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Archiv "Ausgewogene Substratversorgung durch Fleischverzehr" (13.03.1998)

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er Verzehr von Fleisch und Fleischwaren ist in Deutsch- land seit Ende der achtziger Jahre stark zurückgegangen. Als Gründe werden tierschützerische, ökologische, soziale und weltanschau- liche Gesichtspunkte angegeben (19), die Sorge vor einer möglichen Über- tragung der bovinen spongiformen En- zephalopathie (BSE) und vor Verun- reinigungen mit Arzneimitteln und Hormonen. Pressemeldungen über ein angeblich erhöhtes Risiko kardiovas- kulärer und Krebserkrankungen durch Fleischkonsum bei gleichzeitig ange- nommenem Fehlen eines gesundheitli- chen Nutzens führten ebenfalls zur Verunsicherung der Verbraucher. Da- her werden gerade auch Ärzte häufig mit Fragen zur Nutzen-Risiko-Abwä- gung des Fleischverzehrs konfrontiert.

Fleisch enthält hohe Gehalte an biologisch hochwertigem Eiweiß, gut resorbierbarem Eisen und Zink sowie

Vitamin A, B1, B6und B12; resorptions- hemmende Faktoren sind kaum ent- halten (12). Hier sollen die Fragen dis- kutiert werden, welche Vorteile die ho- he ernährungsphysiologische Qualität von Fleisch für eine bedarfsdecken- de Nährstoffversorgung hat und ob Nachteile hinsichtlich des Risikos für Kolonkarzinome und kardiovaskuläre Erkrankungen zu befürchten sind.

Prävention des Eisenmangels

Eisenmangel ist der weltweit am häufigsten auftretende Nährstoffman- gel, von dem mindestens eine Milliar- de Menschen betroffen sind (31). Ei- senmangel führt zu hypochromer

Anämie, reduzierter körperlicher Lei- stungsfähigkeit, Verhaltensstörungen, gestörter Thermoregulation und er- höhter Infektionsanfälligkeit. Auch in Deutschland ist ein Eisenmangel außerordentlich häufig. Die VERA- Studie fand bei 3,5 bis 4,5 Prozent der Männer zwischen 18 und 54 Jahren verminderte Ferritinwerte (< 20 µg/l), bei Frauen im menstruierenden Alter bei bis zu 17,7 Prozent (Ferritin < 12 µg/l) (Grafik 1) (9). Zu den Risi- kogruppen für einen Eisenmangel gehören neben menstruierenden und schwangeren Frauen auch Säuglinge und Kinder, die aufgrund ihres Wachs- tums einen hohen Eisenbedarf haben, sowie Senioren mit vergleichsweise niedrigem Nahrungsverzehr und Ve- getarier (28). Auch Ausdauersportler, bei denen die gastrointestinale Durch- blutung vermindert und dadurch die Spurenelementresorption reduziert sein kann, sind gefährdet (3).

Ausgewogene

Substratversorgung durch Fleischverzehr

Franziska Feldl Berthold Koletzko

Stichwörter: Fleischverzehr, Ovo-Lakto-Vegetarismus, Veganer, Eisenmangel, Kolonkarzinomrisiko

Der Verzehr von Fleisch hat aufgrund wachsender Besorgnis über mögliche Gesundheitsrisiken stark abgenommen.

Fleisch ist ein Lebensmittel von hoher ernährungsphysiolo- gischer Qualität, das hohe Gehalte an biologisch hoch- wertigem Eiweiß, gut resorbierbarem Eisen, Zink und den Vitaminen A und B enthält. Gesunde Erwachsene können ei- ne bedarfsdeckende Nährstoffversorgung auch mit einer gemischt-vegetarischen Ernährung (Ovo-Lakto-Vegetaris- mus) erreichen, wenngleich die durchschnittliche Versor- gung mit Nährstoffen wie Eisen und Vitamin B12ungünstiger

ist und bei Kindern auch Längen- wachstum und Gewichtszunahme re-

duziert sind. Für Schwangere, stark menstruierende Frauen, Kinder, Leistungssportler und Senioren jedoch ist Fleisch- verzehr für eine adäquate Substratversorgung kaum ver- zichtbar, wenn nicht kritische Nährstoffe wie Eisen, Zink und Vitamin B12supplementiert werden sollen. Bei langfristi- ger rein pflanzlicher Ernährungsweise (veganische Er- nährung) wird der Vitamin B12-Bedarf nicht gedeckt, bei Kindern kann sich schon innerhalb des ersten Lebensjahres ein klinisch manifester Vitamin B12-Mangel mit schwerer neurologischer Schädigung manifestieren.

