M = M . Ist umgekehrt diese Gleichheit gegeben, so ist M abgeschlossen, nach (1).

Es ist (a, b) = [a, b], und im R n ist U ε (x 0 ) = {x ∈ X : d(x, x 0 ) ≤ ε}. In einem beliebigen metrischen Raum gilt i.a. nur

” ⊂“. So ist z.B. im metrischen Raum Z jede Teilmenge zugleich offen und abgeschlossen, und es ist dort U 1 (0) = {z ∈ Z :

|z| < 1} = {0}, U 1 (0) = {0} und {z ∈ Z : |z| ≤ 1} = {−1, 0, 1}.

Definition. Eine Folge (x ν ) von Punkten in X konvergiert gegen einen Punkt x 0 , falls folgende Bedingung erf¨ ullt ist:

∀ ε > 0 ∃ ν 0 , so daß ∀ ν ≥ ν 0 gilt: d(x ν , x 0 ) < ε.

Man schreibt dann: lim

ν→∞ x ν = x 0 .

Man kann auch sagen: (x ν ) konvergiert in X gegen x 0 , falls d(x ν , x 0 ) in R gegen 0 konvergiert.

Im metrischen Raum R ergibt das den bereits bekannten Konvergenzbegriff. Wie dort folgt auch in beliebigen R¨ aumen, daß der Grenzwert eindeutig bestimmt ist.

Betrachten wir jetzt den R n mit der euklidischen Metrik. Ist x ν = (x (ν) 1 , . . . , x (ν) n ) eine Punktfolge und x 0 = (x (0) 1 , . . . , x (0) n ) ein fester Punkt, so ist

dist(x ν , x 0 ) = kx ν − x 0 k = q

(x (ν) 1 − x (0) 1 ) 2 + · · · + (x (ν) n − x (0) n ) 2 .

(9)

dist(x ν , x 0 ) konvergiert offensichtlich genau dann gegen 0, wenn |x (ν) i − x (0) i | f¨ ur jedes i gegen Null konvergiert. Die Folge (x ν ) konvergiert also genau dann, wenn alle Komponenten (x (ν) i ) konvergieren.

1.7 Satz. Eine Teilmenge M in einem metrischen Raum X ist genau dann abgeschlossen, wenn gilt:

Ist (x ν ) eine Folge in M , die in X konvergiert, so liegt der Grenzwert ebenfalls in M .

Beweis: 1) Sei M abgeschlossen, (x ν ) eine Folge in M und x 0 = lim

ν→∞ x ν . Ist die Menge der Folgeglieder endlich, so muß x 0 eines dieser Folgeglieder sein und daher in M liegen. Ist sie unendlich, so ist x 0 ein H¨ aufungspunkt von M und es folgt ebenfalls, daß x 0 in M liegt.

2) M erf¨ ulle das Kriterium und x 0 sei ein H¨ aufungspunkt von M . Dann liegt in jeder (1/ν )-Umgebung von x 0 ein Punkt x ν ∈ M . Offensichtlich konvergiert (x ν ) gegen x 0 . Also liegt x 0 schon in M . Wir haben gezeigt, daß M abgeschlossen ist.

Eine Menge M ⊂ R n heißt beschr¨ ankt, falls es ein R > 0 gibt, so daß M in der Kugel B R (0) = {x ∈ R n : d(x, 0) < R} enthalten ist. Eine Folge im R n heißt beschr¨ ankt, wenn die Menge der Folgeglieder beschr¨ ankt ist. Es gilt folgende Verallgemeinerung des Satzes von Bolzano-Weierstraß:

1.8 Satz. Sei x ν = (x (ν) 1 , . . . , x (ν) n ) eine beschr¨ ankte Folge im R n . Dann besitzt (x ν ) eine konvergente Teilfolge.

Beweis: Es gibt ein R > 0, so daß alle x ν in B R (0) liegen. Aber dann liegen sie erst recht in I n = I × . . . × I , mit I := [−R, R].

(x (ν) 1 ) besitzt eine konvergente Teilfolge (x (ν(i 1

1

)) ) mit einem Grenzwert x (0) 1 ∈ I.

(x (ν(i 2

1

)) ) besitzt eine konvergente Teilfolge (x (ν(i 2

2

)) ) mit einem Grenzwert x (0) 2 ∈ I, usw.

Schließlich erh¨ alt man eine konvergente Teilfolge (x ν(i

n

) ) von (x ν ).

Definition. Eine Folge (x ν ) in einem metrischen Raum X heißt eine Cauchy- Folge, falls folgende Bedingung erf¨ ullt ist:

∀ ε > 0 ∃ ν 0 , so daß ∀ ν, µ ≥ ν 0 gilt: d(x ν , x µ ) < ε.

1.9 Satz. Ist (x ν ) konvergent, so ist (x ν ) eine Cauchyfolge.

Beweis: Sei x 0 der Grenzwert der Folge, ε > 0 vorgegeben und ν 0 so gew¨ ahlt,

daß d(x ν , x 0 ) < ε/2 f¨ ur ν ≥ ν 0 ist. Dann folgt f¨ ur ν, µ ≥ ν 0 :

(10)

d(x ν , x µ ) ≤ d(x ν , x 0 ) + d(x 0 , x µ ) < ε.

Also ist (x ν ) eine Cauchy-Folge.

Definition. Ein metrischer Raum X heißt vollst¨ andig, falls jede Cauchyfolge in X einen Grenzwert in X hat.

Beispiele.

1. R ist vollst¨ andig.

Um das zu zeigen, betrachten wir eine Cauchyfolge (x ν ). Wir m¨ ussen einen Grenzwert finden. Zun¨ achst ist (x ν ) beschr¨ ankt: ist ε > 0 vorgegeben, so gibt es ein ν 0 , so daß |x ν − x ν

0

| < ε f¨ ur alle ν ≥ ν 0 ist. Ist außerdem

r := max(ε, |x 1 − x ν

0

|, . . . , |x ν

0

−1 − x ν

0

|), so liegen alle Folgeglieder in [x ν

0

− r, x ν

0

+ r].

Wir wissen nun, daß eine Teilfolge (x ν

i

) existiert, die gegen eine reelle Zahl x 0 konvergiert. Sei ε > 0 vorgegeben. Es gibt ein ν 0 , so daß |x ν − x µ | < ε/2 f¨ ur ν, µ ≥ ν 0 ist. Und es gibt ein i 0 mit ν i

0

≥ ν 0 und |x ν

i

0

− x 0 | < ε/2. Daraus folgt:

|x ν − x 0 | ≤ |x ν − x ν

i

0

| + |x ν

i

0

− x 0 | < ε/2 + ε/2 = ε.

