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ie Wechselwirkungen zwischen Psyche, Körper und der sozialen Umgebung in der frühen Kindheit bestimmen die Entwicklung zum Er- wachsenen.Wenn ein Kind unter erheb- lichen psychosozialen Belastungen zu leiden hat, hat dies negative Auswirkun- gen auf sein späteres Leben und seine Gesundheit. Daten, die diesen Zusam- menhang belegen, gibt es erst seit etwa fünf Jahren. Grund für die Veranstalter der 53. Lindauer Psychotherapiewo- chen im April, das Thema genauer zu betrachten: „Kindheit hat Folgen“ hieß das Leitthema der ersten Woche.Schließlich können Psychotherapeuten ihre Kenntnisse bei der Konzeption von Programmen zur psychosozialen Prä- vention in der frühen Kindheit Politi- kern zur Verfügung stellen.
Gesundheitliches Risiko- verhalten erhöht
Einer der ersten, der die Auswirkungen frühkindlicher Stresserfahrungen un- tersuchte, war Prof. Vincent Felitti, San Diego, USA. In einer Studie (Felitti et al. 1998) stellte er fest, dass beispiels- weise die Häufigkeit von Alkoholabu- sus bei denjenigen, die vier und mehr frühe Stresserfahrungen hinter sich ha- ben, um das 7,4fache erhöht ist. Der Konsum von harten Drogen (i.v.) war im Vergleich zur Kontrollgruppe um 10,3fach wahrscheinlicher; das Risiko eines Suizidversuchs erhöhte sich um das 12,2fache. Frühkindliche Stresser- fahrungen erhöhen die Wahrscheinlich- keit gesundheitlichen Risikoverhaltens, vorzeitiger Mortalität, somatoformer Störungen, Adipositas, Herz-Kreislauf- Erkrankungen, delinquenten Verhal- tens sowie Borderline- und anderer psychischer Störungen. Darauf wies der
Schmerzforscher Prof. Dr. med. Ulrich T. Egle, Mainz, aufgrund prospektiver Längsschnittstudien hin.
Johnson (1999) konnte nachweisen, dass 54 Prozent der Kinder, die körper- lich misshandelt wurden, als Erwachse- ne eine narzisstische-, antisoziale oder Borderline-Persönlichkeitsstörung auf- wiesen. Johnson (2002) untersuchte auch den Zusammenhang zwischen Fernsehkonsum in der Kindheit und Gewaltbereitschaft bei Männern: Wer vor dem 16. Lebensjahr täglich zwi- schen einer und drei Stunden vor dem
Fernsehgerät saß, hatte bereits eine si- gnifikant erhöhte Gewaltbereitschaft;
bei mehr als drei Stunden waren es knapp 42 Prozent. Diesem Zusammen- hang will das „neue Jugendschutzge- setz“ entgegenwirken.
Die Missachtung des Rechts auf kör- perliche Unversehrtheit ist für Egle
„das größte gesundheitliche Problem in Deutschland“. Ein Viertel der psychoso- matischen Patienten an seiner Klinik sei-
en in ihrer Kindheit häufig geschlagen beziehungsweise misshandelt worden.
Zwar gibt es ein Gesetz, das Eltern ver- bietet, ihre Kinder zu schlagen, doch sei dies zu wenig bekannt. Egle wies auf gute Erfolge in Schweden hin. Dort wur- de der Hinweis auf das Verbot auf Milch- packungen jahrelang abgedruckt – eine simple, aber sinnvolle Maßnahme.
Egle stellte weiter die Ergebnisse großer prospektiver Langzeitstudien vor, zum Beispiel der Kauai-Studie, die psychische Stressfaktoren an rund 700 Kindern einer kleinen Hawaii-Insel über 40 Jahre untersuchte. Belastend sind demnach:
eine emotional schlechte Bezie- hung zu den Eltern (negative Bindungs- erfahrung)
körperliche Misshandlung sexueller Missbrauch
berufliche Anspannung der Eltern von Anfang an
Altersabstand zu Geschwistern in einem Alter von weniger als 18 Monaten
schlechte finanzielle Situation Folgen elterlicher Trennung chronisch psychisch oder körper- lich kranke Eltern
Tod der Eltern.
