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Archiv "Der Patient als Partner: „Ein zartes Pflänzchen“" (23.04.2004)

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ehr „Patientenorientierung“ im Gesundheitswesen zu erreichen scheint der Bundesregierung seit einigen Jahren ein besonderes Anliegen zu sein: So wurde bereits 1999 eine Pati- entencharta erarbeitet. Seit 2000 besteht die gesetzliche Verpflichtung der Kran- kenkassen, unabhängige Einrichtungen der Patientenberatung finanziell zu för- dern, und seit dem In-Kraft-Treten des GKV-Modernisierungsgesetzes (GMG) zum 1. Januar 2004 gibt es eine Beauf- tragte der Bundesregierung für die Be- lange der Patienten (DÄ, Heft 16/2004) und mitberatende Patientenvertreter im Gemeinsamen Bundesausschuss. Mehr noch: Bereits 2000 schrieb das Bun- desministerium für Gesundheit und So- ziale Sicherung (BMGS) einen Förder- schwerpunkt aus, um zu erproben, wie eine partnerschaftliche Zusammenar- beit von Arzt und Patient an ärztlichen Entscheidungsprozessen umgesetzt wer- den kann. Drei Millionen Euro wurden bereitgestellt, die seit 2001 noch bis En- de dieses Jahres in zehn bundesweite Projekte aller Fachrichtungen fließen.

Erste Ergebnisse des „Shared Decision Making“ – also der partizipativen Ent- scheidungsfindung (PEF) von Arzt und Patient – wurden Ende März während der Tagung „Der Patient als Partner im medizinischen Entscheidungsprozess“

in Freiburg vorgestellt.

Schulungen in gemeinsamer Entscheidungsfindung

Die zehn Projektgruppen konzentrierten sich auf unterschiedliche Schwerpunkte:

Ärzte wurden in Gesprächs- und Hand- lungskompetenzen unterwiesen, es wur- den Patienteninformationen und Ent- scheidungshilfen („decision aids“) ent- wickelt oder das Projektteam bereitete

Patienten durch Schulungen auf eine stärkere Beteiligung vor (Textkasten).

Beispiel „Projekt Hannover“: Das Team aus der Abteilung Allgemeinmedizin an der dortigen Medizinischen Hochschu- le (MHH) unter Leitung von Prof. Dr.

med. Thorsten Doering erarbeitete ein Schulungskonzept in PEF für Hausärz- te und Arzthelferinnen. Dies entstand

nach einer eingehenden Literaturre- cherche und der Beschäftigung mit aus- ländischen Projekten zu dieser Thema- tik. Inhalt der Schulung waren zum Bei- spiel Grundlagen der PEF, Selbstbild und Rollenverständnis des Arztes und der Arzthelferin sowie praktische Ge- sprächsübungen mit instruierten Patien- ten. Die Ärzte übten den Umgang mit Persönlichkeitstrukturen von Patienten unter Berücksichtigung psychosozialer Aspekte. Eine Zwischenauswertung er- gab, dass sich zum Beispiel bei den Ge- sprächsübungen mit instruierten Patien- ten die Dauer der Patientenberatung kaum erhöht, wenn Patient und Arzt ge-

meinsam anstehende Entscheidungen treffen beziehungsweise darüber reden.

72 Prozent der Ärzte schätzten zudem das Konsultationstraining mit den instru- ierten Patienten besonders, und mehr als die Hälfte der Arzthelferinnen gab an, besonders an den „Grundlagen der Kommunikation“ und der Schulung in dem Umgang mit „schwierigen Patien- ten“ interessiert zu sein.

Beispiel „Projekt Freiburg“: Dort untersuchte das Wissenschaftsteam aus der Abteilung für Psychiatrie und Psy- chotherapie am Universitätsklinikum um Dr. med. Dr. phil. Martin Härter, ob depressive Patienten überhaupt dazu in der Lage sind, sich für ihre Erkrankung und deren Behandlung zu interessieren.

