Spektrum der Woche Aufsätze -Notizen
BRIEFE AN DIE REDAKTION
schrift machte es vor 20 Jahren möglich, daß die von ihr abge- druckte Arbeit „Die kassenärztli- che Versorgung im Regierungsbe- zirk Schwaben" einer sehr großen Anzahl von Behörden und Perso- nen, bei denen man ein gewisses Interesse hätte vermuten können
— auch Abgeordneten und Mini- sterien — zugänglich gemacht werden konnte. Die Resonanz ging über ein gewisses Bedauern nicht hinaus. Es ist also ausgesprochen schwierig zu denken, daß die Ärz- te, deren Arbeitswillen man vor 20 Jahren nicht verstehen wollte, heu- te auf den Pfiff reagieren würden.
Dr. med. Karl-Franz Veit 4 Düsseldorf
Frankenstraße 5
PROBLEMBEWUSST
Ein haariges Problem spricht unsere Leser an:
Hygiene mangelhaft
In Heft 7/1974 des DEUTSCHEN ÄRZTEBLATTES zeigen Sie als Ti- telbild den Hausbesuch mit Stu- denten als Vorbild für die Ausbil- dung zur Allgemeinmedizin. Ein sehr positives Anliegen! Aber: ent- spricht es den heutigen hygieni- schen Fortschritten der Medizin und der Ärzteschaft, wenn im Kran- kenzimmer ein langmähniger Stu- dent mit herumhängenden Haaren gezeigt wird? In jedem sauberen Gasthaus muß jedes Küchenmäd- chen oder Kochlehrling die Haare zusammengerafft tragen, damit der Gast kein Haar in der Suppe „fin- det", und wieviel mehr dürfte der- artige einfachste Hygiene als Vor- aussetzung im ärztlichen Beruf selbstverständlich sein! Ich gestat- te mir, Sie auf diesen obigen Ein- druck aufmerksam zu machen. Ich war 50 Jahre selbständiger Medi- cus, davon ein Drittel Land- und Kleinstadtarzt, später operierender Facharzt, daher meine Beurteilung.
Dr. med. Butting 85 Nürnberg Bülowstraße 45
ERGÄNZUNG
Zu dem Beitrag von Prof. Dr. Hans Schadewaldt: „Spezialisten zwischen Mensch und Wissenschaft" in Heft 6/
1974
Lobte Erasmus von Rotterdam die Ärzte?
In dem Beitrag wird ausgeführt daß Erasmus von Rotterdam die Ärzte in seiner „Declamatio in lau- dem artis medicinae" 1510 den Arzt als Hüter der Gesundheit und als Retter der Kranken gefeiert habe. „Solchen Eulogien standen etwa die Invektiven eines Petrarca gegenüber." Nun, Erasmus hat als eloquenter Humanist im Stile sei- ner Zeit — so kennen wir zum Bei- spiel von dem als Arztsohn 1433 in Florenz geborenen Neuplatoniker Marsilius Ficinus eine „Oratio de laubidus medicinae", und Erasmus' Zeitgenosse Melanchthon hat etwa 19 ähnliche Reden gehalten — die medizinische Kunst gepriesen, aber — wie wir aus seinen Briefen wissen — die Ärzte ebensowenig gemocht wie Petrarca!
In meiner Doktorarbeit „Die Rede Philipp Melanchthons gegen das Kurpfuschertum seiner Zeit" (Hip- pokrates 33/34/1940) schrieb ich:
„Erasmus hat gefürchtet, die Ärzte könnten ihn mit ihren Arznei- en vergiften, und er rät auch einem kranken Freunde, nur ja keine Me- dizinen zu nehmen. Er selbst zöge Ärzte, die er Henker und Harpyien nennt, nur zu Rate, wenn er sei- nes Lebens überdrüssig sei, und manchmal hätte die Natur gehol- fen, wenn nicht ein Arzt dazwi- schen gekommen wäre. Es seien genug Todesfälle wegen der Dummheit der Ärzte eingetreten.
Die Ärzte hätten das Studium ihrer Kunst erschwert, um größeren Ge- winn daraus zu ziehen. Hat aber einmal ein Arzt geholfen, so war es nicht der Arzt, der die Hilfe brach- te, sondern des kranken Erasmus Gebet zur HI. Genoveva und zu Paulus!" (vgl. Ludwig Enthoven,
„Lob der Heilkunst" ein Vortrag des Desiderius Erasmus von Rot- terdamm, Straßburg 1907).
Erasmus war zeitlebens ein ängst- lich um seine Gesundheit besorg- ter Hypochonder. In akademischen Huldigungen pries er die Heilkunst, aber die Ärzte mochte er nicht.
Charakteristisch für Melanchthons Einstellung zu den Ärzten ist eine ganz andere, er weist in seiner Rede „De dignitate artis medicae"
mit Nachdruck auf die Bibelstelle (Sirach, Kap. 38) hin: „Ehre den Arzt mit gebührlicher Verehrung, daß du ihn habest zur Not; denn der Herr hat ihn geschaffen, und die Arznei kommt von dem Höch- sten, und Könige ehren ihn."
1536 hat Luther im Verlauf eines Gesprächs mit Kreide auf eine Tischplatte geschrieben: „Res et verba Philippus, verba sine re Erasmus, res sine verbis Lutherus, nec rem nec verba Carolostadius."
Der mit den Realitäten und den Worten vertraute Philippus ist Me- lanchthon, der Schönredner ohne Realitäten Erasmus, und der genia- le Sprachschöpfer Luther urteilt über sich selbst bescheiden, daß er zwar mit den Realitäten nicht mit den Worten und der religiöse Schwärmer Karlstadt weder mit den einen noch mit den anderen gewirkt habe.
Dr. Hellmut Kramm Medizinaldirektor der
Landesversicherungsanstalt Obb.
8 München 2, Maistraße 43-47
ZITAT
Wir müssen uns von den Ein- flüssen des Computers so weit befreien, wie es uns als Menschen gegen eine von uns geschaffene Maschine möglich ist. Es gibt neben dem heute vielfach propa- gierten Umweltschutz auch einen Schutz der geistigen Umwelt. Der Computer ist unser Sklave und nicht um- gekehrt. (Prof. Dr. H. Florian, T. H. Graz, in der Österreichi- schen Ärztezeitung)