ZUSAMMENFASSUNG

Key words: Meat consumption, ovo-lacto-vegetarians, vegan diet, iron deficiency, colon cancer risk

Although meat contains large amounts of protein with a high nutritional value, as well as highly bioavailable iron, zinc and vitamins A and B, the consumption of meat has markedly decreased due to growing concerns about potential health risks. Healthy adult ovo-lacto-vegetarians can reach a physiologically adequate nutrient supply provided they select their food intake wisely. However, the average supply of some nutrients such as iron and vitamin B12 is usually low, and children on vegetarian diets show a reduced average longitudinal growth and weight gain. Meat con-

sumption is indispensable for an adequate nutri- ent supply in individuals with high requirements

of critical substrates, including pregnant women, women with strong menstrual blood losses, children, professional athletes and seniors with a low food consumption, unless nutrients such as iron, zinc and vitamin B12are supplement- ed. A long term vegan diet (strict avoidance of all animal foods) cannot meet human vitamin B12requirements over a prolonged time period. Infants that are breastfed by their vegan mothers and weaned on a vegan diet develop clinical signs of vitamin B12 deficiency with severe neurological damage usually within the first year of life.

SUMMARY

D

Kinderpoliklinik (Direktor: Prof. Dr. med. D.

Reinhardt), Klinikum Innenstadt der Ludwig- Maximilians-Universität, München

(2)

Die zur Prävention eines Eisen- mangels notwendige Aufnahmemen- ge hängt nicht allein vom individuel- len Bedarf, sondern wesentlich auch von der Bioverfügbarkeit des aufge- nommenen Eisens (Häm- oder Nicht- häm-Eisen) sowie anderen die Eisen- resorption beeinflussenden Faktoren

ab (23). Das mit der Nahrung über- wiegend aufgenommene Nichthäm- Eisen (aus Obst, Gemüse, Getreide, Eiern, Milchprodukten und auch aus Fleisch) weist eine niedrige Resorpti- on auf, die abhängig von den individu- ellen Eisenreserven im Bereich zwi- schen 2 und 20 Prozent, meist jedoch nur bei 5 bis 10 Prozent liegt (23). Re- sorptionsfördernd wirken Ascor- binsäure, fermentierte Lebensmittel und Fleisch, stark hemmend dagegen Phytate (zum Beispiel in Vollkorn- und Sojaprodukten), Polyphenole (zum Beispiel in schwarzem Tee) und Kalzium (zum Beispiel in Kuhmilch).

Die Bioverfügbarkeit von Häm- Eisen, das in Fleischwaren (mit be- sonders hohem Häm-Eisengehalt in Rindfleisch [Tabelle 1]) und Fisch ent- halten ist, beträgt etwa 15 bis 35 Pro- zent und ist damit weitaus höher als bei Nichthäm-Eisen (13, 15). Prak- tisch bedeutet dies, daß bei geringem

Fleischverzehr deutlich mehr Eisen mit der Nahrung aufgenommen wer- den muß, um den Bedarf zu decken (Tabelle 2).Besonders bei den 15 Pro- zent der Frauen, die nach Bothwell und Carlton (1981) täglich im Mittel

>2,8 mg Eisen verlieren, ist der Be- darf bei einem Fleischverzehr unter

30 g/Tag praktisch kaum zu decken;

die geschätzte, unter diesen Bedin- gungen notwendige tägliche Aufnah- memenge (56 mg Eisen) (Tabelle 2)ist beispielsweise in 3,6 kg Weizenmehl (Typ 405), 1,9 kg gekochtem Spinat

oder 6,2 kg gekochtem Broccoli ent- halten (11). Entsprechend erreichen Frauen im reproduktiven Alter eine ausgeglichene Eisenbilanz oftmals nur durch den Verzehr von Fleisch mit

hoher Eisenverfügbarkeit (3). So zeig- te die Berliner Vegetarierstudie deut- lich niedrigere Serumeisenwerte bei dem vegetarisch ernährten Kollektiv (Männer: 104 versus 111 µg/dl; Frau- en; 93 versus 104 µg/dl), trotz einer um etwa 1 mg/Tag höheren mittleren Eisenzufuhr bei der vegetarischen Gruppe. Eine Eisenunterversorgung war bei den Vegetariern wesentlich häufiger (7 bis 12 Prozent versus 3 Prozent) (8). Bei einer rein pflanzli- chen Ernährung kann jedoch eine ver- besserte Eisenresorption durch den Verzehr von ascorbinsäurereichem Gemüse, Obst und Säften zusammen mit eisenreichen pflanzlichen Lebens- mitteln (Vollkorngetreide, dunkle Gemüsesorten) erzielt werden. Aber auch dann erscheint eine langfristig konsequent vegetarische Ernährung hinsichtlich der Eisenversorgung nur für gesunde erwachsene Männer und für Frauen jenseits der Menopause weitgehend unbedenklich. Andere Personen bedürfen einer Überwa- chung.