(x ν ) konvergiert selbst gegen x 0 . Das liefert das

” Cauchy-Kriterium“ f¨ ur die Konvergenz von Zahlenfolgen:

Eine Folge (x ν ) in R ist genau dann konvergent, wenn gilt:

∀ ε > 0 ∃ ν 0 s.d. ∀ ν, µ ≥ ν 0 : |x ν − x µ | < ε.

Dies ist eine weitere M¨ oglichkeit, die Konvergenz einer Zahlenfolge festzustel- len, ohne den Grenzwert zu kennen.

2. Da die Konvergenz von Vektorfolgen auf die Komponenten zur¨ uckgef¨ uhrt werden kann, ergibt sich auch, daß der R n (und insbesondere C ) vollst¨ andig ist.

3. Jede abgeschlossene Teilmenge eines vollst¨ andigen Raumes ist wieder ein vollst¨ andiger Raum.

4. Ein offenes Intervall in R ist nicht vollst¨ andig. Auch die Menge Q der ratio-

nalen Zahlen ist nicht vollst¨ andig.

(11)

Definition. Eine Teilmenge K eines metrischen Raumes X heißt kompakt, falls jede Punktfolge in K eine (in K) konvergente Teilfolge besitzt.

1.10 Satz von Heine-Borel. Eine Teilmenge K des R n ist genau dann kom- pakt, wenn sie abgeschlossen und beschr¨ ankt ist.

Beweis: 1) Sei K kompakt. Ist K nicht beschr¨ ankt, so gibt es eine Punktfolge (x ν ) in K mit kx ν k > ν. Dann ist auch jede Teilfolge von (x ν ) unbeschr¨ ankt. Das ist ein Widerspruch.

Sei nun x 0 ein H¨ aufungspunkt von K. Dann gibt es f¨ ur jedes ν einen Punkt x ν ∈ K∩

B 1/ν (x 0 ). Die Folge (x ν ) konvergiert gegen x 0 , und nach Voraussetzung konvergiert eine Teilfolge gegen ein Element von K. Das muß dann aber x 0 sein. Also ist K abgeschlossen.

2) Sei jetzt K als abgeschlossen und beschr¨ ankt vorausgesetzt. Eine Punktfolge in K ist dann ebenfalls beschr¨ ankt und eine Teilfolge davon konvergiert gegen ein x 0 ∈ X. Aber weil K abgeschlossen ist, liegt x 0 in K.

Bemerkung. Genau wie im R n beweist man auch in beliebigen metrischen R¨ aumen: Jede kompakte Teilmenge ist abgeschlossen.

1.11 Satz. Ein kompakter metrischer Raum ist vollst¨ andig.

Beweis: Ist (x ν ) eine Cauchyfolge in einem kompakten Raum X, so besitzt sie eine konvergente Teilfolge. Wie im Beweis der Vollst¨ andigkeit von R zeigt man nun, daß bereits die urspr¨ ungliche Folge gegen den Grenzwert der Teilfolge konvergiert.

Umgekehrt braucht ein vollst¨ andiger metrischer Raum nicht kompakt zu sein, wie man am Beispiel X = R sieht.

Beispiele.

1. In R ist jedes abgeschlossene Intervall kompakt. Im R n ist jede abgeschlossene Kugel

B r (x 0 ) = {x ∈ R n : kx − x 0 k ≤ r}

kompakt. Vorsicht! In einem beliebigen metrischen Raum braucht eine sol- che abgeschlossene

” Kugel“ nicht kompakt zu sein! Auch dann nicht, wenn oben die Gleichheit gilt.

2. Jede endliche Teilmenge eines metrischen Raumes ist kompakt.

3. Sei (x ν ) eine konvergente Punktfolge in einem metrischen Raum X, mit

Grenzwert x 0 . Dann ist M := {x 0 } ∪ {x ν : ν ∈ N } kompakt. Man sieht

das so: Jede Folge in M ist eine Teilfolge von (x ν ), oder die Folgeglieder neh-

men nur endlich viele Werte an. In beiden F¨ allen gibt es eine Teilfolge, die in

M konvergiert.

(12)

4. Ist X ein kompakter metrischer Raum und M ⊂ X eine abgeschlossene Teil- menge, so ist auch M kompakt. Der Beweis ist trivial.

§ 2 Stetige Abbildungen

Definition. Sei f : X → Y eine Abbildung zwischen zwei metrischen R¨ aumen.

f heißt stetig in x 0 ∈ X, falls gilt:

∀ ε > 0 ∃ δ > 0 s.d. ∀ x ∈ X mit d X (x, x 0 ) < δ gilt: d Y (f(x), f(x 0 )) < ε.

f heißt stetig, falls f in jedem Punkt von X stetig ist.

Ist M ⊂ R , so ist eine Funktion f : M → R stetig in x 0 , falls gilt:

∀ ε > 0 ∃ δ > 0 s.d. gilt: Ist |x − x 0 | < δ, so ist |f(x) − f(x 0 )| < ε.

Anschaulich bedeutet dies: Man kann eine beliebig kleine Schranke ε vorgeben.

Wenn x nur nahe genug bei x 0 ist, so sind die Bildpunkte f(x) und f (x 0 ) um weniger als ε voneinander entfernt.

2.1 Satz. Folgende Aussagen sind ¨ aquivalent:

1. f ist stetig in x 0 .

2. Zu jeder Umgebung V = V (f (x 0 )) gibt es eine Umgebung U = U (x 0 ) mit f(U ) ⊂ V .

3. F¨ ur jede Folge (x ν ) in X mit lim

ν→∞ x ν = x 0 gilt auch lim

ν→∞ f(x ν ) = f (x 0 ).

Beweis: (1) = ⇒ (2):

Ist V eine Umgebung von f (x 0 ), so enth¨ alt V eine ε-Umgebung von f(x 0 ). Nach Definition der Stetigkeit gibt es ein δ > 0 mit f(U δ (x 0 )) ⊂ U ε (f(x 0 )). Wir setzen U := U δ (x 0 ).

(2) = ⇒ (3):

Sei (x ν ) eine Folge in X, die gegen x 0 konvergiert. Außerdem sei ein ε > 0 vorgege- ben. Es gibt eine Umgebung U = U (x 0 ) mit f(U ) ⊂ U ε (f (x 0 )). F¨ ur ein geeignetes ν 0 liegen alle Folgeglieder x ν mit ν ≥ ν 0 in U . Dann ist d Y (f(x ν ), f(x 0 )) < ε f¨ ur ν ≥ ν 0 . Das bedeutet, daß (f(x ν )) gegen f (x 0 ) konvergiert.

