Analysis 1
Kapitel 2 Stetigkeit
Vorlesungsausarbeitung zum WS 2000/01 von Prof. Dr. Klaus Fritzsche
Inhaltsverzeichnis
§1 Metrische R¨ aume . . . . 43
§2 Stetige Abbildungen. . . . 53
§3 Unendliche Reihen . . . . 61
§4 Folgen und Reihen von Funktionen . . . . 73
§5 Potenzreihen . . . . 77
§6 Elementare Funktionen . . . . 84
§7 Der Fundamentalsatz der Algebra . . . . 91
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§ 1 Metrische R¨ aume
Definition. Es sei X eine beliebige nicht-leere Menge.
Unter einer Metrik (oder Abstandsfunktion ) auf X versteht man eine Funktion d : X × X → R mit folgenden Eigenschaften:
1. d(x, y) ≥ 0 f¨ ur alle x, y ∈ X.
2. d(x, y) = 0 ⇐⇒ x = y.
3. d(x, y) = d(y, x) f¨ ur alle x, y ∈ X (Symmetrie).
4. d(x, y) ≤ d(x, z) + d(z, y) f¨ ur x, y, z ∈ X (Dreiecks-Ungleichung).
Ein metrischer Raum ist eine Menge X, zusammen mit einer Metrik d auf X.
Beispiele.
1. Klassisches Beispiel ist die Menge X = R mit der Abstandsfunktion d(x, y) :=
|x − y|. Die ersten drei Eigenschaften sind offensichtlich erf¨ ullt. Die Dreiecks- ungleichung zeigt man mit dem ¨ ublichen Trick:
d(x, y) = |x − y|
= |(x − z) + (z − y)|
≤ |x − z| + |z − y|
= d(z, x) + d(y, z).
2. Sei (X, d X ) ein metrischer Raum und Y ⊂ X. Dann ist auch (Y, d X | Y ) ein metrischer Raum.
Insbesondere kann man jede Teilmenge von R als einen metrischen Raum auffassen.
3. Sei X die Menge der Einwohner von Hamburg und d : X × X → R definiert durch
d(x, y) :=
0 falls x = y, 1 sonst.
Auch dies ergibt einen metrischen Raum.
4. Sei X = R 2 := {x = (x 1 , x 2 ) : x i ∈ R f¨ ur i = 1, 2}. Das ist das mathemati- sche Modell der Anschauungsebene. Wir setzen
d(x, y) := max(|x 1 − y 1 |, |x 2 − y 2 |).
Die Eigenschaften einer Metrik sind erf¨ ullt, wie man leicht nachrechnet. Aber
es handelt sich nat¨ urlich nicht um den anschaulichen Abstandsbegriff. Den
behandeln wir im folgenden Beispiel.
5. Als Menge legen wir den Raum
R n = {(x 1 , . . . , x n ) : x i ∈ R f¨ ur i = 1, . . . , n}
der geordneten n-Tupel reeller Zahlen zugrunde. In der Linearen Algebra lernt man, daß R n ein reeller Vektorraum ist, d.h. man kann die Elemente von R n addieren und mit reellen Zahlen multiplizieren:
(x 1 , . . . , x n ) + (y 1 , . . . , y n ) := (x 1 + y 1 , . . . , x n + y n ) und r · (x 1 , . . . , x n ) := (rx 1 , . . . , rx n ).
Bez¨ uglich der Addition ist R n eine kommutative Gruppe, mit dem Nullele- ment 0 = (0, . . . , 0) und dem Negativen −(x 1 , . . . , x n ) = (−x 1 , . . . , −x n ).
Außerdem gilt:
(r + s) · x = r · x + s · x f¨ ur r, s ∈ R , x ∈ R n , r · (x + y) = r · x + r · y f¨ ur r ∈ R , x, y ∈ R n ,
r · (s · x) = (rs) · x f¨ ur r, s ∈ R , x ∈ R n und 1 · x = x f¨ ur x ∈ R n .