Eisenzufuhr im Kindesalter

Säuglinge und Kinder im Wachs- tumsalter gehören zu den besonders gefährdeten Gruppen, denn der Ei- senbedarf ist in den ersten beiden Le- bensjahren und in der Pubertät auf- grund der schnellen Vermehrung der Körpermasse groß. In diesen Alters- gruppen treten häufig ein latenter Ei- senmangel und eine Eisenmangelanä- mie auf (3, 10). Für die neurologische Entwicklung im frühen Kindesalter ist Eisen von Bedeutung, da es unver- zichtbarer Kofaktor wichtiger Schlüs- selenzyme für die Synthese der Neu- rotransmitter Dopamin und Seroto- nin ist. Bereits bei mildem Eisenman- gel kann auch der ZNS-Stoffwechsel gestört werden. Klinische Untersu- chungen zeigten bei Säuglingen mit Eisenmangel eine signifikant schlech- tere psychomotorische Entwicklung (Grafik 2) mit Beeinträchtigung der Sprachentwicklung und des Gleichge- wichtssinnes im Alter von einem Jahr (32). Noch im Alter von fünf bis sechs Jahren fanden sich kognitive Störun- gen (33). Um einer Eisenmangelan- ämie und längerfristigen Entwick- lungsnachteilen vorzubeugen, ist nach 18

16 14 12 10 8 6 4 2 0

18 – 20 25 – 34 35 – 44 45 – 54 55 – 64 < 64

%

Alter in Jahren

Ferritin <20 µg/L Ferritin >12 µg/L Grafik 1

Häufigkeit niedriger Serumferritinspiegel als Hinweis auf Eisenmangel in Deutschland bei Männern (Ferritin <

20 µg/l; jeweils linke Säulen) und Frauen (Ferritin < 12 µg/l; jeweils rechte Säulen) in der VERA-Studie (9).

Tabelle 1

Mittlerer Gehalt an Häm-Eisen am Gesamtei- sengehalt verschiedener Fleischsorten (13)

Fleischsorte Mittlerer

Gehalt an Häm-Eisen Rindfleisch, gegart 75%

Schweinefleisch, gegart 60 % Putenfleisch, gegart 40 %

(3)

der Erschöpfung der endogenen Ei- senreserven ab dem 4. bis 6. Lebens- monat eine adäquate Eisenzufuhr be- sonders wichtig. Mindestens zwei bis dreimal pro Woche sollte in der Bei- kost des Säuglings mageres Fleisch enthalten sein. Bei Getreidebreien sind mit Eisen angereicherte Produk- te zu empfehlen, die besonders bei einer vegetarischen Säuglingsernäh- rung wichtig werden.

Kuhmilch ist eisenarm und wirkt überdies hemmend auf die Eisenre- sorption (hoher Kalziumgehalt), so daß für die Dauer des ganzen ersten Lebensjahres Muttermilch oder han- delsübliche eisenangereicherte Säug- lingsmilchnahrungen bevorzugt wer- den sollten.

Zink

Zink hat essentielle Bedeutung für strukturelle, regulatorische und katalytische Funktionen in zahlrei- chen Enzymen sowie für die Insulin- speicherung, die Gentranskription und die Rezeptorbindung von Hor- monen (10, 16, 22). Eine Zinkunter- versorgung führt zu Hypo- und Dys- geusie, Appetitlosigkeit, gestörter In- fektionsanfälligkeit und Wundhei- lungsstörungen, bei schwerem Aus-

maß auch zur Acrodermatitis entero- pathica (2, 18). Bei Kindern ist eine hohe Zinkaufnahme mit besserem Längenwachstum (5, 6, 25) und mit höherer Vigilanz und Spontanakti- vität (Grafik 3)(27) assoziiert.

