Deutsches ÄrzteblattJg. 101Heft 316. Januar 2004 AA69
S E I T E E I N S
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ür den Fall weiterer Schließungen forensischer Institute muss mit ei- nem Anstieg unerkannter Tötungs- delikte gerechnet werden. Darauf haben Rechtsmediziner beim 28.Interdisziplinären Forum der Bun- desärztekammer in Köln hingewie- sen. Der Trend zur Abschaffung klei- nerer Institute zugunsten weniger Großzentren berge „eine Gefahr für die innere Sicherheit“, sagte Prof.
Dr. Klaus-Steffen Saternus, Direk- tor des Instituts für Rechtsmedizin der Universität Göttingen. So soll es beispielsweise in Niedersachsen demnächst nur noch eine zentrale Forensik mit Sitz in Hannover ge- ben.Allerdings hielt man in Köln die jüngsten Schätzungen, wonach etwa 1 200 Tötungsdelikte jährlich nicht als solche erkannt werden, für über- trieben. „Das Problem existiert, aber nicht in dieser Dimension“, betonte
Saternus. Insgesamt mahnten die Rechtsmediziner ihre Kollegen zu mehr Sorgfalt bei der Leichenschau und beim Ausstellen des Toten- scheins. „Die Häufigkeit falsch ein- geschätzter Todesursachen auf der Todesbescheinigung liegt zwischen 20 und 50 Prozent“, kritisierte Prof.
Dr. med. Burkhard Madea, Direk- tor des Instituts für Rechtsmedizin der Rheinischen Friedrich-Wilhelm- Universität in Bonn. Ursache für diese Misere sei die konkurrierende Gesetzgebungskompetenz der Län- der, welche die Regeln des Leichen- schau- und Obduktionswesens nach wie vor allein bestimmen und einem bundeseinheitlichen Leichenschau- Schein im Wege stehen.
Der Erfolg einer Initiative der Bundesärztekammer vom Januar 2003 auf Einführung einheitlicher gesetzlicher Vorschriften zur ärztli-
chen Leichenschau müsse abgewar- tet werden, meinte Madea bei dem Forum in Köln. Bremen, Hamburg, Berlin, Baden-Württemberg, Bay- ern, Sachsen-Anhalt und Nordrhein- Westfalen hätten ihre Bestattungs- gesetze und Leichenschauverord- nungen zumindest novelliert.
Der Entwurf der Bundesärzte- kammer sieht bei der Klassifizierung der Todesart die Rubrik „unerwarte- ter Tod im Rahmen medizinischer Maßnahmen“ vor. Mit dieser zusätz- lichen Kategorie wird der Versuch unternommen, meldepflichtige To- desfallkategorien unabhängig von der Frage eines Verschuldens Drit- ter zu definieren. Studien zufolge at- testieren circa 30 Prozent der Kli- nikärzte auch bei Gewalteinwir- kung,Vergiftung, Suizid oder ärztli- chem Eingriff einen „natürlichen Tod“. Dr. med. Vera Zylka-Menhorn
Rechtsmedizin
Unbeliebte Leichenschau D
ie Kassenärztliche Bundesverei-nigung (KBV) und die Spitzen- verbände der gesetzlichen Kranken- kassen haben am 12. Januar offene Fragen zur umstrittenen Praxisge- bühr erörtert. Zu einer abschließen- den Klärung kam es dabei nicht. Das Gespräch werde aber in der kom- menden Woche fortgesetzt, kündigte der Hauptgeschäftsführer der KBV, Dr. med. Andreas Köhler, an. An- genähert habe man sich bisher beim Thema „Notfallversorgung“. Unklar ist bislang, ob Notfallpatienten we- gen ein und derselben Behandlung mehrmals eine Praxisgebühr ent- richten müssen oder nicht. Zu Jah- resbeginn hatten Patienten mitunter 20 bis 30 Euro zahlen müssen, weil sie zur Weiterbehandlung erneut in die Ambulanz bestellt wurden. Die
KBV hofft auf Nachbesserungen und will gemeinsam mit den Kassen überprüfen, welche Schritte der Ge- setzestext zulässt.
Für die Psychotherapie bleibt es zunächst bei der Übergangsregelung, nach der bis zum 31. März keine zu- sätzliche Praxisgebühr fällig wird.
Der Erste Vorsitzende der KBV, Dr.
med. Manfred Richter-Reichhelm, zeigte sich jedoch optimistisch, dass die Regelung auch über das erste Quartal hinaus Bestand haben wer- de. Zusätzliche Entlastungen stellte zuvor Bundesgesundheitsministerin Ulla Schmidt in Aussicht. So soll das Abholen von Folgerezepten für die Anti-Baby-Pille ab dem zweiten Quartal praxisgebührenfrei werden.
Unterdessen hat der Präsident der Bundesärztekammer (BÄK),
Prof. Dr. med. Jörg-Dietrich Hoppe, Kritik an der Umsetzung der Praxis- gebühr geäußert. Die Gesetzestexte seien unklar formuliert und bedürf- ten der Nachbesserung. Vor allem aber bedeute der bürokratische Mehraufwand einen Verlust an Be- handlungszeit. Von ihm frühzeitig geäußerte Bedenken sieht Hoppe nun bestätigt. Bereits im April des vergangenen Jahres hatte der BÄK- Präsident in einer Reaktion auf die Vorschläge der Rürup-Kommission davor gewarnt, die Behandlungsge- bühr in den Praxen einziehen zu las- sen. Damals hatte er gefordert, diese Frage „sozialverträglich und in Ab- stimmung mit Patienten und Selbst- hilfegruppen zu gestalten“. Dies sei, wie Hoppe jetzt konstatiert, nicht geschehen. Samir Rabbata