Es wurden durch Zufallszuweisung eine Interventionsgruppe mit 20 Praxen aus Südbaden und eine Kontrollgruppe mit

zehn Arztpraxen gebildet. Während die Interventionsgruppe zur PEF in der Depressionsbehandlung fortgebildet wurde, erhob die Kontrollgruppe nur Daten zur Arzt-Patient-Befragung oh- ne spezielle Fortbildung. Es zeigte sich, dass die Patienten, die geschult wurden, Diagnose und Behandlung besser ak- zeptierten als die aus der Kontrollgrup- pe. Allerdings war bei allen geschulten Patienten mit Depressionen das Be- dürfnis nach bloßer Information größer (etwa 90 Prozent) als das nach Partizi- pation (etwa 50 Prozent).

Trotz dieser ersten, überwiegend po- sitiven Ergebnisse der Studien wurden P O L I T I K

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A1140 Deutsches ÄrzteblattJg. 101Heft 1723. April 2004

Der Patient als Partner

„Ein zartes Pflänzchen“

Wie eine partnerschaftliche Beteiligung des Patienten an ärztlichen Entscheidungsprozessen aussehen könnte, wird derzeit bundesweit modellhaft erprobt. Erste Ergebnisse

„Damit eines klar ist:

Die Entscheidungen treffe ich!“

Karikatur:H.Schwarze-Blasske

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P O L I T I K

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A1142 Deutsches ÄrzteblattJg. 101Heft 1723. April 2004

auch Grenzen und Risiken des gemein- samen Entscheidungsprozesses ange- sprochen: „Der Einsatz von PEF darf nicht unangemessen sein“, merkte zum Beispiel Dr. med. Wilhelm-Bernhard Niebling, Lehrbeauftragter an der Uni- versität Freiburg, an. So könne infolge der meist knappen Zeit des Arztes nicht bei jedem kleinen Einsatz eine gemein- same Entscheidung getroffen werden, sagte der Allgemeinmediziner. Darüber hinaus sei bei unheilbaren Kranken oder stark gesundheitlich eingeschränkten Patienten ein „milder Paternalismus“

angebracht. Als ein wesentliches Risiko für eine PEF bezeichnete Prof. Dr. med.

David Klemperer, Fachhochschule Re- gensburg, die „manipulierte Informati- on“. „Entscheidungshilfen für den Pati- enten sind zwar wichtig, sie müssen aber wertfrei sein. Oftmals seien Ärzte und Selbsthilfegruppen durch falsche Infor- mationen der Pharmaindustrie in ihrem Urteil einseitig beeinflusst oder mani- puliert. Klemperer lobte in diesem Zu- sammenhang zwar die im GMG veran- kerte Fortbildungspflicht für Ärzte, er- kennt darin jedoch nur einen ersten Schritt: „Wir brauchen eine systemati- sche Kompetenzdarlegung.“ Zu dieser zählt nach Ansicht von Niebling auch ein internes Qualitätsmanagement der (Hausarzt-)Praxen, die evidenzbasierte Medizin und die Orientierung der Praxis an Leitlinien.

Damit der Arzt frühzeitig lerne, die PEF in den Alltag zu integrieren, forder- ten Tagungsteilnehmer, die Thematik in das Pflichtcurriculum des Medizinstudi- ums aufzunehmen (Textkasten). Aber auch die ärztliche Selbstverwaltung sollte

mehr über PEF informieren, so Klempe- rer. Hierin stimmte der Arzt mit der In- itiatorin des Förderschwerpunktes des BMGS, der Ministerialrätin Dr. med. Hil- trud Kastenholz, überein: „Wir wollen vor allem die Kassenärztlichen Vereini- gungen und die Bundesärztekammer da- zu veranlassen, sich mehr mit der Thema-

tik zu beschäftigen“, so die Leiterin des Referats Qualitätssicherung, Qualitäts- management und Personal im Kranken- haus, gegenüber dem Deutschen Ärzte- blatt. Noch sei die PEF zwar nur ein „zar- tes Pflänzchen“, aber das sei das Thema Qualitätsmanagement schließlich auch einmal gewesen. Martina Merten

