Spektrum der Woche Aufsätze • Notizen BRIEFE AN DIE REDAKTION
ARZNEIMITTEL
Zu dem Beitrag „Zur Absicht des Gesetz- gebers" von Hugo Hammans MdB im DEUTSCHEN ÄRZTEBLATT, Heft 44/
1978
So nicht!
... Persönlich gehörte ich als Arzt für Allgemeinmedizin mit der Zu- satzbezeichnung „Homöopathie" zu den Sachverständigen, die vom Bundestagsausschuß für Jugend, Familie und Gesundheit zur Anhö- rung am Mittwoch, dem 23. April 1975, eingeladen waren. Seitdem und insbesondere nach Vorliegen der Ergebnisse dieser Anhörung ist mir bewußt geworden, daß diese
„Anhörung" eine Farce war, um ei- ner Sache ein demokratisches Män- telchen umzuhängen. Im Protokoll der 1. Anhörung steht auf Seite 13:
„Ich unterstreiche das Wort ‚Anhö- rung'. Das heißt: keine Diskussion weder unter den Herren Sachver- ständigen noch zwischen den Abge- ordneten des Deutschen Bundesta- ges. Wir hören an." Fangen wir— wie Herr Hammans— mit dem „Wirksam- keitsnachweis" an. Für die Begriffe Wirkung, Wirksamkeit, therapeuti- sche Wirksamkeit lagen Definitionen von Herrn Professor Bock, von Herrn Professor Fülgraff und ande- ren vor. Wenn im Arzneimittelgesetz (= AMG) diese Begriffe nicht defi- niert sind, so sind dafür nicht die Sachverständigen, sondern die Ab- geordneten des Deutschen Bundes- tages verantwortlich! Daß Alt-Arz- neimittel und nach dem Inkrafttreten des AMG neu in den Verkehr kom- mende Arzneimittel (= AM) unter- schiedlich zu behandeln seien, darin waren sich alle einig. Herr Hammans unterschlägt in seinem Aufsatz, daß bereits im ersten „Referentenent- wurf eines Gesetzes zur Neuord- nung des Arzneimittelrechts" vom 12. Dezember 1973 gemäß § 20 für
„bereits ausgewertete AM, die hin- reichend erprobt worden sind" an- stelle der „pharmakologisch-toxiko- logischen Versuche" und der „klini- schen Prüfung" „anderes wissen- schaftliches Erkenntnismaterial"
vorgelegt werden konnte. Und im
§ 22 steht: „Als wissenschaftliches Erkenntnismaterial gilt auch das
nach statistischen Prinzipien aufbe- reitete medizinische Erfahrungsma- terial." Herr Dr. Hammans übersieht, daß die heutige Statistik eine von erkannten Fehlern bereinigte Form der „ärztlichen Erfahrung" darstellt.
Herr Dr. Hammans übergeht die Tat- sache, daß sich alle Verbände für biologische Therapieformen bereits 1971 beim BGA damit einverstanden erklärten, für die von ihnen ange- wandten AM einen Wirksamkeits- nachweis zu führen, „wenn die ge- forderten Nachweise diesen AM adäquat und praktikabel sind." (Ver- gleiche Protokoll der 2. Anhörung, Dr. Wünstel, Seite 65). Ebenso über- geht Herr Dr. Hammans die Tatsa- che, daß es bereits Versuche gibt, die den Nachweis für eine therapeu- tische Wirksamkeit homöopathi- scher AM erbringen, u. a. von Herrn Dr. Mössinger, von mir und Tierver- suche von dem homöopathischen Tierarzt Herrn Dr. Wolter. Wenn man den Ausführungen von Herrn Dr.
Hammans über die Wirksamkeit von AM folgt, dann ergibt sich logischer- weise,
1. daß das ganze AMG überflüssig ist, da nicht realisierbar ;
2. daß es kaum eine Therapieform gibt, die gelehrt werden kann ; 3. daß die Haftung für AM-Schäden durch AM-Firmen einen Betrug an diesen Firmen darstellt.
Wenn ich keine Wirksamkeit nach- weisen kann, dann kann ich auch keinen Arzneimittelschaden nach- weisen.
Die von Herrn Dr. Hammans aufge- stellte Behauptung, daß „niemand belegen konnte, wo und wann durch Anwendung ‚unwirksamer' AM Schäden tatsächlich eingetreten sein sollten", ist schlicht und ein- fach falsch. Diese Behauptung zeigt deutlich, wie oberflächlich und ein- seitig sich Herr Dr. Hammans mit der Materie befaßt hat und wie wenig er der zweimaligen Anhörung über- haupt gefolgt ist. Sowohl bei der er- sten als auch bei der zweiten Anhö- rung habe ich auf ein Urteil des BGH hingewiesen, in dem solche Fälle mit tödlichem Ausgang Gegenstand
der Verhandlung waren. (Vergleiche hierzu: 2. Anhörung, Dr. Wünstel, Seite 86; Urteil des BGH vom 30.