(3) = ⇒ (1):

Es sei das Folgenkriterium erf¨ ullt. Wir nehmen an, f sei nicht stetig in x 0 . Dann gibt es ein ε > 0, so daß zu jedem ν ∈ N ein x ν mit d X (x ν , x 0 ) < 1/ν und d Y (f(x ν ), f(x 0 )) ≥ ε existiert. Aber das kann nicht sein.

Auch f¨ ur die globale Stetigkeit haben wir ¨ aquivalente Formulierungen.

2.2 Satz. Folgende Aussagen ¨ uber f : X → Y sind ¨ aquivalent:

(13)

1. f ist stetig.

2. Ist M ⊂ Y offen, so ist auch f −1 (M) ⊂ X offen.

3. Ist A ⊂ Y abgeschlossen, so ist auch f −1 (A) ⊂ X abgeschlossen.

Beweis: (1) = ⇒ (3):

Sei f stetig, A ⊂ Y abgeschlossen und (x ν ) eine Punktfolge in f −1 (A), die gegen ein x 0 ∈ X konvergiert. Dann liegen die Punkte y ν := f (x ν ) in A, und die Folge (y ν ) konvergiert gegen f (x 0 ). Weil A abgeschlossen ist, geh¨ ort f(x 0 ) auch zu A, also x 0 zu f −1 (A). Das bedeutet, daß f −1 (A) abgeschlossen ist.

(3) = ⇒ (2):

Trivial, weil X \ f −1 (M ) = f −1 (Y \ M ) ist.

(2) = ⇒ (1):

Sei x 0 ∈ X und y 0 := f (x 0 ). Sei außerdem ein ε > 0 vorgegeben. Nach Voraus- setzung ist f −1 (U ε (y 0 )) eine offene Menge, die den Punkt x 0 enth¨ alt. Also gibt es ein δ > 0 mit U δ (x 0 ) ⊂ f −1 (U ε (y 0 )), also f (U δ (x 0 )) ⊂ U ε (f (x 0 )). Das ergibt die Stetigkeit in x 0 und damit in jedem beliebigen Punkt von X.

2.3 Satz. Es seien f : X → Y und g : Y → Z Abbildungen zwischen metrischen R¨ aumen. Ist f stetig in x 0 ∈ X und g stetig in y 0 := f (x 0 ) ∈ Y , so ist auch g ◦ f : X → Z stetig in x 0 .

Beweis: Sei z 0 := g(y 0 ) = (g ◦ f)(x 0 ) und W = W (z 0 ) ⊂ Z eine Umgebung.

Dann gibt es eine Umgebung V = V (y 0 ) ⊂ Y mit g(V ) ⊂ W , sowie eine Umgebung U = U (x 0 ) ⊂ X mit f (U) ⊂ V . Es folgt, daß (g ◦ f )(U) ⊂ W ist, also g ◦ f stetig in x 0 .

Beispiele.

1. Besteht Y nur aus einem einzigen Punkt y 0 , so ist jede Abbildung f : X → Y stetig, denn es ist f −1 (Y ) = X und Y die einzige offene Umgebung von y 0 . Insbesondere ist jede konstante Funktion auf R stetig.

2. Ist X ein metrischer Raum, so ist die identische Abbildung id X : X → X stetig, denn id −1 X (M ) = M f¨ ur jede (und insbesondere jede offene) Teilmenge von X.

Speziell ist die Funktion f (x) = x auf R stetig.

3. Ist f : X → Y stetig (in x 0 ) und M ⊂ X eine Teilmenge (mit x 0 ∈ M), so

ist auch f| M : M → Y stetig (in x 0 ).

(14)

Es seien nun eine Zahl x 0 ∈ R und zwei Funktionen f 1 : (−∞, x 0 ] → R und f 2 : [x 0 , +∞) → R gegeben. Sind f 1 , f 2 beide stetig und f 1 (x 0 ) = f 2 (x 0 ), so ist auch

f (x) :=

f 1 (x) f¨ ur x ≤ x 0 , f 2 (x) f¨ ur x > x 0

stetig auf R . Dazu brauchen wir nur das Verhalten bei x 0 zu untersuchen.

Sei y 0 := f (x 0 ) = f 1 (x 0 ) = f 2 (x 0 ). Sei ε > 0 vorgegeben. Es gibt Zahlen δ 1 , δ 2 > 0, so daß |f 1 (x) − y 0 | < ε f¨ ur x ≤ x 0 und |x − x 0 | < δ 1 ist, sowie

|f 2 (x) − y 0 | < ε f¨ ur x > x 0 und |x − x 0 | < δ 2 . Setzen wir δ := min(δ 1 , δ 2 ), so ist |f (x) − y 0 | < ε f¨ ur |x − x 0 | < δ.

4. Eine Abbildung f : R n → R m heißt linear, falls gilt:

f(x + y) = f (x) + f (y), f¨ ur x, y ∈ R n , und f (λx) = λ · f (x) f¨ ur λ ∈ R , x ∈ R n .

Bezeichnen wir die Einheitsvektoren im R n mit e 1 , . . . , e n , so erhalten wir f¨ ur x = x 1 e 1 + · · · + x n e n die Absch¨ atzung

kf (x)k = k

n

X

i=1

x i · f(e i )k

n

X

i=1

|x i | · kf(e i )k

≤ C · max

i |x i |

≤ C · kxk, wobei C = P n

i=1 kf (e i )k eine nur von f abh¨ angige Konstante ist.

Aus der gewonnenen Ungleichung leitet man sofort ab, daß f im Nullpunkt stetig ist. Es ist jetzt aber auch

kf (x) − f (y)k = kf (x − y)k ≤ C · kx − yk.

Daraus folgt, daß f uberall stetig ist. ¨

Insbesondere ist jede Funktion f(x) := ax (mit a 6= 0) stetig. Zusammen mit dem vorigen Beispiel ergibt das auch die Stetigkeit der Funktion f(x) := |x|.

5. Es sei X ein metrischer Raum, und es seien stetige Abbildungen f, g : X → R m gegeben. Dann sind auch die Abbildungen f + g : X → R m und f • g : X → R (mit (f • g)(x) := f (x) • g(x)) stetig.

Beweis: Man braucht nur die Stetigkeit in einem Punkt zu untersuchen und

benutzt am besten das Folgenkriterium und die Konvergenzs¨ atze, z.B.:

(15)

Aus x ν → x 0 folgt: f(x ν ) → f (x 0 ) und g(x ν ) → g(x 0 ), und dann (f + g)(x ν ) = f (x ν ) + g(x ν ) → f (x 0 ) + g(x 0 ) = (f + g )(x 0 ).

Daraus folgt z.B., daß alle reellen Polynome stetig sind.