Doch psychosoziale Belastungen in der Kindheit führen nicht zwangsläufig zu seelischen oder körperlichen Schä- den. Die Kauai-Studie untersuchte auch die Schutzfaktoren:
adäquate frühkindliche Eltern- Kind-Bindung
dauerhaft gute Beziehung zur primären Bezugsperson
Großfamilie
gutes Ersatzmilieu nach Verlust der Eltern
überdurchschnittliche Intelligenz robustes aktives Temperament weibliches Geschlecht
stabile Partnerschaft.
Neben diesen Schutzfaktoren kön- nen in der Entwicklung eines Kindes positive Erfahrungen die durch die ne- gativen Erfahrungen gemachten Defizi- te auffangen (Resilienz) – auch die De- fizite, die im kindlichen Gehirn entstan- den sind. Heute ist bekannt, dass die neuronale Verknüpfung im Gehirn un- mittelbar mit der erfahrenen Erziehung und Sozialisation zusammenhängt, die ein Kind vor allem in den ersten drei Lebensjahren macht. Diese Strukturie- P O L I T I K
Deutsches ÄrzteblattJg. 100Heft 2016. Mai 2003 AA1325
Psychotherapie und Prävention
Kindheit hat Folgen
Bei den Lindauer Psychotherapiewochen befassten sich Wissenschaftler mit den Auswirkungen psychosozialer Belastungen in der Kindheit auf die spätere Entwicklung.
Neues Jugendschutzgesetz
Am 1. April 2003 sind Neuregelungen zum Ju- gendschutz in Kraft getreten. Die Kernpunkte:
Computer- und Videospiele müssen mit einer Altersfreigabekennzeichnung versehen werden.
Kriegsverherrlichende Darstellungen, solche, die Menschen in einer die Würde verletzenden Weise zeigen, sowie Medien, die Jugendliche in
„geschlechtsbetonter“ Haltung abbilden, sind mit einem „weitreichenden“ Vertriebs- und Werbeverbot belegt.
Die Bundesprüfstelle für jugendgefährdende Medien (bisher: Schriften) kann künftig auch al- le neuen Medien indizieren.
Die gewerbliche Abgabe von Tabakwaren an Kinder und Jugendliche unter 16 Jahren ist ver- boten. Für Zigarettenautomaten gilt eine Über- gangsfrist bis 2007.
Tabak- und Alkoholwerbung in Kinos vor 18 Uhr ist verboten.
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uropas Ärzte holen auf, was die In- ternet-Nutzung betrifft: Zwar ha- ben US-amerikanische Ärzte im- mer noch einen großen Vorsprung – dort sind 96 Prozent der Ärzte online –, doch zunehmend integrieren auch die Ärzte in Europa das Internet in ihren Arbeitsalltag. Das ist das Ergebnis ei- ner 2002 durchgeführten Studie der Bo- ston Consulting Group (www.bcg.com) unter Allgemeinärzten und Fachärzten.Befragt wurden 606 Ärzte aus Deutsch- land, Frankreich und Schweden, um das Online-Verhalten der Ärzte zu untersu- chen. Deutschland (254 befragte Ärzte) und Frankreich (251) wurden für die Studie ausgewählt, weil sie die beiden größten Gesundheitsmärkte in Europa sind, Schweden (101) kam hinzu, weil dort das Internet unter den Ärzten am weitesten verbreitet ist.
Nach der Arbeit ins Internet
Schweden liegt dabei mit 74 Prozent Internet-Nutzern unter den Ärzten an erster Stelle, gefolgt von Deutschland (64 Prozent) und Frankreich (55 Pro-
zent). Zum Vergleich: Noch 2000 lag in Deutschland die Internet-Nutzung nur bei 47 Prozent. Die Studie prognosti- ziert, dass spätestens im Jahr 2005 90 Prozent der Ärzte in Frankreich und Deutschland online sein werden, zumal das Internet unter den Jüngeren (unter 40 Jahre) eine um 20 Prozent höhere Verbreitungsrate hat als bei den Ärzten insgesamt. Drei Stunden in der Woche verbringen die deutschen Ärzte durch- schnittlich online auf der Suche nach medizinischen Informationen (84 Pro- zent) und Fachartikeln (72 Prozent) (Grafik 1).
Die überwiegende Mehrheit der be- fragten Ärzte geht erst nach der Arbeit ins Internet (Grafik 2). Allerdings vari- iert das Ausmaß, in dem das Internet zu beruflichen Zwecken von zu Hause aus genutzt wird, in den einzelnen Ländern erheblich: Deutsche Ärzte nutzen das Internet zu 65 Prozent von zu Hause aus für berufliche Zwecke, französische Ärzte zu 45 Prozent und schwedische Ärzte nur zu 25 Prozent.