September 1955 — Az. 2 StR 206/55) Dr. med. Georg Wünstel
Arzt für Allgemeinmedizin
— Naturheilverfahren — Homöopathie Schlesische Straße 8
6500 Mainz 1
PHARMAKOLOGISCHES
Zu der Stellungnahme von Prof. Sewing in Heft 2/1979, Seite 103 f.:
Tierversuch
Herr Sewing fragt mich, ob ich es verantworten wolle, bei der Arznei- mittelprüfung auf den Tierversuch zu verzichten. Für einen generellen Verzicht habe ich nie plädiert, und auch aus meiner Kritik am Tierver- such als Vorhersagemodell für den Menschen läßt sich eine solche For- derung nicht ableiten. Mir geht es vielmehr darum, zu zeigen, daß der- jenige, der für die Arzneimittelprü- fung den Tierversuch als notwendig und wissenschaftlich legitim an- sieht, damit zugleich die wissen- schaftliche Legitimität nicht-statisti- scher, auf Erfahrung und Urteilsfä- higkeit beruhender Vorhersagen an- erkennt. Dieser Konsequenz kann man auch nicht dadurch entgehen, daß man die Vorhersageproblematik ausklammert und den Tierversuch auf die Ermittlung von pharmakolo- gischen Effekten zum Zweck einer pharmakodynamischen Klassifika- tion beschränkt. Das mag für die pharmakologische Forschung ange- hen; für die Arzneimittelprüfung aber schreibt das neue Arzneimittel- gesetz (§ 40 und 41) eine Vorhersa- ge für den Menschen zwingend vor, bevor eine Substanz zur klinischen Prüfung zugelassen wird. Allerdings bin ich der Meinung, daß irrationale und schematische Bestimmungen über Tierversuche nach Art der Prüf- richtlinie vom 11. Juni 1971, die z. B.
für subakute und chronische Toxizi- tätsprüfungen „zwei Arten von Säu- getieren, wovon eines kein Nagetier sein darf", vorschreibt, durch flexi- blere Verfahren ersetzt werden soll-
DEUTSCHES ÄRZTEBLATT Heft 10 vom 8. März 1979 665
Spektrum der Woche Aufsätze • Notizen Briefe an die Redaktion
ten, bei denen Notwendigkeit und Art der Tierversuche im Einzelfall zu begründen sind.
Prof. Dr. med. Herbert Hensel Institut für Physiologie der Universität Marburg Deutschhausstraße 2 3550 Marburg
Gegendarstellung
Herr Prof. Sewing hat auf Seite 104 von Heft 2 (1979) des DEUTSCHEN ÄRZTEBLATTES mitgeteilt, daß er
„entgegen der Äußerung von Bütt- ner" unter den Herausgebern des Buches „Biologische Medizin — Grundlagen ihrer Wirksamkeit"
(Heidelberg 1977) keine Pharmako- logen habe entdecken können. Ei- ner der Mitherausgeber ist jedoch Prof. Dr. med. G. Orzechowski ge- wesen, der Pharmakologe und Inter- nist war.
Dr. med. Gottfried Büttner Feldbergstraße 6
3500 Kassel-Wilhelmshöhe Professor Orzechowski ist nach Auskunft der Firma Madaus, deren wissenschaftli- cher Berater er war, im Juli 1977 verstor- ben. Die Red.
GEWERKSCHAFTSSTRATEGIE
Eine Kreditwerbung der Bank für Ge- meinwirtschaft regte den Verfasser zu folgender, auszugsweise wiedergegebe- ner Antwort an die Bank an:
Schizophren oder nicht?
... Ich finde es besonders interes- sant, daß ausgerechnet Sie als ge- werkschaftseigene Bank versuchen, Ärzte in freier Praxis zu weiteren In- vestitionen zu ermuntern, nachdem alle Ihre übrigen Gewerkschaftsor- ganisationen, angefangen vom WM bis über Ihre Bundeskongresse von der Substanz her, allenfalls durch Lippenbekenntnis verbrämt, in der Forderung einig sind, die ambulante Krankenversorgung in ihrer derzeiti- gen kapital- und personalintensiven Ausrüstung als ausbeuterisch, un-
qualifiziert und ähnliches hinzustel- len. Daß es Ihnen mit dieser Zielset- zung ernst ist und Sie hierin auch bereits beachtliche Erfolge erzielt haben, beweist das Krankenversi-
cheru ngs-Kostendäm pfu ngsgesetz.