6. Eine Abbildung f = (f 1 , . . . , f m ) : X → R m ist genau dann stetig, wenn alle Komponenten-Funktionen f i : X → R stetig sind. Eine komplexe Funktion f ist deshalb genau dann stetig, wenn Realteil und Imagin¨ arteil stetig sind, und dann folgt, daß auch f stetig ist. Mit ¨ ahnlichen Argumenten wie oben folgt, daß auch alle komplexen Polynome stetig sind.

2.4 Satz. Sei X ein metrischer Raum und f : X → R eine stetige Funktion.

Dann ist die Menge M := {x ∈ X : f(x) > 0} offen.

Beweis: Sei x 0 ∈ M , r 0 := f(x 0 ). Ist 0 < ε < r 0 , so gibt es ein δ > 0, so daß

|f (x) − f (x 0 )| < ε f¨ ur x ∈ U δ (x 0 ) ist. F¨ ur jedes x ∈ U δ (x 0 ) ist dann 0 < r 0 − ε = f (x 0 ) − ε < f (x), also x ∈ M . Daraus folgt, daß M offen ist.

2.5 Folgerung 1. f, g : X → R seien stetig. Dann gilt:

1. {x ∈ X : f(x) < g(x)} ist offen.

2. {x ∈ X : f(x) = g(x)} und {x ∈ X : f (x) ≤ g(x)} sind abgeschlossen.

Beweis: 1) {f < g} = {g − f > 0} ist offen, wegen des Satzes.

2) Da auch {f > g} offen ist, muß {f 6= g} offen sein, also {f = g} abgeschlossen.

Schließlich ist {f ≤ g} das Komplement von {f > g}, also ebenfalls abgeschlossen.

2.6 Folgerung 2. Sei f : X → R stetig, x 0 ∈ X und f (x 0 ) 6= 0. Dann gibt es eine Umgebung U = U(x 0 ) ⊂ X, so daß f(x) 6= 0 f¨ ur x ∈ U ist. Die auf U definierte Funktion 1

f ist stetig in x 0 .

Beweis: Der erste Teil der Aussage folgt sofort aus den obigen Resultaten. Die Stetigkeit von 1/f ergibt sich aus dem Folgenkriterium und den Konvergenzs¨ atzen.

2.7 Folgerung 3. Sind f und g reelle Polynome, so ist die

” rationale Funktion“

f /g stetig auf der Menge {x ∈ R : g(x) 6= 0}.

2.8 Satz. Sei f : X → Y eine stetige Abbildung zwischen metrischen R¨ aumen.

Ist K ⊂ X kompakt, so ist auch f (K) kompakt.

Beweis: Sei (y ν ) eine Folge von Punkten in f (K). Dann gibt es zu jedem ν einen

Punkt x ν ∈ K mit f (x ν ) = y ν . Weil K kompakt ist, besitzt die Folge (x ν ) eine

(16)

konvergente Teilfolge (x ν

i

), ihr Grenzwert in K sei mit x 0 bezeichnet. Wegen der Stetigkeit von f konvergiert (y ν

i

) gegen f (x 0 ), und dieser Punkt liegt in f (K).

2.9 Folgerung. Sei X ein kompakter metrischer Raum. Dann nimmt jede Funk- tion f : X → R auf X ihr Maximum und ihr Minimum an.

Beweis: f (X) ⊂ R ist kompakt, also abgeschlossen und beschr¨ ankt. Demnach existieren y − := inf f (X) und y + := sup f(X), und sie sind in f (X) enthalten. Also gibt es Punkte x − und x + in X mit f (x − ) = y − und f (x + ) = y + .

Insbesondere nimmt eine stetige Funktion f : [a, b] → R (auf einem abgeschlossenen Intervall) Maximum und Minimum an und ist demnach beschr¨ ankt. Zwischen dem minimalen und dem maximalen Wert gibt es keine L¨ ucken, wie die folgenden S¨ atze zeigen.

2.10 Satz von Bolzano. Sei f : [a, b] → R stetig, f (a) < 0 und f (b) > 0. Dann gibt es ein x 0 ∈ [a, b] mit f (x 0 ) = 0.

Beweis: Die Menge N := {x ∈ [a, b] : f(x) < 0} ist nicht leer und nach oben beschr¨ ankt, also existiert x 0 := sup(N ), und es ist a ≤ x 0 ≤ b. Weil N offen in [a, b] ist, muß x 0 > a sein. Daher gibt es eine Folge (x ν ) in N mit a < x ν < x 0 und

ν→∞ lim x ν = x 0 . Weil f(x ν ) < 0 f¨ ur alle ν ist, muß auch f (x 0 ) ≤ 0 sein. Insbesondere ist x 0 < b.

W¨ are f (x 0 ) < 0, so w¨ are x 0 ∈ N . Aus der Offenheit von N folgt dann, daß x 0 keine obere Schranke von N sein kann. Das ist ein Widerspruch. Es muß f(x 0 ) = 0 sein.

2.11 Zwischenwertsatz. Sei f : [a, b] → R stetig und f (a) < c < f(b). Dann gibt es ein x ∈ [a, b] mit f (x) = c.

Beweis: Sei F (x) := f (x) − c. Dann ist F (a) < 0 und F (b) > 0, und nach dem Satz von Bolzano existiert ein x ∈ [a, b] mit F (x) = 0. Also ist f (x) = c.

Insbesondere folgt, daß das stetige Bild eines abgeschlossenen Intervalls wieder ein abgeschlossenes Intervall ist.

Definition. Eine Abbildung f : X → Y zwischen metrischen R¨ aumen heißt ein Hom¨ oomorphismus oder eine topologische Abbildung, falls gilt:

1. f ist stetig, 2. f ist bijektiv,

3. f −1 ist ebenfalls stetig.

(17)

2.12 Satz. Sei X kompakt und f : X → Y stetig und bijektiv. Dann ist f ein Hom¨ oomorphismus.

Beweis: Da f bijektiv ist, existiert f −1 : Y → X. Zu zeigen bleibt, daß diese Abbildung stetig ist. Dazu sei A ⊂ X abgeschlossen. Dann ist A sogar kompakt, und auch (f −1 ) −1 (A) = f (A) ist kompakt und insbesondere abgeschlossen.

Unter einem Intervall in R verstehen wir hier eine Menge der Gestalt [a, b], (a, b), [a, b), (a, b], (−∞, b], (−∞, b), [a, ∞), (a, ∞) oder R = (−∞, ∞).

Definition. Sei I ⊂ R ein Intervall. Eine Funktion f : I → R heißt monoton (bzw. streng monoton) wachsend, falls f¨ ur beliebige Elemente x 1 , x 2 ∈ I gilt:

x 1 < x 2 = ⇒ f (x 1 ) ≤ f(x 2 ) (bzw. f (x 1 ) < f (x 2 )).

Analog heißt f monoton (bzw. streng monoton) fallend, falls gilt:

x 1 < x 2 = ⇒ f (x 1 ) ≥ f(x 2 ) (bzw. f (x 1 ) > f (x 2 )).