Für den Menschen sind die we- sentlichen Zinkquellen Fleischwaren, Milchprodukte, Fisch und Schalentie- re, wobei analog zum Eisen für die Be- darfsdeckung neben der Höhe der Ge- samtzufuhr vor allem die Bioverfüg- barkeit des Zinks von entscheidender Bedeutung ist. Bei gesunden Erwach- senen ist die Zinkresorption aus Rind- fleisch drei- bis vierfach höher als aus Getreide (Grafik 4) (36). Tierisches Ei- weiß erhöht die Bioverfügbarkeit, während eine hohe Kalzium- und Phytatzufuhr durch Komplexbildung die Resorption verringern (10, 22). Ent- sprechend wird aus einer Mischkost mit tierischen Lebensmitteln Zink im Mit- tel zu zirka 40 Prozent, bei rein vegeta- rischer Ernährung jedoch nur zu zirka 10 Prozent aufgenommen (10, 34).

Vitamin B12(Cobalamin) Mit den schwerwiegenden häma- tologischen und neurologischen Schä- digungen bei perniziöser Anämie in Folge einer gestörten Vitamin B12- Resorption sind Ärzte gut vertraut.

Weniger bekannt ist, daß auch der Ausschluß tierischer Lebensmittel aus der Ernährung die Vitamin B12- Versorgung stark verschlechtert. Vit- amin B12, das nur von Mikroorganis-

men synthetisiert wird, nimmt der Mensch nur mit tierischen Lebensmit- teln (Fleisch, Fisch, Milch, Eier) und in sehr geringem Umfang auch mit fermentierten Produkten (Sauer- kraut, Bier) zu sich (2, 21).

Die Berliner Vegetarier-Studie zeigte entsprechend bei einem hohen Anteil von 11 Prozent der weiblichen und 16 Prozent der männlichen Ve- getarier erniedrigte Vitamin-B12-Se- rumspiegel (< 150 pg/dl), dagegen nur Tabelle 2

Eisenzufuhr bei Frauen

Bioverfügbarkeit gering mittel hoch

(täglicher Fleischverzehr) < 30 g 30–90 g > 90 g Erforderliche tägliche Eisenzufuhr

bei mittleren Eisenverlusten/Tag

< 1,3 mg (50% Frauen) 26 mg 13 mg 6,5 mg

< 1,8 mg (30% Frauen) 36 mg 18 mg 9 mg

< 2,8 mg (15% Frauen) 56 mg 28 mg 14 mg

> 2,8 mg ( 5% Frauen) >56 mg >28 mg >14 mg Zur Bedarfsdeckung erforderliche Eisenzufuhr bei Frauen in Abhängigkeit von der Bio- verfügbarkeit des Nahrungseisens sowie von der Höhe der nicht normalverteilten Eisen- verluste. Stark menstruierende Frauen mit hohen Eisenverlusten können ihren Eisenbe- darf bei dauerhaft sehr geringem Fleischverzehr und damit niedriger Eisenbioverfügbar- keit kaum allein aus der Nahrung decken und sind dann zur Vermeidung eines Eisenman- gels auf Eisensupplemente angewiesen (4).

103 101 99 97 95 93 91 89 87 85

Entwicklungsindex (PDI)

Eisenmangel- anämie (Hb < 11g/dl)

Eisenmangel, keine Anämie

Kontrollen P<0.0001

Grafik 2

Bei einer im Alter von drei Monaten bestehenden Eisenmangelanämie und weniger ausgeprägt auch bei einem Eisenmangel ohne Anämie ist noch im Alter von 12 Monaten die psychomotorische Entwicklung (Psychomotor Development Index [PDI] im Baley- Test) beeinträchtigt (32).

160 140 120 100 80 60 40 20 0

Entwicklungsindex (PDI)

Zink (n=48) Kontrolle (n=48) P<0.05 Grafik 3

Auswirkungen der Zinkversorgung auf die psycho- motorische Aktivität bei Kindern. In einer randomi- sierten Doppelblindstudie erhielten 96 Kinder im Al- ter von 6 bis 35 Monaten täglich über sechs Monate entweder 10 mg Zink oder Plazebo. Die Vigilanz und Spontanaktivität, gemessen mit dem Children’s Ac- tivity Rating Score, waren nach Zinksupplementie- rung signifikant erhöht (nach 27).