Da im Vergleich die deutschen Ärzte nur halb so viel Zeit für Patientenge- spräche haben wie ihre befragten eu- ropäischen Kollegen, verwei- sen sie Patienten immer häufi- ger auf das Internet als ergän- zende Informationsquelle. Je- der zweite deutsche Arzt, der online ist, sucht deshalb nach geeigneten Websites, die er seinen Patienten zu einem Gesundheitsthema empfehlen kann. Der Studie zufolge se- hen die Ärzte dies als eine Möglichkeit, die Arzt-Patien- ten-Beziehung zu stärken, mehr Kenntnis über die Web- rung des Gehirns bestimmt später we-
sentlich, wie Beziehungen gesucht und gestaltet und gelebt werden. Der Psy- chosomatiker Egle fordert daher als Konsequenz für die Psychotherapie, die neurobiologischen Faktoren stärker zu berücksichtigen.
Die Aufmerksamkeit der Psychothe- rapie Kinder und Jugendlicher richtet sich derzeit verstärkt auf die Förderung der protektiven Faktoren in der Ent- wicklung und darauf, welche Ressour- cen vorhanden sind. Dies betonten die Leiter der Lindauer Psychotherapiewo- chen, Prof. Dr. med. Manfred Cierpka, Heidelberg, und Prof. Dr. Verena Kast, St. Gallen. Mit präventiven Maßnahmen könnten die emotionalen und sozialen Kompetenzen bei Eltern und Kindern gefördert werden. Beispielsweise mit ei- nem Curriculum zur Gewaltprävention wie „Faustlos“: Mit dem von Cierpka entworfenen Programm lernen Kinder in Kindergärten und Schulen mit gutem Erfolg mit Konflikten umzugehen, ohne Gewalt anzuwenden (zu „Faustlos“ sie- he DÄ, Heft 19/2002).
Politischer Wille nötig
Den Weg, über die Eltern kindlichen Verhaltensauffälligkeiten vorzubeugen, nimmt Triple P (Positive Parenting Pro- gram). Das an der Universität von Queensland, Australien, entwickelte
„Positive Erziehungsprogramm“ hilft Eltern, durch unterschiedliche Inter- ventionen, gestuft von reiner Informati- on bis zur Familientherapie, eine gute Beziehung zu ihrem Kind aufzubauen und es so in seiner Entwicklung zu för- dern (Internet: www. triplep.de).
Um diese und andere Konzepte ziel- genau umzusetzen, sind vor allem Poli- tiker nötig, die einsehen, dass zum Bei- spiel Gewalt an Schulen frühzeitig vor- gebeugt werden kann. Das Schulmassa- ker in Erfurt vom April 2002 ist Mah- nung genug. Petra Bühring
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A1326 Deutsches ÄrzteblattJg. 100Heft 2016. Mai 2003
Die 54. Lindauer Psychotherapiewochen finden vom 25. April bis 7. Mai 2004 in Lindau am Bodensee statt.
Thema der ersten Woche: „Das Auge“; zweite Woche:
„Das Herz“.
Informationen: Lindauer Psychotherapiewochen, Platzl 4 A, 80331 München, Tel.: 0 89/29 16 38 55, E-Mail: Info@Lptw.de, Internet: www.Lptw.de
Studie: „European Physicians and the Internet“
Der Einfluss des Internets wächst
Fast zwei Drittel der niedergelassenen Ärzte in Deutschland nutzen das Internet regelmäßig. 68 Prozent meinen, dass Online- Informationen das ärztliche Wissen und Handeln beeinflussen.
Grafik 1
Gesundheitsinformationen ihrer Pati- enten zu erhalten und sich in der Sprechstunde auf die wesentlichen Fra- gen zu konzentrieren. Wenn Ärzte ihren Patienten zusätzliche Online-In- formationsquellen nennen, geben mehr als 90 Prozent der französischen und deutschen Ärzte und fast 80 Prozent der schwedischen Ärzte andere Web- Adressen als die von ihnen selbst be- vorzugten an. Demgegenüber emp- fiehlt mehr als ein Drittel der US-ame- rikanischen Ärzte ihren Patienten Web- sites von medizinischen Fachgesell- schaften, die häufig auch spezielle Be- reiche für Patienten anbieten.