In beiden F¨ allen sagen wir, f ist monoton (bzw. streng monoton).

2.13 Satz. Die folgenden Aussagen ¨ uber eine stetige Funktion f : [a, b] → R sind ¨ aquivalent:

1. f ist streng monoton.

2. f ist injektiv.

3. f : [a, b] → f([a, b]) ist ein Hom¨ oomorphismus.

Beweis: (1) = ⇒ (2) ist trivial.

(2) = ⇒ (3): f : [a, b] → f([a, b]) ist nach Voraussetzung stetig und bijektiv. Weil [a, b] kompakt ist, ist f sogar ein Hom¨ oomorphismus.

(3) = ⇒ (1): Aus der Voraussetzung folgt insbesondere, daß f injektiv ist. Also ist f (a) 6= f(b), und wir k¨ onnen annehmen, daß f(a) < f (b) ist. Nun betrachten wir zwei beliebige Zahlen x 1 , x 2 mit a ≤ x 1 < x 2 ≤ b und bilden die Funktion

g(t) := f (a + t(x 1 − a)) − f (b − t(b − x 2 )), f¨ ur 0 ≤ t ≤ 1.

g ist als Zusammensetzung stetiger Funktionen selbst wieder stetig. Es ist g (0) = f (a) − f (b) < 0 und g(1) = f (x 1 ) − f (x 2 ). W¨ are g(1) > 0, so m¨ ußte nach Bolzano g(t) = 0 f¨ ur ein t ∈ [0, 1] gelten, also f(a + t(x 1 − a)) = f(b − t(b − x 2 )). Da a ≤ a + t(x 1 − a) ≤ x 1 < x 2 ≤ b − t(b − x 2 ) ≤ b ist, erg¨ abe sich ein Widerspruch zur Injektivit¨ at von f .

Da auch g (1) = 0 unm¨ oglich ist, muß g (1) < 0 sein, also f(x 1 ) < f (x 2 ). f ist streng

monoton wachsend. W¨ aren wir von der Ungleichung f (a) > f (b) ausgegangen, so

h¨ atten wir herausbekommen, daß f streng monoton f¨ allt.

(18)

Wir haben gezeigt, daß eine streng monotone stetige Funktion umkehrbar ist und daß die Umkehrfunktion wieder stetig und streng monoton ist.

Da f(x) := x n f¨ ur x ≥ 0 streng monoton wachsend ist, ist √

n

x ebenfalls stetig und streng monoton. Als Anwendung erh¨ alt man z.B., daß z 7→ |z| stetig auf C und x 7→ kxk stetig auf dem R n ist.

Bemerkung. Eine monotone Funktion braucht nicht stetig zu sein. Allerdings hat sie keine zu schlimmen Unstetigkeitsstellen, wie wir weiter unten sehen werden.

Definition. Sei X ein metrischer Raum, M ⊂ X eine beliebige Teilmenge, x 0 ∈ X ein H¨ aufungspunkt von M (der zu M geh¨ oren kann, aber nicht muß) und f : M → R eine Funktion.

Wir sagen, der Grenzwert von f(x) f¨ ur x gegen x 0 existiert, falls es eine reelle Zahl c gibt, so daß die Funktion f b : M ∪ {x 0 } → R mit

f b (x) :=

f (x) f¨ ur x 6= x 0 c f¨ ur x = x 0

stetig in x 0 ist.

Wir schreiben dann: lim

x→x

0

f (x) = c.

Der Grenzwert von f (x) f¨ ur x → x 0 existiert genau dann, wenn es ein c gibt, so daß f¨ ur alle Folgen (x ν ) in M mit x ν 6= x 0 und lim

ν→∞ x ν = x 0 gilt: lim

ν→∞ f (x ν ) = c.

Bei Funktionen, die auf einer Teilmenge von R definiert sind, kann man zus¨ atzlich zwischen Ann¨ aherung von links und von rechts unterscheiden. Sei x 0 ∈ R , U = U (x 0 ) ⊂ R eine Umgebung und f : U \ {x 0 } → R eine Funktion. Gibt es ein c ∈ R , so daß f¨ ur alle Folgen (x ν ) in U mit x ν < x 0 und x ν → x 0 der Grenzwert lim

ν→∞ f (x ν ) existiert und = c ist, so sagt man, daß der linksseitige Grenzwert

x→x lim

0

− f(x) =: f (x 0 −)

existiert (und = c ist). Analog definiert man den rechtsseitigen Grenzwert f(x 0 +) =

x→x lim

0

+ f (x). Wenn beide Grenzwerte existieren und ¨ ubereinstimmen, so ist f stetig in x 0 (den sehr einfachen Beweis daf¨ ur m¨ oge sich jeder selbst ¨ uberlegen). Wenn die Grenzwerte existieren, aber verschieden sind, dann sprechen wir von einer Sprung- stelle (der H¨ ohe |f(x 0 +) − f (x 0 −)| ).

Ist nun f eine monoton wachsende Funktion auf einem Intervall I und x 0 ∈ I kein Randpunkt des Intervalls, so folgt schon, daß der linksseitige und der rechtsseitige Limes von f (x) in x 0 existiert, und es ist f(x 0 −) ≤ f(x 0 ) ≤ f (x 0 +).

Zum Beweis betrachte man die Menge M := {f (x) : x ∈ I und x < x 0 }. Of-

fensichtlich ist M nicht leer und durch f (x 0 ) nach oben beschr¨ ankt. Also exi-

stiert y 0 := sup(M ) ≤ f(x 0 ). Ist ε > 0 vorgegeben, so gibt es ein x 0 < x 0 mit

(19)

f (x 0 ) > y 0 − ε. Sei (x ν ) eine Folge, die von unten gegen x 0 konvergiert. Dann gibt es ein ν 0 , so daß x 0 < x ν < x 0 f¨ ur ν ≥ ν 0 ist. Aber dann folgt:

y 0 − ε < f (x 0 ) ≤ f (x ν ) ≤ y 0 < y 0 + ε, also |f (x ν ) − y 0 | < ε. Es ist lim

x→x

0

− f (x) = y 0 . Genauso funktioniert es auf der rechten Seite von x 0 .

F¨ ur monoton fallende Funktionen gelten entsprechende Aussagen. Allgemein hat eine monotone Funktion also h¨ ochstens Sprungstellen als Unstetigkeitsstellen.

2.14 Satz. f, g seien reelle Polynome, x 0 ∈ R eine gemeinsame Nullstelle. Ist die Ordnung der Nullstelle von f gr¨ oßer oder gleich der Ordnung der Nullstelle von g, so existiert der Limes von f(x)/g(x) f¨ ur x → x 0 .