Die Einheitsvektoren e 1 = (1, 0, . . . , 0), . . . , e n = (0, . . . , 0, 1) bilden eine Basis des R n , d.h. jeder
” Vektor“ x ∈ R n besitzt eine eindeutige Darstellung als Linearkombination der e i :
x = (x 1 , . . . , x n ) = x 1 · e 1 + · · · + x n · e n . Das Skalarprodukt zweier Vektoren x, y ∈ R n wird definiert als
x • y :=
n
X
i=1
x i y i . Es gilt:
(a) x • y = y • x. (klar!) (b) (x + y) • z = x • z + y • z.
Beweis:
(x + y) • z =
n
X
i=1
(x i + y i )z i =
n
X
i=1
x i z i +
n
X
i=1
y i z i = x • z + y • z.
(c) (r · x) • y = r(x • y).
(d) x • x =
n
X
i=1
x 2 i ≥ 0 f¨ ur alle x ∈ R n .
Und offensichtlich ist x • x = 0 genau dann, wenn x = 0 ist.
Auf die anschauliche Bedeutung des Skalarproduktes k¨ onnen wir an dieser Stelle nicht eingehen, wir betrachten es einfach als eine Rechengr¨ oße.
Die Zahl kxk := √
x • x = q
x 2 1 + · · · + x 2 n nennt man die Norm von x. Im Falle n = 1 ist kxk = |x|, im Falle n = 2 oder n = 3 kommt die euklidische L¨ ange des Vektors x heraus, gem¨ aß Pythagoras. Die Norm erf¨ ullt folgende Eigenschaften:
(a) Es ist immer kxk ≥ 0, und es ist kxk = 0 genau dann, wenn x = 0 ist.
(b) Ist r ∈ R , so ist kr · xk = |r| · kxk.
(c) Es gilt die
” Schwarzsche Ungleichung“:
(x • y) 2 ≤ kxk 2 · kyk 2 .
Gleichheit tritt genau dann auf, wenn x und y linear abh¨ angig sind, d.h.
wenn x ein Vielfaches von y oder y ein Vielfaches von x ist.
Die Schwarzsche Ungleichung m¨ ussen wir beweisen:
Ist y = 0, so ergibt sich auf beiden Seiten die Null. Daher k¨ onnen wir voraus- setzen, daß y 6= 0 ist. Wir benutzen eine beliebige reelle Zahl t und erhalten:
0 ≤ kx + t · yk 2 = (x + t · y) • (x + t · y)
= x • x + t 2 · y • y + 2t · x • y Setzen wir t := − x • y
kyk 2 ein, so ergibt sich:
0 ≤ x • x + (x • y) 2
kyk 2 − 2 · (x • y) 2
kyk 2 = kxk 2 − (x • y) 2 kyk 2 .
Multiplikation mit kyk 2 liefert die Schwarzsche Ungleichung. Offensichtlich gilt die Gleichheit genau dann, wenn x + t · y = 0 ist, also x = −t · y.
Behauptung: kx + yk ≤ kxk + kyk (Dreiecksungleichung).
Beweis: Es ist
kx + yk 2 = (x + y) • (x + y)
= x • x + 2 · x • y + y • y
≤ kxk 2 + 2 · |x • y| + kyk 2
≤ kxk 2 + 2 · kxk · kyk + kyk 2
= (kxk + kyk) 2 .
Jetzt k¨ onnen wir endlich den euklidischen Abstandsbegriff einf¨ uhren:
dist(x, y) := ky − xk.
Offensichtlich erf¨ ullt dist die ersten drei Eigenschaften einer Metrik. Außer- dem ist
dist(x, y) = ky − xk = k(y − z) + (z − x)k
≤ ky − zk + kz − xk
= dist(z, y) + dist(x, z).
Ausf¨ uhrlich geschrieben haben wir dist(x, y) = p
(y 1 − x 1 ) 2 + · · · + (y n − x n ) 2 . Das ist eine n-dimensionale Version des Pythagoras.