... Da ich Ihnen als Gewerkschafts- organisation durchaus zugestehe, daß Sie versuchen, über den Tages- ablauf hinaus zu denken, wobei ich allerdings mit Ihren Zielvorstellun- gen keineswegs übereinstimme, möchte ich annehmen, daß es sich hier um eine konzentrierte und zwei- felsohne sehr raffiniert angelegte Doppelstrategie insofern handelt, als Ihnen auf der einen Seite klar bewußt sein muß, daß der Investi- tionsspielraum für ärztliche Praxen deutlich geringer wird, auf der ande- ren Seite die Kollegen von Ihnen heute zu Dingen ermuntert werden, von denen auch nicht andeutungs- weise abzusehen ist, ob sie über die von Ihnen angebotene Laufzeit von 12 Jahren oder auch nur 5 Jahren überhaupt noch realisierbar sind.
Ich bin fest davon überzeugt, daß Sie diese Absichten voll bestreiten werden, daß auch das Argument kommen wird, an einer Vernichtung der derzeitigen ambulanten Versor- gungen sei Ihnen gar nicht gelegen, im Gegenteil, Sie hielten sie für aus- gezeichnet und wollten sie auch für die Zukunft erhalten, aber Ihre bis- herigen Taten und die klar erkenn- baren Tatsachen für die Zukunft strafen dies eindeutig Lügen. Ich halte es sogar für durchaus denkbar, daß hier einerseits Insolvenzen pro- voziert werden, die im Zusammen- hang mit der zu erwartenden Nieder- lassungswelle an jungen Ärzten an- dererseits, durchaus einen von Ih- nen gewünschten Chorgesang nach Verstaatlichung der Medizin laut werden lassen wird. Nur unter dieser Betrachtungsweise kann ich Ihr An- gebot als nichtschizophren anse- hen, sollten Sie es anders betrach- ten, müßte ich Ihr Verhalten als schi- zophren ansehen: nämlich auf der einen Seite versuchen, an einem Be- rufsstand durch Kredithergabe Iegi- timerweise Geld zu verdienen, und auf der anderen Seite diesen Berufs- stand wirtschaftlich zu vernichten.
Dies ist das Ergebnis der von Ihnen
vorgeschlagenen Angebotsprüfung auf Herz und Nieren.
N. b. Investitionskosten für ärztliche Praxen englischen Musters, d. h. al- so sozialistischen Musters, liegen in der Höhe des Bruchteiles eines Mo- natsgehaltes einer Ihrer leitenden Angestellten, nämlich 3 Kartei- schränke ä 300,— DM, ein Schreib- tisch ä 500,— DM, ein Stethoskop zu etwa 50,— DM sowie ein Blutdruck- gerät zu etwa 200,— DM. Kugel- schreiber und ähnliches Schreibge- rät wird dann sicherlich von Ihnen noch als Werbegeschenk obendrauf gegeben, da Kredite und Finanzie- rungskosten nicht mehr erforderlich sind.
Dr. med. Franz Rudolf Centner Fleischstraße 10
5500 Trier
AUSBILDUNG
Zu den Beiträgen, die unter dem Gene- raltitel „Ausbildungsziel ‚Arzt' " in Heft 2 (1979) erschienen sind.
Anleitung danach
Allen Bemühungen zum Trotz wird es doch auch in Zukunft ausge- schlossen sein, daß „mit Erteilung der Approbation die Befähigung, ärztlich tätig zu werden, tatsächlich gegeben ist". Zumindest gilt dies für eine ärztliche Tätigkeit, die selbstän- dig und selbstverantwortlich ausge- führt wird. Immer hatte auch der ap- probierte Arzt noch eine Lehrzeit durchzumachen, die als „Weiterbil- dung" entweder in die Fähigkeit zur Ausübung einer Allgemeinpraxis oder in die Fähigkeit zu der Aus- übung einer Spezialpraxis einmün- dete. Auch noch so umständliche Definitionen von Ausbildungszielen können nicht daran vorbeigehen, daß der Studienzeit und der Appro- bation eine mehrjährige Tätigkeit unter Anleitung folgen muß.
Prof. Dr. med. Peter Stoll Direktor der
Un iversitäts-Frauenkl in i k Klinikum Mannheim 6800 Mannheim
666 Heft 10 vom 8. März 1979 DEUTSCHES ÄRZTEBLATT