Beweis: Nach Voraussetzung gibt es Zerlegungen f(x) = (x − x 0 ) k · u(x) und g(x) = (x − x 0 ) l · v(x), mit k ≥ l, u(x 0 ) 6= 0 und v(x 0 ) 6= 0.

F¨ ur x 6= x 0 ist dann

f (x)

g(x) = (x − x 0 ) k−l · u(x) v(x) , und die rechte Seite ist stetig in x 0 .

Man sagt dann, f /g hat in x 0 eine hebbare Definitionsl¨ ucke.

Definition. Eine Abbildung f : X → Y zwischen metrischen R¨ aumen heißt gleichm¨ aßig stetig, falls f folgende Eigenschaft besitzt:

∀ ε > 0 ∃ δ > 0, s.d. ∀ x, y ∈ X mit d X (x, y) < δ gilt: d Y (f(x), f(y)) < ε.

Beispiel.

Ist f : R n → R m linear, so gibt es eine Konstante C > 0, so daß kf (x) − f (y)k ≤ C · kx − yk

ist, f¨ ur alle x, y ∈ R n . Ist nun ein ε > 0 gegeben, so w¨ ahle man δ < ε C . Ist kx − yk < δ, so ist kf(x) − f(y)k < ε. Also ist f gleichm¨ aßig stetig.

Trivialerweise gilt: Ist f gleichm¨ aßig stetig, so ist f auch stetig. Die Umkehrung ist i.a. falsch, wie das Beispiel der Funktion f (x) := x 2 zeigt: f¨ ur festes h > 0 strebt (x + h) 2 − x 2 = 2xh + h 2 f¨ ur x → ∞ gegen Unendlich. Zu festem ε braucht man mit wachsendem x ein immer kleineres δ. f ist also nicht gleichm¨ aßig stetig.

Allerdings gilt:

(20)

2.15 Satz. Ist X kompakt und f : X → Y stetig, so ist f gleichm¨ aßig stetig.

Beweis: Wir nehmen an, f ist nicht gleichm¨ aßig stetig. Dann gibt es ein ε > 0, so daß f¨ ur alle ν ∈ N Punkte x ν , y ν ∈ X existieren, so daß gilt:

d(x ν , y ν ) < 1

ν und d(f (x ν ), f (y ν )) ≥ ε.

Da X kompakt ist, gibt es eine Teilfolge (x ν

i

) von (x ν ), die gegen einen Punkt x 0 ∈ X konvergiert. Dann ist

d(y ν

i

, x 0 ) ≤ d(y ν

i

, x ν

i

) + d(x ν

i

, x 0 ),

und die rechte Seite strebt gegen Null. Das bedeutet, daß auch (y ν

i

) gegen x 0 konvergiert.

Weil f stetig ist, konvergieren nun f (x ν

i

) und f (y ν

i

) beide gegen f(x 0 ). Das ist ein Widerspruch.

§ 3 Unendliche Reihen

Definition. Sei (a n ) eine Folge von (reellen oder komplexen) Zahlen. Mit S N :=

N

X

n=0

a n bezeichnet man die N-te Partialsumme der a n . Die Folge (S N ) der Par- tialsummen nennt man eine unendliche Reihe und bezeichnet sie mit dem Symbol

X

n=0

a n Die Reihe heißt konvergent (bzw. divergent ), falls die Folge (S N ) konvergent (bzw. divergent) ist. Der Grenzwert der Reihe wird – wenn er existiert – ebenfalls mit dem Symbol

X

n=0

a n bezeichnet.

Aus den Regeln f¨ ur die Konvergenz von Folgen ergeben sich analoge Regeln f¨ ur Reihen:

1. Konvergieren die Reihen

X

n=0

a n und

X

n=0

b n gegen a bzw. b, so konvergiert auch

X

n=0

(a n + b n ), und zwar gegen a + b.

2. Ist c eine feste Zahl, so konvergiert

X

n=0

(c · a n ) gegen c · a.

(21)

Beispiele.

1. Sei q ∈ R , 0 < q < 1. Dann ist

N

X

n=0

q n = q N +1 − 1

q − 1 , und die Folge S N = q N+1 − 1

q − 1 konvergiert gegen 1

1 − q . Das bedeutet, daß die sogenann- te geometrische Reihe

X

n=0

q n gegen 1

1 − q konvergiert.

Im Falle q = 1/2 erh¨ alt man z.B.:

X

n=0

1 2

n

= 1

1 − 1 2 = 2, also 1 2 + 1

4 + 1 8 + 1

16 + · · · = 1.

Eine Anwendung ist die Behandlung periodischer Dezimalbr¨ uche, z.B.

0 . 3333 . . . =

X

n=1

3 10 n

= 3 ·

X

n=1

1 10

n

= 3 · 1

1 − 10 1 − 1

= 3 · 1 9 = 1

3 . 2. Die Reihe

X

n=1

1

n wird als harmonische Reihe bezeichnet. F¨ ur die Partialsum- men S N mit N = 2 k gilt folgende Absch¨ atzung:

S 2

k

= 1 + 1 2 +

1 3 + 1

4

+ 1

5 + · · · + 1 8

+ · · · +

1

2 k−1 + 1 + · · · + 1 2 k

> 1 + 1 2 + 2

4 + 4

8 + · · · + 2 k−1

2 k = 1 + k · 1 2 ,

und dieser Ausdruck w¨ achst ¨ uber alle Grenzen. Die harmonische Reihe diver- giert.

Ein notwendiges Kriterium f¨ ur die Konvergenz einer Reihe ist schnell gefunden:

3.1 Satz. Ist

X

n=0

a n konvergent, so ist (a n ) eine Nullfolge.

Beweis: Die Folgen S N und T N := S N−1 konvergieren beide gegen den gleichen

Grenzwert, eine Zahl a. Aber dann konvergiert a N := S N − T N gegen a − a = 0.

(22)

Daß dieses Kriterium nicht hinreicht, zeigt das Beispiel der harmonischen Reihe.

In einem besonderen Spezialfall kommt man fast mit dem notwendigen Kriterium aus:

3.2 Leibniz-Kriterium. Es sei (a n ) eine monoton fallende Nullfolge reel- ler Zahlen. Dann ist die

” alternierende Reihe“

X

n=0

(−1) n a n konvergent.

Beweis: Wir betrachten die Folgen u N := S 2N−1 und v N := S 2N . Dann gilt:

u N +1 = S 2N+1

= S 2N−1 + a 2N − a 2N+1

≥ S 2N−1 = u N .

v N+1 = S 2N+2

= S 2N − a 2N +1 + a 2N+2

≤ S 2N = v N .

Weiter ist v N = S 2N = S 2N−1 + a 2N ≥ u N , denn die a n m¨ ussen alle ≥ 0 sein.