6. Ein Spezialfall ist die komplexe Ebene C ∼ = R 2 . Ist z eine komplexe Zahl, so nennt man |z| := √
zz den Betrag der komplexen Zahl. Er entspricht der Norm des Vektors z. Durch d(z, w) := |w − z| wird eine Metrik auf C definiert. Sie stimmt mit der euklidischen Metrik des R 2 uberein. ¨
Es sei nun (X, d) irgend ein metrischer Raum.
Definition. Sei x 0 ein Punkt aus X und ε > 0 eine reelle Zahl. Dann heißt U ε (x 0 ) := {x ∈ X : d(x, x 0 ) < ε}
die ε-Umgebung von x 0 .
In R ist U ε (x 0 ) = (x 0 − ε, x 0 + ε) ein offenes Intervall. In R 2 (oder C ) ist U ε (x 0 ) eine Kreisscheibe, wir schreiben dann auch D ε (x 0 ) (
” D“ f¨ ur das englische Wort
” disk“).
In R 3 ist U ε (x 0 ) eine Kugel, wir schreiben auch B ε (x 0 ) (
” B“ f¨ ur
” ball“). Der Rand geh¨ ort jeweils nicht zu der Menge.
Eine beliebige Teilmenge M ⊂ X heißt eine Umgebung von x 0 , falls es ein ε > 0 mit U ε (x 0 ) ⊂ M gibt. Der Punkt x 0 hat dann einen
” Sicherheitsabstand“ zum Rand der Umgebung. M seinerseits kann eine beliebige Gestalt haben.
Jede ε-Umgebung von x 0 ist auch eine allgemeine Umgebung von x 0 . Der Durch- schnitt von zwei Umgebungen eines Punktes ist wieder eine Umgebung dieses Punk- tes.
1.1 Hausdorffscher Trennungssatz. Sind x, y ∈ X zwei Punkte mit x 6= y, so gibt es Umgebungen U von x und V von y, so daß U ∩ V = ∅ ist.
Beweis: Wegen x 6= y ist r := d(x, y) > 0. Nun sei 0 < ε < r/2, U = U ε (x) und V = U ε (y).
W¨ are z ein Punkt in U ∩ V , so w¨ are
d(x, y) ≤ d(x, z) + d(z, y) < 2ε < r.
Das ist ein Widerspruch.
Definition. Eine Menge M ⊂ X heißt offen, falls es zu jedem x ∈ M ein ε > 0 gibt, so daß U ε (x) ⊂ M ist.
Eine Menge M ist also genau dann offen, wenn sie f¨ ur jeden ihrer Punkte eine Umgebung darstellt.
1.2 Satz. Jede ε-Umgebung ist eine offene Menge.
Beweis: Sei y ∈ U ε (x 0 ). Wir suchen eine δ-Umgebung von y, die noch ganz in U ε (x 0 ) enthalten ist. Dazu sei r := d(y, x 0 ). Dann ist 0 ≤ r < ε. Man kann eine positive reelle Zahl δ < ε − r finden. Ist x ∈ U δ (y), also d(x, y) < δ, so ist d(x, x 0 ) ≤ d(x, y) + d(y, x 0 ) < δ +r < (ε − r) + r = ε. Das zeigt, daß U δ (y) ⊂ U ε (x 0 ) ist.
1.3 Satz. Die offenen Mengen in einem metrischen Raum besitzen folgende Ei- genschaften:
1. X und die leere Menge sind offen.
2. Der Durchschnitt endlich vieler offener Mengen ist wieder offen.
3. Die Vereinigung beliebig vieler offener Mengen ist wieder offen.
Beweis: 1) F¨ ur X und ∅ ist der Beweis trivial.
2) Seien M 1 , . . . , M n offen und M := M 1 ∩ . . . ∩ M n . Ist x ∈ M , so gibt es Zahlen ε i > 0 mit U ε
i(x) ⊂ M i f¨ ur i = 1, . . . , n. Setzt man ε := min(ε 1 , . . . , ε n ), so liegt U ε (x) in M.