(4)

bei zwei Prozent der Nichtvegetarier (8). Bei rein veganischer Ernährung entwickelt sich ein Vitamin-B12-Man- gel, der jedoch bei gesunden Erwach- senen aufgrund der vergleichsweise großen hepatischen Speicher (etwa 2 bis 5 mg) erst nach vielen Jahren kli- nisch, zum Beispiel durch eine perni- ziöse Anämie manifest wird (12). An- ders ist die Situation bei Säuglingen mit ihren nur geringen Vitamin-B12- Reserven.

Gestillte Kinder von Frauen, die sich veganisch ernähren und deren Muttermilch arm an Vitamin B12ist, entwickeln ohne Zufütterung tieri- scher Lebensmittel meist im zweiten Lebenshalbjahr Vitamin B12-Mangel- symptome: vor allem eine ver- langsamte oder rückläufige neurolo- gische Entwicklung bis hin zur Apa- thie und zum Koma, hochgradige Hirnatrophie (Abbildung 1)und blei- bende neurologische Schäden (29).

Ein empfindlicher Indikator des Mangels ist eine vermehrte renale Ausscheidung von Methylmalonsäu- re, so daß bei Verdacht auf eine Fehl- ernährung die Bestimmung dieser or- ganischen Säure im Urin angezeigt ist. Vorbeugend sollten schwangere und stillende Frauen mit rein vegani- scher Ernährung sowie deren Kinder unbedingt mit Vitamin B12 supple- mentiert werden.

Weitere Aspekte einer vegetarischen Ernährung Eine vegetarische Ernährungs- weise hat für gesunde Erwachsene durchaus positive Aspekte. So ver- mindert beispielsweise die meist niedrige Energiedichte der Nahrung das Adipositasrisiko, und für ver- schiedene erwünschte Nährstoffe, wie zum Beispiel Vitamin C, Kalium, komplexe Kohlenhydrate und sekun- däre Pflanzenstoffe, wird meist eine erfreulich günstige Zufuhr erreicht.

Auch eine geringe Zufuhr an gesät- tigten Fetten, Cholesterin und Puri- nen ist mit dieser Ernährung mög- lich.

Die bei vegetarischer Ernährung in der Regel niedrige Dichte an Ener- gie und einigen anderen physiologisch wichtigen Nährstoffen (unter ande- rem Eisen, Zink, Jod, Kalzium, Vita- mine B12 und D) birgt, vor allem bei Personen mit hohem Bedarf, wie Schwangere und Kinder, das Risiko einer Unterversorgung.

Hier kann auch die Proteinzufuhr ungenügend sein, da Eiweiß pflanzli- cher Herkunft eine deutlich geringere biologische Wertigkeit hat als tieri- sches Protein. Die biologische Wer- tigkeit kann durch Kombination ver- schiedener Eiweißquellen erhöht werden (beispielsweise durch gemein- samen Verzehr von Getreide und Hül- senfrüchten). Manche modernen „al- ternativen“ Ernährungsformen sind sehr einseitig (zum Beispiel vorwie- gend auf Getreidebasis), was ein er- höhtes Risiko der Unterversorgung mit sich bringt und bei Kindern eine schwere Mangelernährung hervorru- fen kann (Grafik 5).

Systematische Untersuchungen bei vegetarisch ernährten Kindern zeigten gegenüber gemischt ernähr- ten Kindern eine deutlich zurückge- bliebene mittlere Gewichts- und Län- genentwicklung und eine schlechte Vitamin D- und Eisenversorgung (30). Eine besonders schwer ausge- prägte Wachstumsstörung zeigte sich bei Kindern aus makrobiotischen Le- bensgemeinschaften mit fast aus- schließlich pflanzlicher Ernährung;

ein erschreckend hoher Anteil (zwi- schen 28 und 55 Prozent) hatte im er- sten bis zweiten Lebensjahr auch kli- nische Rachitiszeichen (7).

Fördert Fleischverzehr das Kolonkarzinomrisiko?

Das in den westlichen Ländern zu den häufigsten bösartigen Erkran- kungen zählende Kolonkarzinom (24)

wird von der Ernährungsweise beein- flußt. Zahlreiche Studien zeigen eine protektive Wirkung einer hohen Bal- laststoffzufuhr sowie eines regelmäßi- gen Verzehrs von frischem Obst und Gemüse. Ein hoher Fettverzehr wird dagegen mit einer erhöhten Inzidenz assoziiert (1). Epidemiologische Un- tersuchungen bei Frauen in den USA fanden bei täglichem Verzehr von Rind-, Schweine- oder Lammfleisch ein 2,5fach höheres Kolonkarzinomri- siko als bei Frauen, die diese Fleisch- sorten weniger als einmal monatlich verzehrten (35). Aus dieser Assoziati- on kann jedoch keine Kausalität im Sinne einer karzinogenen Wirkung des Fleischkonsums gefolgert werden, da bei seltenem Fleischverzehr die Zufuhr von protektiv wirkendem Gemüse und Ballaststoffen deutlich höher ist. Gegen eine monokausale Rolle des Fleischkonsums spricht 2 500