Zusammen ergibt das die folgende Ungleichungskette:

. . . ≤ u N ≤ u N+1 ≤ . . . ≤ v N+1 ≤ v N ≤ . . .

Nach dem Satz von der monotonen Konvergenz strebt also u N gegen eine Zahl u und v N gegen eine Zahl v . Da außerdem v N − u N = a 2N gegen Null konvergiert, muß u = v sein. Es ist klar, daß dann auch S N gegen diese Zahl konvergiert.

Beispiel.

Die alternierende harmonische Reihe

X

n=1

(−1) n+1 1

n konvergiert! ¨ Uber den Grenzwert k¨ onnen wir allerdings im Augenblick noch nichts aussagen.

Eine besonders wichtige Rolle spielt bei den Reihen das Cauchy-Kriterium:

3.3 Satz (Cauchy-Kriterium f¨ ur Reihen). Die Reihe (reeller oder komplexer Zahlen)

X

n=0

a n konvergiert genau dann, wenn gilt:

∀ ε > 0 ∃ N 0 , so daß ∀ N > N 0 gilt: |

N

X

n=N

0

+1

a n | < ε.

(23)

Beweis: Da

N

X

n=N

0

+1

a n = S N − S N

0

ist, folgt das Cauchy-Kriterium f¨ ur Reihen unmittelbar aus dem f¨ ur Folgen.

Der Vorteil des Cauchy-Kriteriums besteht darin, daß man es mit endlichen Sum- men zu tun hat!

Definition. Eine Reihe (reeller oder komplexer Zahlen)

X

n=0

a n heißt absolut kon- vergent, falls die Reihe

X

n=0

|a n | konvergiert.

3.4 Satz. Eine absolut konvergente Reihe konvergiert auch im gew¨ ohnlichen Sin- ne.

Zum Beweis verwendet man das Cauchy–Kriterium. Es ist

|

N

X

n=N

0

+1

a n | ≤

N

X

n=N

0

+1

|a n | .

Konvergiert die Reihe der Absolutbetr¨ age, so wird die rechte Seite bei großem N 0 beliebig klein, und das gilt dann erst recht f¨ ur die linke Seite.

Die Umkehrung dieses Satzes ist falsch, wie das Beispiel der alternierenden Leibniz- reihe zeigt.

Man beachte: Unter dem Grenzwert einer absolut konvergenten Reihe versteht man immer den Grenzwert der Reihe im Sinne der gew¨ ohnlichen Konvergenz. Wir werden aber sp¨ ater sehen, daß es bei einer absolut konvergenten Reihe nicht auf die Reihenfolge der Summation ankommt.

Besonders h¨ aufig wird das folgende Vergleichskriterium benutzt:

3.5 Satz (Majoranten–Kriterium). Ist

X

n=0

a n eine konvergente Reihe nicht- negativer reeller Zahlen, und ist (c n ) eine Folge reeller oder komplexer Zahlen, so daß |c n | ≤ a n f¨ ur fast alle n ∈ N gilt, so konvergiert die Reihe

X

n=0

c n absolut!

Beweis: Wir k¨ onnen annehmen, daß |c n | ≤ a n f¨ ur alle n ∈ N gilt. Dann ist

N

X

n=N

0

+1

|c n | ≤

N

X

n=N

0

+1

a n , f¨ ur N > N 0 .

F¨ ur gen¨ ugend großes N 0 wird die rechte Seite nach dem Cauchy–Kriterium beliebig

klein, also auch die linke Seite.

(24)

Bemerkung. Ist

X

n=0

a n divergent und |c n | ≥ a n f¨ ur alle n, so kann

X

n=0

c n zwar noch im gew¨ ohnlichen Sinne, aber nicht mehr absolut konvergieren.

Wenn nun eine Reihe nicht zuf¨ allig das Leibniz–Kriterium erf¨ ullt, so wird man i.a.

versuchen, die Konvergenz mit Hilfe des Majoranten–Kriteriums auf die absolute Konvergenz einer Vergleichsreihe zur¨ uckzuf¨ uhren. Zur Feststellung der absoluten Konvergenz gibt es zahlreiche Untersuchungsmethoden, wir beginnen mit einer der popul¨ arsten.

3.6 Satz (Quotienten–Kriterium). Es sei (a n ) eine Folge von (reellen oder komplexen) Zahlen 6= 0. Außerdem gebe es eine reelle Zahl q mit 0 < q < 1, so daß

| a n+1 a n

| ≤ q f¨ ur fast alle n gilt.

Dann ist die Reihe

X

n=0

a n absolut konvergent.

Beweis: ” F¨ ur fast alle n gilt . . . “ bedeutet hier:

” Es gibt ein n 0 , so daß f¨ ur n ≥ n 0 gilt: . . . “. Nach Voraussetzung haben wir also:

∃ n 0 ∈ N , so daß f¨ ur n ≥ n 0 gilt: | a n+1

a n | ≤ q < 1.

Dann ist

|a n

0

+k | ≤ q · |a n

0

+k−1 | ≤ . . . ≤ q k · |a n

0

| . Also ist

X

n=0

q n · |a n

0

| eine Majorante der Reihe

X

n=0

a n

0

+n . Die erstere konvergiert, es handelt sich ja um eine geometrische Reihe. Nach dem Majorantenkriterium konvergiert dann die zweite Reihe absolut, und damit auch die Ausgangsreihe, die lediglich ein paar Anfangsterme mehr besitzt.

Bemerkung. In der Praxis kommt man oft schon mit folgendem Kriterium aus:

Ist a n 6= 0 f¨ ur fast alle n und lim

n→∞ | a n+1

a n | < 1, so konvergiert

X

n=0

a n absolut.

Das ist aus folgendem Grund richtig: Wenn die Quotienten | a n+1

a n | gegen ein q < 1 konvergieren, so gibt es ein ε > 0 und ein n 0 ∈ N , so daß gilt:

| a n+1

a n | ≤ q + ε < 1 f¨ ur n ≥ n 0 .

Setzt man nun q := q + ε, so ist das Quotientenkriterium mit diesem q erf¨ ullt.

Es gilt auch folgendes:

(25)

Ist a n 6= 0 und | a n+1

a n | ≥ 1 f¨ ur fast alle n, so divergiert die Reihe

X

n=0

a n . Das ist klar, denn die Glieder a n bilden keine Nullfolge.

Achtung! Ist lim

n→∞ | a n+1

a n | = 1, so kann man – zumindest mit dem Quotientenkri- terium – keine Aussage machen!

Beispiel.

Sei z 6= 0 eine beliebige komplexe Zahl und c n := z n

n! . Dann ist

| c n+1

c n | = |z| n+1 · n!