3) Es sei M = {M ι : ι ∈ I} eine Familie von offenen Mengen, M = [
ι∈I
M ι deren Vereinigung, x ein Element von M . Dann gibt es ein ι mit x ∈ M ι . Also gibt es auch ein ε > 0, so daß U ε (x) ⊂ M ι ist. Aber dann ist erst recht U ε (x) ⊂ M .
Definition. Eine Menge M ⊂ X heißt abgeschlossen, falls X \ M offen ist.
1.4 Satz. Die abgeschlossenen Mengen in einem metrischen Raum besitzen fol- gende Eigenschaften:
1. X und die leere Menge sind abgeschlossen.
2. Die Vereinigung endlich vieler abgeschlossener Mengen ist wieder abgeschlos-
sen.
3. Der Durchschnitt beliebig vieler abgeschlossener Mengen ist wieder abge- schlossen.
Der Beweis ergibt sich unmittelbar aus den Regeln der Komplement-Bildung.
Definition. Sei M ⊂ X eine beliebige Teilmenge. Ein Punkt x 0 ∈ X heißt ein H¨ aufungspunkt der Menge M , falls in jeder Umgebung von x 0 unendlich viele (verschiedene) Punkte von M liegen.
Eine endliche Menge besitzt keine H¨ aufungspunkte. Auch Z hat keinen H¨ aufungs- punkt in R . Aber jede reelle Zahl ist ein H¨ aufungspunkt von Q .
Beispiel.
Sei M ⊂ R eine nach oben beschr¨ ankte Menge, x 0 := sup(M ). Nun gibt es zwei M¨ oglichkeiten:
Entweder existiert ein ε > 0, so daß M ∩ U ε (x 0 ) = {x 0 } ist, oder f¨ ur jedes ν ∈ N kann man ein Element x ν ∈ M mit x 0 − 1 ν ≤ x ν < x 0 finden (denn sonst w¨ are x 0 nicht die kleinste obere Schranke von M ). Im ersten Fall muß x 0 zu M geh¨ oren, und man nennt x 0 einen isolierten Punkt von M . Zugleich ist dann x 0 = max(M ). Im zweiten Fall wollen wir zeigen, daß x 0 ein H¨ aufungspunkt von M ist.
Sei ε > 0 vorgegeben. Wenn es nur endlich viele x ν in M ∩ U ε (x 0 ) g¨ abe, so k¨ onnten wir darunter ein gr¨ oßtes Element finden, etwa x n
0. Aber da x 0 −x n
0>
0 ist, gibt es ein n 1 ∈ N mit 1/n 1 < x 0 − x n
0. Und dann gibt es ein x n
1∈ M mit x n
0< x 0 − 1/n 1 ≤ x n
1< x 0 . Das ist ein Widerspruch.
Analoges gilt f¨ ur das Infimum einer nach unten beschr¨ ankten Menge.
1.5 Satz. Eine Teilmenge M eines metrischen Raumes X ist genau dann abge- schlossen, wenn sie alle ihre H¨ aufungspunkte enth¨ alt.
Beweis: 1) Sei M abgeschlossen und x 0 ein H¨ aufungspunkt von M . Wenn x 0
nicht zu M geh¨ ort, dann liegt x 0 in der offenen Menge X \ M . Also existiert ein ε > 0, so daß auch noch U := U ε (x 0 ) zu X \ M geh¨ ort. Das ist ein Widerspruch.
2) Es sei M eine Menge, die alle ihre H¨ aufungspunkte enth¨ alt. Wir betrachten einen beliebigen Punkt x 0 ∈ X \ M . Da x 0 kein H¨ aufungspunkt von M ist, gibt es eine Umgebung V = V (x 0 ) ⊂ X, die h¨ ochstens endlich viele Punkte y 1 , . . . , y m ∈ M enth¨ alt. Wegen der Hausdorffschen Trennungs-Eigenschaft gibt es Umgebungen U i = U i (y i ) und V i = V i (x 0 ) mit U i ∩ V i = ∅ , f¨ ur i = 1, . . . , m. Dann ist W :=
V ∩ V 1 ∩ . . . ∩ V m eine Umgebung von x 0 , die keinen Punkt von M enth¨ alt.