KOMMENTAR

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erhard Schröder hatte ordentlich Druck auf der Brust. Auch Luft- not und Schmerzen im linken Arm gesellten sich von Zeit zu Zeit dazu. Aber es war und ist – noch – kein Schwächeln, auch wenn die zahl- reichen Parteiaustritte der SPD eine unzureichende Durchblutung und da- mit Versorgung der Herzensanliegen der SPD nahe legen.Auch bei Gerhard Schröder schlägt das Herz links, jedoch auf eine andere, weniger ideo- logische Art als bei

Oskar Lafontaine. Die beschwerliche Über- zeugungsarbeit gegen- über den Genossen be- züglich der „Agenda 2010“ machte Schröder schon manches Mal

kurzatmig. Und besonders hand- lungskräftig sind die politischen Ar- me Gerhard Schröders – auch mit Blick auf den Bundesrat – nicht. Da kann man sich schon an mehr als einer Aufgabe verheben. Schröder braucht Unterstützung. Doch die therapeutischen Fähigkeiten von Ge- sundheitsministerin Ulla Schmidt sind beim Bundeskanzler nicht hoch im Kurs.

Seit einiger Zeit ist ein Gutteil dieses „Druckes auf der Brust“ weg – verlagert auf den neuen Parteivor- sitzenden Franz Müntefering. Der soll als Psychotherapeut die Seele der SPD bewahren. Durch seinen „Stall- geruch“ und seine Ehrlichkeit des

„standhaften Parteisoldaten“ soll er darüber hinaus vermitteln, dass Be- ständigkeit in der Regierung einerseits Stehvermögen, aber auch Flexibilität in Bezug auf „unwiederbringliche gol-

dene Tage“ einstiger Sozial- und Ge- werkschaftsansprüche erfordert.

Denn wenn nicht mehr bezahlt wer- den kann, weil kein Geld da ist, kön- nen noch so berechtigt erscheinende Ansprüche keine Mittel einbringen.

Es ist zu fragen, ob nicht hier und da ungerechtfertigt Gelder „verbraten“

werden, ohne dem eigentlichen An- spruch gerecht zu werden. Aber die bittere Medizin, dass in Deutschland jetzt die Frage im Vordergrund stehen muss, was jeder Einzel- ne für Deutschland tun kann, nicht mehr, wie lange gewohnt – und gerade der jungen Ge- neration eingeimpft –, was Deutschland für jeden Einzelnen tun kann, die muss der bescheiden auftre- tende „Doktor“ Franz Müntefering nun der Partei, den Genossen und auch den Wählern verabreichen. Er ist der Einzige, dem man zutraut, dies zu vollbringen, ohne noch massivere Widerstände in der SPD zu wecken.

Müntefering hat sich selbst und dar- über hinaus nichts zu bieten, außer

„Blut, Schweiß und Tränen“ sowie sei- nen eigenen Glauben an die (Kampf-) Kraft der Sozialdemokratie. Die Dia- gnose steht: „Lähmung der Deutsch- land AG“. Die Therapie heißt „Auf- schwung durch Stimmungsumschwung ermöglichen“.

Der Doktor ist ans Krankenbett getreten. Ob seine Therapie umge- setzt werden kann und anschlägt, wird die Zukunft zeigen. Bei allen hohen Erwartungen: Auch in Zeiten der Hightech-Medizin ist Geduld erforderlich. Wolfgang Wagener

Gerhard Schröder

Medicus curat

Weitere Informationen zum Förder- schwerpunkt und zur PEF

>www.patient-als-partner.de

>www.fimdm.org

>www.healthdialog.com

>Institut für Allgemeinmedizin der Charité Berlin: seit WS 2001/2002 ist die ärztliche Gesprächsführung ein obligatorisches Lehr- angebot für Studierende im Ersten Klini- schen Semester mit anschließendem Ver- tiefungskurs für das Fünfte. Klinische Semester (weitere Informationen: ulrich.

schwantes@charite.de) Textkasten

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