(n + 1)! · |z| n = |z|

n + 1 . Dieser Ausdruck konvergiert gegen Null. Also konvergiert

X

n=0

z n

n! f¨ ur jedes z ∈ C absolut (f¨ ur z 6= 0 nach dem Quotientenkriterium und f¨ ur z = 0 trivialerweise).

Die Funktion exp : C → C mit exp(z) :=

X

n=0

z n

n! nennt man die (komplexe) Exponentialfunktion.

Speziell muß exp(1) =

X

n=0

1

n! eine reelle Zahl sein. Diesen Wert wollen wir jetzt ermitteln.

Wir wissen, daß die Folge a n :=

1 + 1

n n

monoton wachsend gegen die Eulersche Zahl e konvergiert. Nach der binomischen Formel ist außerdem

a n =

n

X

k=0

n k

1 n k

=

n

X

k=0

1

k! · (n − k + 1) · . . . · (n − 1) · n n k

=

n

X

k=0

1

k! · n − 1

n · n − 2

n · . . . · n − k + 1 n

<

n

X

k=0

1

k! < exp(1).

(26)

Also ist e = lim

n→∞ a n ≤ exp(1).

Nun wenden wir einen kleinen Trick an! Ist m ≥ 2 irgend eine feste nat¨ urliche Zahl und n > m, so gilt:

a n =

n

X

k=0

1

k! · n − 1

n · n − 2

n · . . . · n − k + 1 n

m

X

k=0

1

k! · n − 1

n · n − 2

n · . . . · n − k + 1

n .

Die rechte Seite strebt (bei festem m) f¨ ur n → ∞ gegen

m

X

k=0

1

k! . Also ist auch e ≥

m

X

k=0

1

k! , f¨ ur jedes m ≥ 2. Nun lassen wir m gegen Unendlich gehen und erhalten die Ungleichung e ≥ exp(1). Zusammen mit der weiter oben gewonnenen Absch¨ atzung ergibt das die Beziehung

e = lim

n→∞

1 + 1

n n

=

X

n=0

1

n! = exp(1).

Manchmal ist auch das folgende Kriterium n¨ utzlich:

3.7 Satz (Wurzelkriterium). Es sei (a n ) eine Folge von positiven reellen Zah- len und α := lim √

n

a n .

Ist α < 1, so konvergiert die Reihe

X

n=0

a n . Ist α > 1, so divergiert sie.

Beweis: Ist α < 1, so gibt es ein q ∈ R mit 0 < q < 1, so daß √

n

a n < q f¨ ur fast alle n ist. Dann ist die geometrische Reihe

X

n=0

q n eine Majorante von

X

n=0

a n , und auch diese Reihe konvergiert.

Ist α > 1, so gibt es unendlich viele n mit a n > 1, und die Reihe kann nicht konvergieren.

Beispiele.

1. Sei a n :=

2 −k f¨ ur n = 2k − 1

3 −k f¨ ur n = 2k, n = 1, 2, 3, . . . Wir untersuchen die Reihe

X

n=1

a n . F¨ ur n = 2k gilt:

(27)

a n+1

a n = 2 −(k+1) 3 −k = 1

2 · 3

2 k

→ ∞.

Also ist das Quotientenkriterium nicht anwendbar.

Wir versuchen es mit dem Wurzelkriterium. Es ist

n

a n = ( √

2)

n+1n

→ ( √

2) −1 f¨ ur ungerades n, ( √

3) −1 f¨ ur gerades n.

Also ist lim √

n

a n = ( √

2) −1 < 1, und die Reihe konvergiert.

2. Wir betrachten die Reihe

X

n=1

1

n 2 . Der Quotient

| a n+1

a n | = n 2

(n + 1) 2 = n 2

n 2 + 2n + 1 = 1 1 + n 2 + n 1

2

konvergiert gegen 1, also sagt das Quotientenkriterium nichts aus.

Wir versuchen es mit dem Wurzelkriterium. Offensichtlich ist lim

n

r 1 n 2 = 1.

Also versagt auch das Wurzelkriterium.

Man kann aber wie folgt absch¨ atzen:

N

X

n=1

1

n 2 ≤ 1 +

N

X

n=2

1 n(n − 1)

= 1 +

N

X

n=2

1

n − 1 − 1 n

= 1 + 1 − 1 N ≤ 2.

Die Folge der Partialsummen ist monoton wachsend und beschr¨ ankt, also konvergent. Den Grenzwert k¨ onnen wir hier leider noch nicht bestimmen.

Eine andere M¨ oglichkeit, die Konvergenz zu beweisen, sieht so aus:

(28)

S 2

k

−1 = 1 + 1

4 + 1 9

+

1

16 + · · · + 1 49

+ · · · +

1

(2 k−1 ) 2 + · · · + 1 (2 k − 1) 2

< 1 + 2 · 1

4 + 4 · 1

16 + · · · + 2 k−1 · 1 (2 k−1 ) 2

=

k−1

X

n=0

1 2

n

≤ 1

1 − 1 2 = 2.

Auch hier kommt man mit dem Satz von der monotonen Konvergenz zum Ziel. Man kann ¨ ubrigens mit der gleichen Absch¨ atzung beweisen, daß jede Reihe der Gestalt

X

n=1

1

n q mit einer rationalen Zahl q > 1 konvergiert.

Absolut konvergente Reihen verhalten sich sehr gutartig, was die Reihenfolge der Summation betrifft.

3.8 Umordnungssatz. Ist die Reihe

X

n=0

a n absolut konvergent, etwa gegen A, so konvergiert auch jede Umordnung der Reihe gegen A.

Beweis: Die Summation m¨ oge bei 1 beginnen. Eine Umordnung der Reihe er- reicht man mit Hilfe einer bijektiven Abbildung τ : N → N . Die umgeordnete Reihe ist dann die Reihe

X

n=1

a τ(n) .

Sei ε > 0 vorgegeben. Wegen der absoluten Konvergenz der Ausgangsreihe k¨ onnen wir ein n 0 > 1 finden, so daß

X

n=n

0

|a n | < ε 2 und |

n

0

−1

X

n=1

a n − A| < ε

2 ist. W¨ ahlt man nun N so groß, daß

{1, 2, . . . , n 0 − 1} ⊂ {τ(1), . . . , τ (N )}

ist, so gilt f¨ ur M ≥ N :

|

M

X

n=1

a τ(n) − A| ≤ |

M

X

n=1

a τ(n)

n

0

−1

X

n=1

a n | + |

n

0

−1

X

n=1

a n − A|

max(τ(1),...,τ (M))

X

n=n

0

|a n | + ε 2

X

n=n

0

|a n | + ε 2 < ε.

Das zeigt, daß die umgeordnete Reihe gegen A konvergiert

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