Nahezu 60 Prozent der Ärzte begin- nen die Internet-Recherche über Such- maschinen wie Medline. Bevorzugt werden generell Websites in der eige- nen Sprache (80 Prozent). Darüber hin- aus greifen Allgemeinärzte vorrangig auf nichtspezialisierte Gesundheitspor- tale wie multimedica.de zu, wohingegen Fachärzte bevorzugt auf ihre Fachrich- tung bezogene Web-Angebote ansteu- ern. Im Unterschied zu den USA, wo 23 Prozent der Ärzte die Website von WebMD nutzen, wird in Europa keine medizinische Site von mehr als zehn Prozent der Ärzte genannt. Auf bevor- zugte Websites werden Ärzte vor allem über Hinweise in Fachzeitschriften, durch Kollegen und über Suchmaschi- nen aufmerksam.
Das Internet wirkt sich auf das ärztli- che Wissen und Verhalten aus: So gaben 84 Prozent der befragten Mediziner an, dass Online-Informationen ihr Wissen über neue Behandlungsmöglichkeiten einschließlich Arzneimittel beeinflusst hat, und 74 Prozent bestätigen diesen Einfluss auf ihr Wissen über Symptome und Diagnosen (Grafik 3). 50 Prozent der Ärzte suchen mittlerweile Infor- mationen über Arzneimittel im Inter- net, in Schweden sind dies sogar bereits 70 Prozent.
Online-Fortbildung
Ein weiteres wichtiges Thema ist die zertifizierte Fortbildung per Internet (continuing medical education – CME).
Rund 61 Prozent der deutschen Ärzte suchen gezielt nach Online-Fortbildun- gen, aber nur jeder fünfte findet geeig-
nete Angebote im Netz. Diese Diskre- panz zwischen Angebot und Nachfrage ist vor allem darauf zurückzuführen, dass dieser Bereich in einigen Ländern noch nicht sehr weit entwickelt ist. Dar- über hinaus sind die Inhalte in vorhan- denen Angeboten häufig überwiegend textbasiert und nicht mediengerecht aufgearbeitet: Interaktive Möglichkei- ten, Animationen und Filme fehlen.
Mit Blick auf die Entwicklung von E- Health in den USA lässt sich nach der Studie bereits heute voraussagen, dass innerhalb der nächsten drei Jahre die Internet-Nutzung bei den Ärzten und die Zeit, die sie aus beruflichen Grün- den – sei es zur Informationsrecherche oder zur Betreuung von Patienten – on- line verbringen werden, drastisch an- steigen werden. Ein Grund hierfür ist
das wachsende Informations- bedürfnis auf Patientenseite:
In einer Umfrage unter mehr als 10 000 Patienten in den USA gaben 80 Prozent der Befragten an, dass sie medizi- nische Informationen online suchen. Rund 75 Prozent meinten, dass E-Health die Art und Weise, wie sie mit ihrem Arzt kommunizieren, verändert hat.
In Deutschland gaben 70 Prozent der Ärzte an, dass sie von Patienten nach Behand- lungsverfahren gefragt wur- den, auf die diese im Internet aufmerksam wurden. 55 Pro- zent der Ärzte wurden auf spezielle Medikamente angesprochen, von denen die Patienten online erfah- ren hatten. Dies verstärkt den Druck auf die Ärzte, das Medium „Internet“
gezielt zu nutzen und in die ärztliche Routine einzubinden. Rund 20 Prozent der befragten Ärzte (in Deutschland allerdings nur rund sechs Prozent) kommunizieren bereits per E-Mail mit Patienten, wenn auch mit Vorbehalten und vorwiegend auf Wunsch der Pati- enten. Die Ärzte befürchten, dass die ärztliche Online-Kommunikation noch mehr der ohnehin knapp bemessenen Zeit – ohne entsprechende Vergütung – beanspruchen wird. Darüber hinaus sind rechtliche Fragen, wie zum Bei- spiel die Vertraulichkeit von Informa- tionen und Haftungsfragen, noch nicht geklärt. Heike E. Krüger-Brand P O L I T I K
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A1328 Deutsches ÄrzteblattJg. 100Heft 2016. Mai 2003
Grafik 2
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Wann suchen Ärzte nach medizinischen Informationen im Internet?
nach der
Arbeit am
Wochen- ende
zwischen den Patienten- gesprächen
während der Patienten- gespräche Quelle: BCG 2002 (Geantwortet haben 117 deutsche, 102 französische und 86 schwedische Ärzte.)
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