2 000

1 500

1 000

500

0

Entwicklungsindex (PDI)

Getreide

(Bran Flakes) Rindfleisch

P<0.01 Grafik 4

Resorbierte Zinkmenge (µg) nach Zufuhr von jeweils 4 mg Zink mit Getreide (Frühstückscerealien) oder Rindfleisch bei acht gesunden Erwachsenen (36).

Abbildung 1: Schwere frontal und frontoparietal be- tonte Hirnatrophie im Kernspintomogram bei einem 14 Monate alten Säugling mit Vitamin-B12-Mangel durch Fehlernährung. Bei Aufnahme komatös ohne Kontaktaufnahme, schrilles Schreien, seltener Lid- schlag, Muskelhypotonie. Die Mutter hatte sich seit sechs Jahren rein pflanzlich (veganisch) ernährt und wies einen subklinischen Vitamin-B12-Mangel auf, ihr Kind stillte sie über acht Monate lang mit ihrer sehr Vitamin-B12-armen Milch voll und fütterte da- nach zusätzlich geringe Mengen pflanzlicher Beikost (nach 29).

Resorbiertes Zink (mg)

(5)

auch, daß das Kolonkarzinomrisiko bei Frauen mit häufigem Verzehr von magerem Geflügel (fünf- bis sechs- mal/Woche) nur halb so groß war als bei seltenem Geflügelkonsum (weni- ger als einmal/Monat) (35). Auch eine niederländische Fall-Kontroll-Studie zeigte bei Männern keine Assoziation zwischen dem Frischfleischverzehr und dem Auftreten eines Kolonkarzi- noms (17). Eine australische Fall- Kontroll-Studie fand bei Frauen kei- nen Zusammenhang zwischen Rind- fleischverzehr und kolorektalem Kar- zinom, während bei Männern das re- lative Risiko einer Kolonkarzinomer- krankung in der Quintile mit dem höchsten Rindfleischverzehr 2,1mal höher lag als in der ersten Quintile.

Ein hoher Verzehr an Schweinefleisch und an Fisch war dagegen mit einem erniedrigtem Risiko assoziiert (20).

Eine prospektive Kohortenstudie bei 120 852 amerikanischen Männern und Frauen im Alter zwischen 55 und 69 Jahren zeigte keine Assoziation zwischen Frischfleischverzehr und Ko- lonkrebs. Ein erhöhtes Risiko ergab sich jedoch bei gehäuftem Verzehr von Fleischfertigprodukten, die mit Rauch, Nitritpökelsalz und anderen Zusatzstoffen haltbar gemacht wur- den. Als Ursache für diese Assoziation diskutieren die Autoren den geringe- ren Verzehr von Gemüsen bei Perso- nen mit hohem Verbrauch an Fertig- produkten (14). Die vorliegenden Er- gebnisse sprechen insgesamt für eine deutliche Minderung des Kolonkarzi- nomrisikos durch eine ballaststoff- und gemüsereiche Kost, während der maßvolle Verzehr von Fleisch nicht als eigenständiger Risikofaktor angese- hen werden kann. Allerdings erscheint es sinnvoll, gepökelte und geräucherte sowie sehr fette Fleischwaren nur in begrenztem Maße zu konsumieren, da hier eine Risikoerhöhung nicht ausge- schlossen werden kann.

Problem Fettverzehr

Eine zu kalorien- und fettreiche Ernährung, mit hoher Zufuhr insbe- sondere an gesättigten Fetten, ist in den Industrieländern einer der we- sentlichen Kausalfaktoren für Über- gewicht und Hyperlipoproteinämien und fördert die frühzeitige Entwick-

lung koronarer Herzerkrankungen.