Weil so etwas mit jedem Punkt x 0 ∈ X \ M geht, ist X \ M offen und M selbst
abgeschlossen.
Definition. Ist M ⊂ X eine beliebige Teilmenge und H(M ) die Menge aller H¨ aufungspunkte von M , so nennt man M := M ∪ H(M) die abgeschlossene H¨ ulle oder den Abschluß von M .
1.6 Satz. Sei M eine beliebige Teilmenge eines metrischen Raumes X. Dann gilt:
1. M ist abgeschlossen.
2. M ist genau dann abgeschlossen, wenn M = M ist.
Beweis: 1) Ein Punkt x 0 ∈ X liegt genau dann in M , wenn M ∩ U ε (x 0 ) 6= ∅ f¨ ur jedes ε > 0 gilt. Man nennt einen solchen Punkt auch einen Ber¨ uhrungspunkt von M .
x 0 ist genau dann kein Ber¨ uhrungspunkt von M , wenn es ein ε > 0 gibt, so daß M ∩ U ε (x 0 ) = ∅ ist. Ist y ∈ U ε (x 0 ), so gibt es ein δ > 0, so daß U δ (y) ⊂ U ε (x 0 ) ⊂ X \ M ist. Aber dann kann y kein H¨ aufungspunkt von M sein. Das bedeutet, daß X \ M offen ist, also M abgeschlossen.
2) Es ist M ⊂ M . Ist M abgeschlossen, so ist H(M ) ⊂ M, also sogar M = M . Ist umgekehrt diese Gleichheit gegeben, so ist M abgeschlossen, nach (1).
Es ist (a, b) = [a, b], und im R n ist U ε (x 0 ) = {x ∈ X : d(x, x 0 ) ≤ ε}. In einem beliebigen metrischen Raum gilt i.a. nur
” ⊂“. So ist z.B. im metrischen Raum Z jede Teilmenge zugleich offen und abgeschlossen, und es ist dort U 1 (0) = {z ∈ Z :
|z| < 1} = {0}, U 1 (0) = {0} und {z ∈ Z : |z| ≤ 1} = {−1, 0, 1}.
Definition. Eine Folge (x ν ) von Punkten in X konvergiert gegen einen Punkt x 0 , falls folgende Bedingung erf¨ ullt ist:
∀ ε > 0 ∃ ν 0 , so daß ∀ ν ≥ ν 0 gilt: d(x ν , x 0 ) < ε.
Man schreibt dann: lim
ν→∞ x ν = x 0 .
Man kann auch sagen: (x ν ) konvergiert in X gegen x 0 , falls d(x ν , x 0 ) in R gegen 0 konvergiert.
Im metrischen Raum R ergibt das den bereits bekannten Konvergenzbegriff. Wie dort folgt auch in beliebigen R¨ aumen, daß der Grenzwert eindeutig bestimmt ist.
Betrachten wir jetzt den R n mit der euklidischen Metrik. Ist x ν = (x (ν) 1 , . . . , x (ν) n ) eine Punktfolge und x 0 = (x (0) 1 , . . . , x (0) n ) ein fester Punkt, so ist
dist(x ν , x 0 ) = kx ν − x 0 k = q
(x (ν) 1 − x (0) 1 ) 2 + · · · + (x (ν) n − x (0) n ) 2 .
dist(x ν , x 0 ) konvergiert offensichtlich genau dann gegen 0, wenn |x (ν) i − x (0) i | f¨ ur jedes i gegen Null konvergiert. Die Folge (x ν ) konvergiert also genau dann, wenn alle Komponenten (x (ν) i ) konvergieren.
1.7 Satz. Eine Teilmenge M in einem metrischen Raum X ist genau dann abgeschlossen, wenn gilt:
Ist (x ν ) eine Folge in M , die in X konvergiert, so liegt der Grenzwert ebenfalls in M .
Beweis: 1) Sei M abgeschlossen, (x ν ) eine Folge in M und x 0 = lim
ν→∞ x ν . Ist die Menge der Folgeglieder endlich, so muß x 0 eines dieser Folgeglieder sein und daher in M liegen. Ist sie unendlich, so ist x 0 ein H¨ aufungspunkt von M und es folgt ebenfalls, daß x 0 in M liegt.