Eine an Kalorien und gesättigten Fet- ten ärmere Ernährungsweise erfor- dert jedoch nicht den völligen Ver- zicht auf Fleisch. Vielmehr sollten fet- te Fleischwaren gegen magere ausge- tauscht werden, zumal letztere einen weitaus höheren Gehalt ernährungs-

physiologisch wichtiger Nährstoffe aufweisen (13). Außerdem ist eine ho- he Fettzufuhr mit Fleischmahlzeiten meist weniger durch das Fleisch als durch fette Soßen, Beilagen und Zu- bereitungsarten bedingt. Tatsächlich zeigten Auswertungen von Ernäh- rungserhebungen bei 504 Teilneh- Tabelle 3

Kolonkarzinomrisiko in Abhängigkeit vom Verzehr pflanzlicher und tierischer Lebensmittel

Quartilen: Q1 Q2 Q3 Q4 Signifikanz

(niedrigster (höchster)

Verzehr) Verzehr)

Gemüse 1,0 0,73 0,53 0,4 p=0,0004

Rotes Fleisch 1,0 0,8 0,91 1,11 n.s.

Geflügel 1,0 1 1,04 0,79 n.s.

Fisch 1,0 0,73 0,85 1,13 n.s.

Milchprodukte 1,0 0,88 0,77 1,27 n.s.

(Verzehrshäufigkeit ausgedrückt in Quartilen bei 232 Kolonkarzinompatienten und 259 ge- sunden Kontrollen). Ein Zusammenhang besteht nur zum offenbar stark protektiv wirksa- men Gemüseverzehr (17).

14

12

10

8

6

4

2

0

0 3 6 9 12 15 18 Gewicht in kg

Alter in Monaten

Gestillt Abgestillt, vegetarische Breikost Gemischte Kost

Grafik 5

Schwere kindliche Malnutrition durch Fehlernährung. Der primär gesunde Säugling zeigte während der Still- periode im ersten Lebenshalbjahr ein normales, perzentilenparalleles Gedeihen. Nach dem Abstillen erhielt das Kind eine rein vegetarische, überwiegend auf Getreide basierende Breikost mit hohem Anteil an Frisch- kornbreien, das Gewicht nahm über 8 Monate nicht zu und blieb weit hinter dem normalen Perzentilenverlauf zurück, das Kind entwickelte eine schwere Protein-Energie-Malnutrition. Das uns zu diesem Zeitpunkt mit Ver- dacht auf Malabsorption vorgestellte Kind zeigte nach Gabe einer gemischten Kost ohne weitere Maßnahmen eine normale Entwicklung mit raschem Aufholwachstum.

(6)

mern an der Bogalusa-Herz-Studie im Alter zwischen 19 und 28 Jahren kei- nerlei Zusammenhang zwischen Art und Menge des Fleischverzehrs und Indikatoren des Atheroskleroserisi- kos (26). Deshalb ist nicht ein Ver- zicht auf Fleisch anzuraten, sondern eine bevorzugte Auswahl magerer Fleischwaren und Zubereitungsfor- men, bei denen Fette sparsam und be- vorzugt aus pflanzlicher Herkunft (zum Beispiel Oliven- und Rapsöle) eingesetzt werden sollten.

Schlußfolgerungen

Eine physiologisch hochwertige Ernährung ist auch ohne Fleisch mög- lich, wenn Milch, Milchprodukte und Eier verzehrt werden. Für eine ausge- wogene fleischlose Ernährung sind jedoch ein hoher Kenntnisstand und eine sehr bewußte Lebensmittelaus- wahl erforderlich, so daß sie für die gesamte Bevölkerung nicht empfoh- len werden kann. Für einige Bevölke-

rungsgruppen, insbesondere men- struierende Frauen, Säuglinge und Kinder, Leistungssportler und Senio- ren ist Fleischverzehr für eine ad- äquate Substratversorgung sehr wert- voll und kaum verzichtbar, wenn nicht mit Eisen-, Zink- und längerfri- stig mit Vitamin-B12-Präparaten sup- plementiert werden soll. Aufgrund der hohen Gehalte an biologisch hochwertigem Eiweiß, gut resorbier- barem Eisen und Zink, Vitamin B6, B12und bei Schweinefleisch auch B1 wird ein mäßiger Fleischverzehr (zwei bis dreimal wöchentlich etwa 120 bis 150 g Fleisch) als Teil einer ge- mischten, an Gemüse, Frischobst, Vollkornprodukten und Ballaststof- fen reichen Ernährung empfohlen.

Da Schweinefleisch besonders reich an Vitamin B1 ist und Rindfleisch höhere Gehalte an gut resorbierba- rem Eisen und Zink aufweist, er- scheint ein wechselnder Verzehr von Rind- und Schweinefleisch, aber auch Geflügel- und Lammfleisch empfeh- lenswert. Ein zu hoher Fleischkon-

sum ist nicht von Vorteil, es besteht, abhängig von der Art der verzehrten Fleischwaren, vielmehr das Risiko ei- ner hohen Cholesterin-, Purin- und Fettzufuhr. Für die Zubereitung von Fleisch, Soßen und Beilagen sollten fettarme Rezepturen und die Ver- wendung ungesättigter pflanzlicher Fette bevorzugt werden.

Zitierweise dieses Beitrags:

Dt Ärztebl 1998; 95: A-606–611 [Heft 11]

Die Zahlen in Klammern beziehen sich auf das Literaturverzeichnis, das über den Son- derdruck beim Verfasser und über die Inter- netseiten (unter http://www.aerzteblatt.de) erhältlich ist.

Anschrift für die Verfasser

Prof. Dr. med. Berthold Koletzko Kinderpoliklinik

Klinikum Innenstadt der

Ludwig-Maximilians-Universität Pettenkofer-Straße 8a

80336 München

Sodbrennen ist das klassische Leitsymptom einer Refluxkrankheit der Speiseröhre; die endoskopische Diagnostik entscheidet häufig über das weitere Prozedere, je nach- dem ob erosive und/oder ulzeröse Schleimhautdefekte vorliegen oder nicht.

Im letztgenannten Fall wird man dann von einer Refluxkrankheit aus- gehen dürfen, wenn die 24-Stunden- pH-Metrie einen pathologischen Re- flux dokumentieren läßt. Die Auto-

ren weisen darauf hin, daß es eine Reihe von Patienten gibt, die einen eindeutig positiven Symptomindex bieten, bei denen jedoch sowohl die pH-Metrie wie die Endoskopie einen unauffälligen Befund ergeben. Hier kann man von einem sensitiven Öso- phagus sprechen, der sicher zum Spektrum der gastroösophagealen Refluxkrankheiten gehört und etwa 10 bis 15 Prozent der Patienten um- faßt. Eine entsprechende Therapie- studie hat gezeigt, daß unter der Ga-

be von 20 mg Omeprazol 11 von 18 Patienten ihr Sodbrennen verloren haben, so daß dieses Patientenkol- lektiv sicher zum Spektrum der ga- stroösophagealen Refluxkrankheit

gehört. w

Watson RGP, Tham TCK, Johnston BT, McDougall NI: Double blind cross-over placebo controlled study of omeprazole in the treatment of patients with reflux symptoms and physiological levels of acid reflux – the “sensitive oesophagus“, Gut 1997; 40: 587–590.

Department of Medicine, Institut of Clinical Science, The Queen’s University, Grosvenor Road, Belfast BT 12 6 BJ, Großbritannien.

Therapie des „sensitiven Ösophagus“

Von verschiedenen Arbeitsgrup- pen liegen zwischenzeitlich Berichte über eine drastisch gesenkte Ulkusre- zidivrate nach H.-pylori-Eradikati- onstherapie vor. Während bei H.-pylo- ri-positiven Patienten innerhalb eines Jahres in 60 bis 80 Prozent ein Ulcus- duodeni-Rezidiv beobachtet wird, liegt dieses bei Patienten, die durch ei- ne antibiotische Behandlung keimfrei

gemacht wurden, unter drei Prozent.

Die Autoren aus München berichten über Langzeitdaten von 175 Patienten, von denen 44 Patienten nach einem Jahr, 113 nach zwei Jahren und 18 nach fünf Jahren nachuntersucht wurden.

Bei sechs der acht Patienten mit ei- ner Helicobacter-pylori-Reinfektion kam es zum Ulkusrezidiv, die Rein- fektionsrate lag somit bei 2,2 Prozent.

Die durchschnittliche Nachbeobach- tungszeit lag bei 24,7 Monaten bei 360 Patientenjahren follow-up. Innerhalb der ersten beiden Jahre betrug die Re- infektionsrate 0,8 Prozent pro Jahr. w Miehlke S, Lehn N, Meining A, Bäst- lein E, Mannes GA, Stolte M, Bayer- dörffer E: Helicobacter pylori reinfec- tion is rare in peptic ulcer patientes cured by antimicrobial therapy. Europ J Gastroenterol and Hepatol 1996; 8:

1161–1163.

Abteilung für Gastroenterologie, Hepa- tologie und Infektionskrankheiten, Ot- to-von-Guericke-Universität, Leipziger Straße 44, 39120 Magdeburg.

Ulkusrezidivrate nach Helicobacter-pylori-

Therapie unter ein Prozent

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