2) M erf¨ ulle das Kriterium und x 0 sei ein H¨ aufungspunkt von M . Dann liegt in jeder (1/ν )-Umgebung von x 0 ein Punkt x ν ∈ M . Offensichtlich konvergiert (x ν ) gegen x 0 . Also liegt x 0 schon in M . Wir haben gezeigt, daß M abgeschlossen ist.
Eine Menge M ⊂ R n heißt beschr¨ ankt, falls es ein R > 0 gibt, so daß M in der Kugel B R (0) = {x ∈ R n : d(x, 0) < R} enthalten ist. Eine Folge im R n heißt beschr¨ ankt, wenn die Menge der Folgeglieder beschr¨ ankt ist. Es gilt folgende Verallgemeinerung des Satzes von Bolzano-Weierstraß:
1.8 Satz. Sei x ν = (x (ν) 1 , . . . , x (ν) n ) eine beschr¨ ankte Folge im R n . Dann besitzt (x ν ) eine konvergente Teilfolge.
Beweis: Es gibt ein R > 0, so daß alle x ν in B R (0) liegen. Aber dann liegen sie erst recht in I n = I × . . . × I , mit I := [−R, R].
(x (ν) 1 ) besitzt eine konvergente Teilfolge (x (ν(i 1
1)) ) mit einem Grenzwert x (0) 1 ∈ I.
(x (ν(i 2
1)) ) besitzt eine konvergente Teilfolge (x (ν(i 2
2)) ) mit einem Grenzwert x (0) 2 ∈ I, usw.
Schließlich erh¨ alt man eine konvergente Teilfolge (x ν(i
n) ) von (x ν ).
Definition. Eine Folge (x ν ) in einem metrischen Raum X heißt eine Cauchy- Folge, falls folgende Bedingung erf¨ ullt ist:
∀ ε > 0 ∃ ν 0 , so daß ∀ ν, µ ≥ ν 0 gilt: d(x ν , x µ ) < ε.
1.9 Satz. Ist (x ν ) konvergent, so ist (x ν ) eine Cauchyfolge.
Beweis: Sei x 0 der Grenzwert der Folge, ε > 0 vorgegeben und ν 0 so gew¨ ahlt,
daß d(x ν , x 0 ) < ε/2 f¨ ur ν ≥ ν 0 ist. Dann folgt f¨ ur ν, µ ≥ ν 0 :
d(x ν , x µ ) ≤ d(x ν , x 0 ) + d(x 0 , x µ ) < ε.
Also ist (x ν ) eine Cauchy-Folge.
Definition. Ein metrischer Raum X heißt vollst¨ andig, falls jede Cauchyfolge in X einen Grenzwert in X hat.
Beispiele.
1. R ist vollst¨ andig.
Um das zu zeigen, betrachten wir eine Cauchyfolge (x ν ). Wir m¨ ussen einen Grenzwert finden. Zun¨ achst ist (x ν ) beschr¨ ankt: ist ε > 0 vorgegeben, so gibt es ein ν 0 , so daß |x ν − x ν
0| < ε f¨ ur alle ν ≥ ν 0 ist. Ist außerdem
r := max(ε, |x 1 − x ν
0|, . . . , |x ν
0−1 − x ν
0|), so liegen alle Folgeglieder in [x ν
0− r, x ν
0+ r].
Wir wissen nun, daß eine Teilfolge (x ν
i) existiert, die gegen eine reelle Zahl x 0 konvergiert. Sei ε > 0 vorgegeben. Es gibt ein ν 0 , so daß |x ν − x µ | < ε/2 f¨ ur ν, µ ≥ ν 0 ist. Und es gibt ein i 0 mit ν i
0≥ ν 0 und |x ν
i0
− x 0 | < ε/2. Daraus folgt:
|x ν − x 0 | ≤ |x ν − x ν
i0
| + |x ν
i0